Unser Reetdachhaus am Strand - Christin-Marie Below - E-Book
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Unser Reetdachhaus am Strand E-Book

Christin-Marie Below

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Beschreibung

Alte Freundschaft und stürmische Gefühle auf Norderney  Früher waren Marla, Sonja und Yve ein Herz und eine Seele, nun treffen sie sich nach vielen Jahren auf Norderney wieder, dem Ort ihrer Kindheit. Schnell ist die alte Vertrautheit zurück. Als sie erfahren, dass das Reetdachhaus ihrer damaligen Tagesmutter "Oma Jella" abgerissen werden soll, setzen sie alles daran, es zu erhalten. Marla sucht Hilfe bei Tischler Henrik, ihrer Jugendliebe. Es funkt heftig zwischen den beiden, auch bei ihren Freundinnen dreht sich das Liebeskarussell. Doch dann taucht ein Investor auf, der seine eigenen Pläne verfolgt. Marla, Sonja und Yve besinnen sich auf die Dinge, die wirklich wichtig sind und die Oma Jella ihnen einst mit auf den Weg gegeben hat. Erleben Sie einen Sommer auf Norderney: Drei Freundinnen finden sich wieder und geben einander Kraft

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Unser Reetdachhaus am Strand

Die Autorin

CHRISTIN-MARIE BELOW, Jahrgang 1993, wohnt in Kassel. Hin und wieder findet man sie aber auch auf Norderney, wo sie vor Ort recherchiert. Als Tochter der Autorin Andrea Russo (Anne Barns) wuchs sie umgeben von Geschichten und Büchern auf.Von Christin-Marie Below erschien in unserem Haus:Pension HerzschmerzCafé Meerblick 

Das Buch

Alte Freundschaft und stürmische Gefühle auf NORDERNEYFrüher waren Marla, Sonja und Yve ein Herz und eine Seele, nun treffen sie sich nach vielen Jahren auf Norderney wieder, dem Ort ihrer Kindheit. Schnell ist die alte Vertrautheit zurück. Als sie erfahren, dass das Reetdachhaus ihrer damaligen Tagesmutter »Oma Jella« abgerissen werden soll, setzen sie alles daran, es zu erhalten. Marla sucht Hilfe bei Tischler Henrik, ihrer Jugendliebe. Es funkt heftig zwischen den beiden, auch bei ihren Freundinnen dreht sich das Liebeskarussell. Doch dann taucht ein Investor auf, der seine eigenen Pläne verfolgt. Marla, Sonja und Yve besinnen sich auf die Dinge, die wirklich wichtig sind und die Oma Jella ihnen einst mit auf den Weg gegeben hat.

Christin-Marie Below

Unser Reetdachhaus am Strand

Roman

Ullstein

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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage April 2023© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildungen: © FinePic®, MünchenE-Book Konvertierung powered by pepyrusISBN 978-3-8437-2890-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Zwei Jahre später

Rezepte

Dank

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Widmung

Für Daniel, ich liebe dich!

Prolog

Es war still geworden im Haus. Aber das änderte sich schon im nächsten Moment. Jella hielt inne und lauschte.

»Eins, zwei, drei …«, zählte Sonja laut.

Und schon krachten die Dielen über Jellas Kopf. Die Kinder spielten Verstecken. Jella hörte Türen knallen, und dass einer von den Rackern bis nach oben auf den Dachboden lief. Das Knarren der Treppenstufen war unverkennbar.

»Ich komme!«, rief Sonja laut.

Lächelnd rührte Jella im Topf.

Da ging plötzlich die Tür auf, Marla schlich auf Zehenspitzen hinein. »Psst, Oma Jella, nichts verraten«, flüsterte sie. Und schon war sie unter der Eckbank verschwunden.

»In Ordnung«, sagte Jella.

Marla streckte den Kopf aus ihrem Versteck. »Das riecht lecker, was kochst du?«

»Apfelchutney. Man isst es zu Käse oder als Soße zu Gegrilltem.« Die Apfelernte war reichlich ausgefallen. Seit ein paar Tagen stand Jella jeden Tag in der Küche, kochte Mus, Kompott, trocknete Apfelscheiben über dem Ofen. Und heute hatte sie sich zum ersten Mal an einer herzhaften Variante versucht, einem Chutney mit einer ordentlichen Prise Curry, reichlich Zwiebeln und etwas rotem Paprika. Es duftete himmlisch.

»Sind Zwiebeln drin?«

»Ja, Schatz.«

»Bah!«

Jella lachte. »Sie verkochen, die spürst du später nicht mehr.«

»Versprochen?«

»Versprochen!« Sie horchte auf. Das Haus war alt, es verriet sofort, wenn jemand sich darin bewegte, auch wenn man sich noch so abmühte, kein Geräusch zu machen. Hier ein Knarzen, dort ein Quietschen. »Ich glaube, da kommt jemand«, flüsterte Jella.

Marla kroch in die hinterste Ecke unter der Bank und machte sich so klein sie konnte.

Aber es war nicht Sonja, die durch die Tür geschlichen kam. Henrik und Yve kamen in die Küche. Der Junge legte den Zeigefinger auf die Lippen. Jella zwinkerte ihm zu. Dann krabbelten die beiden zu Marla unter die Bank. Kurz darauf hörte Jella ein lautes Stapfen. Sie lächelte, als Sonja mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihr stand.

»Oma!«

»Ja, Sonja?«

»Hast du die anderen gesehen? Ich bin mit Suchen dran, aber ich finde sie nicht. Die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«

»Und wenn doch?«, fragte Jella. Sie sah aus dem Fenster. Eine steife Brise pustete vom Meer herüber, blies die gelben Blätter vom Apfelbaum und wirbelte sie durch den Garten. »Schau mal raus. Es ist stürmisch geworden. Da sind ganz sicher Windgeister am Werk.«

»Ist klar«, schimpfte Sonja. »Du und deine Geschichten, Oma Jella.«

Noch bevor Jella etwas darauf erwidern konnte, prustete Marla unter der Bank los.

»Mensch, Marla«, schimpfte Henrik.

Yve fing an zu kichern.

Sonja ging in die Hocke und sagte: »Erwischt, jetzt bist du dran, Marla! Dich habe ich zuerst gehört.«

Die Bande kroch unter der Bank hervor.

»Wollt ihr probieren?«, fragte Jella und hielt den Rackern den Kochlöffel hin.

»Später!« Sonja stupste Marla an. »Los, fang an zu zählen.«

»Eins, zwei, drei …«, zählte Marla laut, und der Rest der Bande flitzte durchs Haus.

Eine Bö rüttelte an den Fensterläden. Wie sehr ich die Kinder doch liebe, dachte Jella. Sie bereicherten ihr Leben wie nichts zuvor.

Kapitel 1

Nein sagen ist eigentlich ganz einfach. Zumindest theoretisch. Es darf nicht zaghaft klingen, sonst wird aus dem Nein ein Vielleicht und daraus ein Ja.

»Nein.« Ich sitze mit meiner Freundin Jula am Tisch und schüttele vehement den Kopf. Ich brauche keinen Mann, mir geht es gut allein. »Mit Kai war ich sechs Jahre liiert, und ich bin immer noch froh, dass ich ihn wieder los bin.«

»Der war ja auch ein Idiot. Ach, komm schon, Marla, guck ihn dir doch wenigstens mal an. Marc ist anders. Er ist echt nett.« Jula kann wirklich hartnäckig sein.

Aber ich bleibe konsequent. »Nein!«, sage ich noch einmal.

Doch das interessiert meine Freundin nicht. »Er sieht gut aus. Außerdem ist er kein typischer Mathelehrer. Sein zweites Fach ist Sport.«

»Auch das noch, ein Sportlehrer! Ich will doch keinen Typen, bei dem ich automatisch ein schlechtes Gewissen bekomme, nur weil ich faul bin. Du kennst mich doch. Ich möchte meine Couch genießen dürfen«, erkläre ich. »Außerdem weiß er bestimmt immer alles besser. Ist doch meistens so, schau dir meine ganzen alten Kollegen an. Die waren nicht unbeteiligt daran, dass ich das Referendariat abgebrochen habe. Und jetzt willst du mich ausgerechnet mit einem Lehrer verkuppeln?«

Jula schweigt einen Moment, dann nickt sie. »Ach so, also bist du prinzipiell nicht abgeneigt, aber bestimmte Berufe schließt du konsequent aus.«

»Was? Nein, so meinte ich das nicht. Der Beruf ist mir eigentlich egal. Aber mir geht es gerade gut. Ich habe generell kein Interesse an Männern. Vielleicht irgendwann mal wieder. Momentan bin ich zufrieden, mir gefällt mein Singledasein.«

»Ein Lehrer wäre – eigentlich – also doch okay. Irgendwann.« Jula ignoriert meinen Einwand, öffnet die Fotogalerie ihres Handys und schiebt das Gerät zu mir rüber. »Dann kannst du ihn dir ja wenigstens mal ansehen. Schau mal, das Bild habe ich nach dem Volleyballtraining gemacht. Marc ist groß, bestimmt eins neunzig, fünfunddreißig Jahre alt und seit gut einem halben Jahr von seiner Freundin getrennt. Kinder hat er keine.«

Neben meiner Tasse liegt nun Julas Handy. Darauf leuchtet das Foto des Mannes, der mich angeblich unbedingt kennenlernen will.

Ich ignoriere es stoisch. »Hast du ihm auch einen Schnappschuss von mir gezeigt?«, frage ich, obwohl ich die Antwort schon kenne.

Sie nickt. Aber nur ganz kurz. »Das Foto, das wir letztens im Bergpark aufgenommen haben. Auf der Bank.«

Es ist ein schönes Foto. Eines der wenigen von mir, auf denen ich mir gefalle. Ich greife selbst gern zur Kamera, aber wenn ich vor der Linse stehe, habe ich entweder die Augen geschlossen oder den bösen Blick, wie Kai ihn immer sehr charmant genannt hat. Immer dann, wenn ich mich auf etwas zu sehr konzentriere, kneife ich automatisch die Augenbrauen zusammen. Auch, wenn ich mich darauf konzentriere, entspannt in die Kamera zu schauen. An diesem Tag war es anders gewesen. Jula hat es in dem Moment geknipst, in dem ich zum ersten Mal wieder das Gefühl hatte, nach vorn schauen zu können. Zwei Stunden sind wir durch den Bergpark spaziert, haben geredet, und ich konnte endlich wieder lachen. Auf dem Foto schaue ich entspannt in die Kamera. Mein rotblondes Haar schimmert in der Abendsonne. Ich sehe gut aus.

»Und?«, fragt sie.

»Du bist echt nervig«. Ich seufze, als ich widerwillig einen Blick auf den Sportlehrer werfe.

Wenn Jula etwas unbedingt möchte, kann sie sehr hartnäckig sein. Das hat mich schon häufig zum Verzweifeln gebracht. Aber sie ist auch eine der herzlichsten und hilfsbereitesten Frauen, die ich je kennengelernt habe. Während des Studiums haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Sie war meine erste Freundin, die ich gefunden habe, nachdem ich mich entschieden hatte, zum Studieren nach Kassel zu ziehen. Damals wollte ich unbedingt Lehrerin werden. Und Kassel hat mir gefallen. Die Kunst, die sich wie ein roter Faden durch die Stadt zieht, hat mich magisch angezogen. Ich beschloss, Kunst und Germanistik zu studieren, und habe tatsächlich die Aufnahmeprüfung bestanden. Gleich am ersten Tag des Semesters habe ich Jula in der Cafeteria der Uni getroffen. Sie saß neben mir, in ein Pflanzenbestimmungsbuch vertieft. Ich war müde an dem Tag von der Party, die wir am Abend davor im Studentenwohnheim gefeiert hatten, passte nicht auf, verschüttete meinen Kaffee über dem Tisch. Sie hob geistesgegenwärtig das Buch hoch, sprang auf, holte Papiertücher. Und ist mir seitdem nicht mehr von der Seite gewichen.

»Nicht mein Typ«, sage ich. Er hat blondes verstrubbeltes Haar, blaue Augen, mir würde er dunkelhaarig besser gefallen. Aber sein Lächeln ist nett. »Okay, er sieht trotzdem ganz gut aus.«

»Sag ich doch. Und, was ist jetzt? Ich lasse dich in Zukunft auch in Ruhe, wenn du ihn dir wenigstens mal ansiehst.«

Seit Wochen versucht meine Freundin, mich für irgendwelche ihrer Arbeitskollegen oder Freunde ihres Mannes zu begeistern, die allesamt Singles sind. Entweder, weil sie die Richtige noch nicht gefunden haben. Oder aber, weil sich die Richtige doch als die Falsche entpuppt hat. So wie das bei mir auch der Fall war. Ich habe Kai einfach nicht gereicht. Aber das ist zum Glück vorbei. Diesmal endgültig. Ich bin dreißig Jahre alt, frischgebackene Singlefrau und mache mir nicht annähernd so viele Sorgen um meine Zukunft, wie meine Freundin es anscheinend tut. Ich schüttele unwillkürlich den Kopf. »Warum bist du so versessen darauf, mich zu verkuppeln?«

»Damit du das blöde Arschgesicht endlich vergisst und wieder nach vorn schaust.«

Jula hat auch schon schlimmere Worte für meinen Ex gefunden. Wenn es nach ihr ginge und sie es gekonnt hätte, hätte sie ihn auf direktem Weg auf den Mond geschossen. Oder irgendwo in der Arktis ausgesetzt, auf einem Eisberg. »Dafür brauche ich keinen Neuen, ich werde Kai auch so vergessen«, sage ich.

»Okay.« Jula lächelt mich an und ändert die Taktik. »Es gibt auch nette Kerle. Marc ist einer davon. Vielleicht lohnt es sich, ihn kennenzulernen.« Sie pikt mir mit dem Zeigefinger in den Oberarm. »Komm, so wie früher. Wir setzen uns ins Auto und machen eine Miss-Marple-Tour. Marc hat gleich Schulschluss. Sieh ihn dir wenigstens mal in natura an. Da kommst du auf andere Gedanken. Außerdem macht es Spaß.«

»Du gibst einfach nicht auf.«

Ich seufze, Jula grinst. Dann hebt sie die übergroße Schultertasche hoch, die neben ihr auf dem Stuhl steht, und zaubert eine Pappkiste hervor. »Ich habe vorsorglich schon mal Donuts besorgt.« Sie deutet auf unsere Tassen. »Und den Kaffee nehmen wir mit. Du hast doch eine Thermoskanne? Oder lassen wir ihn abkühlen und packen Eiswürfel rein?« Sie schaut zum Fenster. »Die Sonne scheint. Es ist herrlich warm draußen. Schade, dass wir kein Cabrio haben.«

»Oh Mann.« Ich schüttele den Kopf. Jula lässt einfach nicht locker. »Du versprichst mir, mir nie wieder einen Kerl schmackhaft machen zu wollen, wenn ich Ja sage?«

»Versprochen.«

Nein, vielleicht, ja – das habe ich jetzt davon. Ich sitze tatsächlich mit meiner Freundin im Auto und warte darauf, einen Blick auf einen Mann werfen zu können, von dem ich gar nichts wissen will. Er ist Lehrer. Heute gibt er auch nachmittags Unterricht. So ein Zufall aber auch, dass Jula mich genau zur richtigen Uhrzeit besucht hat. Ich genehmige mir einen Schluck Kaffee und beiße danach in einen Donut. Er schmeckt süß und nach altem Fett. Puderzucker rieselt von meiner Hand hinunter auf meine Oberschenkel. Genau genommen haben mir die Dinger nie geschmeckt. Aber sie gehörten einfach dazu, wenn wir auf Tour waren. Deswegen habe ich sie trotzdem geliebt. Früher haben Jula und ich oft und teilweise stundenlang potenzielle Freunde, in der Regel aber eher potenzielle Ex-Freunde ausspioniert. Unsere Miss-Marple-Touren waren spektakulär. Ausgestattet mit Kopftüchern, Hüten, Mützen und Sonnenbrillen zum Verkleiden sowie jeder Menge Proviant, haben wir uns gefühlt wie Detektivinnen, wenn wir uns auf die Lauer gelegt haben.

Aber das ist jetzt gut zehn Jahre her. Wir wurden älter, die Touren weniger, und irgendwann hörten sie ganz auf. Das Ausspionieren im Februar zählt nicht. Da war ich allein unterwegs, bei Eiseskälte. Ohne Proviant und mit dem blöden Gefühl im Bauch, dass Kai mich betrügt. Meine Finger waren fast eingefroren, ich zitterte am ganzen Körper, als ich mitten in der Nacht im Auto wartete, bis er endlich aus dem Haus seiner Arbeitskollegin kam. Auf mein Bauchgefühl konnte ich mich schon immer verlassen. Der innige Verabschiedungskuss der beiden sprach Bände. Kai hat mich nicht nur einmal betrogen, da bin ich mir sicher. Jedes Mal habe ich es gespürt. Aber ich wollte es nicht wahrhaben und habe es verdrängt. Bis ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Was danach kam, war allerdings noch schlimmer. Anfangs hat Kai mit allen Mitteln versucht, mich zum Bleiben zu bewegen. Ich habe ihm verziehen. Er war wieder ganz der Mann, in den ich mich anfangs verliebt hatte, charmant, aufmerksam …

Doch nach ein paar Monaten fing alles wieder von vorn an. Er konnte es nicht lassen. Aber diesmal blieb ich konsequent. Ich habe mich getrennt. Vielleicht werde ich mich irgendwann wieder für Männer interessieren, aber momentan bin ich einfach noch nicht so weit.

Ich halte den angebissenen Donut hoch. »Der schmeckt ranzig.«

»Findest du? Meiner hat geschmeckt wie immer.« Jula hat ihren schon weggeputzt und wischt sich an einem Papiertaschentuch die Finger ab.

»Ist vielleicht zu warm für Donuts.« Ich lege den Kringel zurück in die Pappschachtel und schaue auf die Uhr im Auto. »Du hast gesagt, der Unterricht geht bis drei. Bist du sicher? Wir haben schon Viertel nach.«

»Die sechste Stunde geht bis halb drei. Vor der siebten ist allerdings noch mal Pause. Es müsste jeden Moment klingeln.«

»Ich habe Nachmittagsunterricht immer gehasst«, erkläre ich. »Als Schülerin und als Lehrerin dann noch mehr.«

»Wer nicht«, sagt Jula. »Aber noch schlimmer fand ich Samstagsunterricht.«

»Stimmt.« Ich lasse meinen Blick über das Schulgelände schweifen.

Da packt Jula mich am Arm und sagt: »Da, sie kommen!«

Von einer Sekunde auf die andere füllt sich der Platz gegenüber mit Schülern.

»Ich glaube, da ist Marc, der Große zwischen den ganzen Kids.«

»Wo?« Plötzlich bin ich doch neugierig.

»Fehlalarm«, sagt Jula und zuckt mit den Schultern. »Sag mal, wie sieht es eigentlich mit deiner Urlaubsplanung aus? Hast du dich entschieden? Und jetzt sag mir bitte nicht, dass du ständig in deiner Bude sitzen willst. Du musst mal raus. Du brauchst Abstand. Von Kai – von allem.«

»Ja, ich weiß. Aber entschieden habe ich mich noch nicht.« Mein Blick geht rüber zur anderen Straßenseite. Der Schulhof hat sich mittlerweile geleert. Marc haben wir nicht gesehen.

»Mission gescheitert«, sagt Jula und seufzt.

»Gut, wie gesagt, ich habe sowieso kein Interesse. Aber wenn wir schon mal in der Nähe sind … Ich muss noch bei Kai vorbei, um ein paar Sachen aus der Wohnung zu holen, die ich unbedingt zurückhaben möchte. Meine große beige Kuscheldecke. Einen alten Bilderrahmen und, ganz wichtig, meine Wärmflasche in Schlangenform. Ich habe sie schon mehr als einmal schmerzlich vermisst. Er kann eh nichts mit dem Zeug anfangen. Begleitest du mich?«

Jula rollt mit den Augen. »Du weißt, ich mach alles für dich. Aber vielleicht ist es besser, wenn ich allein gehe. Halte du dich fern von ihm. Am Ende hast du wieder ein schlechtes Gewissen. Ich weiß nicht, wie er das schafft, aber er drückt bei dir immer die richtigen Knöpfe. Er baut Scheiße, du fühlst dich schuldig. So wichtig sind die Sachen doch nicht, oder?«

Jula hat recht. Mein zweiter Vorname könnte Schlechtes Gewissen lauten: Marla Schlechtes Gewissen Blum. Kai sagt, er hätte mich niemals betrogen, wenn ich mich nicht so sehr auf meinen Job in der Werbeagentur konzentriert und mich mehr um ihn gekümmert hätte. Mein Verstand sagt mir, dass das nicht stimmt. Aber ich fühle mich trotzdem mies. Der Stress mit Kai in den letzten Monaten, nein, Jahren hat mir ordentlich zugesetzt. Ich habe etliche Kilo abgenommen und schlafe schlecht. Mittlerweile wirkt sich das auch beruflich aus. Ich kann kaum noch einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn, vernünftige Worte zu Papier bringen. Ich bin so was von urlaubsreif. Eine Auszeit täte mir gut, irgendwo in der Sonne. Wenn möglich, in einem guten Sternehotel mit Pool und gutem Essen.

»Vielleicht fliege ich nach Gran Canaria oder Mallorca …«, sage ich spontan.

Jula sieht mich ernst an. »Im Sommer? Wie kommst du denn darauf? Warum nicht nach Norderney? Zurück zu den Wurzeln. Seitdem ich dich kenne, erzählst du davon, wie schön die Insel ist.« Sie lächelt. »Dann könnte ich dich vielleicht für ein Wochenende dort besuchen kommen. Ich würde zu gern sehen, wo du aufgewachsen bist.«

»Allerdings bist du dann mit dem Auto fast fünf Stunden bis nach Norddeich unterwegs, die Zeit auf der Fähre kommt noch dazu. Mit dem Zug ist es auch nicht besser, da musst du zigmal umsteigen«, sage ich. »Aber eigentlich ist es keine schlechte Idee. Ich denke noch mal darüber nach.« Es ist nicht das erste Mal, dass ich überlege, nach Norderney zu fahren. Vor etwa zwei Jahren habe ich schon einmal nach der schnellsten Verbindung gesucht. Das war, als ich mich dafür entschieden hatte, das Referendariat abzubrechen und meine Karriere als Lehrerin an den Nagel zu hängen. Damals wollte ich einfach nur noch weg. Aber ich bin geblieben, Kai zuliebe.

»Da ist man echt lang unterwegs«, sagt Jula. »Das lohnt sich wirklich nicht für ein Wochenende.«

»Denke ich auch. Wenn, müssen wir für länger fahren.« Ich lächle sie an. Es ist schön, eine so gute Freundin zu haben. Jula war, ist immer für mich da. Andersherum verhält es sich natürlich auch so. Wir haben schon die eine oder andere Krise gemeinsam überstanden. »Aber wir könnten ja ein paar Tage irgendwo in der Nähe planen, Wellness vielleicht? Das haben wir doch schon länger vor.«

»Gute Idee! Lass uns nachher nach einem Termin schauen, damit wir es diesmal auch wirklich in die Tat umsetzen.« Julas Hand wandert in Richtung des Zündschlüssels. »Und jetzt ein Eis?«

»Unbedingt«, antworte ich und zucke im nächsten Moment zusammen. Jemand klopft an das Autofenster auf meiner Seite.

Kapitel 2

Strahlend blaue Augen, blondes Haar. Ich habe nur einen kurzen Blick auf das Foto geworfen, erkenne Marc aber sofort.

Jula lässt das Fenster auf meiner Seite runter und lehnt sich zu mir rüber.

»Hallo, Marc«, flötet sie.

»Jula, das ist ja eine Überraschung.« Er sieht mir direkt in die Augen. »Und du bist bestimmt Marla. Jula hat mir ein Foto von dir gezeigt.«

Am liebsten würde ich in einem Loch versinken. Ich rutsche ein kleines Stück weiter in den Sitz hinein und suche nach den richtigen Worten, aber mir fällt nichts ein. Das »Ertappt«, das mir auf der Zunge liegt, behalte ich für mich.

»Habt ihr auf mich gewartet?«, fragt Marc. Er sieht an mir vorbei zu Jula. »Warum hast du mir denn nicht gesagt, dass ihr kommt?«

»Weil wir nicht wegen dir hier sind«, flunkert Jula, ohne rot zu werden, und steigt aus dem Wagen.

Ich möchte nicht unhöflich sein und steige auch aus. Marc trägt Sportklamotten. Eine hellgraue Jogginghose, dazu ein blaues T-Shirt. Neben ihm steht eine Sporttasche auf dem Boden. Er ist groß. Das hat Jula mir schon erzählt, aber es überrascht mich trotzdem, als ich zu ihm aufschaue. Ich bin gerade mal eins achtundsechzig, er hingegen bestimmt eins dreiundneunzig, wie ich schätze. Zehn Zentimeter größer als Kai auf jeden Fall. Und mit kleinem sympathischen Bauchansatz, wie ich feststelle.

»Hi.« Ich reiche ihm die Hand. Er kann ja nichts dafür, dass Jula sich in den Kopf gesetzt hat, uns zu verkuppeln. Unter normalen Umständen würde er mir wahrscheinlich sogar gefallen.

»Hallo.« Er legt den Kopf leicht schief, schaut zu mir herunter und grinst verlegen. »Ich bin sonst nicht so überheblich, automatisch davon auszugehen, dass jede Frau nur wegen mir hier im Auto sitzt und auf mich wartet.« Er zeigt auf Jula. »Aber sie kann recht hartnäckig sein, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Und na ja, als ich euch eben gesehen habe, dachte ich …«

»Kann ich verstehen«, sage ich.

»Es ist tatsächlich Zufall, dass wir uns hier treffen«, behauptet Jula eisern. »Wir haben uns Donuts und Kaffee geholt und spontan ein kleines Päuschen gemacht.«

Marc schaut mich an und grinst. »Na, dann ist das aber ein schöner Zufall.«

Die Thermoskanne liegt auf meinem Sitz. Meine Gesichtsfarbe wandelt sich zu der einer reifen Tomate. Und dabei bin ich nicht diejenige, die, ohne mit der Wimper zu zucken, gelogen hat. Und dazu noch schlecht.

Marcs Grinsen wird breiter. Er bückt sich, hebt seine Sporttasche auf. »Na dann, ich muss leider los.« Er zögert einen Moment. »Wenn du spontan Lust auf eine Tasse Kaffee bekommst, Marla …« Ein schelmisches Lächeln huscht über sein Gesicht. »Jula hat ja meine Nummer.«

Bestimmt ist er der Schwarm seiner Schülerinnen, schießt es mir durch den Kopf. Er sieht gut aus. Vielleicht ein wenig zu glatt für meinen Geschmack. Und eigentlich stehe ich wirklich nicht auf blonde Männer. Ich lande tatsächlich immer wieder bei den dunklen Typen. Aber er hat durchaus Charme.

»War auf jeden Fall nett, dass wir uns zufällig getroffen haben.«

Jula stupst mich unauffällig in die Seite. Am liebsten würde ich zurückstupsen. Ich fühle mich in meine Jugendzeit versetzt, wieder wie mit fünfzehn, als ich meinen ersten Freund hatte, Henrik, in den ich bis über beide Ohren verliebt war. Bis ich von der Insel ging …

»Ich arbeite momentan unter Hochdruck an einem Auftrag, der einfach nicht fertig werden will«, sage ich. »Und wenn ich mit dem durch bin, etwa in einer Woche, mache ich erst einmal Urlaub.«

»Wie schön! Darum beneide ich dich. Ich muss noch zwei Wochen arbeiten. Bis zu den Sommerferien.« Marc seufzt. »Wohin geht es denn?«

»Gran Canaria«, entscheide ich spontan. »Vorausgesetzt, das Wetter da ist jetzt einigermaßen okay. Zu heiß sollte es für mich auch nicht sein. Vielleicht wird es auch Norderney«, füge ich, ohne weiter darüber nachzudenken, hinzu.

»Oh, das sind aber zwei sehr unterschiedliche Ziele. Beides hat seine Reize, wobei ich an Norderney die schöneren Erinnerungen habe. Mein Bruder und ich haben früher mit unseren Eltern regelmäßig unsere Sommerurlaube auf der Insel verbracht. Immer in derselben Ferienwohnung.« Er schüttelt leicht den Kopf. »Wie die Zeit vergeht. Falls du fährst, grüß mir den Leuchtturm und schick Jula ein Foto, wenn du daran vorbeikommst. Sie kann es ja an mich weiterleiten.«

»Mach ich gerne.«

Marc reicht mir die Hand. »Vielleicht bis bald?«

Nein, vielleicht, ja … Ich greife zu, denke, warum eigentlich nicht, und sage: »Vielleicht, ja.«

»Schön.«

Er drückt Jula kurz an sich. »Grüß Jo von mir«, sagt er, bevor er sich die Sporttasche über die Schulter hängt und die Straße entlang zu seinem Auto geht. Jo und Jula haben im letzten Jahr geheiratet. Auf der Feier war Marc nicht. Daran hätte ich mich erinnert.

Wir setzen uns wieder ins Auto.

»Wie findest du ihn?«, fragt meine Freundin, zückt ihr Handy, und nur kurz darauf vibriert meins, das in meiner Handtasche zu meinen Füßen liegt. Jula hat mir Marcs Nummer geschickt.

»Damit du das Foto direkt an ihn schicken kannst«, erklärt sie. »Und auch sonst.« Sie startet den Wagen. »Damit bin ich raus. Jetzt liegt es an dir. Marla, er ist wirklich nett. Wäre eine gute Gelegenheit, die Phase deines sicheren Griffs nach Männern mit Arschlochfaktor zu durchbrechen.«

Jula hat recht. Und dabei fing zumindest mit Kai alles so vielversprechend an. Ich hatte wochenlang tonnenweise Schmetterlinge im Bauch und schwebte auf Wolke sieben. So verliebt, wie ich anfangs in Kai war, war ich noch nie gewesen. Er hat mir das Gefühl gegeben, einzigartig und etwas ganz Besonderes zu sein. Dabei habe ich nicht bemerkt, dass der Anspruch auf Einzigartigkeit nur für ihn gilt. Kai braucht Aufmerksamkeit und Bewunderung wie andere Leute die Luft zum Atmen. Letzteres brauche ich auch, am besten Meeresluft.

»Erst mal der Auftrag, dann Urlaub«, wiederhole ich. »Und wenn ich zurück bin, entscheide ich spontan, ob ich mich bei Marc melde.«

»Mach das.«

»Fünfunddreißig ist er?«, hake ich nach, als Jula den Wagen startet.

»Ja. Er hat Anfang Juli Geburtstag. Sein Sternzeichen ist Krebs.« Sie setzt den Blinker und zwinkert mir zu, bevor sie losfährt. »Passt perfekt zu deinem Aszendenten. Skorpion und Krebs. Beides sind Wasserzeichen.«

Jula glaubt genau so wenig wie ich an die Macht der Sterne. Ganz freimachen kann sie sich allerdings nicht davon, auch wenn sie sich meistens einen Spaß daraus macht. Ihre Mutter hat es sich zum Hobby gemacht, astrologische Prognosen für das Gelingen oder Scheitern einer Beziehung zu erstellen. Sie bezieht dabei neben dem Geburtstag auch die genaue Stunde und den Geburtsort beider Partner mit ein. Kai ist Löwe. Unsere Beziehung hatte laut Prognose nie eine Chance, zumindest astrologisch gesehen.

»Hätte ich damals mal deiner Mutter geglaubt«, flachse ich.

Jula winkt ab. »Hör bloß auf. Bei ihr hat die Sterndeuterei auch nichts gebracht. Harry hat sich aus dem Staub gemacht. Das war’s mit dem Seelenverwandten.«

»Oh, das tut mir leid für deine Mutter. Sie war doch so begeistert.«

Jula seufzt. »Ja, aber wenn du mich fragst, hatte der Typ einen an der Waffel. Er war der totale Ordnungsfanatiker. Und du kennst ja meine Mutter …«

Ich bin froh darüber, dass Jula die ganze Zeit über Harry und seine Macken redet, während sie uns zur Eisdiele fährt. Ab und an nicke ich oder gebe ein »Hm« von mir, bin gedanklich aber nicht bei ihr.

»Was ist los?«, fragt meine Freundin prompt, als sie den Wagen vor der Eisdiele parkt. Sie mustert mich. »Ist alles okay?«

»Ich habe gerade an Kai gedacht.«

»Schon wieder?«

»Ganz ehrlich, Jula, rückblickend frage ich mich, warum ich so lange gebraucht habe, um den Absprung zu schaffen. Kai war nicht gut für mich. Auf allen Ebenen. Doch wie toxisch das Ganze wirklich war, merke ich erst jetzt. Wie konnte ich nur so blind sein?«