Catherine - Dale Cooper - E-Book

Catherine E-Book

Dale Cooper

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Beschreibung

Catherine Drake strebt nach dem Titel "Königin der Finsternis". Sie kämpft mit dem New Yorker Vampir Cole darum, das Oberhaupt aller Vampire sein zu können. Mit allerlei Finesse und Heimtücke versuchen die beiden, ihr Ziel zu erreichen. Gleichzeitig führt Catherine einen blutigen Rachefeldzug gegen Peter Miller und dessen Familie. Die junge Polizistin Audrey Weaver wird zum Spielball mächtiger Vampire und gerät dabei mehrmals in tödliche Gefahr. Außerdem entwickelt sich eine dramatische Dreiecksbeziehung zwischen der Polizistin und zwei Vampiren, die sich unsterblich in Audrey verliebt haben. SPANNEND - BLUTIG - SEXY

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Catherine Drake strebt nach dem Titel „Königin der Finsternis“. Sie kämpft mit dem New Yorker Vampir Cole darum, das Oberhaupt aller Vampire sein zu können. Mit allerlei Finesse und Heimtücke versuchen die beiden Vampire ihr Ziel zu erreichen. Gleichzeitig führt Catherine einen äußerst blutigen Rachefeldzug gegen Peter Miller und dessen Familie. Die junge Londoner Polizistin Audrey Weaver wird zum Spielball mächtiger Vampire und gerät dabei mehrmals in tödliche Gefahr. Außerdem entwickelt sich eine dramatische Dreiecksbeziehung zwischen der Polizistin und zwei Vampiren, die sich beide unsterblich in Audrey verliebt haben.

Der Autor wurde 1967 in Hildesheim geboren und publiziert unter dem Pseudonym Dale Cooper Romane. Sein erster Roman „Der Vampir und die Polizistin“ wurde 2013 veröffentlicht.

Außerdem hat er eine Reihe von Fachbüchern publiziert. Er lebt und arbeitet seit über zehn Jahren in München.

Inhaltsverzeichnis

18. September

19. September

20. September

21. September

22. September

23. September

24. September

25. September

26. September

27. September

28. September

29. September

30. September

1. Oktober

2. Oktober

3. Oktober

4. Oktober

18. September

„Wo bin ich?“

„Du bist in Sicherheit, Audrey.“

„Ja, aber was ist das für ein riesiger Raum und warum bin ich voller Blut, Catherine?“, stammelte Audrey, die soeben aus einer tiefen Bewusstlosigkeit erwacht war.

„Wir sind in New York. Du bist letzte Nacht aus London entführt und hierher verschleppt worden.“

„Aber warum und von wem?“

„Das weiß ich noch nicht“, erwiderte Catherine Drake nicht ganz wahrheitsgetreu. Denn erst vor wenigen Augenblicken hatte sie Sangus mit einem geradezu fürchterlichen Schwerthieb enthauptet und ihn somit für alle Ewigkeit ausgelöscht. Sie hatte Sangus überrascht, als er gerade dabei gewesen war, seine weit ausgefahrenen Fangzähne in die zarte Haut der Londoner Polizistin Audrey Weaver zu setzen. Audrey lag zu dem Zeitpunkt noch besinnungslos und blutverschmiert auf einer Art Altar, so dass sie Catherines mörderische Tat nicht beobachten hatte können. Catherine untersuchte direkt im Anschluss an Sangus‘ Vernichtung den nackten Körper der Polizistin nach Bisswunden. Glücklicherweise fand sie keine einzige. Das Blut, welches auf Audreys Körper zu finden war, stammte offensichtlich von jemand anderen. Dies gehörte anscheinend zu einem unheilvollen Ritual, welches Sangus hatte durchführen wollen. Warum dieser Audrey allerdings entführen ließ, konnte Catherine nicht so ganz nachvollziehen. Ihr lagen keine Hinweise darüber vor, woher Sangus von ihrer engen Beziehung zu Audrey erfahren haben mochte. Möglicherweise besaß er die Information schon, als er sie vor einigen Tagen in London getroffen hatte. Sie erinnerte sich daran, dass Sangus erhebliches Interesse an ihrem Liebesleben gezeigt hatte. Wahrscheinlich gefiel ihm nicht, dass ihn Catherine damals belogen hatte und er wollte sie dafür bestrafen. Gegenüber einem König gehörte sich ein Verhalten der Unaufrichtigkeit eigentlich nicht. Voraussichtlich wollte Sangus nur testen, wie sie darauf reagierte, wenn er Audrey körperlich züchtigte. Ob sie absolute Loyalität an den Tag läge, sobald er sich an ihrer Freundin verging. Wie sich gezeigt hatte, war die Liebe zu Audrey deutlich stärker gewesen als die uneingeschränkte Loyalität zu ihrem König. Und dieser Umstand war nun Sangus zum Verhängnis geworden. Oder handelte es sich vielleicht doch nur um eine höchst emotionale Kurzschlussreaktion von Catherine, die sie zukünftig noch bitter bereuen würde?

Plötzlich wurde die bisher verschlossene Kellertür mit einem kräftigen Ruck aufgerissen und eine ziemlich düster drein blickende Gestalt, die fast den gesamten Türrahmen ausfüllte, betrat den Raum. Misstrauisch beäugte der Ankömmling Catherine und die immer noch völlig verstört wirkende Audrey. Er fragte knurrend: „Wo ist König Sangus?“

„Keine Ahnung“, flunkerte Catherine. „Ich habe ihn hier nicht angetroffen.“

Mehr als hundert Jahre hatte Sangus als König der Finsternis die Vampirliga angeführt und häufig genug Schrecken unter den Untoten verbreitet. Die Vampirliga stellte seit vielen Jahrhunderten die führende weltweite Organisation der Vampire dar. Eigentlich hätte Sangus in dieser Nacht über seine Nachfolge als König der Finsternis, wie sich das Oberhaupt aller Vampire nennen durfte, entscheiden wollen. Dies war nun durch dessen Vernichtung unmöglich geworden. Sowohl Catherine als auch der Neuankömmling gehörten zu den potenziellen Thronfolgern. In weiser Voraussicht hatte Catherine ihr Schwert, welches sie Bloodybur nannte, wieder in ihr Halfter gesteckt. So konnte ihr Konkurrent um die Thronfolge nicht die frischen Spuren auf der Klinge erkennen und weiteren Verdacht schöpfen. Der geräumige Kellerraum befand sich direkt unter der stylish eingerichteten Cocktailbar Dark Mansion, in unmittelbarer Nähe zum Times Square in Manhattan. Die Bar gehörte dem New Yorker Vampir, der sich vor vier Jahrhunderten selbst den Namen Cole gegeben hatte. Als Mensch hieß er noch Henry Firestone.

Catherine besaß mit dem Princess of Darkness (PoD) einen Night Club in London, wo sich häufig die Londoner Vampire trafen, als deren Oberhaupt sie agierte. Ungläubig blickte Cole die Engländerin an. Er konnte nicht fassen, was er soeben vernommen hatte. Noch vor zwei Stunden hatte er gemeinsam mit Sangus in seiner Cocktail-Bar bei einem Glas synthetischen Bluts gesessen, bevor der König in den Keller hinabstieg, um sich der blonden Polizistin anzunehmen. Er wunderte sich, warum Sangus den Raum so plötzlich verlassen haben sollte. Denn schließlich stand in dieser Nacht eigentlich die Entscheidung an, ob Cole oder Catherine ihm nachfolgen würde. Wo zum Teufel steckte der König, fragte sich Cole. Die noch am Leben gebliebene Blondine deutete stark darauf hin, dass er durch irgendjemanden oder irgendetwas gestört worden sein musste. Aber durch wen oder was?

„Wo ist er, Blondie?“, giftete er Audrey böse an.

„Ich kann mich nicht daran erinnern, was passiert ist“, antwortete Audrey angsterfüllt. Sie atmete tief durch, dann blickte sie in Coles Augen. Sie waren sehr dunkel und wirkten gnadenlos. Hasserfüllt starrte der mächtige Vampir sie an. Sie sah, wie er sich lässig an die Wand lehnte, spürte seine dunkle Aura und schauderte. Dieser Blutsauger schien das personifizierte Böse zu sein. Sie spürte, dass er sich nahezu unbesiegbar fühlte und von seiner unbändigen Kraft restlos überzeugt war. Sie erstarrte buchstäblich vor Angst. Würde Catherine sie vor ihm notfalls beschützen können? Cole überragte die Princess of Darkness, wie sich Catherine aufgrund ihrer gehobenen Stellung in der Vampirliga nennen durfte, immerhin um mehr als einen Kopf und wies fast so eine massige und einschüchternde Figur auf, wie Sangus sie besessen hatte. Er wirkte nur deutlich gepflegter, war glattrasiert und mit einem teuren Armani Anzug bekleidet, der seine ohnehin schon breiten Schultern betonte. Der Vampir wies eine moderne Kurzhaarfrisur auf. Alles in allem eine imposante Erscheinung, die Angst und Schrecken verbreiten konnte. Nie zuvor hatte Audrey solch hasserfüllte Augen gesehen.

„Lass sie in Ruhe“, mischte sich Catherine ein, „sie steht noch unter dem Eindruck des Geschehenen“.

„Sie muss doch wissen, wo Sangus abgeblieben ist.“

„Siehst du denn nicht, in welchem Zustand sie sich befindet? Sie steht unter einem starken Schock und kann sich an nichts erinnern. Hat Sangus ihr das angetan oder wer sonst brachte Audrey in deinen Keller, Cole?“

„Keinen Schimmer, ich habe den Blondschopf vorher noch gar nicht bemerkt und Sangus erwähnte auch nicht, dass er mit menschlicher Begleitung eingetroffen wäre. Wer ist die Kleine überhaupt und was hat sie hier zu suchen? Ich möchte keine Sterblichen in meinen Kellerräumen sehen. Hier unten befindet sich schließlich mein Vorratslager für synthetisches Blut. Das darf niemand sehen.“ Cole spielte den Ahnungslosen.

„Sind deine Sicherheitsmaßnahmen so schlecht, dass du noch nicht einmal weißt, was in deinem eigenen Keller vor sich geht? Du enttäuscht mich maßlos. Und du willst tatsächlich den Thron besteigen und zum König gekrönt werden? Sie gehört übrigens zu meinen engsten Freunden aus London und steht damit unter meinem persönlichen Schutz. Also Hände weg von ihr. Mehr musst du nicht wissen.“

„Das gefällt mir nicht, Catherine“, murmelte Cole scheinbar missgelaunt.

„Hast du trotzdem ein paar Kleidungsstücke für meine Freundin? Ich möchte sie ungern splitternackt durch New York schleppen müssen.“

„Kein Problem. Ich lasse dir ein paar Klamotten für die Sterbliche bringen. Du kannst sie dann zum Hinterausgang rausschaffen, nachdem sie sich frisch gemacht und das Blut abgewaschen hat. Ich lasse für euch ein Taxi rufen. Das ist weniger auffällig, als wenn du durch die Lüfte entschwebst. Wir sind hier schließlich nicht in deinem verschlafenen London, wo du tun und lassen kannst, was du möchtest.“

„Ok, danke.“

„Wo bist du denn in den nächsten Tagen in New York zu erreichen, Catherine? Für den Fall, dass Sangus sich meldet und wir eine Ratsversammlung einberufen müssen.“

„Gar nicht“, antwortete Catherine, die Cole nicht einen Millimeter über den Weg traute. „Ich werde mich aber vermutlich einmal pro Nacht bei dir melden, damit du mich auf dem Laufenden halten kannst.“

„Na gut, ich gebe dir erstmal vorsorglich drei Telefonnummern von Prepaid-Handys. Ich nutze jede Nummer in der Regel nur einmal. Ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen. Die verdammten amerikanischen Geheimdienste, insbesondere die Kerle von der NSA, hören seit einigen Jahren fast jedes Telefonat mit. Deren Technik wird immer besser.“

„Du bist doch paranoid.“

„Lieber etwas paranoid und dafür nicht im Fokus der Geheimdienste oder anderer zwielichtiger Organisationen. Stell dir doch nur mal vor, was passieren könnte, wenn die NSA herausfinden würde, dass Vampire existierten. Dann wären wir bis in alle Ewigkeit nur noch auf der Flucht. Das möchte ich uns gerne ersparen. Ich lasse euch jetzt allein. Wir hören und sehen uns dann hoffentlich in einer der kommenden Nächte, sobald sich Sangus gemeldet hat. Bis dahin: Genieß die freie Zeit in meiner Stadt. Warst du überhaupt schon mal im Big Apple, verehrte Catherine?“

„Bisher nicht. An meine Heimatstadt London reicht ohnehin kein anderer Ort heran. Aber ich werde mich die nächsten Tage natürlich ein bisschen umschauen. Vielleicht gibt es ja auch in New York ein paar nette Flecken. Ich melde mich morgen wieder. Bis dann.“

Catherine strebte natürlich nicht an, in New York Sight-Seeing oder ähnliches zu betreiben. Das einzige, was sie in den nächsten Tagen an der Stadt interessierte, waren Nahrungsspender. Sie war durstig, hatte seit einigen Nächten kein frisches Menschenblut mehr zu sich genommen. Das musste sich schleunigst ändern, dachte sie.

Anschließend verließ Cole den Kellerraum und begab sich zurück in die Bar zu seiner Gefährtin Sally, die im Dark Mansion gelegentlich hinter der Theke stand und die zahlreichen Gäste mit Getränken versorgte. Die Besucher der Bar waren zum größten Teil Menschen. Im Gegensatz zu Catherine in London, wo sich die Vampire häufig in großer Zahl im PoD trafen, achtete Cole stark darauf, dass sich niemals zu viele Vampire in New York zeitgleich an einem Ort aufhielten. Er schenkte daher auch kein synthetisches Blut in der Bar aus, sondern lieferte es direkt an die Vampire, um deren Durst zu stillen. Als New Yorker Oberhaupt besaß er das Monopol auf den Handel mit synthetischem Blut in seiner Stadt. Das sollte garantieren, dass die Qualität immer auf einem hohen Level blieb und es zu keinem Unfrieden zwischen Vampiren führte. Außerdem reduzierte die extrem gute Qualität des synthetischen Blutes auch das Verlangen nach menschlichem Blut und die Anzahl der sterblichen Opfer hielt sich in Grenzen. Bisher verhielten sich die Vampire in New York unauffällig.

Sally traf er das erste Mal vor zwanzig Jahren in einer Strip-Bar in Las Vegas. Sie war dort als erotische Tänzerin im Einsatz und dreißig Jahre alt gewesen, bevor er sie zum Vampir machen durfte. Ihr erschien ein Leben als Vampir verlockender zu sein, als jede Nacht splitternackt um eine Stange zu tanzen. Sie bat Cole selbst darum, in eine Untote verwandelt zu werden. Sally war sehr hübsch, sogar völlig ungeschminkt. Sie hatte langes, kräftiges blondes Haar, unglaublich große Brüste, eine schmale Taille über ausladenden Hüften und schlanke Beine, die ihr fast bis zum Hals zu reichen schienen. Ihre kornblumenblauen Augen passten zu ihren vollen, zartroten Lippen. Sie sollte bis in alle Ewigkeit an seiner Seite bleiben und würde sicher eine gute Figur als Gemahlin des Königs abgeben. Obwohl sie als Vampir eigentlich noch viel zu jung für diese ehrenvolle Position wäre. Coles Plan sich an die Spitze der Vampirliga zu setzen, würde hoffentlich bald aufgehen. Die letzten Jahre als Oberhaupt der New Yorker Vampire ließen sich durchaus sehen. Er verbreitete Angst und Schrecken unter den Untoten und stand da seinem Vorbild Sangus nur in wenig nach. Cole verstand absolut keinen Spaß, ähnlich wie der bisherige König der Vampire. Wenn jemand seine Regeln nicht genau beachtete, folgte die zumeist unerbittliche Strafe auf dem Fuße. Catherine ging in London deutlich gnädiger mit ihren Untertanen um, wie Cole erfahren hatte. Dafür liebten die englischen Vampire Catherine abgöttisch, während er von seinen Untertanen eher gefürchtet wurde. Als König der Finsternis dürfte er zukünftig sogar andere Vampire töten. Darauf freute er sich besonders, denn es existierten einige Gestalten unter seinesgleichen, denen er nur zu gern den Schädel abschlagen würde. Jetzt musste er nur noch seine Gegenspielerin aus London aus dem Rennen werfen. Aber auch das würde ihm letztendlich gelingen, schwirrte es ihm durch den Kopf. An fehlendem Selbstvertrauen hatte er noch nie gelitten. Bisher hatte er so gut wie alles erreicht, was er anstrebte. Und das sollte auch zukünftig so bleiben.

Catherine zog Audrey in eine liebevolle Umarmung und gab ihr einen langen Kuss, tätschelte sanft ihre Schulter und redete beruhigend auf sie ein: „Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir.“

„Das weiß ich doch“, antwortete die Polizistin und schmiegte ihre Wange fest an die Brust des weiblichen Vampirs. In ihrer Nähe fühlte sich Audrey sicher und zweifelte in diesem Augenblick auch keine Sekunde an den Worten des Vampirs. Nachdem Cole den Raum verlassen hatte und vorerst keine Gefahr mehr für sie darstellte, fühlte sie sich schon etwas besser und weniger bedroht.

„Ich liebe dich und daran wird sich bestimmt niemals etwas ändern“, sagte sie mit einem leichten Lächeln. Sie konnte sich noch schemenhaft daran erinnern, dass jemand in ihre kleine Londoner Wohnung eingedrungen war und ihr in der Finsternis ein mit Chloroform getränktes Tuch auf das Gesicht gedrückt hatte. Erkennen konnte sie ihren Angreifer aber nicht. Im Gegensatz zu Vampiren, die bei Dunkelheit perfekt sahen, konnte sie leider – wie alle anderen Menschen auch – nicht gut sehen, wenn es stockduster war. Die Ereignisse der letzten Stunden in New York lagen bei der Polizistin sogar völlig im Dunkeln. Einerseits begrüßte Catherine dies, da Audrey sicher einige Schmerzen und Ängste erlitten haben musste und trotzdem nicht traumatisiert zu sein schien. Aber andererseits hätte sie natürlich auch gerne gewusst, wer neben Sangus noch Hand an Audrey gelegt und sie von London nach New York verschleppt hatte. Catherine würde diese feigen Ratten zur Verantwortung ziehen, so wie sie es bereits mit Sangus getan hatte. Die fehlende Erinnerung bei ihrer Freundin ließ darauf schließen, dass ein Vampir diese gelöscht haben musste. Aber erst einmal war Catherine froh, dass Audrey überhaupt noch lebte und mit ihr zusammen den Kellerraum physisch nahezu unverletzt verlassen konnte.

Die Polizistin begab sich in ein ziemlich winziges Badezimmer, welches sich in einem der übrigen Kellerräume befand. Sie stellte sich unter die Dusche, um die Blutspuren, die sich noch auf ihrem Körper befanden, abzuwaschen. Im Anschluss daran zog Audrey ein schwarzes T-Shirt mit einem Nirvana-Aufdruck und abgetragene blaue Jeans an, welche Coles Bardame Sally mittlerweile gebracht hatte. Die Kleidung war ihr zwar mindestens zwei Nummern zu groß, aber damit musste sie erst einmal leben. Besser als nichts, dachte die Polizistin. Wo ihre eigenen Sachen abgeblieben waren, wusste Audrey nicht. Mehr als ein Nachthemd hatte sie allerdings bei ihrer Entführung auch nicht am Körper getragen.

Sie fuhren mit einem Taxi zum nördlichen Teil des Central Parks, wo sie dann ausstiegen, um kurze Zeit später in ein anderes Taxi umzusteigen. Catherine vermutete, dass einer von Coles Lakaien am Steuer des ersten Fahrzeugs gesessen hatte und später über den Zielort Bericht erstatten würde. Mit einem neu herbei gerufenen Taxi fuhren sie wieder in Richtung südliches Manhattan, wo die Wolkenkratzer, die zu den wohl bekanntesten Markenzeichen Manhattans gehörten, nicht zu übersehen waren. Obwohl die Riesenmetropole eigentlich niemals richtig zur Ruhe kam, waren die Straßen zu dieser späten Stunde erstaunlicherweise leer. Die Straßenbeleuchtung und einige Neonreklamen erhellten die Nacht. Eine Hitzewelle hatte New York seit einigen Tagen mit ihrer ganzen Wucht getroffen und behielt die Stadt fest im Griff. Selbst um vier Uhr nachts fiel das Thermometer nicht unter siebenundzwanzig Grad Celsius. Vampire liebten eher die Kälte, so dass Catherine etwas träge zu sein schien und nicht so voller Energie sprühte, wie dies normalerweise in kühleren Nächten der Fall war.

Sie stiegen in der Nassau Street aus, die sich in der Nähe der weltberühmten Wall Street im New Yorker Finanzdistrikt befand. Dort wohnte ein Vampir, der Catherine und Audrey für die nächsten Tage Unterschlupf gewähren würde. Sie wurden von einer schlanken Gestalt mit dunkelbraunen Haaren, die mindestens zwei Meter maß und ein breites Grinsen im Gesicht trug, begrüßt: „Hallo Catherine, hallo Blondchen.“

„Hallo Juan, schön dich endlich mal wieder zu sehen. Es ist viel zu lange her, seitdem wir uns getroffen haben“, erwiderte Catherine. „Danke, dass wir ein paar Tage bei dir Unterschlupf finden können.“

„Kein Problem, Schwesterchen. Bleibt so lange ihr wollt. Ich habe genügend Platz.“

„Ihr seid Geschwister?“, erkundigte sich Audrey überrascht und schaute sich Juan daraufhin genauer an. Er hatte sehr markante Gesichtszüge und sein kantiges Kinn zierte ein Dreitagebart. Er wirkte auf eine raue, wilde Art gutaussehend. Er trug schwarze Jeans und ein New York Yankees T-Shirt. Waren denn Vampire große Sportfans, fragte sich Audrey erstaunt. Oder warum trug er ein Shirt des berühmten Footballteams?

„Sangus hat uns beide geschaffen. Allerdings ist Catherine hundert Jahre älter als ich, so dass wir erst seit rund vierhundert Jahren „Geschwister“ sind. Sie ist also meine große Schwester, wie du sicherlich schon vermutet hast. Ich sehe ja auch viel jünger und besser aus“, antwortete Juan amüsiert. „Was macht eigentlich Johnny? Ich habe schon eine ganze Weile nichts mehr von unserem kleinen Bruder gehört.“

„Er war die letzten Monate in London zu Besuch. Allerdings hat er meine großartige Stadt nun wohl auf unbestimmte Zeit verlassen. Ich kann dir leider nicht sagen, wo er sich momentan aufhält. Aber er lässt es sich ganz bestimmt gutgehen“, berichtete Catherine. Johnny hatte eigentlich in Schottland zwei Frauen für sie töten sollen. Aber er versagte kläglich und hatte die Frauen am Leben gelassen. Er verabscheute es zutiefst, wehrlose junge Frauen umzubringen. In den Augen von Catherine war er ein richtiges Weichei, zumindest für einen Vampir, dem es eigentlich im Blute liegen sollte, Menschen auszusaugen. Johnny besaß eher die Emotionen und ethischen Grundsätze von einem Sterblichen und tötete oder verletzte nur, wenn ihm selbst Gefahr drohte. Nun war Johnny auf der Flucht. Denn er fürchtete den Zorn Catherines. Und das nicht ganz zu Unrecht. Dies erzählte sie Juan allerdings nicht. Er verstand sich mit Johnny prächtig, obwohl sie doch so verschieden waren. Juan versuchte zu der gesamten Blutlinie von Sangus Kontakt zu halten. Er war so eine Art Familienvampir, wenn so etwas bei Vampiren überhaupt existierte. Er würde alles für seine Brüder und Schwestern tun. So gefährlich und blutig es auch sein möge. Darauf würde zukünftig auch Catherine setzen. Juan holte zwei große Gläser mit synthetischem Blut, welches er in der Mikrowelle leicht erwärmt hatte, und reichte Catherine ein Glas mit der roten Flüssigkeit. Bevor er sich selbst einen mächtigen Schluck genehmigte und anschließend zufrieden grunzte. Audrey begab sich daraufhin in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu besorgen und den Vampiren die Möglichkeit zu geben, allein zu sein und sich auszutauschen. Außerdem wollte sie nicht unbedingt zuschauen müssen, wie sich die beiden Vampire die rote Flüssigkeit reinschütteten, auch wenn es diesmal kein Menschenblut zu sein schien.

„Die Sonne geht bald auf. Wir sollten uns in den Keller begeben. Ich habe für dich einen Sarg herrichten lassen. Ich hoffe, er genügt deinen hohen Ansprüchen, Schwesterchen. Ist das allerneueste Modell. Habe ihn gestern bereits selbst ausprobiert und ich war total begeistert“, sprach Juan. „Können wir die Blondine guten Gewissens allein in der Wohnung lassen? Sie sieht ziemlich mitgenommen und ängstlich aus. Warum hast du sie denn überhaupt nach New York gebracht?“

Catherine leckte genüsslich den letzten Tropfen des synthetischen Blutes von ihrer Oberlippe und stellte das leere Glas auf den Couchtisch. „Danke nochmals für deine ausgiebige Gastfreundschaft. Das synthetische Zeug schmeckt deutlich besser als das Gesöff, was uns in London zur Verfügung steht. Natürlich kein wirklicher Ersatz zu frischem Menschenblut, aber ich kann verstehen, dass ihr hier weniger auf Menschenjagd geht, wenn ihr euch mit dem schmackhaften synthetischen Blut zuschütten könnt. Audrey wird sicher fast den ganzen Tag schlafen. Sie ist sehr erschöpft und leidet garantiert noch unter dem Jetlag. Ich werde ihr noch kurz darüber Bescheid geben, dass wir uns bis zum Sonnenuntergang in die Kellerräume zurückziehen. Morgen habe ich eine äußerst delikate Aufgabe für dich. Ich hoffe, du kannst mir bei einer extrem wichtigen Sache helfen.“

Juan grinste nur. Wenn Catherine von einer delikaten Aufgabe sprach, wäre dies sicher mit einer gehörigen Portion Spaß und Spannung verbunden. Vielleicht würde es sogar ein bisschen blutig werden. Etwas Action könnte nicht schaden, sonst rostete er noch ein. Ihm blieb allerdings auch nicht verborgen, dass Catherine die Fragen bezüglich der Sterblichen unbeantwortet ließ. Normalerweise vermied sie auch engeren Kontakt zu Menschen in der Öffentlichkeit. Daher wunderte er sich schon ein bisschen, warum sie eine Sterbliche nach New York eingeflogen haben sollte. Noch wusste er nichts von Audreys Entführung aus London. Dies würde ihm Catherine erst noch erzählen müssen.

Juans Schwester bewegte sich in die Küche zu einer weiterhin sehr verstört drein blickenden Audrey. „Juan und ich begeben uns jetzt bis zum Sonnenuntergang in die Kellerräume. Brauchst du noch etwas oder kommst du die nächsten Stunden allein zurecht?“

„Ich werde erst mal versuchen zu schlafen und danach werde ich mich hoffentlich etwas besser erinnern können, was in den letzten sechsunddreißig Stunden mit mir passiert ist. Bin ich denn wirklich in Sicherheit, wenn du nicht bei mir bist?“ Audrey wirkte wieder etwas ängstlicher. Die Aussicht den ganzen Tag allein in einer fremden Wohnung, noch dazu in einer völlig unbekannten Umgebung zu bleiben, verhieß ihr nichts Gutes.

„Keine Angst. Tagsüber wird dich niemand von den anderen New Yorker Vampiren behelligen. Und nach Sonnenuntergang sind Juan und ich ja wieder bei dir. Erhole dich zuerst von dem Schock und dann sehen wir weiter. Am besten wäre es ohnehin, wenn du so schnell wie möglich wieder nach London zurück fliegst. Ich stelle dir dann dort zwei meiner treuesten Untertanen als Leibwächter zur Seite. Zumindest solange, bis wir wissen, wer dich entführt hat und ob du weiter in ernster Gefahr schwebst.“

„Ich wusste gar nicht, dass du überall auf der Welt Geschwister zu haben scheinst“, wechselte Audrey das Thema. „Aber Juan scheint ein netter und charmanter Bursche zu sein. Zumindest für einen Vampir.“

„Na ja, Sangus hat in den letzten achthundert Jahren eine ganze Reihe von Vampiren erschaffen. So wie es aussieht, scheint er hinter der Entführung zu stecken. Aber ihm muss noch jemand geholfen haben. Und die Verantwortlichen werden wir finden und zur Rechenschaft ziehen. Niemand, auch kein Vampir darf dir wehtun. Während ich mich um deine Entführer kümmere, wird Juan mir hoffentlich helfen, den Thron zu besteigen. Wir sprechen morgen weiter.“ Catherine verabschiedete sich von Audrey mit einem zärtlichen Kuss und begab sich dann zu ihrem jüngeren Bruder in den Keller.

Die junge Polizistin verschloss anschließend die Wohnungstür und legte die Sicherungskette davor. Noch niemals zuvor hatte sie unter solchen Ängsten gelitten. In der Ausübung ihres Jobs als Detective der Londoner Mordkommission waren ihr zwar schon mehrmals Kugeln um die Ohren geflogen, aber im Vergleich zum Kampf mit Vampiren waren das ja eher Peanuts gewesen. Sie beherrschte einige Kampfsportarten außerordentlich gut und konnte sich somit in der Regel gegen menschliche Angreifer erfolgreich zur Wehr setzen. Aber gegen Vampire würde sie damit voraussichtlich wenig ausrichten können. Diese waren ihr körperlich viel zu stark überlegen. Sie musste unbedingt von Catherine erfahren, welche Möglichkeiten der Verteidigung gegen Vampire existierten. Eine Kugel in den Kopf würde wohl kaum reichen. Aber erst einmal begab sie sich in das Gästezimmer, zog das T-Shirt und die Jeans aus und legte sich ins Bett. Die Fenster waren gegen Licht von Außen geschützt, so dass sie sofort von totaler Finsternis umgeben war, nachdem sie die Nachttischlampe ausgeschaltet hatte. Bereits wenige Augenblicke später schlief sie ein, allerdings hielt der Schlaf leider nicht sehr lange vor. Schweißgebadet erwachte sie aus ihren wilden Träumen und atmete schwer. Eine starke Übelkeit überfiel sie, die durch eine Nervosität hervorgerufen wurde, die sie schlagartig übermannte, nachdem sie aufgewacht war. Sie ging ins Bad und stellte sich so lange unter die Dusche, bis sich ihr Magen beruhigte. Sie dachte an Coles Augen, die neben Stärke auch so viel Dunkelheit und Brutalität ausstrahlten. Sie dachte an den Tod. Und plötzlich erinnerte sie sich an seinen wahnsinnigen und geilen Blick, als er brutal in sie hineingestoßen und sie vergewaltigt hatte. Audrey wusste nur nicht, ob die Erinnerungen dem Albtraum entsprungen oder ob dies in der letzten Nacht wirklich passiert war. Ihr Bauch und ihr Geist sagten ihr zwar, dass die Erinnerungen real waren. Aber konnte sie sich darauf tatsächlich verlassen? Sollte sie Catherine überhaupt davon erzählen? Welche Auswirkungen würde dies haben? Würde Catherine versuchen, Cole dafür zur Rechenschaft zu ziehen? Könnte Catherine dem Muskelpaket Cole denn überhaupt Paroli bieten oder würde dieser Catherine in Stücke reißen? An ihrem Körper ließen sich glücklicherweise keine Spuren einer möglichen Vergewaltigung erkennen. Vielleicht hatte sie es tatsächlich nur geträumt. Oder man hatte ihr Vampirblut verabreicht, wodurch Verletzungen ja innerhalb kürzester Zeit heilten. Aber warum sollten die Vampire Spuren verwischen, fragte sie sich unsicher. Audrey würde sich ganz genau überlegen müssen, was sie ihrer Freundin berichten sollte. Davon könnte ihre gemeinsame Zukunft abhängen. Sie wollte kein Gemetzel heraufbeschwören, auch wenn es nur unter Vampiren wäre. Am besten würde es wohl sein, sie hielte sich mit Kommentaren bezüglich ihrer verwirrenden Gedanken gegenüber Catherine zurück. Sie dachte noch einige Minuten darüber nach, ehe sie eine tiefe Müdigkeit erneut übermannte und sie wieder in einen unruhigen Schlaf fiel. Diesmal träumte sie von Sangus, dem amtierenden König der Finsternis