Bunburry - Zu tot, um schön zu sein & Mord in guter Gesellschaft - Helena Marchmont - E-Book

Bunburry - Zu tot, um schön zu sein & Mord in guter Gesellschaft E-Book

Helena Marchmont

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Beschreibung

Fall fünf und sechs der charmanten englischen Cosy-Reihe!

Folge 5: Mord im Schönheitssalon! Die steinreiche Immobilienbesitzerin Eve Mosby ist die beste - leider aber auch unfreundlichste - Kundin in Debbies Kosmetikstudio. Als sie während einer der Behandlungen stirbt, stellt sich die Frage: War es Mord?

Folge 6: Alfies bester Freund Oscar kommt endlich nach Bunburry. Natürlich hat er einen guten Grund, denn auf dem herrschaftlichen Anwesen der Saviles findet eine glamouröse Party statt. Die Feier beginnt ausgelassen - aber sie endet tödlich ...

eBooks von beTHRILLED. Mörderisch gute Unterhaltung!



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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Zu tot, um schön zu sein

1. Ein Abschiedsessen

2. Debbies Schönheitssalon

3. Das Pfarrhaus

4. Theresa Alcott

5. Die Royal-Blowtox-Behandlung

6. Das Café

7. Die Dinnerparty

8. Die Liste der Verdächtigen

9. Zwei Befragungen

10. Die Polizeiwache

11. Rat von Oscar

12. Das Geständnis

13. Epilog

Mord in guter Gesellschaft

1. Stolz und Vorurteil in den Cotswolds

2. Das Savile-Anwesen

3. Oscar auf dem Lande

4. Auftritt Dorian

5. Das festliche Dinner

6. Die Polizei trifft ein

7. Das Verschwinden

8. Der Morgen danach

9. Das Bunburry-Triangle

10. Ermittlungen in der Bibliothek

11. Zurück nach Bunburry

Epilog

Über dieses Buch

Band 3 der Reihe ”Alfie McAlister ermittelt”

Übersetzt von Sabine Schilasky

Fall fünf und sechs der charmanten englischen Cosy-Reihe!

Folge 5: Mord im Schönheitssalon! Die steinreiche Immobilienbesitzerin Eve Mosby ist die beste – leider aber auch unfreundlichste – Kundin in Debbies Kosmetikstudio. Als sie während einer der Behandlungen stirbt, stellt sich die Frage: War es Mord?

Folge 6: Alfies bester Freund Oscar kommt endlich nach Bunburry. Natürlich hat er einen guten Grund, denn auf dem herrschaftlichen Anwesen der Saviles findet eine glamouröse Party statt. Die Feier beginnt ausgelassen – aber sie endet tödlich ...

eBooks von beTHRILLED. Mörderisch gute Unterhaltung!

Über die Autorin

Helena Marchmont ist das Pseudonym von Olga Wojtas. Die schottische Schriftstellerin hat 2015 den Scottish Book Trust New Writers Award gewonnen und bereits über 30 Kurzgeschichten veröffentlicht. Gerade ist auf Englisch ihr erster Roman »Miss Blaine's Prefect and the Golden Samovar« erschienen.

Helena Marchmont

Zu tot, um schön zu seinMord in guter Gesellschaft

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titel der englischen Originalausgaben: »Drop Dead, Gorgeous« / »Murder in High Places«

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Illustrationen von © Shutterstock: Canicula | Sk_Advance studio | ivangal | vanhurck | Richard Semik | schankz | stockphoto mania | Ola-la

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0779-4

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Helena Marchmont

Zu tot, um schön zu sein

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

»Das Gesicht eines Mannes ist seine Autobiografie, das einer Frau ihre Erfindung.« – Oscar Wilde

1. Ein Abschiedsessen

Alfie reichte Betty die ledergebundene Speisekarte herüber.

»Such dir aus, was immer du möchtest«, sagte er großzügig. »Dein letztes Mahl in Bunburry sollte etwas Besonderes sein.«

Sie zog eine Augenbraue hoch. »Mein letztes Mahl in Bunburry? Das klingt ja wie: ›Die zum Tode Verurteilte aß eine herzhafte Mahlzeit.‹ Ich habe vor wiederzukommen, ist dir das klar?«

»Darauf zähle ich auch fest«, antwortete Alfie. »Die Versammlungen der Grünen werden ohne dich eine traurige Veranstaltung sein: nur der Vikar und ich, die in unsere Pints starren. Und wir sind nicht mal Parteimitglieder.«

»Danke, dass du mich daran erinnerst.«

Alfie war verwirrt. »Woran erinnerst?«

»Wie wenig ich hier ausrichten konnte.«

Das hatte er ganz und gar nicht gemeint. Dies war ihr erstes gemeinsames Dinner, und er wollte sie wissen lassen, dass er sie vermissen würde. Nun schien der Abend schiefzulaufen, kaum dass er angefangen hatte.

Er könnte auf all die Arbeit hinweisen, die sie als Umweltaktivistin leistete, auf die Vorträge und Seminare, die Artikel, die unermüdliche Organisation von Treffen und Veranstaltungen. Doch es bestand die Gefahr, dass sie ihn dann schlichtweg einen herablassenden Idioten nannte. Bei eingefleischten amerikanischen Feministinnen musste man vorsichtig sein.

Er blickte sich im Pub um. Die Touristensaison war beinahe vorbei, doch das Drunken Horse hatte keine Schwierigkeiten, Einheimische zu sich zu locken. Zwei Frauen und ein Mann bedienten an der Bar unter Aufsicht von Edith, der alten Mutter des Wirts. Doch nirgends war eine Spur vom Wirt oder dessen Frau zu entdecken.

»Ich frage mich, wo William und Carlotta sind«, sagte er nachdenklich.

»Die sind in Italien und besuchen Carlottas Familie«, klärte Betty ihn auf. »Sie sind gestern abgereist. Edith konnte es gar nicht abwarten, die zwei endlich wegfahren zu sehen – sie liebt es, das Sagen zu haben.«

Nur noch wenige Monate, und dann würde Alfie schon ein ganzes Jahr in Bunburry leben. Aber immer noch verblüffte ihn, dass hier jeder über jeden Bescheid zu wissen schien, er aber nicht. Vielleicht gab es ja eine geheime Dorf-Website, und möglicherweise würde er nach einem Jahr im Ort das Passwort zu ihr bekommen.

Betty klappte die Speisekarte zu.

»Und, was möchtest du?«, fragte Alfie.

»Ein Omelett.«

Alfie blinzelte. Bei jeder anderen Frau hätte er sofort angenommen, dass sie eine Diät machte. Aber Betty war viel zu aktiv, als dass sie eine Diät nötig hätte, und er vermutete, dass sie ohnedies ethische Einwände gegen den Schlankheitswahn vieler Frauen hatte.

»Käse«, ergänzte sie. »Mit Pommes frites.«

Er musste zugeben, dass die frischen Pommes frites im Drunken Horse außerordentlich gut waren, und hatte bereits beschlossen, welche zu einem Filetsteak – medium – zu nehmen. Das war eines seiner Lieblingsgerichte. Wahrscheinlich würde er dazu auch noch Pilze und Brokkoli mit Mandeln bestellen. Daneben nahm sich ein Käseomelett bescheiden aus.

»Nimm doch etwas Aufregenderes«, drängte er sie.

»Ein Käseomelett ist prima.«

Er nahm wieder die Speisekarte zur Hand und schaute sie sich genauer an. Nun erkannte er das Problem. Edith hatte jetzt fürwahr das Kommando. Verschwunden waren Carlottas Nudel- und Risotto-Variationen, die Edith abfällig als Mafiakost zu bezeichnen pflegte. Stattdessen war die Speisenauswahl ein Wunschzettel für alle Fleischesser, und für Vegetarier wie Betty blieben nur zwei von vier Omelett-Varianten übrig – mit Käse oder Champignon –; die anderen beiden waren mit Schinken oder Shrimps.

Und Alfie sollte wirklich taktvoller sein. Betty hatte nie viel Aufhebens um ihre Ernährung gemacht, geschweige denn versucht, ihn zum Vegetarier zu machen; aber ihren Abschied zu feiern, indem er vor ihr ein saftiges Steak verdrückte, würde sie wenig beeindrucken.

Er stand auf. »Komm, wir gehen wieder.«

»Aber ... das können wir nicht. Du hattest den Tisch reserviert. Was wird Edith denken?«

Er grinste sie an. »Was Edith denken wird? Das kann ich dir ganz genau sagen. Sie ist bereits überzeugt, dass du meine feste Freundin bist, also wird sie denken, dass wir beschlossen haben, deinen letzten Abend mit etwas Spannenderem als einem Essen im Horse zu verbringen. Und genau das werden wir auch.«

Sie zögerte. »Ich weiß nicht ...«

Er nahm ihre Jacke von ihrer Stuhllehne, packte Betty behutsam am Arm und bewegte sie so zum Aufstehen. »Komm schon! Edith sieht gerade nicht her, also können wir schnell weglaufen.«

Hastig zog er sie aus dem Pub nach draußen, wo die kühle Abendluft sie empfing.

Sie nahm ihm ihre Jacke ab und schlüpfte hinein.

»Also, was machen wir Spannenderes, als im Horse zu essen?«

»Wir essen in einem Restaurant, in dem vegetarische Küche eine Spezialität ist«, antwortete Alfie. »Folge mir.«

Sie gingen durch die engen Kopfsteinpflasterstraßen zum einzigen indischen Restaurant des Dorfes, dem From Bombay to Bunburry.

Es war viel los, und einen schrecklichen Moment lang fürchtete Alfie, sie müssten wieder zurück ins Horse und Käseomelett und Pommes frites für zwei bestellen.

Doch Rakesh Choudhury, der Besitzer des Restaurants, kam auf sie zugeeilt. »Betty, Alfie, was für eine Freude! Wollen Sie hier essen oder etwas zum Mitnehmen bestellen? ... Hier? Gut, gut, ich habe noch einen Tisch, extra für Sie. Tut mir schrecklich leid, hier ist es ein bisschen voll heute Abend.« Er führte sie zum freien Tisch. »Aber da wären wir schon. Dann lasse ich Sie mal in Ruhe auswählen. Etwas zu trinken? ... Ja, natürlich, zwei indische Biere. Kommen sofort.«

Er flitzte davon, um sich um andere Gäste zu kümmern.

Betty blickte ihm nach. »Was ist nur mit ihm los? Er ist irgendwie nicht er selbst.«

Hierauf kannte Alfie die Antwort. Liz und Marge hatten es ihm erzählt. Endlich durfte er sich mal als Teil des Bunburry-Nachrichtennetzwerks fühlen. »Ihm fehlt seine Familie«, erklärte er. »Seine Frau und die Kinder sind für einen Monat in Indien.«

»Weiß ich doch«, entgegnete Betty gereizt.

Alfies Enttäuschung fiel unverhältnismäßig groß aus.

»Das ist es nicht«, fuhr Betty fort. »Etwas stimmt nicht. Er wirkt angespannt.«

»Wundert mich nicht. So voll habe ich es hier noch nie erlebt, und seine Frau ist nicht hier, um zu helfen.«

Betty schüttelte den Kopf. »Das allein kann es nicht sein.«

Alfie war sich nicht sicher, wie er sich den Abend vorgestellt hatte, doch seinerseits war sicherlich nicht geplant gewesen, dass sie über Rakesh Choudhurys Allgemeinbefinden sprachen.

Zum zweiten Mal heute Abend reichte er Betty eine Speisekarte. »Vielleicht kannst du für uns beide bestellen?«

»Klar, kann ich machen. Na, das nenne ich mal eine anständige Auswahl.« Sie überflog die Karte. »Okay, ich hab’s. Das wird dir sehr gefallen.«

Eine junge Kellnerin mit einem Diamantstecker in der Nase und einem bunten Armband am Handgelenk erschien mit den Bieren und einem Teller frischer Papadams sowie einer kleinen Schale Chutney. »Möchten Sie bestellen?«

»Unbedingt«, antwortete Betty. »Wir nehmen Palak Paneer Dosa, Tarka Dal und Achari Baingan, Pulao-Reis, ein paar Peshawari Naan und ein bisschen Raita.«

»Ich bringe alles so schnell wie möglich, aber eventuell müssen Sie ein wenig warten«, entschuldigte die Kellnerin sich.

»Wir sind nicht in Eile«, sagte Betty. »Und wir haben ja die Papadams, also keine Hektik unseretwegen.«

Alfie hatte immer noch keine Ahnung, wohin Betty wollte. Sie hatte lediglich verkündet, dass sie eine Weile weg sein würde, und das in einem Ton, der keine Nachfrage gestattete. Was nicht bedeutete, dass sie jetzt nicht offener sein könnte.

»Wo ...«, begann er, doch genau im selben Moment fing auch Betty zu reden an: »Du hast nie ...«

»Entschuldige«, sagte Alfie.

»Nein, sprich du nur.«

»Hallo, ihr zwei!« Eine dritte Stimme mischte sich in die noch nicht recht begonnene Unterhaltung, und sie klang, als wäre sie auf Ediths Märchen reingefallen, dass Alfie und Betty ein Paar wären.

»Debbie«, grüßte Betty, »wie geht es Ihnen?«

Die Besitzerin von Bunburrys Schönheitssalon strahlte sie an. »Großartig. Fantastisch. Und nach Rakeshs Mango Lassi wird es mir sogar noch besser gehen. Nach Ladenschluss hole ich es mir immer, weil es so gut ist, um neue Energie zu tanken.«

»Hoffentlich haben Sie es damit nicht eilig«, sagte Betty. »Hier ist heute Abend viel zu tun.«

Es gab noch einen dritten Stuhl an ihrem Tisch. Alfie stand auf und zog ihn für Debbie vor. »Bitte, setzen Sie sich zu uns, solange Sie warten.«

»Oh, auf keinen Fall! Ich will Sie doch nicht stören.«

»Ich fühle mich nicht gestört«, erwiderte Betty. »Du etwa, Al?«

Debbie sah ein wenig verwirrt aus. Betty war der einzige Mensch, der ihn Al nannte – sie wollte den Namen Alfie nicht benutzen, weil er sie zu sehr an den Antihelden und Schürzenjäger aus dem gleichnamigen Filmklassiker erinnerte.

»Debbie, wir wären entzückt, wenn Sie uns Gesellschaft leisten«, sagte Alfie entschieden.

Die Salonbesitzerin setzte sich daraufhin, wobei sie murmelte: »Nun, wenn Sie wirklich sicher sind.«

Alfie bot ihr den Teller mit den Papadams an, doch sie lehnte mit einer entschuldigenden Handbewegung ab.

»Für mich nicht, danke. Ich esse nichts Frittiertes.«

Betty beugte sich rüber, nahm sich eines und brach es in zwei Hälften.

Alfie schaute auf seine Uhr. »Haben Sie gesagt, dass Sie jetzt erst Schluss gemacht haben? Ist das nicht ein bisschen spät für Sie?«

»Oh ja.« Debbie strahlte. »Ich habe den Salon für morgen vorbereitet. Da kommt die erste Dame, die sich bei mir für eine Royal-Blowtox-Behandlung entschieden hat.«

Sie schien auf eine Reaktion zu warten, und Alfie hoffte, dass er milde interessiert wirkte. Betty hingegen sah sie verständnislos an.

»Oh! Haben Sie meine Werbung nicht gesehen?«, fragte Debbie.

»Al«, sagte Betty vorwurfsvoll, »wie können wir die nur übersehen haben?«

Debbie kicherte leise. »Vielleicht haben Sie nur Augen füreinander.«

»Das muss es sein«, stimmte Betty ihr zu.

Debbies Lächeln blieb unverändert; anscheinend hatte sie es nicht so mit Sarkasmus. »Es ist eine spezielle vierstündige Behandlung: ein Schnitt und Föhnen, Botox und jede Menge herrliches Verwöhnen.«

Betty verschluckte sich leicht an ihrem letzten Stück Papadam. »Und wer ist das Opf– ... äh, die Kundin?«

Debbie strahlte voller Stolz. »Mrs Mosby.« Anschließend setzte sie rasch eine respektvoll traurige Miene auf.

»Ah, die lustige Witwe«, sagte Betty.

Debbie wirkte ein wenig verlegen. »Es ist so traurig, dass sie ihren Mann verloren hat.«

Betty griff sich noch ein Papadam und biss hinein. Beim Kauen dieser knusprigen Spezialität entstanden knirschende Geräusche, und daher konnte man Betty nicht leicht verstehen, aber Alfie war recht sicher, dass sie erwiderte: »Es scheint ihr allerdings nicht schlecht zu gehen.«

»Sie sollten irgendwann mal in den Salon kommen«, versuchte Debbie das Thema zu wechseln und von Mrs Mosby abzulenken.

»Aha? Warum?«, fragte Betty.

Debbie fuchtelte beschämt mit den Händen. »Oh nein, das habe ich nicht gemeint! Ich meine nur, dass wir Frauen alle das verbessern können, was uns die Natur geschenkt hat, nicht wahr?«

Alfie betete, dass Debbies Mango Lassi innerhalb der nächsten Sekunden kam. Tat es nicht, und Debbie rückte ihren Stuhl näher zu Betty, um sie wie eine Probe in einem Labor zu mustern.

»Ihre Haut ist wundervoll, aber ein bisschen trocken in der T-Zone. Welche Produkte benutzen Sie für die Gesichtsreinigung – welches Gesichtswasser und welche Feuchtigkeitscreme?«

»Wasser und Seife«, antwortete Betty verkniffen.

Debbie stieß einen kleinen Schrei aus. »Oh nein, das dürfen Sie nicht! Sie rauben Ihrem Gesicht damit alle natürlichen Öle. Damit sind Sie vielleicht davongekommen, als Sie jünger waren, aber in Ihrem Alter können Sie es sich eigentlich nicht leisten.«

Alfie erwog, aufzuspringen und sehr laut »Ein Mango Lassi zum Mitnehmen!« zu brüllen, um Bettys Erwiderung zu übertönen. Doch Betty war anscheinend zu verdutzt, um zu sprechen.

Debbie lief sich warm. »Sie könnten ein winziges bisschen Botox vertragen.« Nun beugte sie sich vor und berührte sanft Bettys Stirn mit den Fingerspitzen. »Hier haben Sie einige kleine Falten, und wenn Sie jetzt nichts tun, werden sie nur schlimmer.«

Dann strich sie mit einem Zeigefinger über Bettys Augenbrauen. »Sehr gute Form, weil Sie blond sind, doch die Farbe ist ein wenig zu hell. Wir würden Microblading empfehlen.«

»Erst Botox, und jetzt wollen Sie, dass ich mich auch noch unters Messer lege?«, fragte Betty.

Debbie lachte verzückt. »Ach du liebe Güte, nein ... Das ist ein halb permanentes Make-up, und es würde Ihnen diese kleine zusätzliche Definition geben, die Sie brauchen. Ihre Wimpern sind auch sehr hell. Wir könnten Sie färben, aber für den schöneren Effekt würden wir zur Wimpernverlängerung raten. Die ist ziemlich teuer, hält aber mindestens acht Wochen, also lohnt es sich. Und Ihr Haar ...«

Betty trug ihr langes blondes Haar heute Abend offen und nicht wie üblich zum Pferdeschwanz gebunden.

»Traumhafte Farbe, sehr gesund und eine hübsche Länge. Aber es tut im Grunde nichts.«

»Aha, und was sollte es tun?«, erkundigte sich Betty.

»Oh, so sehr viel! Wir könnten den Mittelscheitel ändern und ein paar Stufen reinbringen, um Ihnen einen frechen Look zu geben.«

»Kein anderer Scheitel und keine Stufen«, entgegnete Betty. »Ich kann auch ohne die richtig gut frech sein.«

Zunächst sah Debbie enttäuscht aus, erholte sich jedoch rasch. »Ein Bauernzopf würde funktionieren – klassisch oder akzentuiert, vielleicht auch hochgesteckt ...«

Sie betrachtete Betty noch prüfender, griff plötzlich in deren Haar hinein, drehte es gekonnt zu einem Kringel auf und hielt ihn wie eine kleine Krone oben auf Bettys Kopf fest.

»So«, hauchte sie. »Sieht sie nicht umwerfend aus?«

»Sie sieht immer umwerfend aus«, antwortete Alfie automatisch.

Debbie ließ Bettys Haar los und klatschte die Hände zusammen. »Wie reizend, das zu sagen!«

»Ja, nicht wahr?«, stimmte Betty zu. »Jetzt muss man ihm nur noch die richtige Antwort auf ›Sieht mein Hintern hier drin dick aus?‹ antrainieren, dann ist er perfekt.«

Debbie lachte unsicher und schien erleichtert, dass die Kellnerin in diesem Moment mit ihrem Mango Lassi zum Mitnehmen kam. Rakesh war direkt dahinter mit dem Essen für Betty und Alfie.

»Genießen Sie Ihren Abend«, verabschiedete sich Debbie und floh.

»Entschuldigen Sie die Verzögerung«, sagte Rakesh.

Betty atmete tief ein. »Es riecht absolut köstlich. Da hat sich das Warten gelohnt.«

»Zu freundlich«, antwortete Rakesh, der bereits zum nächsten Tisch unterwegs war.

Betty leerte eine Schale duftenden Reis auf Alfies Teller und begann, das Linsencurry und die würzige Aubergine aufzuteilen.

»Ich könnte mir nie Botox spritzen lassen«, sagte sie.

»Magst du keine Spritzen?«

»Das ist es nicht. Wenn ich nicht die Stirn runzeln könnte, wie kann ich dann mein Missfallen gegenüber Frauen ausdrücken, die in Schönheitssalons gehen? Manchmal verzweifle ich an meinen Schwestern. Warum können sie nicht damit zufrieden sein, wie sie aussehen?«

Weil sie nicht alle aussehen wie du, dachte Alfie.

»Botox ist ein Gift, ein Toxin – der Hinweis liegt schon im Namen. Es ist verrückt, was für Sachen Frauen tun, weil sie Angst vorm Altern haben. Sie sollten es feiern. Ich bin stolz auf meine Falten.«

Alfie betrachtete sie. Da waren leichte Falten zwischen ihren Brauen – deren Farbe vollkommen akzeptabel war –, doch sie verliehen ihr einen Ausdruck von Ernsthaftigkeit, den er attraktiv fand. Und sie hatte Lachfältchen in den Augenwinkeln. Ansonsten konnte er keine einzige Falte entdecken.

»Für Männer ist es okay«, fuhr sie fort. »Ihr dürft so schamlos altern, wie ihr wollt, und euch findet man nie auch bloß in der Nähe eines Schönheitssalons.«

Alfie, der kürzlich überlegt hatte, sich an Debbie zu wenden, hielt einen Themenwechsel für das Beste. Sein anrüchiges Geheimnis würde er Betty jedenfalls nicht anvertrauen.

Er reichte ihr die Schale Raita. »Du wolltest mich etwas fragen, als Debbie kam.«

Betty löffelte ein wenig Raita auf ihren Teller. »Wollte ich? Ach ja, ich habe dich das schon einmal gefragt, habe aber nie eine Antwort bekommen. Dieses furchtbare Paar, das du aus London kanntest ... Sie hatten von einer Vivian gesprochen. Wer ist sie?«

Alfies Mund wurde trocken. »Niemand ... niemand Wichtiges.«

Ihn sollte der Schlag treffen, weil er Blasphemie beging.

Er griff nach dem Bier und nahm einen großen Schluck. Betty beobachtete ihn aufmerksam, und er rang sich ein Lächeln ab. »Erzähl mir von der lustigen Witwe«, forderte er sie auf.

»Eve Mosby? Keine nette Person. Ihr gehört das meiste von Bunburry und die Hälfte von Cheltenham.«

»Im Ernst?«

»Vielleicht übertreibe ich ein bisschen. Aber sie ist eine stinkreiche Immobilienbesitzerin, und alles, was sie interessiert, ist die Gewinnspanne.«

Betty riss sich ein dreieckiges Stück vom Naan-Brot ab. »Sie hat einen gut aussehenden persönlichen Assistenten, halb so alt wie sie, der ihr sehr persönlich assistiert.«

Alfie setzte die leicht angewiderte Miene auf, von der er glaubte, sie würde erwartet, obgleich ihn Eve Mosby überhaupt nicht interessierte. Wie konnte er das über Vivian sagen? Aber wie könnte er etwas anderes sagen? Dies war weder die Zeit noch der Ort.

Er war sich nicht sicher, wie er den Rest des Essens überstand, doch die Unterhaltung schien einigermaßen fließend. Am Ende war es schneller vorbei, als er gedacht hatte – auch wenn seine Gedanken immer wieder zu Bettys Frage nach Vivian zurückkehrten.

Vielleicht war auch Betty mit den Gedanken in der Zwischenzeit woanders; denn als Rakesh schließlich mit der Rechnung kam, legte sie diesem eine Hand auf seinen Arm und fragte: »Ist alles in Ordnung?«

Mit seinem gewohnten Lächeln antwortete Rakesh: »Alles bestens – umso mehr, weil Sie hier sind.«

Betty war nachdenklich, als sie und Alfie aufbrachen und in Richtung ihres Cottages gingen. »Ich mache mir Sorgen um Rakesh. Etwas stimmt nicht, da bin ich mir sicher.«

Auf Alfie hatte er normal gewirkt, aber Betty kannte ihn schon viel länger als er.

Betty sammelte sich wieder. »Übrigens, bevor wir so rüde von der Botox-Königin unterbrochen wurden, wolltest du mich etwas fragen.«

»Du hast nicht erzählt, wohin du reisen wirst.«

Sie gab darauf keine Antwort, und Alfie redete eilig weiter: »Da William und Carlotta und Rakeshs Familie ihre Verwandten besuchen, frage ich mich, ob du das auch vorhast.«

»Ja, klar doch.« Ihr Ton war ätzend. »Meine Mom wird das Mastkalb schlachten lassen, da sie weiß, dass ich kein Fleisch esse, und mein Dad wird den Bundesstaat wechseln, um mich zu meiden. Aber vermutlich hast du meine Familiensituation vergessen.«

»Habe ich nicht«, entgegnete Alfie schärfer als beabsichtigt. »Aber du hast noch Familie, und es ist nie zu spät, Brücken zu schlagen.«

»Al.« Sie hakte sich bei ihm ein. »Tut mir leid.«

Er verspürte einen überwältigenden Drang, die Arme um sie zu legen und sie an sich zu ziehen. Doch das wäre ein Fehler. Sie entschuldigte sich bloß.

»Für dich war es schlimm«, sagte sie, »deine Mom zu verlieren und nie deinen Dad kennenzulernen.«

»Mach dir deshalb keine Gedanken«, sagte er. »Das tue ich auch nicht.«

Tat er wohl. Liz und Marge hatten seinen Vater gekannt oder zumindest etwas über ihn gewusst, weigerten sich indes, es Alfie zu erzählen.

Betty drückte seinen Arm leicht. »Na gut. Themenwechsel: Wie kommst du mit deinem Studium an der Fernuniversität voran?«

Alfie blieb abrupt stehen. Er hatte keiner Menschenseele davon erzählt, nicht mal Oscar. Sein Psychologiestudium hatte ihn fasziniert, und Kriminologie kam ihm wie die natürliche Fortsetzung vor. Aber er wollte nicht, dass es öffentlich bekannt wurde.

»Woher weißt du davon?«, fragte er.

Sie begann zu lachen, lehnte sich an ihn, und die Versuchung, seinen Arm um sie zu legen, wurde noch größer.

»Wusste ich nicht«, erwiderte sie. »In der Post haben sich bloß alle gefragt, warum du Briefe von der Uni bekommst, und wie sich herausstellt, habe ich richtig geraten. Was studierst du?«

»Unterwasser-Makramee.«

Sie nickte. »Eine praktische Fertigkeit. Aber im Ernst – mich erstaunt, dass du die Zeit dafür findest.«

Er glaubte zunächst, dass sie sich über seinen Status als Müßiggänger lustig machte, der seit dem Verkauf seines Start-ups alle Zeit der Welt hatte. Doch sie sah ihn mit einem Ausdruck an, den man für Bewunderung halten könnte. Es verstörte ihn.

»Du erinnerst mich wirklich an Gussie«, sagte sie, als sie wieder weitergingen. »Du entwickelst dich zu einer festen Instanz in dieser Gemeinde, genau wie sie.«

»Wohl kaum«, murmelte er.

»Doch, wirklich. Wir hätten das Tierheim ohne deine Unterstützung nicht halten können. Dank dir ist die Bücherei wieder geöffnet. Du fährst kreuz und quer übers Land, um die Karamell-Lieferungen für Liz und Marge zu machen, führst Regie bei ›Agathas Amateuren‹, und ich habe gehört, dass sie zum allerersten Mal etwas anderes aufführen als Die Mausefalle. Außerdem kam mir zu Ohren, dass du ehrenamtlich im Hospiz arbeitest.«

»Es ist gut, wenn man sich beschäftigt«, sagte er unbeholfen.

»Wenigstens wirst du jetzt ein wenig mehr Freizeit haben, wenn du nicht mehr zu den Grünenversammlungen musst.«

»Du hast mir immer noch nicht verraten, was du vorhast«, erinnerte er sie.

Er fand, diesmal war sie diejenige, die unbeholfen klang.

»Etwas für Greenpeace.«

»Vorlesungen?«

Sie blickte zu ihm auf, die Augenbrauen hochgezogen, und ihn überkam eine leichte Unruhe.

»Wohin willst du?«, fragte er.

»Das beruht auf dem Prinzip ›Kenntnis nur, wenn nötig‹, und es ist nicht nötig, dass du es erfährst.«

»Wie lange bist du weg?«

»So lange, wie es dauert.«

Er stockte, bevor er schließlich wissen wollte: »Ist es legal?«

»Kann etwas illegal sein, das moralisch gerechtfertigt ist? Darüber wäre zu diskutieren.«

Sie hatten den Dorfrand erreicht und näherten sich dem Sandweg, der zu Bettys abgelegenem Cottage führte. Sie blieb stehen und ließ seinen Arm los. »Danke für den netten Abend.«

Offensichtlich wollte sie keinen gefühlseligen Abschied.

»War mir ein Vergnügen«, erwiderte er. »Gute Nacht.« Er neigte sich zu ihr, um sie auf die Wange zu küssen, doch sie drehte den Kopf, sodass er sie stattdessen auf den Mund küsste.

Nach einiger Zeit löste sie sich sehr behutsam von ihm. »Ich sollte gehen. Morgen muss ich früh raus.«

Sie umarmte ihn kurz, ehe sie sich abwandte und auf ihr Cottage zuging.

»Pass auf dich auf!«, rief er ihr nach, wobei er Mühe hatte, das Beben in seiner Stimme zu unterdrücken.

Und dann machte er sich auf den Rückweg, erfüllt von einer verstörenden Mischung aus Euphorie und Schuldgefühlen.

2. Debbies Schönheitssalon

Es war acht Uhr morgens, und Debbie hatte Yoga gemacht, ihren Drei-Meilen-Lauf zusammen mit ihrem pechschwarzen Pudel Perro absolviert und ein nahrhaftes Frühstück aus Müsli, Obst und fettarmem Joghurt genossen. Nun war sie in ihrem Salon, wo Perro auf einem alten Handtuch im Hinterzimmer schlummerte, das sie als Lager benutzte.

Noch eine Stunde, bis sie öffnen würde, und drei, bis Mrs Mosby kommen sollte – die von jeher keine Frühaufsteherin war und nie pünktlich zu ihren Terminen erschien. Dennoch wollte Debbie, dass alles tadellos war für diese erste Royal-Blowtox-Behandlung. Sie legte eine der Klassik-CDs auf, die Liz ihr geliehen hatte und die so viel geschmackvoller klangen als Fahrstuhlmusik oder Walgesang. Dann stellte sie Duftkerzen auf, die sie erst kurz vor Mrs Mosbys Ankunft anzünden würde.

Essen und Getränke waren bereit. Zugegeben, es war nicht ganz so, wie Debbie es sich ursprünglich vorgestellt hatte, weil sie Rücksicht nehmen musste auf Mrs Mosbys ... Sie suchte nach einem akzeptablen Wort und entschied sich schließlich für »Exzentrizität«.

Debbie hatte geplant gehabt, ihren Royal-Blowtox-Kundinnen zur Begrüßung einen Kir Royal mit Crème de Cassis und Champagner zu servieren. Zudem wollte sie ein wunderschön hergerichtetes Schälchen mit Liz’ Karamell anbieten, das als das beste in den Cotswolds galt. Und es sollte eine Auswahl an den berühmten Petits Fours aus dem hiesigen Café geben, sowohl süß (Mandel- sowie Schokoladenmousse-Törtchen und bunte Macarons) als auch deftig (winzige Pastetchen mit Krabben und Ei oder kleine »Schweineohren« mit Ziegenkäse und Pesto).

Doch wie sie es gelernt hatte, machte Debbie zunächst einmal eine Anfangsberatung mit Mrs Mosby, um zu überprüfen, ob sie eine geeignete Kandidatin für Botox war. Sie vergewisserte sich, dass Mrs Mosby gesund war. Und dann kam die – nein, nicht affige Schrulligkeit – Exzentrizität ins Spiel.

Mrs Mosby konnte nichts Sprudelndes trinken. Somit müsste es Crème de Cassis mit Chablis sein. Außerdem hatte Debbie stilles Malvern-Wasser besorgt, das die Queen trank und das folglich annehmbar sein sollte. Mrs Mosby war obendrein laktoseintolerant, glutenunverträglich, hatte eine Nussallergie und durfte Eier oder Schalentiere nicht mal anfassen.

Womit das beste Karamell in den Cotswolds ebenso ausfiel wie alles, was das Café an Petits Fours zu bieten hatte. Debbie klagte ihr Leid Nicholas, dem Café-Besitzer, und er nahm die Herausforderung sogleich an.

»Ich mache Häppchen aus Superfood – Guarana, Spirulina, solche Sachen. Da werden kein Tropfen Milch, kein Fitzelchen Nuss und kein Weizenkorn auch nur in die Nähe kommen. Sie wird keinen Grund zur Klage haben.«

Debbie war nicht überzeugt gewesen, aber die Superfood-Petits-Fours, die jetzt neben dem Wasser und dem Wein in ihrem Kühlschrank standen, sahen köstlich aus.

Wenigstens gab es eines, über das sich Mrs Mosby nicht beschweren könnte, und das war ihre Allergie gegen Tierhaare. Als sie zum ersten Mal in den Salon gekommen war, hatte sie umgehend den harmlos in der Ecke liegenden Perro erspäht.

»Schaffen Sie diese furchtbare Kreatur hier raus!«, hatte sie befohlen. »Ich bin sehr allergisch gegen Tierhaare. Ich merke jetzt schon, wie meine Nase zu laufen anfängt.«

Zum ersten und einzigen Mal ignorierte Debbie das hohe Gesetz, dass der Kunde immer im Recht war.

»Verzeihen Sie«, hatte sie würdevoll und ruhig gesagt, »aber das ist unmöglich. Perro ist ein Pudel, und Pudel haaren nicht. Deshalb züchtet man Labradoodles, kreuzt also Pudel mit Labradoren, um einen Blinden- oder Begleithund für Allergiker zu haben.«

Mrs Mosby musste gespürt haben, dass Perros Anwesenheit nicht verhandelbar war. Sie schniefte ein bisschen, tupfte sich demonstrativ die Nase, wiederholte jedoch nicht ihre Forderung, dass das Tier entfernt werden sollte.

Als Debbie sie besser kennenlernte, wurde ihr klar, wie außergewöhnlich es für Mrs Mosby war, nicht ihren Willen durchzusetzen. Doch bei dieser Gelegenheit hatte Mrs Mosby dringend Debbies Hilfe gebraucht: Sie hatte ihr Rodier-Kopftuch abgenommen und grellorangenes Haar enthüllt.

»Ein furchtbarer, furchtbarer Salon in Cheltenham«, erklärte Mrs Mosby aufgebracht. »Unglaubliche Inkompetenz – natürlich habe ich mich geweigert zu bezahlen, und ich erwäge, die zu verklagen.«

Debbie wusste, dass es eine glatte Lüge war. Sie erkannte eine misslungene selbst gemachte Tönung auf Anhieb. Ihre Rolle war es indes nicht, zu urteilen, sondern zu helfen. Sie musste zweimal entfärben, bevor sie das Haar in jenes Platinblond verwandeln konnte, das ihr eigenes Markenzeichen war. Mrs Mosby hatte sie vermutlich nur wegen ihrer Sachkenntnis auf diesem Gebiet aufgesucht. Es dauerte von halb elf morgens bis vier Uhr nachmittags, doch schließlich bewunderte Mrs Mosby sich von allen Seiten im Spiegel und war zufrieden.

»Robert meint immer, dass ich wie Marilyn Monroe aussehe«, sagte sie, und Debbie stimmte inbrünstig zu, da die Kundin – und auch deren Ehemann – grundsätzlich recht hatten.

Danach war Mrs Mosby eine Stammkundin geworden, auch wenn sie ihre Termine ausließ, wenn Debbie zu einer Fortbildung war, weil sie sich auf keinen Fall von Debbies Assistentin Poppy frisieren lassen wollte. So kam es zu einigen abgesagten Terminen, versäumte Debbie doch keine Chance, ihr Können zu verfeinern.

Mrs Mosby war stets gewillt, alle neuen Behandlungen auszuprobieren, die Debbie anbot: Massage mit heißen Steinen, Wachsen mit ätherischen Ölen, Anti-Pollution-Kosmetik. Und manchmal empfahl sie den Salon ihren betuchten Freundinnen. Debbie hoffte, dass die Royal-Blowtox-Behandlung gefragt sein würde, vor allem bei jenen Freundinnen, die nicht ganz so ... exzentrisch waren.

Obwohl Mrs Mosby nicht die einfachste Kundin sein mochte, so war sie doch eine erfolgreiche Geschäftsfrau, und das wiederum bewunderte Debbie in hohem Maße. Hätte sie Mrs Mosbys Geld, was könnte sie nicht alles machen? Sie würde in größere Räumlichkeiten umziehen, vielleicht sogar eine Filiale eröffnen, mehr Mitarbeiterinnen einstellen und sich noch mehr um ihre Weiterbildung kümmern – Reflexologie eventuell und Chakra-Kristalle.

Auch Mrs Mosbys Stil bewunderte sie. Debbie hatte eine große Vorliebe für Pink, weil sie fand, dass es besonders gut zu ihrem blonden Haar passte. Doch inzwischen fragte sie sich, ob sie sich zu sehr in ausgefahrenen Gleisen bewegte. Mrs Mosby hatte sich über die Jahre immer wieder neu erfunden. Angefangen hatte sie als Marilyn Monroe mit engen Pullovern und Caprihosen, doch nun, mit Mitte fünfzig (das hatte Debbie während der Botox-Beratung erfahren und geschworen, es für sich zu behalten), war sie zur zeitlosen Eleganz von Coco Chanel übergegangen. Dazu gehörte, dass ihre platinblonde Mähne einem adretten dunklen Bob weichen musste, der Debbie perfekt gelungen war.

Heutzutage trug Mrs Mosby meist klassische Kostüme, deren Röcke nur eben ans Knie reichten, erschien jedoch gelegentlich auch im ebenso klassischen kleinen Schwarzen, dazu mit teurem Schmuck und Retro-Handtaschen.

Und sie gab gern Weisheiten von ihrem neuen Idol von sich. Als Debbie sie einmal zu ihrem neuen Outfit beglückwünschte, zitierte sie einen Ausspruch von Chanel: »Ziehen Sie sich an, als würden Sie heute Ihrem ärgsten Feind begegnen.«

Debbie versuchte immerzu, von Mrs Mosby zu lernen, aber bei diesem Spruch wusste sie nicht recht, wie sie ihn auf sich anwenden sollte. Sie hatte keine Feinde, von einem ärgsten ganz zu schweigen. Es hatte eine unerfreuliche Phase in der Schulzeit gegeben, als sich ihre Freundin Lorraine und sie überwarfen, weil sie in denselben Jungen verliebt gewesen waren. Doch er hatte sie beide ignoriert und war schließlich mit Corrinne Hughes auf und davon.

Und was genau sollte man überhaupt anziehen, um seinem ärgsten Feind zu begegnen? Sicher wäre das Vernünftigste eine Kombination aus Turnschuhen, Leggings und einem engen Top, wie Debbie sie frühmorgens zum Laufen trug, damit man so schnell wie möglich wegkam.

Aber Mrs Mosby hatte damals gegrinst, als hätte sie etwas besonders Bedeutsames von sich gegeben. Ihr schien die Vorstellung zu gefallen, ihrem ärgsten Feind zu begegnen. Was gut für sie sein muss, dachte Debbie, denn an Feinden mangelt es Mrs Mosby sicher nicht. Debbies Lieblingszitat, dessen Urheber sie nicht kannte, war: »Es ist nett, nett zu sein«, was jedoch keinen Raum in Mrs Mosbys Lebensphilosophie fand. Ihr war es offenbar egal, wen sie gegen sich aufbrachte.

Es machte ihr nicht einmal etwas aus, Debbie zu verärgern, deren Vermieterin sie war. Die Salonmiete war nie günstig gewesen, doch nach dem traurigen Ableben von Mr Mosby war Debbie plötzlich mitgeteilt worden, dass die Miete in drei Monaten angehoben würde.

Sie sprach es bei Mrs Mosbys nächstem Termin an, einer Ganzkörpermassage, denn sie war fest davon überzeugt, dass es sich um einen Irrtum handeln musste.

Mrs Mosbys Stimme wurde zwar durch den Gesichtsausschnitt in der Massageliege gedämpft, trotzdem konnte man ihre Erwiderung nicht missverstehen.

»Wie bitte? Sie sollten mir danken. Ich erhöhe Ihre Miete deutlich weniger als die der anderen, weil ich Sie mag. Doch wenn Sie mir nur etwas vorjammern wollen, sehe ich nicht ein, warum ich Ihnen einen Gefallen tun soll. Sie reden doch dauernd davon, dass Sie eine bessere Geschäftsfrau sein wollen, also gebe ich Ihnen einen Tipp – erhöhen Sie Ihre Preise, dann können Sie auch Ihre Miete bezahlen. Und jetzt hören Sie auf zu reden. Ich versuche, mich zu entspannen.«

Eine Sekunde lang hatte Debbie überlegt, sehr fest auf Mrs Mosbys Ischiasnerv zu drücken. Im nächsten Moment war sie erschrocken, dass sie etwas Derartiges auch nur denken konnte, und begann, Mrs Mosbys oberen Rücken mit geübten rhythmischen Bewegungen zu massieren.

Sie konnte unmöglich ihre Preise erhöhen. Mrs Mosby und ihre Freundinnen mochten zwar in der Lage sein, Londoner Preise zu bezahlen, aber die anderen Kundinnen könnten sich dann ihre Termine hier nicht mehr leisten.