Broken Soul - Christina H. W. - E-Book

Broken Soul E-Book

Christina H. W.

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Beschreibung

»Sag mir, kleiner Engel, was macht dir mehr Angst? Das Monster, dass sich hinter einem Lächeln und schöne Worte versteckt, oder das Monster mit dem Blut an seinen Händen?« Alles, was Emma jemals wollte, war die einzig wahre Liebe mit ihrem Gefährten. Stattdessen bekam sie die Hölle auf Erden in Form ihres Ehemannes. Doch egal, wie oft er sie vergewaltigt und verprügelt, Emmas Seele bleibt ungebrochen. Täglich kämpft sie ums Überleben, sucht in dieser dunklen und brutalen Welt einen Funken Licht, der ihr Hoffnung schenkt. Als sich ein Mann namens Dario in ihren goldenen Käfig schleicht und ihr die Freiheit anbietet, sieht sie endlich einen Silberstreif am Horizont. Dabei ahnt sie nicht, dass außerhalb ihres Gefängnisses der nächste brutale Alpha wartet, der sie für sich beanspruchen möchte ... Egal, ob Emma will oder nicht.

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»Es ist der Wille, der mich zu diesem Punkt brachte. Die Hoffnung, die mir Mut gab, der Glaube, der mich weitertrieb, und die Liebe, die mir geschenkt wurde, um weiterzukämpfen und nicht aufzugeben.«

Meine Lieben,

das Warten hat ein Ende. Endlich nehme ich euch mit in die Welt von ›Broken Soul‹.

Doch Vorsicht! So schön sie auch wirkt, lauern zwischen all dem Luxus und dem Glanz überall gefahren – und manchmal kommt alles anders als gedacht.

Deswegen warne ich hiermit all diejenigen, die diese Welt betreten wollen.

Sie kann wunderschön und verführerisch sein, ein Traum, wenn man so will, und doch voller Brutalität und Skrupellosigkeit, denn die Bestien schlafen nie.

Die Monster führen dich an Grenzen, ersticken deine Moral im Keim und kennen keine Gnade.

Es ist ihnen egal, wer du bist und woher du kommst.

Sie zerren dich in ihre unbändige und bestialische Dunkelheit. Weder Empathie noch Gnade kennen sie, und Gewalt ist für sie nichts Neues. Egal, ob physische oder psychische.

Also sei gewarnt, wenn du weiterlesen willst. Es wird brutal, und vieles kann dich triggern.

Von körperlicher Gewalt über Missbrauch bis hin zu seelischem Schmerz und Manipulation ist alles dabei – und das in jeder Form.

Es wird dir zeigen, wie brutal diese Welt sein kann, aber auch, wie mächtig der Glaube an das Gute ist.

Deine Christina

Willkommen in meiner dunklen Welt. Nur keine Angst, ich beiße nicht!

Damit ihr nicht allzu verloren seid und erkennt, welches Übel euch bevorsteht, erkläre ich euch kurz die wichtigsten Begriffe.

Shades

Das sind Wesen, die wie Menschen aussehen, aber ihnen weit überlegen sind. Ihre Sinne sind verstärkt, und sie können sich verwandeln.

Das stärkste Merkmal eines verwandelten Shades ist die schuppenartige Haut, die einem Drachen sehr ähnlich ist. Aber auch diese sieht bei jedem anders aus, genauso wie die Augenfarbe. Je nach Rang und Abstammung besitzen sie spezielle Fähigkeiten.

Wahre Natur

Durch die wahre Natur erlangt jeder Shade seine Fähigkeiten. Sie lebt in ihnen, redet, spürt und steht ihnen bei. Shades können auch ohne eine Verwandlung auf diese Fähigkeiten zugreifen, aber mit der Verwandlung sind sie um einiges stärker.

Krazor

Das sind große, tierähnliche Kreaturen, die von bestimmten Shades herbeigerufen oder beschworen werden können. Sie gehorchen blind und gehen für ihren Meister in den Tod. Jeder Krazor hat eine enge Verbindung mit seinem Shade.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

EMMA

Kapitel 2

EMMA

RYAN

Kapitel 3

EMMA

RYAN

Kapitel 4

EMMA

RYAN

Kapitel 5

EMMA

RYAN

EMMA

Kapitel 6

RYANI

EMMA

Kapitel 7

TARIKK

EMMA

TARIK

Kapitel 8

EMMA

RYAN

Kapitel 9

EMMA

TARIK

Kapitel 10

EMMA

Kapitel 11

RYAN

EMMA

Kapitel 12

TARIK

EMMA

Kapitel 13

RYAN

TARIK

Kapitel 14

EMMA

Kapitel 15

RYAN

Kapitel 16

RYAN

EMMA

Kapitel 17

TARIK

DARIO

Kapitel 18

EMMA

Kapitel 19

TARIK

DARIO

Kapitel 20

EMMA

RYAN

Kapitel 21

DARIO

RYAN

Kapitel 22

EMMA

TARIK

Kapitel 23

EMMA

DARIO

Kapitel 24

RYAN

EMMA

Kapitel 25

DARIO

EMMA

Kapitel 26

RYAN

DARIO

Kapitel 27

TARIK

Epilog

Nachwort

Prolog

Damals

Ein metallischer Geruch lag in der Luft. Blut floss von den geschändeten Körpern hinab und breitete sich immer mehr auf dem kalten Boden aus. So viele leere Augen, die weit aufgerissen waren. Es glich einem Schlachtfeld, und der Täter stand mitten im Raum.

Was hatte ich nur getan? Alles, was ich wollte, war, frei zu sein. Eigene Entscheidungen zu treffen und Fehler zu begehen. Und was hatte ich erreicht? Nichts, rein gar nichts hatte sich auf dieser verfluchen Welt verändert.

Noch immer war ich nichts weiter als eine Marionette der Reichen und Mächtigen.

Das Einzige, was mir blieb, war die Hoffnung, dass es eines Tages besser werden würde. Doch wie viel musste ich noch opfern, um endlich angehört zu werden? Wie viel Blut musste noch fließen, damit die Leere in meiner Brust verschwand?

Wo blieb die Gerechtigkeit zwischen all dem Leid?

Ich erhob mich kopfschüttend, strich meine langen rabenschwarzen Haare zurück und sah in die dunklen Augen, die mich zu all dem verführt hatten. Augen, denen ich vertraut und für die ich alles getan hatte. Aber am Ende war ich wie immer allein – und niemand konnte mich aus dieser Dunkelheit befreien.

Sein Blick wanderte über die vielen Leichen.

»Du hast das Richtige getan.«

Seine raue Stimme ließ mich innehalten. Wie sehr ich ihm vertraut und ihn geliebt hatte.

»Nur so kommen wir unserem Ziel näher.«

Seine Worte hallten noch immer in meinem Kopf wider. Doch mittlerweile fragte ich mich, ob wir dasselbe Ziel hatten oder ob ich nur ein Werkzeug für ihn war, um seines zu erreichen.

Ich spürte, wie er meine Hand mit der seinen verflocht, meine Haare zur Seite strich und mich an sich zog. Langsam legte er seinen Zeigefinger unter mein Kinn und hob es an.

Ohne dass ich es wollte, lief eine Träne über meine Wange, als er seine Lippen auf die meinen senkte und mir einen sanften Kuss schenkte. So sanft, dass ich für einen Moment vergaß, was ich soeben getan hatte. Wie surreal die Situation war.

Um uns herum lagen geschändete Leichen, Blut befleckte die Überreste unserer Kleidung, und doch hielt er mich in seinen Armen und küsste mich, als wäre ich für ihn das Einzige auf der Welt.

»Du weißt, dass es das Richtige war«, sagte er mit dieser verführerischen Stimme, die jedes Mal meine Knie weich werden ließ.

Eine eiskalte Gänsehaut überkam mich, als ich nicht sofort antwortete und er meine langen Haare um seine Faust wickelte. Mit einem Ruck riss er meinen Kopf in den Nacken und hielt mich mit seiner anderen Hand an der Taille fest, damit ich nicht den Boden unter meinen Füßen verlor.

»Ma chérie, zweifelst du etwa an mir?«

Schluckend blickte ich in seine Augen. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ich jetzt am besten gar nichts mehr sagen sollte. Aber alles in mir schrie. Ich wollte nur noch weg, und mein Fluchtinstinkt setzte ein.

Mit meiner freien Hand holte ich aus und rammte ihm meine Faust in die Seite. Kurz blinzelte er. Diese Sekunde der Überraschung nutzte ich, um aus seinem Griff zu entkommen, und trat mehrere Schritte zurück.

Sein Mund verzog sich zu einem diabolischen Lächeln. »Oh, ma chérie, das war ein Fehler.«

Ein ohrenbetäubendes Knurren drang aus seiner Kehle. Seine grauen Augen wurden immer dunkler, bis nur noch endlose Schwärze in ihnen schimmerte.

In diesem Moment war nichts mehr von dem Mann zu sehen, den ich über alles geliebt hatte.

Mit dem ich mir eine Zukunft gewünscht und dem ich vertraut hatte. All das Gute in ihm erlosch.

Alles, was ich jetzt sah, war das Monster, das mich zum Töten gebracht hatte.

Ohne Vorwarnung raste er auf mich zu und packte mich am Hals, schlug mich zu Boden und baute sich über mir auf. Tränen sammelten sich in meinen Augenwinkeln, als ich mich umdrehen wollte und in zwei leere Augen blickte.

»Schau ihn dir an, ma chérie! Das war dein Werk.« Er lachte höhnisch und setzte sich auf meinen Rücken, riss gewaltsam meinen Kopf hoch und drehte ihn zu den Leichen.

Immer mehr Tränen rannen über meine Wangen. Was hatte ich getan?

So viele Tote, so viel Blut. Ich war nicht besser als er.

»Du tust mir weh«, brachte ich stockend hervor, aber er hörte nicht auf. Stattdessen zog er meinen Kopf noch weiter zurück und drückte mit der anderen Hand in meine Rippen.

»Tue ich das, ja?«

Keuchend versuchte ich, von ihm loszukommen, aber es half alles nichts. Mit seinem ganzen Gewicht saß er auf mir und drückte meinen Körper zu Boden.

»Vlad, bitte«, flehte ich.

Knurrend atmete er aus, ehe er von mir stieg und mich zu sich hochzog, meinen Hals packte und meinen Lippen gefährlich näher kam. »Emma, du gehörst mir. Vergiss das niemals.«

Ich wollte nicht weinen, ihm nicht meine Schwäche zeigen, doch es war zu spät. Meine Tränen liefen, und das kurze Gefühl der Stärke verschwand aus meiner Brust.

»Du gehörst mir. Hast du das verstanden?«, brüllte er, als ich nicht reagierte.

Starr vor Angst nickte ich.

»So ist es brav, ma chérie.«

Zufrieden packte er meinen Arm und zerrte mich hinter sich her. Raus aus dieser stickigen Halle und weg von dem Massaker. Doch der Anblick hatte sich tief in meine Seele gebrannt – so wie die Erkenntnis, dass ich Vlad gehörte und nie von ihm loskommen würde.

Er war der Mann, der mich damals gerettet und mich mit seinen Worten eingelullt hatte. Ich war jung gewesen und viel zu naiv, hatte an eine Liebe geglaubt, die alles andere in den Schatten stellte und strahlte wie der hellste Stern in der tiefsten Nacht.

Zu spät hatte ich gemerkt, was für ein Mann Vlad wirklich war. Er hatte mich nicht nur zu seiner Frau gemacht, sondern auch zu seiner Gefährtin. Und das für alle Ewigkeit.

Aber das hatte ihm nicht gereicht. In dieser Nacht hatte er meine wahre Natur geweckt und mir gezeigt, welches Monster tief in mir schlummerte.

Wie hatte ich nur glauben können, dass er anders wäre? Dass ich ihm etwas bedeuten würde? Ich hätte mich am liebsten dafür geohrfeigt, dass ich mich ihm hingegeben und Ja gesagt hatte. Doch jetzt wusste ich es besser. Von Anfang an hatte er nur meine Macht gewollt. Vlad wollte nicht für meine Freiheit kämpfen oder die Leere in meiner Brust füllen. Er war nicht besser als die anderen.

Mit jedem Schritt, den er mich hinter sich herzog, spürte ich, wie mir meine Freiheit immer mehr aus den Fingern glitt, bis sie letztendlich komplett verschwand, als die Tür des Jets geschlossen wurde.

»Wir fliegen nach Chicago zu meinem Schloss. Es wird dir gefallen.«

»Und wenn ich nicht will?«, erwiderte ich, obwohl ich wusste, dass ich keine Wahl hatte.

»Dann wirst du es lernen. Ma chérie, an meiner Seite wird es dir gut gehen, solange du nach meinen Regeln spielst.«

Schluckend sah ich in jene Augen, die mich einst verzaubert hatten. »Das alles war dein Plan, oder? Du wolltest mich niemals befreien und mir das Gefühl der Freiheit schenken.«

Grinsend strich er sich durch seine dunklen Haare. »Du bist schlau. Schlauer, als du aussiehst.« Er seufzt.

»Ja, das alles war mein Plan, und er ist aufgegangen. Das Einzige, das ich tun musste, war, dich in dem Glauben zu lassen, dass wir dasselbe Ziel hätten. Aber keine Angst, ma chérie, ich werde dich nicht töten.«

Eine weitere Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel, als der Jet startete.

Alles war umsonst gewesen. Ich war damals in der Hoffnung auf Besserung geflohen, hatte gedacht, dass Vlad mir helfen würde, die Reichen und Mächtigen zu zerschlagen, und mir die Leere in meiner Brust nehmen würde, aber in Wahrheit gehörte er zu ihnen. Und wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht, was schlimmer war: zu sterben oder an seiner Seite zu blieben.

Denn Vlad war ein Monster und ich sein Spielzeug.

Kapitel 1

EMMA

HEUTE

Tief durchatmend, stand ich an der Spitze der Treppe und sah hinunter. Ich kannte diesen Weg, wusste, wie ich mich verhalten musste, und doch suchte ich meinen Mut. In der Hoffnung, ihn zu finden, strich ich mehrmals über mein Kleid. Aber es half nicht.

So viele Jahre waren vergangen, seit Vlad meine wahre Natur geweckt hatte, und noch immer war ich an seiner Seite gefangen. Immer wieder fragte ich mich, was ich hätte anders machen können, um diesen Ausgang zu verhindern. Doch es brachte nichts, über vergangene Chancen nachzudenken. Vlad würde mich niemals gehen lassen.

Also schüttelte ich diese Gedanken ab und ließ meinen Blick schweifen. Alles glänzte. Der Luxus, in dem ich lebte, war kaum zu übersehen. Allein die Angestellten, die umherhuschten, und die pompöse Dekoration sprachen für sich.

Es war schön, wirklich, und doch spürte ich diese Enge in meiner Brust, als würde mir sämtliche Luft aus der Lunge gepresst werden.

Um Vlad nicht noch länger auf mich warten zu lassen und möglicherweise seinen Zorn auf mich zu ziehen, begann ich den Abstieg – Stufe für Stufe. Unten angekommen, öffnete ich die Tür zum großen Speisesaal und übertrat die Schwelle.

Mein Blick glitt durch den Raum und blieb an dem makellos gedeckten Tisch hängen. Ich zog tief die Luft ein und nahm den süßlichen Duft der Blumen wahr, die darauf standen.

Alles hier sah wunderschön aus. Wenn meine Situation nicht so beschissen gewesen wäre, hätte ich mich in meinem teuren Kleid glatt wie eine Prinzessin gefühlt.

Bei diesem Gedanken musste ich ein Lachen unterdrücken. Wie oft hatte ich mir als Kind gewünscht, dass mich ein Prinz aus meinem tristen Alltag retten würde. Mich in sein Schloss bringen und mich zu seiner Frau machen würde. Doch egal, wie romantisch diese Vorstellung war, die Realität war eine andere.

Es gab keine Prinzen, die Prinzessinnen vor Drachen retteten. Keine Helden, die all das Unheil von einem fernhalten konnten. Zumindest nicht in Wirklichkeit, sondern nur in Geschichten.

Ich wandte mich ab und blickte zu dem Mann, der in einem schwarzen maßgeschneiderten Anzug auf der anderen Seite des Raumes stand. Sein Blick durchbohrte mich, während er einen Zug von seiner Zigarette nahm und den Rauch ausblies.

»Ma chérie, komm zu mir.« Grinsend streckte er seine Hand aus.

Langsam trat ich näher, legte meine Hand in die seine und blickte in jene Augen, die ich mittlerweile abgrundtief hasste.

»Ich hoffe, du hast mich nicht allzu sehr vermisst.«

Um nichts Falsches zu sagen, presste ich meine Lippen aufeinander. Vlad war für eine Woche weg gewesen, und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er ruhig länger wegbleiben können. Zwar stand ich unter ständiger Beobachtung seiner Wachen, doch das war immer noch besser, als seine Nähe ertragen zu müssen.

Beinahe sanft legte er seine Hand an meine Wange, strich mit seinem Daumen darüber. Ich verkrampfte mich, kämpfte gegen meinen Fluchtinstinkt an – und doch gab es diesen einen Moment, in dem ich ihm tief in die von Dunkelheit gezeichneten Augen blickte und mich fragte, warum er so geworden war. Es musste doch einen Grund geben. Niemand wurde böse geboren. Oder war Vlad die Ausnahme?

»Meine wunderschöne Frau«, knurrte er und drückte seine Zigarette aus, ehe er mich im nächsten Augenblick hochhob und gegen die Wand presste.

Seine Hände landeten besitzergreifend auf meiner Hüfte und drückten mich fester dagegen. Ich hatte keine Chance, ihm zu entkommen. Langsam zog sich die Angst über meinen Rücken. Ich wollte nur noch weg, und doch wusste ich, dass ich nichts gegen ihn aussetzen konnte.

»Vlad …« Obwohl meine Seele schrie, brachte ich nichts außer ein Flüstern hervor, als seine Lippen meinen gefährlich näher kamen.

»Du hast keine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe.« Er strich meine Haare zur Seite, dann senkte er seinen Mund auf meinen Hals und küsste ihn.

Ich schloss meine Augen, reckte meinen Kopf und gewährte ihm einen besseren Zugang. Einen Streit zu provozieren, war nie eine gute Idee, denn das endete nur in Schmerz. Ich wusste, wie er es gern hatte, also gab ich es ihm, auch wenn es mich Überwindung kostete.

Seine Bartstoppeln kratzten leicht, und sein warmer Atem kitzelte mich, während er meinen Hals mit Küssen übersäte.

Vlad konnte so zärtlich und sanft sein, dass ich für einen Moment wieder den Mann vor mir sah, in den ich mich damals verliebt hatte. Den Mann, der mich in seine Arme gelockt und bei dem ich mich wohlgefühlt hatte – bis er mir sein wahres Gesicht gezeigt hatte.

»Ma chérie«, knurrte er und strich mit seinem Daumen über meine Wange bis zu meinen Lippen. »Du gehörst mir.«

Dann krachten unsere Münder wieder aufeinander. Unsere Zungen umkreisten und liebkosten sich, während er mein Kleid hochschob und mich fester gegen die Wand presste. Mit seiner Hand glitt er meinen nackten Oberschenkel hinauf und zwischen meinen Beinen entlang.

Mein Herz klopfte immer schneller, und die Angst, etwas falsch zu machen, wurde stärker. Ich redete mir ein, dass alles gut war, dass ich das schaffen musste – da ging die Tür auf und eine tiefe Stimme erklang.

»Vlad, ich …«

Tarik hielt inne, und mein Herz setzte aus. Blinzelnd blickte ich von meinem Ehemann zu Tarik und kämpfte gegen meine Gefühle an. Ein Fehler, denn nicht nur mein Leben stand auf dem Spiel. Das durfte auf keinen Fall passieren.

»Was willst du?«, knurrte Vlad, ohne mich loszulassen oder mein Kleid zu richten.

»Wir waren zum Essen verabredet.«

Langsam kam Tarik näher und musterte meinen Körper. Hitze schoss in meine Wangen, und ich schaffte es nicht, seinem Blick standzuhalten. Es war nicht das erste Mal, dass mich Vlad vor seinen Männern nahm, und sicher auch nicht das letzte, aber bei Tarik war es etwas anderes.

»Stimmt«, murmelte er, als würde er sich wieder daran erinnern, und ließ von mir ab.

Schnell zog ich mein Kleid zurecht und nahm Platz, schnappte mir mein Glas und trank den Weißwein in einem Zug aus; in der Hoffnung, ich könne meine Scham damit ertränken.

»Ich kann auch wieder gehen.« Leicht lächelte mich Tarik an.

»Es macht mir nichts aus, wenn du uns dabei zusiehst.« Vlads teuflisches Grinsen sorgte dafür, dass sich alle meine Härchen aufstellten.

»Ich weiß«, erwiderte Tarik und trank aus seinem Glas.

Vlad hob seine Hand, und sofort betraten mehrere Angestellte den Saal, die dampfende Teller vor uns abstellten. Die Männer fingen an zu essen, als wäre nie etwas gewesen. Doch ich bekam keinen einzigen Bissen hinunter.

Warum hasste ich es nach all den Jahren noch immer? Ich hatte gedacht, dass es einfacher werden würde, aber das war nicht der Fall. Wieder einmal erwischte ich mich bei dem Gedanken, dass ich vielleicht aufgeben und Vlad einfach akzeptieren sollte. Würde mir das den Schmerz nehmen? Wäre es dann leichter?

Nachdenklich stocherte ich in meinem Essen herum. Hörte nur am Rand zu, was die beiden besprachen, während eine Erinnerung nach der anderen wie eine Welle über mich hinwegschwappte.

Vlad hatte mir immer wieder gezeigt, was geschah, wen ich mich nicht an seine Regeln hielt, ungehorsam war und mich ihm widersetzte. Diese Konsequenzen waren schlimm, denn auch wenn meine Wunden schneller heilten als die von Menschen, blieben die Narben auf meiner Seele.

»Emma!«

Ich zuckte bei der Nennung meines Namens zusammen und sah zu meinem Ehemann. »Was?«

»Tarik hat dich etwas gefragt.«

Verwundert blinzelte ich. Hatte er das?

»Ja, aber es ist nicht weiter wichtig«, winkte Tarik ab und wandte sich wieder Vlad zu. »Wie sieht es an der Grenze aus?«

Doch das ließ Vlad nicht auf sich sitzen. Seine Hand landete auf meinem Oberschenkel, seine Krallen gruben sich in mein Fleisch und die ersten Tränen bahnten sich an die Oberfläche. Regungslos saß ich da und ertrug den Schmerz, da es nichts brachte, sich zu wehren. Es machte alles nur noch schlimmer.

»Hast du etwa deine Manieren vergessen?«

Ich zwang mich, ihn anzusehen, und schüttelte leicht den Kopf. Gleichzeitig fragte ich mich, wie ich jemals hatte glauben können, dass in diesem Mann etwas Gutes steckte. Ich hatte mich freiwillig in seine Fänge begeben und würde mich auf ewig für diesen Fehler hassen, der mein Leben für immer verändert hatte.

In dem Versuch, die Tränen niederzukämpfen, blinzelte ich mehrmals, dennoch löste sich die erste aus meinem Augenwinkel und floss über meine Wange.

»Vlad, die Grenze.« Tarik sah mich wehmütig an, doch er konnte nichts an dieser Situation ändern. Vlad war der Boss, der verdammte Alpha und sein König.

»An der Grenze ist alles in Ordnung, keine Auffälligkeiten«, antwortete er endlich und ließ mich los, aber sein Gesichtsausdruck sagte mir deutlich, dass dies noch nicht vorbei war.

»Das ist doch gut.« Tarik nickte zufrieden, ehe sein Blick wieder auf mich fiel. Kurz flackerte Sehnsucht auf, die jedoch sofort wieder verschwand.

»Das ist es. Trotzdem bin ich dafür, dass wir die Grenze besser bewachen sollten.«

Überrascht sah Tarik zu Vlad, der sein Messer in der Hand umherdrehte. »Ich dachte, es sei alles in Ordnung?«

Vlad stieß ein warnendes Knurren aus. »Stellst du mein Handeln infrage?«

O Scheiße. Niemand traute sich, ihm die Stirn zu bieten, doch das wunderte mich nicht. Viele von seinen Männern, die er um sich herum versammelt hatte, waren genauso wie er – und doch gab es Ausnahmen wie Tarik. Diejenigen, die zwar hinter ihm standen, aber seine Befehle nicht blind befolgten. Ob das so schlau war, war eine andere Frage.

»Nein, natürlich nicht. Doch sollte es einen Feind geben, würde ich gern darüber unterrichtet werden, um entsprechend handeln zu können.«

Langsam nickte Vlad und erhob sich.

»Nur eine Vorsichtmaßnahme.«

Irgendetwas stimmte nicht. Seine Stimme klang anders, beinahe nachdenklich, und mein Bauchgefühl sagte mir, dass er etwas verheimlichte.

»Komm, ma chérie.«

Sofort erhob ich mich und wurde von meinem Ehemann hinausbegleitet. Schweigend folgte ich ihm auf unser Zimmer. Sobald die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war, umfasste er mit seiner Hand meinen Hals und drückte mich ruckartig gegen die Wand. Seine Augen funkelten gefährlich schwarz, als er sich langsam zu mir beugte und kurz vor meinen Lippen innehielt.

»Du würdest mich doch niemals verraten, ma chérie. Nicht wahr?«

Ich suchte nach den richtigen Worten. Die Dunkelheit in seinen Onyx-Augen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, und meine Angst wuchs.

»Du würdest deinem Ehemann und Gefährten niemals in den Rücken fallen.« Sein Blick durchbohrte mich, als er mit seiner Hand über meine Brust hinunter zu meiner Hüfte glitt.

»Nein, das würde ich nicht«, flüsterte ich, während ich Vlad insgeheim den Tod wünschte. Ich biss mir auf meine Unterlippe, um ihn in Sicherheit zu wiegen, was seinen Mundwinkel zucken ließ.

Dem, was nun passieren würde, konnte ich nicht entkommen. Mein einziger Trost war seine Erscheinung, denn Vlad war alles andere als hässlich. Mit seinen breiten Schultern, seiner definierten Brust und der Aura, die ihn umgab, war er ein schöner und beeindruckender Mann. Es war sein Charakter, der das Leben an seiner Seite für mich zur Hölle machte.

»Das höre ich gern, ma chérie.« Er grinste diabolisch und ließ mich los. Beinahe erleichtert atmete ich aus – und doch wusste ich, dass jetzt erst der schwierigste Teil kommen würde.

Mit einem selbstgefälligen Grinsen knöpfte er sein Hemd auf, streifte es von seinem muskulösen und tätowierten Oberkörper und ließ dieses samt seinen anderen Kleidungsstücken zu Boden fallen. Sein Blick verdunkelte sich, als er mich wie das hungrige Raubtier ansah, das er war.

Du schaffst das, redete ich mir ein.

Das alles war nichts Neues für mich, schließlich waren wir verheiratet. Dieser Akt gehörte dazu, und doch zitterte ich am ganzen Körper, als ich mich entkleidete, bis ich entblößt und ohne jeglichen Schutz vor ihm stand.

Knurrend pirschte er sich an mich heran, wirbelte mich herum, drückte mich aufs Bett und ragte über mir auf. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Körper aus. Ich wollte nur, dass es so schnell wie möglich vorbei war.

Zischend atmete ich die Luft aus, als er meine Beine spreizte und über meine Mitte strich. Wie auf Knopfdruck schaltete ich um, stöhnte gespielt und sah ihn grinsen. Ich schloss meine Augen und stellte mir jenen Mann vor, in den ich mich verliebt hatte. Jenen Mann, dem ich etwas bedeutet hatte – und das nicht nur wegen der Macht, die tief in mir verborgen schlummerte, sondern um meinetwillen. Jenen Mann, der mit seinen Berührungen meine Lust geweckt hatte. Aber dieser Mann war Vlad schon lange nicht mehr. Vielleicht war er es nie gewesen.

»Wunderschön«, sagte er rau, während er über meine Wange strich und mich zurück in die Realität katapultierte.

Diabolisch grinsend legte er meine Beine über seine Schultern und drang mit einem kräftigen Stoß in mich ein. Ich zuckte kurz zusammen, kämpfte gegen meinen Körper an, der laut aufschreien und ihn von mir stoßen wollte, als er immer härter in mich stieß.

Angestrengt presste ich meine Augen zusammen, wollte mich in meine Gedanken flüchten, damit das alles angenehmer wurde – und doch fühlte ich nichts außer Schmerz und das Gefühl, dass er mich von innen heraus zerriss.

Jeder Stoß wurde härter, kräftiger, und seine Krallen bohrten sich in meine Handgelenke, die er über meinem Kopf fixiert hatte. Mein Atem beschleunigte sich, und mein Herz schmerzte unersetzlich in meiner Brust. Ich versuchte, stark zu bleiben, gleichzeitig wusste ich, dass dies der Anfang war; nur die Einleitung zu dem eigentlichen Schmerz, der mir jedes Mal vor Augen führte, was für ein Monster er war.

Vlad war niemand, der sich seine Ehefrau nur ansah. Wann immer er wollte, nahm er sich meinen Körper, benutzte ihn nach Belieben – und ich war dem machtlos ausgeliefert. Alles, was ich tun konnte, war, mein Herz und meine Seele zu beschützen.

Keuchend strich er über meinen Hals, ehe seine scharfen Zähne aufblitzten und er diese bei seinem Höhepunkt in meiner Haut versenkte. Ich wollte nicht schreien, ihm meinen Schmerz nicht zeigen, und doch konnte ich nicht anders. Dicke Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen, als er immer mehr von mir trank. Nachdem er fertig war, verschloss er den Biss vorsichtig und zog mich in seine Arme.

Aber mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Unaufhörlich zitterte ich und spürte, wie mein Herz langsam zerbrach. Ich wollte doch stark sein. Warum gelang es mir nicht?

Es war nichts Neues, dass Shades Blut tranken – besonders das von ihren Gefährten. Jeder wusste das, auch ich. Als ich noch ein Kind gewesen war, hatte ich mir das immer romantisch vorgestellt. Zwei Shades, die sich von ganzem Herzen liebten und sich am Hals markierten, damit jeder wusste, dass man zueinander gehörte. Ich hatte damit Liebe, Leidenschaft und auch Begierde verbunden. Doch jetzt bedeutete das für mich nur noch Schmerz und das Gefühl, für Vlad nichts weiter als eine wertlose Puppe zu sein.

»Du weißt, wie du diesen Schmerz überwinden könntest«, flüsterte er gegen meine Stirn.

Ich nickte stumm. Ja, das war mir bewusst. Ich müsste ihn akzeptieren, als meinen Gefährten und Mann, jedenfalls hatte er es mir so erklärt. Doch irgendwie ging das nicht – egal, wie sehr ich es mir einzureden versuchte. Oder war das nur eine weitere Lüge, die er mir auftischte, damit ich mich endlich fügte und zu der Frau an seiner Seite wurde, die er wollte?

Ich drehte mich auf die Seite und versuchte, diese Gedanken zu verdrängen. Währenddessen zog sich Vlad aus mir zurück und legte seinen schweren Arm um mich.

»Ich liebe dich, Emma. Das habe ich schon immer. Wir könnten es so gut haben«, murmelte er gegen meinen Hinterkopf, und ich wusste, was er meinte.

Doch ich konnte ihm nicht geben, wonach er verlangte. Alles in mir sträubte sich dagegen. Wie sollte ich einen Mann lieben, der mir alles genommen hatte?

»Warum willst du es nicht endlich einsehen?«

Ich blinzelte meine Tränen weg und schloss meine Augen. Was sollte ich auch darauf antworten? Dass ich mich von ihm eingesperrt fühlte und den Tag herbeisehnte, an dem ich endlich frei sein würde? Nein, das würde alles nur schlimmer machen. Also schwieg ich.

Zitternd stieß ich die Luft aus, hörte, wie sein Atem gleichmäßiger wurde und er einschlief. Doch obwohl mein Körper müde war, schaffte ich es nicht.

War es falsch, dass ich mir insgeheim wünschte, dass der Vlad von damals noch in ihm war und es irgendwann erträglicher werden würde?

Kapitel 2

EMMA

Vorsichtig hob ich seinen schweren Arm von mir und beobachtete kurz seine Gesichtszüge. In diesen Momenten sah er beinahe sanft aus. Früher hatte ich einmal versucht, ihn im Schlaf umzubringen, aber selbst das hatte ich nicht geschafft – und die Konsequenzen waren extrem gewesen.

Schluckend schüttelte ich diese Gedanken ab und stand so leise wie möglich auf, wickelte eine dünne Jacke über mein seidenes Kleidchen und ging durch die Tür hinunter und hinaus in den Garten.

Ich spürte den kalten Wind, der meine langen Haare umherwehte, und stellte mich abseits unter einen Baum.

Mein Blick glitt zum Sternenhimmel, und erneut sammelten sich Tränen in meinen Augenwinkel. Ich wollte nicht weinen, diese verdammte Schwäche und die Leere, die sich in meiner Brust ausbreitete, nicht fühlen. Aber egal, wie oft ich es auch versuchte, das alles zu verdrängen, mich nicht von meinen Gefühlen überwältigen zu lassen, ich scheiterte. Und jeder Tag wurde schlimmer.

Keuchend umklammerte ich meinen Oberkörper. Die Verzweiflung überwältigte mich, und ich suchte nach einem Hoffnungsschlimmer. Aber diese Vorstellung war einfach zu schön, um wahr zu sein.

»Hörst du mich? Kannst du mich sehen?«, flüsterte ich, während immer mehr Tränen erbarmungslos über meine Wangen liefen und die Kälte mich zum Zittern brachte. Trotzdem blieb ich stehen, sah hoch zum Himmel und betete, dass einer dieser Sterne mein Großvater war. Dass er irgendwo da oben auf einer Wolke saß und herunterblickte, mir seine Kraft schenkte, nach der ich mich so sehr sehnte. »Ich vermisse dich.«

Es war sein Tod gewesen, der mich damals immer mehr in den Abgrund und in Vlads Arme getrieben hatte. Ich stellte mir oft vor, wie mein Leben jetzt wäre, wenn ich anders entschieden hätte, und doch konnte ich diesen Fehler niemals wiedergutmachen.

Wäre mein Großvater enttäuscht von mir? Würde er seinen Kopf schütteln oder mich womöglich sogar hassen, weil ich so verdammt dumm und naiv gewesen war?

Immer mehr Tränen brachen an die Oberfläche, und ich hielt ihrer Gewalt nicht mehr stand. Langsam sackte ich auf meine Knie, stemmte meine Hände in das feuchte Gras und die Erde, schloss meine Augen und gab mich dem Schmerz hin. Hemmungslos schluchzte ich.

Ich hatte so viel verloren und suchte noch immer nach einer Antwort, die ich wahrscheinlich niemals erhalten würde. Niemand konnte diesen Schmerz nachvollziehen, geschweige denn ihn mir nehmen. Wie auch? Mein Großvater war mein Held gewesen, mein Anker und meine Stütze in dieser dunklen, tristen Welt. Er hatte mir das Licht an den finstersten Orten gezeigt und mir seine Liebe und Aufmerksamkeit geschenkt.

All diese Gedanken trieben mich an. Ich hielt mich an ihnen fest und umklammerte diese Erinnerungen, als wären sie das Einzige, das mich noch am Leben hielt. Sie waren alles, was ich noch besaß. Und das musste ich beschützen.

Plötzlich näherten sich Schritte. Ehe ich reagieren konnte, kniete sich jemand vor mir ins Gras und nahm mein Gesicht in seine Hände. Ein bekannter Geruch stieg mir in die Nase.

»Schau mich an.«

Seine Stimme riss mich aus meiner Trauer. Vorsichtig öffnete ich die Augen und blickte in die braunen von Tarik.

»Ich bin da«, flüsterte er gegen meine Stirn und zog mich näher an sich. Er hielt mich einfach fest und streichelte über meinen Rücken.

»Was machst du hier draußen?«, brachte ich über meine bebenden Lippen und sah ihm wieder in die Augen, ohne die ich hier längst innerlich gestorben wäre.

»Die gleiche Frage könnte ich dir stellen.«

Traurig strich er über meine Wange, und ich konnte nicht anders, als mich in seine Hand zu lehnen und diese zärtliche Berührung zu genießen. Tarik war der Einzige, dem ich hier vertraute, der für mich da war und der mir die Hoffnung schenkte.

»Du solltest nicht hier sein«, wisperte ich.

Sanft wischte er mit seinem Daumen eine Träne weg und hob mein Kinn an. Er strich eine Strähne hinter mein Ohr, und in seinem Blick spiegelte sich mein Schmerz. »Das solltest du auch nicht, meine Schöne, und doch bist du es.«

Seine Aufmerksamkeit wanderte zu meinen Lippen. Schnell drehte ich den Kopf weg und stand auf. Doch ehe ich ihm meinen Rücken zuwenden konnte, packte er mein Handgelenk und zog mich an seine Brust.

Verwirrt blinzelte ich und sah zu ihm auf. Unter meinen Fingerspitzen spürte ich sein Herz, das genauso schnell wie meines schlug.

»Emma …«

Sein Blick glitt wieder zu meinem Mund, und ich konnte nicht anders, als ihn leicht zu öffnen. Ich suchte nach den passenden Worten – Worten, die ihn einen Schritt zurücktreten lassen und den Abstand zwischen uns vergrößern würden, aber kein einziges drang über meine Lippen.

Ich konnte es in seinen Augen erkennen; die Sehnsucht. Und es fehlte nicht mehr viel, bis wir beide dieser Versuchung erliegen würden.

»Nicht.«

Das hier war falsch. Es durfte niemals passieren – nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Kein Kuss, keine Berührung, keine Leidenschaft und erst recht keine Gefühle.

»Ich weiß, dass es falsch ist«, raunte er – und doch hielt er mich weiter fest.

»Er wird dich umbringen«, flüsterte ich, konnte meine Hand jedoch einfach nicht von seiner Brust lösen.

»Auch das weiß ich.«

Sanft strich er über meine Wange, glitt hinab zu meinen Lippen und öffnete diese leicht mit seinem Daumen. Ein sehnsüchtiges Seufzen drang aus meinem Mund. Tarik war alles, was ich wollte. Er war immer da, wenn ich ihn brauchte, und genau das zog mich zu ihm. Und je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto mehr schlich er sich in mein Herz.

»Du bist nicht allein, Emma.«

Am liebsten hätte ich ihn geküsst und mich in seinen Berührungen verloren. Meinen Schmerz mit ihm geteilt – wenigstens für einen Moment.

Aber das ging nicht. Es war verboten. Also drehte ich mich um und rannte beinahe zurück zum Schloss. Hoch in das Zimmer zu Vlad – meinem Ehemann.

Tarik besaß ein gutes Herz. Seit ich Vlads Wahlheimat Chicago betreten hatte, war er für mich da. Er sah in mir mehr als nur ein Eigentum und nahm mich dann in den Arm, wenn ich den Boden unter meinen Füßen verlor und die Enge in meiner Brust zunahm.

Ich schüttelte diese Gedanken ab und schloss die Tür hinter mir. Mein Blick glitt zu Vlad, der noch immer schlief, dann ging ich langsam zum Balkon und wollte die Vorhänge zuziehen. Doch da entdeckte ich Tarik, der allein mitten im Garten stand. Er sah zum Himmel, seine Hände im Nacken verschränkt.

Auch wenn sich alles in mir dagegen sträubte, versperrte ich mir mit dem Vorhang den Blick auf Tarik. Dann zog ich meine Jacke aus und schlüpfte unter die Decke zu Vlad. Ich musste Tarik vergessen. Und doch wusste ich, dass das alles andere als einfach werden würde. Ich starrte vor mich hin, bis mich Vlads Bartstoppeln am Ohr kitzelten.

»Guten Morgen, ma chérie«, knurrte er und drehte mich mit einem Schwung auf den Rücken. Er nahm meine Hände in die seine und küsste sie, doch dann hielt er plötzlich inne.

Langsam folgte ich seinem Blick und schluckte hart. An meinen Händen klebte noch immer Erde. Innerlich verfluchte ich mich für meine Unachtsamkeit.

»Warst du wieder draußen?«, fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte.

»Vlad …«, begann ich, doch verstummte. Was sollte ich auch sagen? Dass ich nicht hatte schlafen können, draußen einen Zusammenbruch gehabt hatte und Tarik für mich da gewesen war? Dass ich ihn beinahe geküsst hatte? Fuck, nein, auf keinen Fall.

»Ich hatte gehofft, dass diese Zeit hinter uns liegen würde.«

Beinahe sanft strich er über meine Wange, und doch spürte ich keinerlei Wärme. Damals hatte ich zahlreiche Fluchtversuche unternommen, die natürlich alle gescheitert waren. Und irgendwann war der Garten mein Zufluchtsort geworden.

»Ich wollte nicht fliehen«, brachte ich leise über meine Lippen, traute mich aber nicht, ihn anzuschauen, und bereitete mich innerlich darauf vor, was nun folgen würde.

Doch es kamen keine Schläge, kein Gebrüll. Irritiert hob ich meinen Kopf und sah in seine grauen Augen. Wo blieb die Bestrafung?

»Oh, ma chérie, denkst du wirklich so schlecht von mir?«

»Nein, Vlad«, antwortete ich vorsichtig. Ich wusste ganz genau, dass das eine Falle war und ich nichts Falsches sagen durfte.

Ein tiefes Knurren drang aus seiner Kehle, und mir stellten sich sämtliche Nackenhaare auf. Sofort brachen die Tränen wieder hervor. Er packte mit Daumen und Zeigefinger mein Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. Mein Herz setzte aus, als ich sein teuflisches Grinsen sah.

»Ich habe dir beinahe geglaubt.«

Seine Augen färbten sich schwarz. Im nächsten Moment holte er aus, dann traf seine Faust meinen Unterkiefer. Der Schmerz ließ mich für einen Augenblick Sterne sehen, und ich kämpfte gegen das Zittern an.

»Warum kannst du mich nicht einfach akzeptieren? Wieso kannst du mich nicht so lieben wie damals?«, brüllte er und erhob sich vom Bett. Vernichtend sah er auf mich herab.

»Warum, Emma?«

Warum wohl? Weil du mir alles genommen hast. Meine Freiheit, meine Familie. Einfach alles hast du mir genommen und mich an deine Seite gezwungen, schrie ich innerlich, aber keins dieser Worte kamen über meine Lippen. Es würde mir nur noch mehr Schläge einbringen.

Stattdessen senkte ich meinen Kopf und ignorierte meine innere Stimme, die mir sagte, dass ich mich ihm nicht unterwerfen, sondern verdammt noch mal die Stirn bieten sollte.

»Lerne es endlich!« Wütend packte er meinen Hals und drückte zu. »Lerne es, Emma. Lerne, mir zu gehorchen, und du wirst die Königin an meiner Seite sein.« Mit diesen Worten ließ er mich los und stampfte aus dem Zimmer.

Doch seine Worte bedeuteten nichts. Welchen Sinn hatte es, ein Leben zu führen, über das ich nicht selbst entscheiden konnte? Ich war nur eine Puppe, nicht mehr als eine Marionette in seinem Spiel – und doch wusste ich genauso gut, dass ich keine andere Wahl hatte, als ihm früher oder später zu gehorchen. Denn von diesem Grundstück gab es kein Entkommen.

Ich atmete tief durch, versuchte, meinen Herzschlag zu normalisieren. Stieg aus dem Bett und setzte mich in meinem dünnen Kleidchen auf den Balkon. Sah über das riesige Grundstück und zog die kühle Luft in meine Lunge.

»Wie soll ich das alles nur weiter aushalten?«

Ich klammerte mich an das Geländer und spürte die Kälte, die wie ein Blitz durch meine Venen schoss. Mein Blick glitt zum Tor. So oft hatte ich versucht zu fliehen – und jedes Mal war ich gescheitert. Wenn dieses verdammte Tor nicht wäre … Plötzlich wurde es geöffnet und mehrere Typen traten hindurch. Was zur Hölle hatte das denn jetzt zu bedeuten?

Vlads Männer kamen nur sehr selten auf das Anwesen.

Abgesehen von seinem inneren Kreis, zu dem Tarik gehörte. Doch diese Kerle hatte ich noch nie gesehen.

Ich lehnte mich etwas vor und beobachtete sie. Vornweg ging ein etwas größerer Mann. Er hatte definitiv das Sagen, denn sobald er stehen blieb, taten es auch die anderen.

Wer war er?

RYAN

KNURREND UMFASSTE ICH MIT MEINEN HÄNDEN das Geländer und sah, wie meine Knöchel weiß hervortraten. Mein schwarzer langer Mantel umhüllte mich, und die Kapuze verdeckte mein Gesicht vollständig.

Bald war die Zeit reif. Mein Plan war perfekt, jede erdenkliche Möglichkeit hatte ich bis ins kleinste Detail durchdacht.