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Lincoln musste mitansehen, wie Luzifer die Liebe seines Lebens entführt hat. Niemals wird er es einfach akzeptieren können, dass Brielle womöglich tot ist. Während das Leben um ihn herum weitergeht, stürzt Lincolns Welt immer mehr in sich zusammen. Nur Shea, Brielles beste Freundin, ist noch auf seiner Seite. Gemeinsam machen sie sich auf die riskante Suche nach ihr. Doch als ihre Freunde plötzlich in Gefahr geraten, steht Lincoln vor einer folgeschweren Entscheidung. Ist Brielle für ihn vielleicht endgültig verloren?
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Über dieses Buch
Titel
Widmung
Triggerwarnung
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Danksagung
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
Lincoln musste mitansehen, wie Luzifer die Liebe seines Lebens entführt hat. Niemals wird er es einfach akzeptieren können, dass Brielle womöglich tot ist. Während das Leben um ihn herum weitergeht, stürzt Lincolns Welt immer mehr in sich zusammen. Nur Shea, Brielles beste Freundin, ist noch auf seiner Seite. Gemeinsam machen sie sich auf die riskante Suche nach ihr. Doch als ihre Freunde plötzlich in Gefahr geraten, steht Lincoln vor einer folgeschweren Entscheidung. Ist Brielle für ihn vielleicht endgültig verloren?
Aus dem amerikanischen Englisch von Michael Krug
Für alle Seelenverwandten.
Triggerwarnung: In diesem Buch wird unterschwellig versuchter Selbstmord angeschnitten. Lies es nicht, wenn du meinst, das könnte dich triggern. Bitte ruf im Fall von Problemen die Telefonseelsorge an: 0800 1110111
https://www.telefonseelsorge.de/
Als sich das Portal schloss, erstarrte mein gesamter Körper. Ich wankte vorwärts, stolperte über die eigenen Füße, streckte die Hand aus, versuchte noch, sie zu erwischen.
»Brielle!«, brüllte ich erneut. Panik und Kummer schnürten mir die Brust zu.
Wenn ich sie in den nächsten Minuten erreichen könnte, um die Blutung zu stoppen, würde sie vielleicht überleben ...
Mit wild in der Brust hämmerndem Herzen wirbelte ich herum. »Shea! Öffne ein Portal!«, rief ich der Lichtmagierin zu. Chloe und Luke standen wie erstarrt hinten im Raum, während Darren und Blake durch die Seitentür hinausrannten, wahrscheinlich, um Hilfe zu holen.
Brielles beste Freundin sah mich entsetzt an. Tränen liefen ihr über die karamellfarbenen Wangen. Ihre Hände zitterten.
»SHEA!«, schrie ich und stapfte auf sie zu.
Luzifer hatte den Boden weit aufgerissen. Shea stand auf der anderen Seite der Kluft. Meine gebrochenen Flügel ließen sengende Schmerzen durch meinen Rücken schießen. Zum Glück hatte sich mein bester Freund Noah von seinen Fesseln befreit und flog zu Shea hinüber, um sie zu holen. Nach drei Flügelschlägen setzte er sie auf meiner Seite ab.
Sie hyperventilierte. Ihr Brustkorb hob und senkte sich rasend schnell, während sie nach Luft rang. Ich stand selbst kurz davor, durchzudrehen. Aber das durfte ich nicht. Brielle zählte auf uns.
»Shea. Öffne das Portal, damit Noah sie heilen kann. Okay?« Ich bemühte mich zwar, meiner Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen, trotzdem zitterte sie.
Mit immer noch bebendem Körper straffte Shea die Schultern. »Okay.«
Für ihr Alter war sie schon immer außergewöhnlich begabt gewesen. Was ich ihr natürlich nie sagen würde. Sie besaß ohnehin schon ein Ego so groß wie Texas. Aber besonders gut beherrschte sie das Öffnen von Portalen. Wenn es jemand schaffen konnte, dann Shea.
Sie atmete tief ein, stellte sich breitbeinig hin und streckte die Hände vor sich. Violettes Feuer knisterte zwischen ihren Handflächen, erlosch aber sogleich wieder. Ihre Augen weiteten sich erschrocken. Sie nahm einen neuen Anlauf, entfachte ihre Magie. Wieder verpuffte sie sofort.
»Ich werde blockiert«, stieß sie erstickt hervor.
»Nein!«, entfuhr es mir. Verzweiflung drohte mich zu überwältigen.
Brielle ... und so viel Blut.
Ich schüttelte mich, ergriff Sheas Hand und lief an der Stelle vorbei, an der Luzifer Brielle entführt hatte. Wir stürmten durch die Türen in die kalte Nacht hinaus. Der Dämonenalarm schrillte noch immer. Auf der anderen Seite des Campus sah ich Raphael, an seiner Seite Michael. Beide rannten in unsere Richtung. Darren und Blake folgten dicht hinter ihnen.
»Versuch es hier.« Meine Hände zitterten. Ich wusste, dass ich kurz vor einer gigantischen Panikattacke stand.
Ist Brielle schon verblutet? Kann ich sie noch retten? Wie tief hat er sie geschnitten? Und warum überhaupt? Wie viele Minuten sind vergangen?
Hunderte Fragen schossen mir rasend schnell durch den Kopf. Ich fürchtete, jeden Moment den Verstand zu verlieren.
Shea schien ihren ersten Schock ein wenig überwunden zu haben. Sie hatte wieder den grimmig entschlossenen Ausdruck aufgesetzt, den ich von ihr kannte. Mit angespannter Kieferpartie streckte sie die Hände vor. Ihre Magie flammte wild auf ...
Und erlosch erneut.
»Scheiße!«, fluchte sie.
»Was ist passiert?« Raphael sah uns in die Gesichter und las wahrscheinlich unsere Gedanken, denn gleich darauf sank er gegen Michael.
»Brielle«, flüsterte der Erzengel. Er wirkte krank vor Entsetzen. Ich konnte ihm kaum ins Gesicht sehen.
Shea drängte sich in meine Arme. »Flieg mich nach Demon City!«, verlangte sie mit knurrendem Unterton.
Ja! Natürlich.
Wenn sie durch Magie blockiert wurde, dann vermutlich nur in Angel City.
»Nein, das würde ich ni...« Noah wurde vom Geräusch meiner aus dem Rücken hervorschnellender Flügel unterbrochen.
Ein sengender Schmerz zuckte durch meine Schulterblätter. Schweiß perlte auf meiner Stirn. Ich hatte vergessen, dass meine Flügel gebrochen waren. Sie waren noch kaum verheilt und äußerst zerbrechlich.
Scheiß drauf.
Ich zog Shea an meinen Körper, jagte etwas von meiner Heilenergie in meine Flügel und erhob mich in die Lüfte.
Oh Gott.
Das Brennen zwischen meinen Schultern fühlte sich an, als würde mir ein glühender Schürhaken in den Rücken getrieben. Trotzdem war es nichts im Vergleich zu den Qualen in meinem Herzen als ich mitansehen musste, wie der Teufel meiner Verlobten die Kehle aufgeschlitzt hatte. Ich schlug wie wild mit den Flügeln und forderte meinen Körper auf, irgendwie mit dem Schmerz zurechtzukommen. Denn ganz gleich, wie heftig die Schmerzen sein mochten, ich würde Shea in Rekordzeit über die Mauer bringen.
»Lass uns die Sache durchdenken!«, brüllte Michael neben mir, um sich über den Wind Gehör zu verschaffen. Der Erzengel hatte sich mit mir in die Lüfte erhoben.
Das darf nicht wahr sein.
Stöhnend ignorierte ich Michael, konzentrierte mich auf den Flug und meine Selbstheilung. Ich musste mich von den Schmerzen in meinen Flügeln und in meinem Herzen ablenken.
Als ich nach unten schaute, erblickte ich die Grenze von Demon City.
Diese Kloake. Wie ich diesen Ort hasse. Nichts würde ich lieber tun, als alle Unschuldigen rauszuholen und ihn dann niederzubrennen.
Im Sinkflug fühlten sich meine Arme an, als würden sie langsam taub werden. Vermutlich verursachte ich gerade irgendeinen Nervenschaden, doch es war mir egal.
Brielle war meine Familie. Die einzige, die ich noch hatte. Emotionen schnürten mir die Kehle zu. Um nicht überzuschnappen, musste ich mir auf die Zunge beißen. Ich sank mit Shea in eine Schneise zwischen der Mauer von Demon City und einigen Wohngebäuden, landete und setzte sie ab. Sofort durchzuckten mich Schmerzen, als kratzten Rasierklingen über jeden Quadratzentimeter meiner Haut. Eine weitere Erinnerung daran, dass ich mich hier – anders als Shea oder Brielle – nicht lange aufhalten konnte.
Michael, Noah und Raphael setzten neben mir auf. Alle zuckten mit denselben Schmerzen zusammen, die auch mich heimsuchten. Als Celestial litt man in einer Dämonenhochburg Höllenqualen. Die anderen suchten die Umgebung nach Bedrohungen ab, mein Blick hingegen richtete sich auf Shea.
Komm schon. Bitte.
Die Magierin klatschte in die Hände und brummte. Ein Funke grüner Magie erwachte zum Leben und färbte sich dann pechschwarz.
»Das ist dunkle Magie«, merkte Michael nachdenklich an. In seiner Stimme schwang kein Tadel mit. Es klang lediglich nach einer Feststellung.
Shea zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich tue, was nötig ist.«
Ja!
Um Brielle wohlbehalten zurückzuholen, hätte ich alles getan. Ich hätte sogar meine Seele an einen Dämon verkauft.
Als sich ein Portal zwischen ihren Händen zu öffnen begann, wurde mir vor Erleichterung regelrecht schwindlig. Plötzlich aber fiel mir ein, dass ich es nicht durchschreiten konnte. Niemand von uns konnte das. Außer Shea.
Verdammt!
In mir zog sich alles zusammen, als ich daran zurückdachte, wie Brielle einmal impulsiv durch ein Portal gerannt war, um Sera zu holen, dicht gefolgt von Shea. Brielle, die Liebe meines Lebens, war loyal bis zum Umfallen. Damals hatte ich versucht, ihr durch das Portal zu folgen. Um ein Haar hätte ich dabei ein Körperteil verloren. Diesmal war es anders. Sie verblutete. Wir hatten keine Zeit. Ich musste es einfach versuchen. Ich konnte Shea unmöglich allein lassen.
Raphaels starke Hand landete auf meiner Schulter. »Nein, Junge. Du wirst sterben. Ich habe das schon gesehen. Diese Welt wird dich verbrennen.«
Ich spürte, wie sich Dunkelheit in meinem Geist ausbreitete. Ich drohte, dorthin zurückzukehren, wo ich nach dem Tod meiner Eltern und meiner Schwester gewesen war – in einen Zustand der Rücksichtslosigkeit, in dem mich nichts mehr scherte, am wenigsten meine eigene Sicherheit. Raphael verstärkte seinen Griff um meine Schulter, hielt mich fest. Sollte ich versuchen, durch das Portal zu springen, würde er mich daran hindern, das wusste ich.
»Ich hole Hilfe – andere Soldaten der Engelsarmee mit Dämonengaben«, kündigte Michael an. Das Portal war nun groß genug, um die Hölle zu betreten.
»Für solchen Scheiß haben wir keine Zeit!«, fluchte Shea. »Er hat ihr die Kehle durchgeschnitten! Sie verblutet.«
Jenseits des Portals erschien eine feurige Ödnis mit reihenweise Strohhütten. Einige davon standen in Flammen. Ein paar Dämonen wuselten herum und unterhielten sich miteinander. Shea wirbelte zu Michael herum. »Leih mir dein Schwert.«
Luzifer hatte unsere Party gestürmt, als wir alle unbewaffnet waren. Darauf waren wir nicht vorbereitet gewesen. Die Wut in mir loderte heißer auf.
Michael zögerte. »Dass mein Schwert verloren gehen könnte, macht mir keine Sorgen, Kind, aber du kannst da nicht allein reingehen.«
Ich kannte Shea. Sie war fast genauso stur wie Brielle. Die Worte würden das Feuer in ihr nur zusätzlich schüren.
»Dann pass mal auf!«, gab sie zurück und sprang unbewaffnet durch das Portal.
»Nein!«, brüllte Noah und wollte hinter ihr her. Doch Michael hielt ihn hastig zurück. Noah hyperventilierte. Sollte ich wahrscheinlich ebenfalls, doch ich stand zu sehr unter Schock.
Mit einer Bewegung aus dem Handgelenk zog Michael schwungvoll sein Schwert und warf es durch das Portal, wo es klirrend vor Sheas Füßen landete.
Sie nickte und hob Michaels Schwert der Wahrheit auf. Dann legte sie einen Finger an die Lippen, um Noah zum Schweigen zu bringen, der ihren Namen immer wieder laut flüsterte.
Michaels Schwert war legendär. Ich kannte keinen Dämon, der auch nur den kleinsten Kratzer, den ihm die Klinge zugefügt hatte, überlebt hatte. Am liebsten hätte ich Shea lauthals aufgefordert, sich zu beeilen. Aber ich musste Noah beruhigen, der den Verlust seiner Freundin fürchtete, während ich um meine trauerte.
In Raphaels Griff gefangen stand ich da, während Shea zwischen zwei Hütten hindurchhuschte und auf die Hauptstraße trat, wo es von Dämonen nur so wimmelte.
Alle auf der Erdenseite des Portals erstarrten. Was sah sie dort? Was würde sie tun, wenn sie Brielle oder Luzifer entdeckte? Ich hielt den Atem an, als sie nach links, nach rechts und erneut nach links schaute. Ein vorbeikommender Eiben-Dämon bemerkte, dass sie weder tot noch eine Dämonin war, fauchte und griff sie an. Shea holte mit Michaels Schwert aus, schwang es mit voller Wucht und trennte dem Dämon sauber den Kopf ab.
»BRIELLE!«, schrie sie gequält.
Nie im Leben könnte ich das Grauen in ihrer Stimme vergessen. Eine Gänsehaut überzog meine Arme.
»BRIELLE!« Ihre Brust hob und senkte sich heftig, während sie sich verzweifelt umsah, aber keine Spur von ihrer besten Freundin entdeckte.
Um mich herum drehte sich alles. Meine Seele brach entzwei, und ich fiel auf die Knie.
Sie war tot.
Brielle ist tot.
Abrupt schlug ich die Augen auf und fasste mir an die Brust. Mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Rippen. Als mein Blick über den gefliesten Boden und das schmale Bett wanderte, wurde mir klar, dass ich mich im Heiltrakt befand. Noah schlief auf einem Stuhl, Shea auf der Pritsche am Fenster.
»Brielle«, stieß ich desorientiert hervor.
Vielleicht hatte ich nur geträumt? Einen grauenhaften Traum, in dem Luzifer auf der Feier zu meiner Beförderung zum Hauptmann aufgetaucht war und die Liebe meines Lebens umgebracht hatte.
Shea schreckte gleichzeitig mit Noah hoch.
Die vollkommene Verzweiflung und Trauer in ihren Gesichtern zerstörten mich. Ich hatte nicht geträumt. Brielle war wirklich tot.
»Nein.« Ein ersticktes Schluchzen entfuhr mir.
Shea durchquerte das Zimmer so überstürzt, dass sie beinah über ihre eigenen Füße gestolpert wäre. Sie warf sich mir heulend in die Arme.
»Ich hab’s versucht. Es tut mir leid, ich hab’s so sehr versucht. Ich konnte sie nirgendwo sehen oder spüren«, brachte sie kläglich unter Tränen hervor.
Das konnte ich nicht verkraften. Nicht noch mal. Innerhalb einer Sekunde war meine gesamte Familie in Stücke gesprengt worden. Und nun passierte es wieder.
Ich schob Shea zurück und zwang sie, mich anzusehen. Tränen und Rotz liefen ihr übers Gesicht. Die Wimperntusche hinterließ dunkle Schlieren auf ihren braunen Wangen. Ihr Anblick erinnerte mich an meine bessere Hälfte, was sich wie ein Schlag in die Magengrube anfühlte.
»Wir geben nicht auf. Niemals. Hast du verstanden?«
Shea nickte. Immer noch flossen ihre Tränen. »Ja. Sie ist stark ... und hat Heilkräfte. Sie muss am Leben sein.«
Ich atmete etwas leichter, als ich erkannte, dass Shea auf meiner Seite stand. Mit mir daran glaubte, das Brielle noch lebte. Immerhin war der Teufel ein Meister der Illusion, oder? Vielleicht hatte er uns nur vorgegaukelt, dass er ihr die Kehle aufgeschlitzt hatte? In dem Fall würde Brielle aus der Hölle ausbrechen, und wir würden sie finden.
»Wahrscheinlich hat sie sich schon von ihm losgerissen und irrt gerade durch die Unterwelt. Lass uns noch mal ein Portal öffnen und nach ihr rufen«, schlug ich vor.
Shea verzog die Lippen zu einem aufrichtigen Lächeln. »Ja! Mal sehen, ob die Portalsperre aufgehoben ist. Ich kann es genau dort öffnen, wo er sie ... entführt hat.«
Noah räusperte sich und sah uns beide verlegen an. »Leute, das klingt nicht besonders sicher ...«
»Noah«, fiel Shea ihm warnend ins Wort. Mein bester Freund gab sich geschlagen und hob kapitulierend die Hände.
Ich wusste, dass er nur das Beste für mich wollte. Aber das Beste für mich war, Brielle zu finden – oder mir Gewissheit zu verschaffen, was mit ihr passiert war.
Shea sprang von meinem Bett und half mir auf. Meine Beine fühlten sich zwar schwach an, aber ich konnte aus eigener Kraft stehen.
»Weswegen bin ich hier?« Wahrscheinlich wegen meiner gebrochenen Flügel. Ich hatte es übertrieben. Allerdings konnte ich mich nicht daran erinnern, wie ich hier gelandet war. Also musste ich das Bewusstsein verloren haben.
Noah schaute zu Boden. »Schock.«
Mein Herzschlag raste. Dasselbe war passiert, als ich meine Eltern verloren hatte. Auch damals war ich ... zusammengebrochen und hatte eine Zeit lang den Bezug zur Realität verloren. Und auch damals hatte Noah mir da durchgeholfen.
»Ich bin froh, dass du hier bist, Mann.« Meine Stimme klang brüchig.
»Immer.« Noah klopfte mir auf den Rücken, danach traten wir zusammen den Weg aus dem Heiltrakt hinaus auf den Campus an.
Ein einziger kurzer Blick über das weitläufige Gelände verriet mir, dass es in der Fallen Academy nur so von Soldaten der Armee wimmelte. »Was unternimmt Raph wegen der Situation?«, fragte ich Noah, als wir am Büro des Erzengels vorbeikamen.
Mein bester Freund atmete tief ein. »Er lässt zwei Teams zu je zwanzig Leuten in Abständen von dreißig Minuten in die Unterwelt reisen, um dort jeweils fünf Minuten lang zu suchen. So arbeitet er sich in einem Raster durch die Stadt, aber ... wir haben schon zwei Mann verloren. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass er noch lange so weitermacht.«
Nein.
Der Plan schien eigentlich gut zu sein – und dennoch hatte man sie noch nicht gefunden? Pochende Kopfschmerzen breiteten sich an meiner Schädelbasis aus.
»Haben sie schon die Stelle überprüft, an der sie entführt worden ist?« Wir waren fast dort, wo ich das Hauptmannsabzeichen erhalten hatte und der Teufel Brielle durch das Portal gezogen hatte.
Noah zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir nicht sicher. Ich war die ganze Zeit an deiner Seite.«
Noah war ein großartiger Freund. Ich wusste, dass er sich um meine geistige Gesundheit sorgte. Beim Tod meiner Familie war ich durchgedreht, und er hatte es miterlebt. Im Augenblick fühlte es sich so an, als würde ich das alles noch einmal erleben.
Ich schüttelte mich, verdrängte solche Gedanken. Wir würden sie finden. Noch heute.
Nachdem wir uns Zugang zu dem großen Raum verschafft hatten, aus dem Brielle von Luzifer entführt worden war, wichen wir den Trümmern aus, sprangen über aus dem Boden ragende, scharfkantige Felsbrocken hinweg und erreichten die exakte Stelle.
Mein Blick fiel auf den Boden und den fast schwarzen Kreis aus getrocknetem Blut dort.
Oh Gott.
Dieser Drecksack.
Wut durchströmte mich in Wellen, und ich schwor mir, den Mistkerl dafür umzubringen. Irgendwann. Irgendwie.
Tief in Gedanken versunken hatte ich gar nicht bemerkt, dass Shea das Portal bereits geöffnet hatte. Anscheinend war die magische Blockade aufgehoben. Alles in mir wollte Hals über Kopf durch die Öffnung stürmen und Brielles Namen brüllen. Einzig der Gedanke, dass ich ihr tot nichts nützen würde, hielt mich davon ab.
Noah hielt Shea am Arm zurück, bevor sie hindurchrennen konnte. »Raph hat seine Teams darauf angesetzt.«
Shea knurrte ihn an, schüttelte ihn ab und zog ihre Unendlichkeitswaffen. Ihre Fäuste schlossen sich um die beiden Scheibenklingen. Sie wirkte, als könnte sie es kaum erwarten, damit über die Dämonen herzufallen.
