Pension Herzschmerz - Christin-Marie Below - E-Book
SONDERANGEBOT

Pension Herzschmerz E-Book

Christin-Marie Below

0,0
8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein gebrochener Fuß, zwei gebrochene Herzen, drei Freundinnen – und der Plan, eine Inselpension zu eröffnen Der Alltag ist grau, und das Leben ist kurz. Louise muss einfach mal raus. Zusammen mit ihrer besten Freundin Anna bricht sie auf nach Norderney zu ihrer Freundin Kim, die sich gerade den Fuß gebrochen hat und Beistand braucht. Gleich am ersten Abend auf der Insel hat Louise bei viel Sekt und Pralinen einen Geistesblitz: Sie tauft die gemütliche Gartenlaube, in der die drei übernachten, »Pension Herzschmerz«, denn gerade leiden mindestens zwei von ihnen an Liebeskummer. Und daraus entsteht der perfekte Plan. Eine Pension für alle mit gebrochenen Herzen - darauf hat Norderney gewartet! Schließlich hatte jeder schon mal Herzschmerz, sogar der gut aussehende Bürgermeister der Insel. Bei Sonne, Sand und Meer hält der Sommer einige Überraschungen für sie bereit. Auch in Sachen Liebe ... Ein Roman, der gebrochene Herzen heilt und Leserinnen glücklich macht  

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Pension Herzschmerz

Die Autorin

Christin-Marie Below, Jahrgang 1993, wohnt in Oberhausen. Hin und wieder findet man sie aber auch auf Norderney, wo sie vor Ort recherchiert. Unterstützt wird sie dabei von einer ihrer besten Freundinnen, die tatsächlich einen Fußpflegesalon auf der Insel eröffnet hat. Der Rest der Geschichte ist natürlich frei erfunden. Als Tochter der Autorin Andrea Russo (Anne Barns) wuchs sie umgeben von Geschichten und Büchern auf.

Das Buch

Ein gebrochener Fuß, zwei gebrochene Herzen, drei Freundinnen – und der Plan, eine Inselpension zu eröffnen.Das Leben ist kurz, der Alltag grau. Vor allem wenn man Liebeskummer hat. Louise muss raus. Zusammen mit ihrer besten Freundin Anna bricht sie auf nach Norderney zu ihrer Freundin Kim, die sich gerade den Fuß gebrochen hat und Hilfe braucht. Gleich am ersten Abend auf der Insel hat Louise bei viel Sekt und Pralinen einen Geistesblitz: Wäre das nicht die perfekte Geschäftsidee – eine Pension für alle mit gebrochenem Herzen? Schließlich hatte jeder schon mal Herzschmerz. Sogar der attraktive Bürgermeister, den Louise für das Projekt gewinnen muss.Doch das ist gar nicht so einfach ...

Christin-Marie Below

Pension Herzschmerz

Roman

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Wir danken den Döntje Singers Norderney für die Verwendung ihres Namens und ihrer Liedtitel. Das Zitat auf Seite 196 stammt aus dem Lied »Ich möcht so gern mit Dir allein«.

Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2021Umschlaggestaltung: Sabine Kwauka, MünchenTitelabbildung: shutterstock / © Yeti studio (Herz)shutterstock / © Lavandaart (versch. Elemente)shutterstock / © Lavandaart (Leuchtturm)shutterstock / © Lana Veshta (Fond)E-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-8437-2444-9

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

Auf einigen Lesegeräten erzeugt das Öffnen dieses E-Books in der aktuellen Formatversion EPUB3 einen Warnhinweis, der auf ein nicht unterstütztes Dateiformat hinweist und vor Darstellungs- und Systemfehlern warnt. Das Öffnen dieses E-Books stellt demgegenüber auf sämtlichen Lesegeräten keine Gefahr dar und ist unbedenklich. Bitte ignorieren Sie etwaige Warnhinweise und wenden sich bei Fragen vertrauensvoll an unseren Verlag! Wir wünschen viel Lesevergnügen.

Hinweis zu UrheberrechtenSämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Inhalt

Titelei

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

PHASE 1 – SCHOCK

1

2

3

4

5

6

PHASE 2 – BEGREIFEN

7

8

9

10

11

12

13

14

PHASE 3 – WUT

15

16

17

18

19

20

PHASE 4 – TRAUER UND SEHNSUCHT

21

22

23

24

25

26

PHASE 5 – HEILUNG

27

Frau Krassnitz’ Erdnussbuttercookies –schmecken auch ohne Liebeskummer

Anhang

Mein Dank gilt:

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

PHASE 1 – SCHOCK

Widmung

Für meine Freundinnen Hannah, Yvi und Stina

PHASE 1 – SCHOCK

Du hast es gerade erst erfahren. Noch realisierst du nicht, was genau passiert ist. Es ist das Beste, wenn jetzt jemand bei dir ist, um dich aufzufangen: eine gute Freundin!Du hast Lust auf Schokolade, Eis und haufenweise Pralinen? Gönn sie dir!

1

»Gut so?«

»Hmmm, ja.«

»Das ist der Reflexzonenpunkt für dein Gehirn.« Beständig streiche ich über Nils’ großen Zeh.

»Dann gebe ich mich mal meinen Gedanken hin«, murmelt er und schließt genießerisch die Augen.

Meine Finger tasten sich etwas weiter runter, zum Ballen hin. »Und der hier stimuliert dein Herz. Merkst du schon was?«

»Massier mal fester.«

»Besser?« Kräftig drücke ich zu.

»Sehr gut! Du darfst gerne jeden Tag an mir üben.« Nils öffnet die Augen und grinst mich an. Dabei vertiefen sich die beiden Grübchen unter seinem Dreitagebart. Das dunkle Haar fällt ihm über die graublauen Augen, und mir wird zum bestimmt hunderttausendsten Mal bewusst, wie verdammt gut mein Freund aussieht.

In dem Moment ertönt der unverkennbare Klingelton meines Handys, der einen Anruf meiner Freundin Anna ankündigt. Es ist kurz vor elf am Abend, um diese Uhrzeit schreibt sie normalerweise erst eine Nachricht, bevor sie anruft, um abzuchecken, dass sie nicht stört.

Nils seufzt und verzieht das Gesicht. »Ist ja nicht so, als ob ihr heute noch nicht miteinander gesprochen hättet.«

Ich lasse es klingeln und massiere weiter. Doch nur wenig später folgt der Signalton für Annas Nachrichten, und kurz darauf noch mal – und noch mal.

Ungewöhnlich, dass sie so hartnäckig ist, denke ich. »Scheint wichtig zu sein.«

»Mach schon, schau nach. Du hast sonst eh keine Ruhe mehr.«

Ich nicke, greife nach dem Frotteehandtuch, um meine Hände vom überschüssigen Öl zu befreien, und gehe rüber in die Küche.

Anna hat mir drei Sprachnachrichten per Whatsapp geschickt. Sie sollte sich echt langsam mal angewöhnen, ihre Nachrichten zu schreiben, denke ich, muss aber dabei grinsen. Denn genau genommen liebe ich Annas kleine skurrile Mitteilungen, die sie in ihr Handy spricht.

Ich drücke auf Abspielen und halte mein Telefon vorsichtshalber ans Ohr, damit Nils drüben nicht mitbekommt, was Anna mir zu sagen hat. Bei meiner Freundin kann man nie wissen. Sie kommt manchmal auf die verrücktesten Ideen.

»Hör mal, Lou«, sagt Anna. »Gleich geht es wieder los.« Ihre Absätze klackern über den gefliesten Boden. »Achtung, jetzt!« Ich drücke das Handy etwas fester an mein Ohr. Kurz darauf vernehme ich ein lautes Klopfen, und dann ein Rufen. »Mach auf, Anna, komm schon!«

Das war Annas Freund, Timo, schießt es mir durch den Kopf, als die Aufnahme beendet ist. Was ist denn da los? Gespannt spiele ich die nächste Nachricht ab.

»Ich hab den Mistkerl im Bad eingesperrt«, erklärt meine Freundin und ruft im nächsten Moment: »Von wegen Max, du Arschloch.«

Den Namen Max habe ich noch nie gehört. Aber schon in der nächsten Nachricht werde ich aufgeklärt.

»Max heißt eigentlich Eva und poppt meinen Freund. Ich lass den Scheißkerl hier im Bad verrotten.« Einen Moment lang ist Anna still, ich höre nur ihren Atem, bevor sie aufseufzt und sagt: »War ja klar. Es ist mir einfach nicht gegönnt, auch mal einen normalen Kerl zu kriegen. Kannst du kommen, Lou? Ich dreh gleich durch.«

Ohne weiter darüber nachzudenken, drücke ich die Schnellwahltaste für Anna. Sie geht sofort ran.

»Timo geht fremd«, erklärt sie und hört sich dabei völlig ruhig und gefasst an. »Mit seiner Kollegin.«

»Shit. Sicher?«

»Ja, ich habe sein Handy gecheckt.« Sie schnalzt mit der Zunge. »Der Idiot hat sie als Max in seinen Kontakten gespeichert. Ich dachte im ersten Moment, er hat seine schwule Seite entdeckt. Aber dann habe ich diesen Max angerufen, und er, oder besser gesagt, sie, hat mir ein zuckersüßes ›Eva Meinhardt‹ entgegengehaucht.«

»Ich bin in zehn Minuten da.«

»Danke.« Im Hintergrund vernehme ich wieder ein Klopfen und eindeutig Timos Stimme. »Er steckt immer noch im Bad«, erklärt meine Freundin. »Na ja, da kann er eine Weile überleben. Wasser hat er ja.«

»Mach keinen Blödsinn! Ich beeil mich.«

Timos Badezimmer ist sehr klein. Und es hat kein Fenster, aus dem er sich notfalls befreien könnte. Meine Freundin ist die Wucht! Hätte ich Nils beim Fremdgehen ertappt, würde ich jetzt wie ein Häufchen Elend im Bett liegen und mir die Augen aus dem Kopf heulen. Anna bleibt, zumindest erst einmal, cool und sperrt den untreuen Kerl kurzerhand ein.

»Tut mir echt leid, Nils.« Ich lächle meinen Freund an, der lang ausgestreckt auf der Couch liegt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. »Anna geht es nicht gut. Sie hat Timo beim Fremdgehen erwischt.« Ich beuge mich zu ihm runter und drücke ihm einen Kuss auf den Mund. »Den schönen Abend holen wir nach, okay? Wir haben ja beide bald Urlaub und dann viel Zeit füreinander. Aber jetzt muss ich erst mal zu Anna fahren. Sie ist kurz vorm Ausrasten.« Ich kann ganz genau sehen, dass Nils mit den Augen rollt, ignoriere es aber und strahle ihn an. »Ich mach es wieder gut, versprochen!«

Nur ein paar Minuten später parke ich meinen Wagen vor dem Haus, in dem Anna seit Anfang des Jahres mit Timo wohnt. Ich hatte ihr geraten, sich etwas mehr Zeit zu lassen und ihre Wohnung nicht gleich aufzugeben. Aber Anna hatte eine dermaßen fette rosa Brille auf, dass sie sich voller Euphorie von ihren alten Möbeln getrennt hat und nach nur drei Monaten Beziehung bei Timo eingezogen ist. Meine Ratschläge hat sie ignoriert, denn sie war sich zu hundert Prozent sicher, dass Timo der Richtige ist.

Aber jetzt geht es nicht darum, wer recht hat, Schadensbegrenzung ist angesagt. Anna hat im ersten Moment sehr abgeklärt reagiert. Aber wie ich meine Freundin kenne, wird sie im Liebeskummerblues versacken, sobald sie wirklich realisiert, was passiert ist. Bei Anna gibt es nur himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt. Die feinen Nuancen dazwischen liegen ihr nicht.

Ich nehme gleich zwei Treppenstufen auf einmal und bin völlig außer Atem, als ich oben im dritten Stock ankomme, wo ich schon von meiner Freundin erwartet werde.

Anna steht in der geöffneten Tür und nickt mir mit grimmig entschlossenem Gesicht zu.

»Gut, dass du da bist«, sagt sie. »Ich habe schon angefangen, meine Sachen zusammenzupacken.«

»Komm erst mal her.« Ich schließe meine Freundin fest in die Arme, doch sie macht sich sofort wieder los.

»Jetzt lieber nicht, sonst fange ich an zu heulen und kann nicht mehr aufhören. Erst einmal muss ich einen klaren Kopf bewahren.«

»Okay, sag mir einfach, was ich machen soll.«

»Du kannst meine Klamotten aus dem Kleiderschrank holen. Blaue Säcke habe ich schon aufs Bett gelegt. Stopf einfach alles rein. Ich will so schnell wie möglich weg hier.«

»Wird gemacht. Was ist mit Timo?«, frage ich, als ich mit Anna durch den Flur ins Wohnzimmer gehe.

Wie auf Kommando ertönt ein lautes Klopfen, das eindeutig aus dem Badezimmer kommt, und danach Timos Stimme.

»Anna, mach endlich auf, das ist jetzt echt nicht mehr lustig!«

»Stimmt«, ruft meine Freundin laut. »Vielleicht kommt Max ja …« Sie legt eine bedeutungsvolle Pause ein. »... oder nennen wir ihn doch lieber Eva – um dich zu retten, und findet dich, bevor du verhungerst.« Sie hält mir ein Handy hin, das eindeutig nicht ihres ist.

Danke für die wundervolle Nacht, Lieblingskollege, lese ich. Hinter der Nachricht blinkt ein kleines rotes Herz. Oben in der Adresszeile entdecke ich den Namen Max.

»Mistkerl!«, rutscht es mir heraus. Timo ist für drei Tage beruflich auf einem Weiterbildungsseminar gewesen, mit Übernachtung im Hotel.

»Bist du das, Lou?«, ruft der Übeltäter prompt. »Kannst du deiner Freundin bitte ins Gewissen reden? Das ist Freiheitsberaubung.«

Ich sehe Anna an, und als sie nickt, sage ich laut: »Ja, ich bin’s. Und du bist ein Arschloch, Timo.« Er hat einen Denkzettel verdient, und außerdem ist es gar nicht schlecht, wenn er eingesperrt ist und wir in Ruhe Annas Sachen packen können.

»Na super!«, ertönt es aus dem Bad. Danach bleibt es still.

Ich grinse. »Dann mach ich mich mal an die Arbeit.«

Anna deutet mit dem Kopf auf zwei halb volle Säcke, die auf dem Boden neben dem Couchtisch stehen. »Ich packe hier weiter.«

Eine gute halbe Stunde später sind wir fertig. Gemeinsam gehen wir noch einmal alle Räume durch.

Im Wohnzimmer nimmt Anna einen Topf mit einer Palme auf und stellt ihn in der Diele ab. »Die nehme ich auch mit, er hat sie eh nie gegossen.« Sie stemmt ihre Arme auf die Hüften und überlegt einen Moment. »Warte mal!«

Ich schaue meiner Freundin nach, die in der Küche verschwindet. Kurz darauf kommt sie zurück und hält triumphierend eine Flasche in die Luft. »Schottischer Whisky. Der kostet knapp hundertfünfzig Euro. Timo hat ihn von seinem Vater geschenkt bekommen. Und der hat ihn von einem Patienten.« Sie seufzt. »Ist ja auch egal. Timo war jedenfalls zu geizig, sie zu öffnen. Der richtige Anlass fehle noch, sagte er immer!« Anna wickelt die Flasche in einen ihrer Pullis und stopft sie in den Sack. »Die köpfen wir demnächst.«

Whisky gehört eigentlich nicht zu meinen Getränkefavoriten, dennoch nicke ich. Mit ordentlich Cola gemixt wird es schon gehen.

Anna lächelt mich schief an. Sie versucht noch immer, Haltung zu bewahren, aber lang geht das nicht mehr gut. Es wird Zeit, dass wir hier rauskommen.

Ich zeige auf die Badezimmertür, hinter der Timo gerade wieder poltert und schimpft.

»Was ist mit ihm?«, frage ich.

Anna zuckt mit der Schulter. »Der kann hier versauern. Nur schade um meine Kosmetikprodukte. Aber die sind ersetzbar – so wie Timo.« Sie schnappt sich zwei der prall gefüllten Müllsäcke und sagt ungerührt: »Gehen wir. Es gibt hier nichts mehr für uns zu tun.«

»Willst du ihn echt nicht befreien?«, frage ich.

»Nö!«, sagt Anna und zieht den Schlüssel von der Badezimmertür. »Das können andere machen.«

Mir ist ein wenig mulmig bei dem Gedanken, Timo tatsächlich eingesperrt zu lassen. Aber Anna scheint fest entschlossen zu sein. Bepackt wie Esel verlassen wir das Haus. Ich klappe die Rücksitze meines Autos um, und wir verstauen das Hab und Gut meiner Freundin.

»Deinen Wagen holen wir besser morgen«, schlage ich vor. »Du solltest jetzt nicht fahren.«

Anna nickt und wirft einen Blick nach oben zur Wohnung. »Am liebsten würde ich den Mistkerl wenigstens über Nacht im Bad eingesperrt lassen.« Sie zieht den Schlüssel aus der Hosentasche. »Aber bei meinem Glück passiert dem Idioten was, und dann bin ich schuld und lande im Knast.«

»Da ist was dran«, bestätige ich schnell. »Soll ich ihn rauslassen?«

Anna schüttelt den Kopf. Sie deutet auf das geöffnete Fenster unten im Erdgeschoss, an dem eine ältere Frau steht und uns beobachtet. »Das lassen wir Frau Krassnitz erledigen. Der ist immer langweilig. Dann hat sie endlich mal wieder was erlebt – und was zu erzählen. Den Wohnungsschlüssel kann sie ihm auch direkt geben, den brauch ich ja jetzt nicht mehr.«

Meine Freundin winkt der Nachbarin zu und geht los. Ich beobachte, wie sie mit ihr spricht und dann den Arm ausstreckt, um ihr die Schlüssel zu geben. Kurz darauf ist Anna wieder zurück und setzt sich neben mich ins Auto.

»Warte noch einen Moment«, sagt sie.

Nach ein paar Sekunden geht im Hausflur das Licht an. Wir beobachten durch die Fenster, wie Frau Krassnitz die Etagen nach oben geht. Ein wenig später geht auch die Lampe in Timos Wohnzimmer an.

»Das war’s dann wohl«, sagt Anna und schüttelt den Kopf. »Warum war ich nur so doof und habe meine Wohnung gekündigt?«

»Du kannst das Gästezimmer haben und so lange bleiben, wie du möchtest.« Ich drehe den Schlüssel und fahre los.

Anna lässt den Kopf gegen die Autoscheibe sinken. Als ich aus den Augenwinkeln sehe, dass Tränen über ihr Gesicht laufen, lege ich kurz meine Hand auf ihr Knie.

»Wir haben schon so viel gemeinsam geschafft, das bekommen wir auch hin.«

Sie schnieft herzerweichend. »Ich weiß. Aber es tut trotzdem so verdammt weh.«

2

Nils liegt in seinen Sportshorts auf der Couch, schaut sich irgendeinen Actionfilm an und trinkt eine Flasche Bier. Bemerkt hat er uns nicht. Er hat das Surround-System eingeschaltet, viel zu laut, wie ich finde.

»Bin wieder da. Und ich habe Anna mitgebracht«, rufe ich.

Nils drückt den Pausenknopf auf der Fernbedienung und sieht zu uns rüber.

»Hi«, sagt Anna und stellt die Palme auf dem Fußboden ab. »Ich hoffe, es ist okay für dich, dass ich hier übernachte.«

»Klar«, antwortet Nils. Aber anstatt aufzustehen, um Anna zu begrüßen und sie, wie sonst üblich, kurz zu umarmen, bleibt er liegen.

»Anna schläft im Gästezimmer«, erkläre ich.

»Hab ich mir schon gedacht«, kommt es einsilbig von meinem Freund zurück.

»Ich hol dann eben die beiden letzten Säcke aus dem Auto«, sagt Anna.

Meine Freundin hat die angespannte Stimmung auch mitbekommen.

Ich warte, bis sie zur Tür raus ist, bevor ich zu meinem Freund sage: »Du bist nicht ernsthaft sauer, weil ich meiner Freundin helfe, oder?«

Nils setzt sich auf. »Ich hatte mir den Abend einfach nur anders vorgestellt.« Er streckt sich. »Außerdem bin ich müde.«

»Anna geht es nicht gut«, erkläre ich und verschränke die Arme vor der Brust. »Du könntest echt ein bisschen netter zu ihr sein.«

»Ist ja gut. Wie lange bleibt sie denn?«

»Keine Ahnung, sie hat ja keine eigene Wohnung mehr. Und zu Timo kann sie auf keinen Fall zurück. Ich habe ihr angeboten, erst einmal hier bei uns unterzuschlüpfen. Tut mir leid, dass ich dich vorher nicht gefragt habe. Es ging alles so schnell.«

Nils nickt und schaltet den Fernseher aus. »Aber seid bitte nicht so laut. Ich muss morgen früh aufstehen und geh jetzt ins Bett.«

»Okay, ich schlafe dann heute im Gästezimmer bei Anna. Es ist besser, wenn sie erst einmal nicht allein ist.«

»Aha. Na dann, angenehme Nacht.«

Nils geht mit versteinertem Gesicht an mir vorbei und verschwindet im Badezimmer. Es ist offensichtlich, dass er ganz und gar nicht begeistert davon ist, dass ich meiner Freundin spontan angeboten habe, erst einmal bei uns zu übernachten. Mein Blick bleibt einen Moment an der geschlossenen Badezimmertür hängen, bevor ich den Flur entlang bis zum Gästezimmer gehe, das wir in erster Linie als Abstellraum benutzen.

Das schlechte Gewissen, weil ich Nils einfach vor vollendete Tatsachen gestellt habe, verdränge ich. Jetzt geht es erst einmal darum, für meine Freundin da zu sein. Nils wird sich schon wieder beruhigen. Ich räume das Bügelbrett und den Staubsauger beiseite und bin gerade dabei, die Couch auszuziehen, da kommt Anna zur Tür herein.

»Alles klar mit Nils?«, fragt sie. »Ich kann auch bei meiner Schwester schlafen.«

»Quatsch! Das kommt gar nicht in die Tüte. Du bleibst hier, bei mir«, erkläre ich. Da sehe ich aus den Augenwinkeln, dass Nils aus dem Bad und auf uns zukommt.

»Timo ist ein Idiot«, sagt er zu Anna.

Sie nickt. »Das ist wohl wahr.«

»Tut mir leid für dich, echt«, sagt Nils und gähnt.

»Schlaf gut!« Froh darüber, dass mein Freund sein Mitgefühl beim Zähneputzen wiedergefunden hat, gebe ich ihm einen Kuss.

Gut zwanzig Minuten später sitzen Anna und ich in unseren Pyjamas im Schneidersitz auf der Schlafcouch. Zwischen uns steht ein Tablett und darauf eine eisgekühlte Flasche Riesling, zwei Gläser – und die Schachtel mit den Schichtnougatpralinen, die mir meine Oma letztens geschenkt hat.

»Jetzt erzähl noch mal von Anfang an«, sage ich, während ich versuche, den Korken aus der Weinflasche zu ziehen.

Anna seufzt tief auf. »Als Timo vorhin unter der Dusche stand, habe ich zufällig sein Handy auf dem Regal mit den Handtüchern gesehen. Sein geliebtes Telefon nimmt er sonst nie mit ins Bad. Die Feuchtigkeit sei tödlich dafür, das hat er zumindest immer gesagt. Also wollte ich es mit rausnehmen – völlig ohne Hintergedanken. Genau in dem Moment blitzt die Nachricht von Max auf dem Display auf.« Sie zieht die Brauen hoch. »Mit einem roten Herzchen am Ende.«

Plopp! Ich habe es endlich geschafft, die Flasche von dem Korken zu befreien. »Max alias Eva«, sage ich, während ich uns beiden einschenke.

»Yep! Sie hat bei Whatsapp übrigens ihren Labradoodle als Profilfoto eingestellt.« Anna schüttelt den Kopf. »Timo hat seit ungefähr drei Wochen auch ein neues Foto, einen Schnappschuss von einem Frachter auf dem Rhein-Herne-Kanal. Ist doch merkwürdig, oder? Ich wette mit dir, die Sache läuft schon länger, und sie hat ihn unter einem Frauennamen abgespeichert! Wenn er ihr schreibt, erscheint ein unverfängliches Bild von einem Fluss auf dem Display. Und wenn sie nicht so doof gewesen wäre, das Herzchen mitzuschicken, hätte ich mir gar nichts dabei gedacht, wenn ein Max mit Hundebild meinem Freund schreibt.«

»Klingt nach Berechnung, nicht nach einem spontanen Fehltritt.« Ich reiche Anna eines der Gläser und halte ihr meins entgegen. »Auf uns – und darauf, dass du den Mistkerl ganz schnell vergisst.«

Wir genehmigen uns beide einen tiefen Schluck und greifen danach fast zeitgleich zu den Pralinen.

Anna lächelt mich an, zum ersten Mal heute. »Ich bin so froh, dass es dich gibt.«

»Dito!« Ich stecke mir ein Stück Schichtnougat in den Mund.

Da sagt Anna: »Sie ist übrigens verheiratet.«

»Im Ernst?« Ich verschlucke mich fast.

Anna nickt – und beugt sich runter zu ihrer Handtasche, die neben der Couch auf dem Boden liegt. »Ihr Ehemann heißt Gregor. Ich habe ihn im April auf der Jubiläumsfeier der Firma kennengelernt. Er hat seine Frau begleitet, ich Timo. Warte …«

Nur kurz darauf drückt Anna mir ein Handy in die Hand, das mir irgendwie bekannt vorkommt.

»Ist das Timos?«, frage ich.

Meine Freundin betrachtet stirnrunzelnd das Telefon. »Ups! Das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen. Ich muss es aus Versehen eingesteckt haben. Wie ist das denn passiert?« Sie blinzelt mit den Augen und setzt ihren Unschuldsblick auf. »Die Zahlenkombi ist drei-eins-eins-null. Der 31. Oktober. Wir haben uns doch Halloween kennengelernt. Hätte ich mal lieber auf ihn gehört, als er mir geraten hat, mich besser nicht auf ein Monster einzulassen. Aber ich Doofe stehe nun mal auf Männer mit Arschlochfaktor. Und außerdem war vom Monster nichts mehr zu sehen, nachdem er sich das Kostüm ausgezogen hatte. Das habe ich jetzt davon.« Meine Freundin zeigt auf das Handy. »Einunddreißig-zehn, wenn du dir seine doofe Bett-Ische ansehen willst, musst du in die Galerie gehen. Da findest du ein aktuelles Foto. Der Doofmann hat während des Seminars tatsächlich ein Foto von ihr geschossen.«

Ich schaue zögernd auf das Handy. Aber Anna ist ungeduldig. Sie nimmt es wieder an sich, tippt die PIN ein und hält mir kurz darauf den Schnappschuss von Eva vor die Nase.

Mein Blick ist auf Annas Nebenbuhlerin gerichtet, eine Frau mit hellbraunem Bob, sonnengebräunter Haut und rot geschminkten Lippen. Ich kneife die Augen zusammen und scrolle das Foto etwas größer. »Sie hat irgendwie was Primitives …« Ich suche nach den richtigen Worten, um Annas Nebenbuhlerin schlechtzumachen. Dass sie eigentlich recht gut aussieht, verschweige ich natürlich.

»Kommt vom Assi-Toaster«, erklärt meine Freundin da. »Außerdem ist an der gar nichts dran! Ich weiß echt nicht, was Timo an ihr findet.« Anna leert den restlichen Wein in einem Zug. Danach erklärt sie: »Normalerweise ist Timos Handy tabu. Ich wäre ausgerastet, wenn ich mitbekommen hätte, dass er in meinem rumschnüffelt. Und ich hatte auch echt nicht vor, in seinem nachzuschauen. Aber dann habe ich das Herzchen gesehen, und mein Gefühl hat mir gesagt, dass da irgendwas ganz und gar nicht stimmt. Ich habe also das Handy mit aus dem Bad genommen, die Nachricht gelesen und, ohne weiter darüber nachzudenken, angerufen. Na, und dann führte eins zum anderen. Mit Eva habe ich allerdings nicht gerechnet. Als ich sie plötzlich am Telefon hatte, war ich so perplex, dass ich kein Wort rausbekommen habe. Im ersten Moment habe ich gedacht, dass ich vielleicht aus Versehen die falsche Taste gedrückt habe, zumal sie sich mit Vor- und Zunamen gemeldet hat. Ich habe also vorsichtshalber nachgeguckt, habe festgestellt, dass er sie umgetauft und ihr taktisch klug einen Männernamen gegeben hat. Ich habe aufgelegt und bin zurück ins Badezimmer gegangen, wo Timo noch nichts ahnend unter der Dusche stand, habe den Schlüssel von innen nach außen gesteckt und ihn umgedreht.«

»Eine sehr coole Aktion übrigens.« Ich muss grinsen bei dem Gedanken und schenke uns beiden nach.

»Ja, aber – ach, Lou. Ich dachte wirklich, diesmal wäre es anders. Doch wieder mal habe ich mich getäuscht. Den nächsten Kerl suchst du mir aus.«

Ob das eine gute Idee wäre? Nils’ Reaktion auf meine Mitteilung, Anna würde hier übernachten, kommt mir wieder in den Sinn. Er ist Einzelkind. Und die können verdammt anstrengend werden, wenn sie nicht im Mittelpunkt stehen. Aber meine Beziehung ist jetzt erst einmal unwichtig. Ich zeige auf das Handy. »Was machst du damit? Behältst du es?«

Anna betrachtet es nachdenklich. »Keine Ahnung.« Auf einmal wirkt sie müde und traurig. »Im ersten Moment hatte ich vor, ihr zu schreiben, dass ich es weiß. Während ich darauf gewartet habe, dass du mich abholst, habe ich mir vorgenommen, stattdessen lieber ihrem Ehemann zu stecken, dass sie was mit meinem Freund hat. Eigentlich denke ich, er hat ein Recht darauf, es zu erfahren.« Sie schüttelt den Kopf. »Aber nicht von mir. Das ist ihre Sache.« Anna rutscht nach hinten, schließt die Augen und lässt ihren Kopf an die Lehne sinken. »Ich bin einfach nur so wahnsinnig enttäuscht.«

»Das kann ich gut verstehen.« Ich stelle das Tablett nach unten auf den Boden und rücke ganz nah an meine Freundin heran. Was hat Timo denn zu der ganzen Sache gesagt?«

Anna dreht sich zu mir. »Zuerst hat er versucht, den Spieß umzudrehen. So nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Er hat mir Vorwürfe gemacht, weil ich sein Handy kontrolliert habe. Also bin ich doch ein bisschen fies geworden und habe gesagt, dass ich gespannt bin, was Evas Mann von der ganzen Sache hält. Da ist Timo eingebrochen. Er hat beteuert, dass es nicht geplant war, sie beide zu viel getrunken hätten, und dann sei es halt passiert.« Anna legt eine kleine bedeutungsvolle Pause ein. »Und dass es absolut nichts zu bedeuten hatte, nie wieder vorkommen würde, ihm wahnsinnig leidtäte und jeder mal einen Fehler mache.«

»Ja klar, deswegen auch die Fotos und der falsche Name. Fremdgehen ist kein Fehler, Fremdgehen ist eine Entscheidung. Hat sie Kinder?«

»Nein. Aber auf der Jubiläumsfeier haben sie und ihr Mann ganz stolz davon erzählt, dass sie ein Haus gekauft haben, mit Garten für den Hund – der Labradoodle vermutlich. Für Kinder sei noch keine Zeit, sie würden sich beide erst mal auf ihre Karrieren konzentrieren. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, dass ich gedacht habe, die beiden würden sehr glücklich miteinander wirken. Nach der Feier habe ich sie sogar noch nach Hause kutschiert, weil ich die Einzige war, die keinen Alkohol getrunken hatte.« Anna schüttelt den Kopf. »Ich versteh das nicht, echt nicht. Normalerweise habe ich immer ein sehr gutes Gespür dafür, wenn eine andere Frau auf meinen Freund steht. Aber bei ihr habe ich absolut nichts gemerkt.«

»Es ist drei Monate her, wer weiß, was da alles passiert ist«, sage ich. Genau in dem Moment vibriert Timos Handy.

Meine Freundin überlegt nicht lang und sieht nach, wer da zu so später Stunde noch Kontakt zu Timo aufnimmt.

»Der Labradoodle«, sagt sie, »war ja klar!«, sie öffnet die Nachricht und liest vor: Konnte nicht sprechen. Gregor stand neben mir!!! Warum hast du angerufen? Anna schnaubt laut auf. »Diese blöde Funze! Jetzt verstehe ich auch, weswegen sie sich mit Vor- und Nachnamen gemeldet hat. Bestimmt hat sie behauptet, da hätte sich jemand verwählt. Es ist jetzt Viertel nach eins. Wahrscheinlich hat sie gewartet, bis ihr Mann schläft. Und der weiß von nix!«

»Sei froh, dass du es rausgefunden hast. Sonst würdest du jetzt auch nichts ahnend neben Timo liegen.«

»Das ist ein gruseliger Gedanke.« Anna runzelt die Stirn. »Ein bisschen Strafe muss sein!«

Ich mache einen langen Hals und schaue zu, was meine Freundin ihrer Nebenbuhlerin antwortet.

Ich wollte unbedingt deine Stimme hören, tippt sie in Timos Handy.

Du bist verrückt!, kommt es postwendend zurück. Und kurz darauf trifft die nächste Nachricht ein. Morgen um elf geht klar! Kann es kaum erwarten!

»Pf! Von wegen, es war eine einmalige Sache«, sagt Anna. »Mir hat Timo erzählt, dass er morgen einen Hantelkurs im Fitnessstudio mitmacht. Unfassbar! Was schreibe ich ihr?«

»Nichts«, antworte ich.

»Meinst du?« Anna kaut kurz auf ihrer Unterlippe herum, nickt dann aber. »Du hast recht, am besten, ich ignorier sie einfach.«

»Sehr gut, umso schneller kommst du drüber weg.«

Annas Blick bleibt auf das Handy gerichtet. »Und außerdem geht sie davon aus, dass es Timo ist, der gerade online ist, und macht sich Gedanken, warum er nicht antwortet. Aber weißt du, was mich wundert? Warum Timo das Handy nicht hat sperren lassen. Wenn er meins mitgenommen hätte, wäre das meine erste Maßnahme gewesen.«

»Was, wenn er es gar nicht sperren lassen konnte, weil deine Nachbarin ihn gar nicht befreit hat?«

»Glaub ich nicht. Wir haben doch gesehen, dass oben im Wohnzimmer das Licht angegangen ist.« Anna grinst. »Aber der Gedanke gefällt mir.«

»Hm«, mache ich. »Komisch ist es schon. Auf der anderen Seite … Wie hätte er es sperren lassen sollen? Sein Handy hast du – und er hat doch kein Festnetz, um jemanden anzurufen.«

»Das geht doch online.« Anna zuckt mit den Schultern. »Ist ja auch egal, auf jeden Fall funktioniert es noch.«

Da vibriert Timos Handy prompt wieder.

Timo???, lesen wir.

»Die Taktik funktioniert. Sie wird unsicher!«, sagt Anna. »Die Antwort sparen wir uns auch. Das wird der Blöden eine schlaflose Nacht bescheren.«

»Sehr gut!« Ich lächle meine Freundin an und halte ihr die Schachtel mit den Pralinen hin. »Du kommst drüber weg. Bald hast du den Kerl vergessen.«

Anna schiebt sich ein Stück Nougat in den Mund und nuschelt: »Das sagst du so einfach.«

»In drei Wochen weinst du ihm keine Träne mehr nach«, erkläre ich. »Da bin ich mir sicher.«

»Das hoffe ich.« Meine Freundin schweigt einen Moment. »Aber weißt du, was echt doof ist?« Wie aus dem Nichts bricht ihre Stimme. »Ich hab, ich hab …« Sie schnieft herzerweichend. »… meine Sachen im Keller vergessen. Jetzt muss ich doch noch mal dahin.« Tränen sammeln sich in ihren Augen. »Das ist so was von unfair, Lou. Es tut so verdammt weh. Und ich versteh das nicht, echt. Wir hatten doch immer so viel Spaß miteinander, auch im Bett. Er hatte das doch gar nicht nötig.«

Ich beuge mich zu meiner Freundin, schließe sie in die Arme und halte sie ganz fest, bis ihre Schluchzer wieder leiser werden und schließlich ganz verebben.

3

Mittlerweile ist es schon kurz nach drei Uhr in der Nacht. Anna ist vor Erschöpfung eingeschlafen. Ich schleiche auf Zehenspitzen ins Badezimmer und schließe behutsam die Tür. Nils hat einen sehr leichten Schlaf. Wenn ich ihn jetzt wecke, hat er morgen den ganzen Tag schlechte Laune. Das möchte ich mir und vor allem Anna nicht antun. Ich nehme also die Handzahnbürste anstelle meiner elektrischen und putze mir die Zähne. Gut, dass morgen Samstag ist, denke ich dabei. Anna wird an der Trennung von Timo arg zu knapsen haben. Sie war sich diesmal so sicher …

Zehn Minuten später lege ich mich wieder neben Anna auf die Schlafcouch. Der Wein zeigt seine Wirkung. Meine Freundin schnarcht leise vor sich hin. Der Mond scheint hell ins Zimmer. Anna hat die Bettdecke von sich gestrampelt. Es ist Ende Juni. Die Sonne knallt tagsüber auf das Dach und heizt die Wohnung auf, was hier in dem kleinen Zimmer besonders auffällt. Einen Moment lang betrachte ich meine Freundin. Sie hat echt verdammt viel Pech mit den Männern, in die sie sich verliebt. Und sie hat eindeutig Besseres verdient.

Kurz vor dem Einschlafen kommt mir Timo noch einmal in den Sinn.

Was, wenn die Nachbarin ihn wirklich nicht aus dem Bad befreit hat?

Nur gute drei Stunden später werde ich wieder wach. Es ist kurz nach sechs. Nils hat die Kaffeemaschine in der Küche angemacht. Ich höre, wie die Bohnen gemahlen werden und Nils mit dem Geschirr klappert. Gerade als ich aufstehen will, um ihm Gesellschaft zu leisten, legt Anna plötzlich ihren Arm um mich.

»Mein Herz schmerzt«, sagt sie leise. »Alles tut mir weh, der ganze Körper.«

»Ja, ich weiß, aber das geht vorbei.« Ich streiche ihr über das Haar. »Versuch, noch ein bisschen zu schlafen.«

»Is gut«, nuschelt meine liebeskranke Freundin und dreht sich zur Seite.

Ich hingegen bin hellwach und lausche Nils’ Aktivitäten in der Küche. Wenn er derjenige wäre, der noch schlafen würde oder gar Besuch hätte, würde ich den Kaffee mit der Hand aufbrühen – und schon gar nicht den Mixer betätigen, um mir einen Smoothie zu machen. Ich wäre leise. Aber Nils sieht das anscheinend anders. Er verhält sich, als wäre er ganz allein auf der Welt.

Um halb sieben zieht er geräuschvoll die Tür ins Schloss. Sein Arbeitstag auf der Polizeiwache beginnt um sieben. Er hat Wochenenddienst. Auch ich muss jeden zweiten Samstag raus. Ich wünschte nur, das Reisebüro, in dem ich arbeite, würde sich nicht in einem Einkaufscenter befinden. Wir haben, wie alle anderen Geschäfte dort, von Montag bis Samstag geöffnet, immer bis zwanzig Uhr.

Von draußen ertönt Hundegebell durch das angekippte Fenster. Gleich gegenüber befindet sich eine Grünanlage, in der Hundebesitzer schon frühmorgens ihre ersten Runden drehen. Prompt fällt mir Max, der Labradoodle, wieder ein. Einschlafen kann ich nicht mehr. Ich setze mich auf und strecke mich.