Briefe aus dem Gefängnis - Rosa Luxemburg - E-Book + Hörbuch

Briefe aus dem Gefängnis E-Book und Hörbuch

Rosa Luxemburg

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Beschreibung

Rosa Luxemburg 1871-1919 war einflussreiche Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung, des Marxismus, Antimilitarismus und „Proletarischen Internationalismus“, wirkte insbesondere in der polnischen und deutschen Sozialdemokratie und gründete zu Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 die „Gruppe Internationale“. Zusammen mit Karl Liebknecht leitete sie den Spartakusbund. Als Autorin verfasste sie zeitkritische Aufsätze und ökonomische Analysen, unter anderem in der Leipziger Volkszeitung. Sie war Herausgeberin der Zeitung Die Rote Fahne und gründete Anfang 1919 die KPD. Nach der Niederschlagung des Spartakusaufstandes wurde sie zusammen mit Karl Liebknecht von Angehörigen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division ermordet. Dieses Werk offenbart die Briefe aus dem Gefängnis in der Zeit vor ihrer Hinrichtung.

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Seitenzahl: 66

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Zeit:1 Std. 34 min

Sprecher:Mirjam Morlok

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Rosa Luxemburg

    Briefe aus dem Gefängnis

Inhaltsverzeichnis
Briefe aus dem Gefängnis
Leipzig, 7. Juli 1916
Berlin, 5. August 1916
Wronke, 24. August 1916
Wronke, 21. November 1916
Wronke, 15. Januar 1917
Wronke, 18. Februar 1917
Wronke, 19. April 1917
Wronke, 2. Mai 1917
Wronke. 19. Mai 1917
Wronke, 23. Mai 1917
Wronke, Ende Mai 1917
Wronke, 1. Juni 1917
Wronke, 20. Juli 1917
Breslau, 2. August 1917
Mitte November 1917
Breslau, 24. November 19l7
Breslau. Mitte Dezember 1917
Breslau, den 14.Januar 1918
Breslau, den 24. März 1918
Breslau, 2. Mai 1918

Postkarte.

Leipzig, 7. Juli 1916

Meine liebe kleine Sonja!

Es ist heute eine drückende, feuchte Hitze, wie meist in Leipzig – ich vertrage so schlecht die Luft hier. Ich saß vormittag zwei Stunden in den Anlagen am Teich und las im »Reichen Mann« Die Sache ist brillant. Ein altes Mütterchen setzte sich neben mich, tat einen Blick auf das Titelblatt und lächelte: »Das muß ein feines Buch sein. Ich lese auch gern Bücher«. Bevor ich mich zum Lesen hinsetzte, prüfte ich natürlich die Anlagen auf Bäume und Sträucher hin – alles bekannte Gestalten, was ich mit Befriedigung feststellte. Die Berührung mit Menschen befriedigt mich dagegen immer weniger; ich glaube, ich werde mich doch bald ins Anachoretentum zurückziehen wie der hl. Antonius, aber – sans tentations mehr. Seien Sie heiter und ruhig.

Herzliche Grüße

Rosa

Den Kindern viele Grüße.

Postkarte.

Berlin, 5. August 1916

(Gefängnis in der Barnimstr.)

Meine liebe, kleine Sonja!

Heute, am 5. August, erhalte ich soeben Ihre beiden Briefe zusammen: den vom 11. Juli (!!) und den vom 23. Juli. Sie sehen, die Post zu mir geht länger als nach New York. Inzwischen habe ich auch die Bücher gekriegt, die Sie mir geschickt hatten, und ich danke Ihnen für alles aufs herzlichste. Es tut mir sehr weh, daß ich Sie in Ihrer Lage verlassen mußte; wie gern möchte ich mit Ihnen im Feld wieder ein wenig schlendern oder im Erker in der Küche auf den Sonnenuntergang blicken ... Von Helmi hatte ich eine ausführliche Karte mit der Reisebeschreibung. Vielen, vielen Dank auch für Hölderlin. Aber Sie müssen nicht so mit dem Geld für mich schmeißen, das ist mir eine Pein. Auch für alle guten Sachen und die Wicken herzlichen Dank. Schreiben Sie bald, dann kriege ich es vielleicht noch in diesem Monat. Ich drücke Ihnen fest und warm die Hand. Bleiben Sie tapfer und lassen Sie sich nicht niederdrücken. Ich bin in Gedanken bei Ihnen. Grüßen Sie vielmals Karl und die Kinder.

Ihre Rosa

Pierre Loti ist wunderbar, die anderen habe ich noch nicht gelesen.

Postkarte.

Wronke, 24. August 1916

Liebe Sonitschka, daß ich jetzt nicht bei Ihnen sein kann! Die Sache trifft mich schwer. Aber, bitte, behalten Sie den Kopf oben, manches wird schon anders, als es jetzt aussieht. Jetzt müssen Sie aber fort – irgendwo aufs Land, ins Grüne, wo es schön ist und wo Sie Pflege finden. Es hat keinen Sinn und Zweck, daß Sie jetzt weiter hier sitzen und immer mehr herunterkommen. Bis zur letzten Instanz können wieder Wochen vergehen. Bitte, gehen Sie so bald wie irgend möglich ... Für Karl wird es sicher auch eine Erleichterung sein, wenn er Sie auf Erholung weiß. Tausend Dank für Ihre lieben Zeilen vom 10. und für die guten Gaben. Sicher werden wir nächstes Frühjahr zusammen im Feld und im Botanischen herumstreifen, ich freue mich jetzt schon darauf. Aber jetzt gehen Sie fort von hier, Sonitschka! Können Sie nicht zum Bodensee, damit Sie ein bißchen den Süden spüren!? Bevor Sie gehen, möchte ich Sie unbedingt sehen, machen Sie eine Eingabe in der Kommandantur. Schreiben Sie bald wieder eine Zeile. Bleiben Sie fruhig und heiter trotz alledem! Ich umarme Sie.

R.

Für Karl tausend herzliche Grüße.

Die beiden Karten von Helmi und Bobbi habe ich erhalten und mich sehr gefreut.

Wronke, 21. November 1916

Meine geliebte kleine Sonitschka, ich erfuhr von Mathilde, daß Ihr Bruder gefallen ist, und bin ganz erschüttert von diesem Schlag, der Sie wieder traf. Was müssen Sie alles in der letzten Zeit ertragen! Und ich kann nicht einmal bei Ihnen sein, um Sie ein wenig zu erwärmen und aufzuheitern! ... Auch bin ich unruhig um Ihre Mutter, wie sie dieses neue Leid ertragen wird. Das sind böse Zeiten, und wir haben alle eine lange Verlustliste im Leben zu verzeichnen. Jeder Monat kann jetzt wahrhaftig wie bei Sebastopol für ein Jahr zählen. Hoffentlich kann ich Sie recht bald sehen, ich sehne mich danach von ganzem Herzen. Wie haben Sie die Nachricht von Ihrem Bruder erhalten, durch die Mutter oder direkt? Und was hören Sie von dem anderen Bruder? Ich wollte Ihnen so gern durch die Mathilde etwas schicken, habe aber hier leider gar nichts als das kleine, bunte Tüchlein; lachen Sie's nicht aus; es sollte Ihnen nur sagen, daß ich Sie sehr liebe. Schreiben Sie bald eine Zeile, damit ich sehe, in welcher Verfassung Sie sind. Grüßen Sie tausendmal Karl. Ich umarme Sie herzlichst.

Ihre Rosa

Den Kindern viele Grüße!

Wronke, 15. Januar 1917

... Ach, heute gab es einen Augenblick, da ich's bitter spürte. Der Pfiff der Lokomotive um 3,19 sagte mir, daß Mathilde abdampft, und ich lief gerade wie ein Tier im Käfig den gewohnten »Spaziergang« an meiner Mauer entlang, hin und zurück, und mein Herz krampfte sich zusammen vor Schmerz, daß ich nicht auch fort von hier kann, oh, nur fort von hier! Aber das macht nichts, mein Herz kriegte gleich darauf einen Klaps und mußte kuschen; es ist schon gewöhnt, zu parieren wie ein gut dressierter Hund. Reden wir nicht von mir.

Sonitschka, wissen Sie noch, was wir uns vorgenommen haben, wenn der Krieg vorbei ist? Eine Reise zusammen nach dem Süden. Und wir tun das! Ich weiß, Sie träumen davon, mit mir nach Italien zu gehen, das Ihnen das Höchste ist. Ich plane hingegen, Sie nach Korsika zu schleppen. Das ist noch mehr als Italien. Dort vergißt man Europa, wenigstens das moderne Europa. Denken Sie sich eine breite, heroische Landschaft mit strengen Konturen der Berge und Täler, oben nichts als kahle Felsklumpen von edlem Grau, unten üppige Oliven, Lorbeerkirschen und uralte Kastanienbäume. Und über allem eine vorweltliche Stille – keine Menschenstimme, kein Vogelruf, nur ein Flüßchen schlickert irgendwo zwischen Steinen, oder in der Höhe raunt zwischen Felsklippen der Wind – noch derselbe, der Odysseus' Segel schwellte. Und was Sie an Menschen treffen, stimmt genau zur Landschaft. Plötzlich erscheint z.B. hinter einer Biegung des Bergpfades eine Karawane – die Korsen gehen immer hintereinander in gestreckter Karawane, nicht im Haufen wie unsere Bauern. Vorne läuft gewöhnlich ein Hund, dann schreitet langsam etwa eine Ziege oder ein mit Säcken voller Kastanien beladenes Eselchen, dann folgt ein großes Maultier, auf dem eine Frau im Profil zum Tiere mit gerade herabhängenden Beinen sitzt, ein Kind in den Armen. Sie sitzt hoch aufgerichtet, schlank wie eine Zypresse, unbeweglich, daneben schreitet ein bärtiger Mann in ruhiger, fester Haltung, beide schweigen. Sie würden schwören: es ist die heilige Familie. Und solche Szenen treffen Sie dort auf jeden Schritt. Ich war jedesmal so ergriffen, daß ich unwillkürlich in die Knie sinken wollte, wie ich's immer vor vollendeter Schönheit muß. Dort ist noch die Bibel lebendig und die Antike. Wir müssen hin, und so wie ich's getan: zu Fuß die ganze Insel durchqueren, jede Nacht an einem anderen Ort ruhen, jeden Sonnenaufgang schon im Wandern begrüßen. Lockt Sie das? Ich wäre glücklich, Ihnen diese Welt vorzuführen ...

Lesen Sie viel, Sie müssen auch geistig vorwärtskommen, und Sie können das – Sie sind noch frisch und biegsam. Und nun muß ich schließen. Seien Sie heiter und ruhig an diesem Tage.

Ihre Rosa

Wronke, 18. Februar 1917