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Christin-Marie Below

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Beschreibung

Ein Neuanfang auf Norderney Noch immer ist Mona tieftraurig. Vor einem Jahr starb ihre beste Freundin Sophie. Auf der Suche nach Trost reist Mona nach Norderney, Sophies Lieblingsort. Die schöne Nordseeinsel hält einige Überraschungen bereit: Erst findet Mona bunt bemalte Steine am Strand und durch diese eine neue Freundin. Von ihr erfährt Mona von einem leerstehenden Café. Die gelernte Konditorin möchte einen Neuanfang wagen und bewirbt sich darum. Da lernt sie Tjark kennen, einen jungen Koch, der ihr Herz höherschlagen lässt. Aber sie zögert: Ist sie bereit für so viel Veränderung? Und kann sie dem Glück wirklich über den Weg trauen? Innige Freundschaft, große Gefühle und eine wunderschöne Insel: Dieses Buch ist wie ein Tag am Meer.

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Café Meerblick

Die Autorin

Christin-Marie Below, Jahrgang 1993, wohnt in Oberhausen. Hin und wieder findet man sie aber auch auf Norderney, wo sie vor Ort recherchiert. Als Tochter der Autorin Andrea Russo (Anne Barns) wuchs sie umgeben von Geschichten und Büchern auf.

Das Buch

Ein Neuanfang auf Norderney

Noch immer ist Mona tieftraurig. Vor einem Jahr starb ihre beste Freundin Sophie. Auf der Suche nach Trost reist Mona nach Norderney – Sophies Lieblingsort. Die schöne Nordseeinsel hält einige Überraschungen bereit: Erst findet Mona bunt bemalte Steine am Strand und durch diese eine neue Freundin. Von ihr erfährt Mona von einem leer stehenden Café. Die gelernte Konditorin möchte einen Neuanfang wagen und bewirbt sich darum. Da lernt sie Tjark kennen, einen jungen Koch, der ihr Herz höherschlagen lässt. Doch sie zögert: Ist sie bereit für so viel Veränderung? Und kann sie dem Glück wirklich über den Weg trauen?

Christin-Marie Below

Café Meerblick

Roman

Ullstein

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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Mai 2022© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022Umschlaggestaltung: Sabine Kwauka, MünchenTitelabbildung: Himmel: shutterstock / © Evgeny Karandaev, Möwen: shutterstock / © Volushka, Beeren: shutterstock / © Gringoann, Leuchtturm: shutterstock / © vector_ann, Pflanzen: shutterstock / © MyStocks, Torte: shutterstock / © Marharyta Kovalenko, Surfer: shutterstock / © solarseven, Düne: shutterstock / © Daria UstiugovaAutorinnenfoto: © Salvatore RussoE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-8437-2666-5

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Einleitung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

Ein Jahr später …

Danksagung

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Einleitung

Widmung

Für meine Mutter, ich hab dich lieb!

Einleitung

10. Juni 2018Meeresbrise/Sommeranfang

Liebstes Leben,immer zuerst ans Meer!

Seit gestern bin ich mit Mona auf Norderney. Und wie jedes Mal haben wir uns sofort nach unserer Ankunft Räder ausgeliehen. Wir sind den Deich entlanggefahren, immer geradeaus, dem Wind entgegen. Wir haben gelacht und unsere Nasenspitzen in die Sonne gehalten. Der Wind hat uns wunderschöne Inselfrisuren gezaubert, so schnell sind wir gefahren. Mona hat ein Foto von mir geschossen und mich auf den Namen Sturmkönigin Sophie getauft. Dabei hat sie gelächelt, das Leben kann so schön sein!

Das war einer dieser Momente, die ich gern einfrieren würde. Dann könnte ich ihn irgendwann auspacken und auftauen. Immer dann, wenn wir ihn brauchen würden, wäre er da.

Zuerst konnten wir uns nicht entscheiden, an welchen Teil des Strandes wir uns legen wollen. Die Insel ist so schön! Also sind wir einfach immer weitergefahren. Zwischen den Dünen war es windstiller und sehr warm.

Wir haben uns gefreut wie kleine Kinder, als wir endlich die für uns perfekte Stelle am Strand gefunden haben.

Wir haben unsere Fahrräder abgestellt, sind zum Strand gegangen und haben uns für ein Plätzchen am Fuße der Düne entschieden. Dort haben wir uns schnell ausgezogen und sind über den heißen Sand in das Wasser gerannt, bis es tief genug war, um kopfüber unterzutauchen. Die Nordsee war noch eiskalt. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper, aber das war mir egal. Und Mona hat es auch nichts ausgemacht. Sie ist prustend direkt neben mir hochgekommen.

»Goose-Pimple-Alarm!«, hat sie übermütig gerufen. Dann hat sie mir lachend ihren Arm entgegengestreckt, auf dem sich, wie bei mir, die kleinen feinen Härchen aufgestellt haben. Sie hat festgestellt, dass Frau Krüger uns damals im Englischunterricht nicht viel beigebracht hat. Aber die goose pimples fand Mona lustig, die hat sie sich gemerkt – genau wie bumfuzzle oder poppycock, Durcheinander und Unsinn.

Damals waren wir in der zehnten Klasse, fünfzehn Jahre alt, und wir haben eine Liste mit besonders schrägen Wörtern geführt, die immer länger wurde.

Da war die Welt noch in Ordnung, habe ich zu Mona gesagt, und sie hat mich ernst angesehen und mir erklärt, dass die Welt jetzt, wo wir fünfundzwanzig sind, auch wieder in Ordnung ist und dass es auch so bleiben wird.

Normalerweise bin ich immer diejenige mit dem unerschütterlichen Optimismus. Wenn ich graue Wolken am Himmel sehe, gehe ich erst einmal davon aus, dass gleich dahinter die Sonne hervorkommt, während Mona davon überzeugt ist, dass es jeden Moment anfängt zu regnen. Was dieses eine Thema betrifft, ist Mona jedoch die Optimistin und irgendwie auch mein Fels in der Brandung.

An schlechtes Wetter glauben wir momentan beide nicht, der Wetterbericht hat Sonnenschein für die nächsten Tage angesagt.

Die warmen Strahlen kitzeln meine Haut und wärmen meine Seele. Mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr, ich möchte die Zeit auf Norderney einfach nur genießen und vor allem an die positiven Dinge denken.

Deswegen habe ich Mona vorgeschlagen, wieder eine Liste anzulegen, aber diesmal mit besonders schönen Wörtern.

Von der Idee war sie begeistert, sie hat sofort nach ihrem Wort gesucht. Dabei hat sie den Kopf leicht schief gelegt, so wie immer, wenn sie nachdenkt. In dem Moment ist etwas Wind aufgekommen und hat über unsere Körper gestrichen. Ein Lächeln ist über Monas Gesicht gehuscht, und sie hat gesagt, dass ihr erstes schönes Wort auf der neuen Liste »Meeresbrise« sein soll.

Da ist mir plötzlich eingefallen, was für ein Tag bald ist, und ich habe auch mein schönes Wort gefunden: Sommeranfang.

Nach dem Strand sind wir in die Stadt gefahren und haben ein großes Eis gegessen. Salziges Karamell und Schokolade habe ich mir ausgesucht, und Mona hat zwei Kugeln Vanille genommen. Es gibt nichts Besseres, sagt sie – wenn das Eis gut ist. Und das ist es wirklich!

Danach haben wir in der Buchhandlung zugeschlagen. Mona hat sich gleich drei Bücher ausgesucht, die sie hier lesen möchte. Ich habe zwei gekauft – und dazu dieses hübsche dicke Notizbuch, in das ich ab heute meine Gedanken schreibe.

Liebstes Leben, ich sammle nicht nur schöne Worte, sondern auch die besonderen Momente, an die ich mich immer erinnern möchte, so wie heute – mit Mona am Meer.

Deine Sophie

1.

Für mich muss immer alles gerade stehen oder hängen. Ich liebe es, wenn Dinge perfekt zueinanderpassen, und am besten ist es, wenn sie auch noch in einer geraden Anzahl vorhanden sind. In meinen Einkaufskorb wandern zwei Äpfel oder eben vier. Drei wie auf dem Stillleben, das meine Tante mir geschenkt hat, kämen bei mir nicht in die Tüte und auch nicht in den Korb.

Ich hänge das Bild an die Nägel, die ich in die Wand geklopft habe, und betrachte es kritisch. Das blöde Ding hängt rechts etwas zu weit unten, obwohl ich mit einer Wasserwaage gearbeitet habe. Und das ärgert mich mehr, als es sollte. Sophie würde jetzt lachen, mich in die Seite knuffen und behaupten, ich sei ein »Monk«. Die Serie mit dem oberpedantischen Kommissar, an den ich sie oft erinnert habe, hat sie geliebt. Wenn sie mich ärgern wollte, hat sie meine in einer Linie nebeneinanderstehenden Schalen auf dem Sideboard verrückt oder meine Shampooflasche auf den Kopf gestellt. Oder sie hat Socken, die mit »Links« und »Rechts« gekennzeichnet waren, demonstrativ am falschen Fuß getragen, wenn sie mich besuchen kam. Das alles nur, um mich zu foppen – oder um mir mal wieder bewusst zu machen, dass ich das Leben nicht so ernst nehmen soll. Sophie war gut darin, sich auf die wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren. Sie hatte eine natürliche Leichtigkeit, mit ihr hat sich alles einfach angefühlt.

»Nur für dich«, sage ich leise und lasse die Leinwand so hängen, perfekt unperfekt.

Ich setze mich in meinen Lesesessel und schenke mir ein Glas selbst gemachte Zitronenlimonade ein. Es könnte eigentlich ein wunderschöner Nachmittag sein. Es ist Mitte Juni, und das Thermometer zeigt weit über zwanzig Grad an, der Sommer ist endlich da.

Beim Trinken betrachte ich das Bild an der Wand – und freue mich diebisch, als ich feststelle, dass Tante Doro drei Margeriten in eine graue Vase gemalt hat, die neben zwei kleineren steht. Drei Äpfel in einem Korb, drei Vasen, drei Blumen, denke ich zufrieden, das Bild hat System. Da kündigt das Klingeln meines Smartphones, das neben mir auf dem kleinen Bistrotisch liegt, einen Anruf an.

Ich zögere einen Moment, weil ich genau weiß, was jetzt kommt, nehme das Gespräch aber schließlich doch an. Ich möchte nicht, dass mein bester Freund sich um mich sorgt.

»Hi, Chris.«

Er fällt sofort mit der Tür ins Haus. »Ich habe Feierabend! Pack deinen Bikini ein, wir fahren an den See. Du musst mitkommen, du weißt ja, ich bin wasserscheu, allein geh ich nicht rein.«

Ich seufze. »Netter Versuch. Aber ich kann nicht.«

»Du willst nicht«, korrigiert Chris mich.

»Stimmt!«, gebe ich zu.

»Du bleibst bei deinem Entschluss, heute allein sein zu wollen?«, fragt er.

»Ja!«, antworte ich.

»Na gut, aber wenn was ist, meldest du dich, ich lass mein Handy an.«

»Am See?«

»Wenn du nicht mitkommst, bleibe ich zu Hause«, erklärt er. »Ich setze mich auf den Balkon, stecke die Füße in einen Wäschekorb voll mit kaltem Wasser und die Nase in meine Bücher.«

»Das ist doch Quatsch, geh baden, mir geht es gut«, versichere ich. Aber das ist nicht wahr. Mir geht es überhaupt nicht gut, ich vermisse meine Freundin – sehr. »Zumindest komme ich bis jetzt einigermaßen klar«, füge ich hinzu. »Ehrlich, Chris, ich möchte das so, ich will allein sein.«

»Na gut.« Er seufzt. »Wenn was ist, rufst du mich aber an, versprochen?«

»Versprochen!«

Es ist schön, zu wissen, dass es Menschen gibt, die sich um mich sorgen, und dass ich nicht allein sein muss, wenn ich es nicht will. In meinen Gedanken sehe ich Chris auf seinem Balkon sitzen und auf meinen Anruf warten. Er würde für mich alles stehen und liegen lassen, wenn ich ihn brauche. Auch wenn wir mal eine Zeit lang nicht viel miteinander sprechen oder uns nur selten sehen, weiß ich, dass er immer für mich da ist – und ich für ihn.

Ich schaue aus meinem Wohnzimmerfenster, direkt auf die große alte Eiche, die im zum Haus gehörenden Gemeinschaftsgarten steht. Ihre Blätter bewegen sich kaum, die Luft steht still. Und genauso fühle ich mich seit Monaten: im Stillstand.

Mit Sophie verging die Zeit immer wie im Flug. Das letzte Jahr hingegen kam mir vor wie eine Ewigkeit.

Lautes Brummen lenkt meinen Blick auf den Blumentopf auf der Fensterbank. Eine Hummel schwirrt zwischen den Lavendelblüten umher. Sophies überraschten Blick, als sie mal von einer gestochen wurde, werde ich nie vergessen. Sie hat mir nicht geglaubt, dass die gemütlichen dicken Brummer einen Stachel haben, und wollte mir unbedingt das Gegenteil beweisen. Deswegen hat sie eine in die Hand genommen und vorsichtig ihre Finger um sie geschlossen – und dann hat sie mich einfach nur mit großen Augen angesehen und »Du hast recht!« gesagt. Die Hummel hatte sie am kleinen Finger erwischt.

Ich nehme den Topf von der Bank, öffne das Fenster und schubse das Tier vorsichtig nach draußen. Beim Schließen fällt mir auf, wie schmutzig die Scheiben sind. Drei Stunden später habe ich nicht nur alle Fenster in meiner Wohnung geputzt, sondern auch gesaugt, den Parkettfußboden geschrubbt, den Staub von den Schränken entfernt und die Schubladen in der Küche aussortiert und gesäubert.

Ich lasse mich in meinen Sessel fallen, strecke die Beine lang aus und schließe für einen Moment die Augen. Als ich sie wieder öffne, fällt mein Blick auf das schiefe Bild an der Wand, und wie aus dem Nichts schwappen die Gefühle in mir hoch. Sophie ist überall – und nirgendwo. Ich rücke die Leinwand gerade und merke dabei, wie sich leichte Panik in mir breitmacht. Kurz darauf tippe ich mit zittrigen Fingern eine Nachricht in mein Smartphone und schicke sie an Chris.

Kannst du vielleicht doch vorbeikommen?

Nur kurz darauf leuchtet seine Antwort auf.

Klar, bin in 10 Minuten da.

Er braucht gerade mal sieben Minuten. Ich stehe auf, als es klingelt, öffne ihm die Tür und sage: »Du bist viel zu schnell gefahren, sonst wärst du jetzt noch nicht hier, das schafft man nicht, wenn man sich an die Geschwindigkeitsbegrenzungen hält. Wie schaffst du es nur, dass du nie geblitzt wirst, während ich sogar erwischt werde, wenn ich mit knapp vierzig durch die Dreißigerzone gurke?«

Anstatt auf meine Frage zu antworten, kommt Chris in die Wohnung, schließt die Tür hinter sich und breitet seine Arme aus: »Komm her!«

Ich versuche die Tränen wegzublinzeln, die sich in meinen Augen sammeln, aber das gelingt mir nicht. Ich schniefe ein paarmal und lasse mich in seine Arme sinken. So stehen wir eine Weile im Flur, bis ich mich wieder etwas beruhigt habe und von ihm löse.

»Danke, dass du gekommen bist.«

»Dafür sind Freunde doch da.«

»Magst du was trinken? Ich habe noch Limo im Kühlschrank.« Selbst gemacht, nach Sophies Rezept …

»Ja, gern.«

Mit einem Glas Zitronenlimonade setzen wir uns auf die Couch und schweigen uns einen kurzen Augenblick an. Wahrscheinlich weiß Chris nicht so recht, wie er mit mir umgehen und was er sagen soll. Aber das macht nichts, ich verstehe ihn, denn ich weiß es ja selbst nicht. Vorhin wollte ich noch allein sein, und jetzt bin ich froh, dass ich es nicht mehr bin, obwohl ich eigentlich immer noch keine Lust habe, irgendjemanden zu sehen.

»Ich bin froh, dass du hier bist«, sage ich schließlich.

»Möchtest du darüber reden?«, fragt er.

»Nein«, antworte ich, schaue aus dem Fenster und versuche, nicht wieder loszuheulen. Genau das ist der Grund, aus dem ich heute eigentlich lieber allein sein wollte. Ich hatte gehofft, dieses Thema einfach beiseiteschieben zu können. Wenn niemand da ist, der mit mir darüber reden möchte, ist es quasi auch nicht da. Zumindest in der Theorie war es ein toller Plan. In der Praxis sieht die Sache allerdings ganz anders aus.

»Gut, aber wenn doch, bin ich da. Das weißt du, oder?«

»Ja, danke!«, sage ich, schaue meinen Freund an und muss schmunzeln. »Schicke Frisur.«

Chris fährt sich mit der Hand durch seine dunkelblonde Wuschelmähne. »Die blöden Dinger gehen in die Breite, bald sehe ich aus wie ein Pilz. Ich muss unbedingt zum Friseur, das mit dem Wachsenlassen kann ich vergessen.«

»Steht dir aber. Ich wäre froh, wenn ich so schöne Locken hätte.« Ich greife in mein Haar, das mir mittlerweile bis über die Schultern fällt. »Vielleicht lasse ich es abschneiden, irgendwas Praktisches.«

»Mach das bloß nicht«, kommt es sofort. »Nicht, weil dir das nicht stehen würde. Du siehst mit jeder Frisur gut aus. Aber ich will mir dein Gejammere nicht anhören, wenn du es danach bereust.« Er grinst. »Das hatten wir schon mal, weißt du noch?«

»Ja, das David-Drama.« Ich seufze. Damals hatte sich meine erste große Liebe nach zwei Jahren von mir getrennt und ich mich daraufhin von meiner Mähne, die er angeblich so geliebt hatte.

»Die Haarkrise überwindest du, und die andere auch – das dauert einfach seine Zeit.« Er zeigt auf den Jutebeutel, der zwischen uns liegt. »Ich habe uns ein paar Filme mitgebracht. Ich dachte, wir machen uns einen schönen Abend. Oder wir versuchen es zumindest. Wonach ist dir? Horror? Komödie? Liebesfilm? Thriller? Oder doch eher ein Disneyfilm? König der Löwen vielleicht? Ich bin auf alles vorbereitet.«

»Ist mir ehrlich gesagt egal, such du einen aus«, entscheide ich.

Während Chris den Überraschungsfilm in den Blu-Ray-Player schmeißt, verschwinde ich in der Küche, um ein paar Snacks zu holen. Dabei fällt mir auf, dass ich heute noch gar nichts gegessen habe, und einkaufen war ich auch nicht. Ich öffne den Kühlschrank und fische ein paar Käsewürfel, Weintrauben und eine halbe Wassermelone heraus. Kurz überlege ich, ob ich auch eine Flasche Wein mitnehme, aber ich entscheide mich dagegen. Alkohol tut mir momentan nicht gut, Limonade ist besser.

Zwei Filme später ist es kurz vor Mitternacht. »Sei mir nicht böse, aber ich glaube, ich wäre jetzt lieber wieder allein«, erkläre ich meinem Freund.

»Meinst du, dass das eine gute Idee ist? Ich kann auch bei dir bleiben und auf dem Sofa schlafen. Wir könnten die ganze Nacht Filme schauen, bis wir einschlafen, reden oder auch einfach hier sitzen und nichts sagen, was meinst du?«

Ich schüttele den Kopf. »Das ist lieb. Aber ich denke, dass es wichtig ist, dass ich jetzt für mich bin. Ich muss da allein durch, zumindest heute Nacht.«

»Ist gut.« Er sieht mich besorgt an. »Ich leg mein Handy auf den Nachttisch, ruf an, wenn du dich doch noch umentscheidest.«

Ein paar Minuten später verabschieden wir uns an der Tür.

Ich schalte den Fernseher aus, gehe ins Badezimmer, putze meine Zähne, wasche mich, ziehe meine Schlafshorts und ein Top an und lasse mich in mein Bett fallen. Für eine Bettdecke ist es eigentlich viel zu warm, ganz ohne kann ich allerdings nicht, auch in den warmen Jahreszeiten brauche ich zumindest ein dünnes Bettlaken, das ich mir zwischen die Beine klemmen kann. Das gibt mir ein Gefühl von Sicherheit.

Ich schüttle meine zwei Kissen auf, rolle mich auf die Seite, knipse das Licht aus, schließe meine Augen und denke an die gemeinsame Zeit mit meiner Freundin Sophie. An ihr sanftes Lächeln und die vielen kleinen Sommersprossen um ihre Nase herum. Ich sehe das Lachgrübchen, das sich nur auf ihrer rechten Wange abgezeichnet hat, höre den Klang ihrer Stimme und bilde mir ein, den Duft von Melone wahrzunehmen. Sophie mochte fruchtige Parfums, die so rochen, dass man Hunger bekam. Meine Erinnerungen sind so klar und frisch, als hätte ich Sophie gestern noch gesehen, und dabei ist es jetzt elf Monate und dreihundertvierundsechzig Tage her.

Um ein Uhr zweiundzwanzig piept mein Handy. Es erinnert mich daran, dass genau zu diesem Zeitpunkt die Welt stehen geblieben ist. Sophies Herz hat aufgehört zu schlagen. Ein Jahr ohne sie, und sie fehlt mir von Tag zu Tag mehr.

2.

Ich öffne die Augen, blinzle verschlafen und schaue auf die Uhr. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, den Tag, vor dem ich mich so sehr gefürchtet habe, komplett zu verschlafen. Ich rolle mich auf den Rücken, seufze und ziehe das Bettlaken bis über meine Nasenspitze. In der Hoffnung, doch noch mal einzuschlafen, schließe ich meine Augen wieder. Doch da fängt irgendjemand im Haus an zu bohren. Wahrscheinlich die neuen Nachbarn im Erdgeschoss, denke ich, sie sind erst vor zwei Wochen eingezogen. Ich schaue auf den kleinen Wecker auf dem Nachttisch. Er zeigt dreizehn Uhr elf an. Nachdem ich fast die ganze Nacht wach gelegen habe, bin ich doch noch mal eingeschlafen. Der halbe Tag wäre rum, und den Rest schaffe ich auch noch. Ich klettere aus dem Bett, schlüpfe in meine Hausschuhe und binde meine Haare zu einem hohen Messy Bun. So ganz abgeschlossen habe ich mit dem Gedanken an kürzeres Haar noch nicht, ich muss es ja nicht gleich übertreiben, aber ein Stück könnte schon ab, überlege ich, nur so viel, dass ich mir noch einen Zopf binden könnte. Ich möchte keinen komplett neuen Look, aber einen etwas pflegeleichteren, und es wäre schön, wenn ich das mit meinem Leben ebenso hinbekommen würde. Sophie hätte nicht gewollt, dass ich mich so dermaßen hängen lasse.

Ich öffne das Fenster, um ein wenig Luft in meine Wohnung zu lassen. Heute scheint es ein bisschen kühler zu sein, ein paar bauschige schneeweiße Wolken haben sich vor die Sonne geschoben, und es ist sogar etwas Wind aufgekommen. Er trägt einen süßen Duft durch das Fenster in meine Wohnung. Da backt jemand, denke ich, atme tief ein und schließe die Augen. Ich kann die Vanille riechen – und Ei. Das wird ein Biskuit, eindeutig!

Ich hatte schon immer eine feine Nase und konnte selbst kleine Noten erschnüffeln, die andere Menschen niemals wahrnehmen würden. Sophie hat mich darum immer ein wenig beneidet. Wir haben oft gemeinsam davon geträumt, irgendwann ein Café zu eröffnen, haben es gedanklich schon eingerichtet und überlegt, welche unserer Kuchen und Torten einen Platz auf der Speisekarte verdienen. Schon als Kinder standen wir regelmäßig mit ihrer Mutter in der Küche, haben mit unseren Händen Teig geknetet oder mit dem Schneebesen kräftig in unseren Schüsseln gerührt, um Kuchen oder Kekse zu backen. Sophies absoluter Lieblingskuchen war damals ein einfacher Limokuchen mit einem dicken Puderzuckerguss. Er hat ihr so gut geschmeckt, dass sie ihn ständig backen wollte. An jedem ihrer Geburtstage gab es ihn, an meinem auch, und an dem ihrer Eltern backte sie ebenfalls einen, um ihn anschließend in einer selbst gebastelten Schachtel mit einer großen Schleife darum zu verschenken.

Warum sie ausgerechnet diesen Kuchen so sehr mochte, wusste sie selbst nicht.

Noch einmal atme ich tief ein, und dann lächle ich. Sophie war felsenfest davon überzeugt, dass alles einen Sinn hat. Ob sie mich durch den Kuchenduft davon überzeugen will, selbst den Ofen anzuschmeißen?

»Vergiss es«, sage ich leise.

Ich gehe in die Küche, koche etwas Wasser auf und setze meinen Porzellanfilter auf eine Tasse. Anschließend gebe ich einen Papierfilter hinein und fülle ihn mit einem Löffel gemahlenem Kaffee. In kreisförmigen Bewegungen gieße ich das heiße Wasser darüber und beobachte, wie es langsam in meine Tasse sickert. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee ist fast noch besser als der von Kuchen, denke ich und gieße noch einmal etwas Wasser nach. Da schellt es plötzlich an der Tür, dreimal kurz, einmal lang, das unverkennbare Klingelzeichen meiner Mutter.

Jetzt ist es vorbei mit der Ruhe, denke ich, und schon kurz darauf höre ich, wie sie die Haustür öffnet und mit ihrer klaren hellen Stimme »Mona-Schatz, ich bin es, Mama, nicht erschrecken« ruft.

Den Schlüssel habe ich ihr damals gegeben, damit ich Ersatz habe, falls ich meinen mal verbummele. Aber seitdem sie sich ständig Sorgen um mich macht, tut sie so, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, einfach ungefragt bei mir aufzutauchen – nur um mal zu schauen, wie es mir geht. Aber ich kann es ihr nicht verdenken, in den ersten Wochen ging es mir wirklich sehr schlecht.

»Hallo, Mama.«

Meine Mutter stellt einen riesigen Kochtopf auf den Küchentisch. »Hallo, Schatz.«

Sie kommt zu mir und schließt mich in die Arme, so fest, dass ich fast keine Luft mehr bekomme.

»Mama!«, druckse ich.

»Ich habe mir Sorgen gemacht, Mona. Warum hast du dich denn nicht gemeldet? Ich hab dich schon ein paarmal angerufen.«

»Echt? Habe ich gar nicht mitbekommen, mein Handy ist noch lautlos, ich lag bis eben im Bett.«

»Bis eben? Oh, ach so.« Sie lächelt liebevoll und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, dann mustert sie mich, als wolle sie überprüfen, ob an mir auch wirklich noch alles dran ist.

»Es geht mir einigermaßen gut«, erkläre ich. »Chris war gestern noch lang bei mir, ist aber dann wieder gefahren, weil ich allein sein wollte. Die Nacht war schlimm – aber ich habe es überstanden.«

Sie nickt. »Es wird besser Jahr für Jahr, du wirst sehen.«

»Ja, ich weiß, die Zeit heilt alle Wunden«, sage ich, auch wenn ich daran im Moment noch nicht glaube.

»Das ist so nicht ganz richtig«, erwidert meine Mutter ernst. »Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber du lernst, mit dem Schmerz umzugehen.« Sie deutet mit dem Kopf auf den Topf. »Ich habe dir aber was mitgebracht, das immer hilft, auch wenn es dafür zugegebenermaßen eigentlich viel zu warm ist.«

»Hühnersuppe«, stelle ich fest. Obwohl der Topf geschlossen ist, schafft es der Geruch, den Kaffeeduft in meiner Nase zu verdrängen. »Danke, Mama.«

»Nicht dafür.«

»Willst du auch einen Kaffee?«

»Gern.« Sie geht zum Fenster und stellt es auf Kipp. »Oh, hier backt jemand einen Biskuitboden«, stellt sie fest. Die Geruchsempfindlichkeit habe ich von ihr geerbt.

Ich hole eine zweite Tasse aus dem Schrank und stelle den Wasserkocher noch einmal an.

Während der Kaffee durchläuft, zaubert meine Mutter eine Tüte vom Bäcker aus ihrer großen Tasche und setzt sich zu mir an den Tisch. »Du hast doch bestimmt noch nichts gegessen, oder?«

»Du hast noch mehr mitgebracht?«

»Baguettes, belegt mit Tomate, Mozzarella und Pesto, so wie du es am liebsten magst, Mona.«

Obwohl ich keinen Hunger habe, esse ich alles auf. Meine Mutter macht sich schon genug Sorgen um mich, und sie hat mir nicht nur einmal gesagt, dass ich auf mich aufpassen muss, weil ich einige Kilo abgenommen habe. Meine Kleidung muss ich mir demnächst eine Größe kleiner kaufen. Aber das ist mir relativ egal, ich habe mich vorher wohlgefühlt, und das ist jetzt auch noch so, zumindest was meinen Körper angeht. In meiner Seele sieht es hingegen anders aus.

»Ich vermisse sie«, sage ich.

Meine Mutter rückt mit ihrem Stuhl ganz nah an mich ran und nimmt mich in den Arm. »Ich weiß, mein Schatz.«

Eine ganze Weile sitzen wir einfach nur da. Sie lässt mich weinen. Es tut gut, meinen Kummer zuzulassen. Danach fühle ich mich etwas schwach, aber es geht mir besser.

»Lass uns eine Runde spazieren gehen«, schlägt meine Mutter vor. »Dann kommt dein Kreislauf etwas in Schwung, das wird dir guttun.«

Lust habe ich keine, aber ich ziehe mich trotzdem an. Dabei fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht bei Chris gemeldet habe. Das hole ich nun nach.

Hey du, mir geht es gut. Danke noch mal für deinen Besuch gestern Abend. Ich zögere einen Moment, bevor ich hinzufüge: Das würde ich gern demnächst wiederholen, mit etwas weniger Herzschmerz und vielleicht einer großen Pizza.

Kurz darauf gehen wir durch den Park. Meine Mutter hat sich bei mir eingehakt. Es fällt mir wirklich schwer, immer etwas Gutes in allem zu sehen, aber ich bemühe mich trotzdem. Im letzten Jahr sind meine Mutter und ich uns ein ganzes Stück nähergekommen, und darüber bin ich sehr froh.

Mittlerweile ist es halb acht am Abend. Meine Mutter ist gerade erst gegangen, und auch nur, weil ich mit ihr einen Teller Hühnersuppe gegessen habe, in den sie eine große Portion Buchstabennudeln gegeben hat.

Nun bin ich erschöpft, ich fühle mich, als hätte ich mindestens drei Nächte nicht geschlafen. Ich beschließe, den restlichen Abend direkt im Bett zu verbringen und dabei irgendeine Serie anzuschauen, bis ich einschlafe. Den Fernseher hat meine Mutter mir zum Geburtstag geschenkt. Eigentlich wollte ich nie einen in meinem Schlafzimmer stehen haben, aber nun bin ich doch froh, dass ich ihn habe. Er hat den Wein abgelöst, den ich ein paar Monate jeden Abend vor dem Einschlafen getrunken habe. Ich entscheide mich für eine Fantasyserie, in der es um Hexen geht, die die Welt retten müssen, lehne mich gemütlich in das Kissen und lasse mich in eine andere Welt entführen. Doch schon nach zehn Minuten wird mein Serienabend unterbrochen.

Irgendjemand hat an der Tür geklingelt.

Chris? Er hat mich gefragt, ob wir gleich heute gemeinsam die Pizza essen wollen. Ich habe stattdessen die nächste Woche vorgeschlagen, aber er hat darauf noch nicht geantwortet.

Ich greife zu meinem Handy, um zu schauen, ob er vielleicht doch noch mal etwas geschrieben hat, aber das hat er nicht, und da klingelt es auch schon erneut.

»Na toll«, murmele ich und stehe auf.

Es sind nicht, wie erwartet, die blonden Locken meines Freundes, die ich im nächsten Moment sehe. Vor mir steht Franzi, Sophies kleine Schwester. Und sie sieht meiner Freundin verdammt ähnlich.