Chasing Hope - Julia K. Stein - E-Book
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Chasing Hope E-Book

Julia K. Stein

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Beschreibung

Wenn zwei Welten aufeinanderprallen ... Julie ist auf Hawaii in einer Hippie-Kommune aufgewachsen und hat sich den Stipendiumsplatz am Montana Arts College hart erkämpft. Sie hat nicht vor, sich in ihrem Creative Writing Studium von irgendetwas ablenken zu lassen, schon gar nicht von einem reichen Schnösel wie Nate, dem alles zugeflogen kommt. Nates Eltern denken, dass er Wirtschaft studiert, doch seine wahre Leidenschaft liegt im Drehbuch. Er möchte Filme produzieren, die Welt aus neuen Blickwinkeln zeigen. Und er möchte Julie aus der Reserve locken, der es immer schwerer fällt, sich zu konzentrieren, wenn er in der Nähe ist. »Julia K. Stein hat dieses einzigartige Talent, mich gleichzeitig zum Lachen, Fluchen und Weinen zu bringen. Intelligent, voller Gefühl und mit so viel originellem Witz schreibt sie sich mit jedem neuen Buch in mein Leserherz!« Spiegel-Bestsellerautorin Stella Tack Das Zentrum der Reihe bildet das Montana Arts College, ein prestigeträchtiges College mit Schwerpunkt in den darstellenden Künsten. In der Abgeschiedenheit Montanas sollen die Studenten sich auf die Ausbildung ihrer Talente in Tanz, Schauspiel, Film und Kreativem Schreiben konzentrieren. Doch die Natur am Rande der Rocky Mountains ist gewaltiger, die Gefühle intensiver – und das führt nicht nur zu ausdrucksstarker Kunst, sondern auch zu intensivem Funkenflug zwischen den Studenten … Perfekte Lektüre für alle LeserInnen von Sarah Sprinz, Ava Reed und Sophie Bichon. Julia K. Stein kommt aus dem Ruhrgebiet und hat in Bonn, Berkeley und an der amerikanischen Ostküste studiert, einen Magister der Philosophie erworben und über Literatur promoviert. Seit vielen Jahren schreibt sie erfolgreich Bücher für Jugendliche und Erwachsene, arbeitet als Dozentin, moderiert Branchenveranstaltungen und spricht und schreibt auf Youtube und Instagram über das kreative Leben.

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© Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Wiebke Bach

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Sandra Taufer

Coverabbildung: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Widmung

Zitat

Eins

Julie

Zwei

Nate

Drei

Julie

Vier

Nate

Fünf

Julie

Sechs

Nate

Sieben

Julie

Acht

Nate

Neun

Nate

Zehn

Julie

Elf

Nate

Zwölf

Julie

Dreizehn

Julie

Vierzehn

Julie

Fünfzehn

Nate

Sechzehn

Julie

Siebzehn

Nate

Achtzehn

Nate

Neunzehn

Julie

Zwanzig

Julie

Einundzwanzig

Julie

Zweiundzwanzig

Julie

Dreiundzwanzig

Nate

Vierundzwanzig

Nate

Fünfundzwanzig

Nate

Sechsundzwanzig

Julie

Siebenundzwanzig

Nate

Achtundzwanzig

Julie

Neunundzwanzig

Julie

Dreißig

Julie

Einunddreißig

Nate

Zweiunddreißig

Nate

Dreiunddreißig

Nate

Vierunddreißig

Julie

Fünfunddreißig

Nate

Sechsunddreißig

Nate

Siebenunddreißig

Julie

Achtunddreißig

Julie

Neununddreißig

Julie

Vierzig

Julie

Einundvierzig

Nate

Zweiundvierzig

Julie

Dreiundvierzig

Julie

Vierundvierzig

Nate

Fünfundvierzig

Julie

Danke

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Für C.

Wenn du nicht deine eigene Geschichte erzählst, wird es niemand für dich tun.

Mira Nair

Eins

Julie

Alle Blicke sind auf mich gerichtet, was sich anfühlt, als würde jemand ein Feuer unter mir anzünden. Nein, wir sind nicht im Mittelalter, und ich bin nicht auf einem Scheiterhaufen, sondern sitze in der Bibliothek eines der prestigeträchtigsten Colleges für darstellende Künste der USA. Klopfen auf die Augenbrauen, seitlich neben meinen Augen, kurzes Antippen über dem Mund und dabei hoffentlich nicht aussehen, als würde ich heimlich in der Nase bohren, dann unter dem Kinn, auf dem Schlüsselbein … Unauffällig versuche ich, die unangenehmen Gefühle wegzuklopfen.

Hinter den riesigen Fenstern der Olin-Bibliothek, die an die einer Kathedrale erinnern, sieht man den Quad, wo sich die Hauptwege des Campus kreuzen. Zwei Studentinnen sitzen in Bikinioberteilen auf der Wiese, um die warme Spätsommersonne zu genießen, und lesen dort, aber wie immer am Anfang des Semesters ist auch die Bibliothek voll mit hoch motivierten Studierenden. Eigentlich ist der Job in der Bibliothek des Montana College of Performing Arts, kurz MCPA, mein Traumjob, und normalerweise bewege ich mich eher in den Untiefen der Bibliothek, im wörtlichen Sinne. Die Bibliotheksmagazine gehen mehrere Stockwerke unterirdisch weiter, und ich sortiere die zurückgegebenen Bücher wieder in die Regale. Dabei stoße ich auf so viele interessante Werke zu Themen, auf die ich ohne diesen Job niemals kommen würde. Ich werde dafür bezahlt, mich inspirieren zu lassen. Die meiste Zeit ist es lächerlich, das als Arbeit zu bezeichnen. Außer heute, da mache ich die Aufsicht im Chaucer-Lesesaal, dem altehrwürdigen Saal mit den langen Holztischen zum Arbeiten und den Ölgemälden von ernst dreinschauenden Gelehrten an der Wand. Ich sitze allerdings nicht an den langen Tischen, sondern an einem Einzeltisch vorn wie an einem Lehrerpult.

Gewöhnlich sind die Lernenden im Chaucer-Lesesaal leise, weil sie in ständiger Angst leben, dass Mr Ross reinkommt und sie ermahnt oder rauswirft.

Wie es der Zufall will, ist ausgerechnet heute eine Person anwesend, die schon seit zwanzig Minuten stört, ohne Anstalten zu machen, den Lesesaal dauerhaft zu verlassen. Leider kenne ich diese Person viel zu gut, weil sie in meinem Haus wohnt, und es ist, trotz aller Vorsätze meinerseits, unmöglich, sie weiterhin zu ignorieren.

Nate sitzt an einem der vorderen Tische auf der linken Seite neben den Nachschlagewerken. Nein, er sitzt nicht einfach da, er hält Hof. Er trägt einen dunkelblauen Hoodie mit dem MCPA-Logo, das seine Augen in der gleichen Farbe zum Strahlen bringt, was er mit Sicherheit sehr genau weiß. Seine hellbraunen Haare umrahmen etwas zerzaust – definitiv gewollt zerzaust – sein Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen. Seine Haut ist, abgesehen von einer schmalen Narbe an der rechten Wange, perfekt. Immer wieder kommen irgendwelche Studis zu ihm, hocken sich neben den langen Tisch mit der goldenen Lampe, um flüsternd etwas zu besprechen. Sie verlassen gemeinsam den Lesesaal, Nate kommt zwei Minuten später zurück, lässt die Tür extra laut ins Schloss fallen, was aufgrund der Türschließer eigentlich unmöglich sein sollte. Keine Ahnung, wie man so grundsätzlich laut existieren kann. Er spricht in einem Flüsterton, den man im ganzen Raum hört, und ich hasse diese Studentinnen, die sich neben seinen Tisch knien und mit ihm irgendetwas bequatschen. Was kann so wichtig sein? In dem Moment leuchtet mein Handy auf, eine Nachricht von meiner Schwester Rain.

Rain: Ich habe das Handy. Kannst du mich anrufen?

Mein Blick gleitet zurück zu Nate und den anderen. Egal, nur fünf Minuten werden sie es ja wohl noch schaffen, nicht völlig auszurasten. Rain will mir sagen, wann sie ankommt. Schnell laufe ich zum Seitenausgang, hinter dem sich die Behindertentoilette befindet – perfekt zum Telefonieren, ohne die Bibliothek zu verlassen und das Telefonverbot allzu schlimm zu missachten. Zum Glück ist sie gerade nicht belegt. Schnell drücke ich die Anruftaste. Sie geht sofort ran.

»Blossom, du bist schnell!«, sagt sie mit ihrer hellen Stimme. Die Verbindung ist ungewohnt gut. Hawaii fühlt sich an, als wäre es direkt nebenan in der MCPA Dining Hall und nicht fünftausend Kilometer entfernt, dazwischen endloser Pazifik.

»Wo bist du?«, frage ich sie. »Bist du allein?« Ich sehe sie vor mir, ihre gebräunten Hände mit dem silbernen Ring, ihr pinkfarbenes Tanktop, die langen, hellblonden Haare, die ihr ebenmäßiges Gesicht mit den blauen Augen umspielen. Meine Haare sind rotstichiger und meine Augen grün. Ich bin schon immer etwas neidisch auf den satten Goldton, den ihre Haut in der Sonne annimmt.

»Zu Hause. Papa hat tatsächlich das Handy vergessen. Er ist surfen, und Mum ist auf der Plantage.«

Mom verkauft selbst gepresste Öle und ist häufig auf einer Plantage, wo sie die Ausrüstung nutzen kann, um ihre Pflanzen zu pressen und das Öl abzufüllen, das sie an lokale Läden verkauft.

»Er hat sein Handy vergessen?« Ich muss grinsen. »Er wird nachlässiger bei der Bewachung des teuflischen Instruments, das die Gehirne einer ganzen Generation zerstört.«

Rain gluckst. »Ja, vielleicht lade ich ein Pokémon Unite herunter, einfach um zu sehen, wie er reagiert.«

»Lass es lieber«, sage ich. »Sonst rastet er aus, und du kannst nicht kommen. Also, wann kommst du an? Du wirst es lieben und sofort auch hier studieren wollen. Ich muss noch den Transport organisieren, der Flughafen hier ist ganz schön weit, aber es gibt Shuttles, die einigermaßen bezahlbar sind. Eine Freundin hat sogar angeboten, dich abzuholen.« Hazel hatte das tatsächlich angeboten, auch wenn ich das niemals annehmen werde, weil es einfach viel zu weit ist.

Für einen Moment ist Stille in der Leitung, und in einer bösen Vorahnung spüre ich ein Stechen in der Brust. Im Spiegel über dem Waschbecken sehe ich mich selbst mit gerunzelter Stirn und angepannten Schultern.

»Deswegen wollte ich anrufen.« Rain seufzt. »Dad will nicht, dass ich komme.«

»Nein«, protestiere ich laut. »Das haben wir fest ausgemacht, als ich da war. Er hat zugestimmt«, erkläre ich trotzig, als würde Rain mir widersprechen.

»Er sagt, wir hätten gerade kein Geld dafür.«

»Wir hatten das Ticket schon, als ich im Sommer zu Hause war! Daran kann es nicht liegen!«

»Er … er hat es zurückgegeben«, erklärt Rain sanft, als würde sie befürchten, dass ich gleich total ausflippe.

»Dieses selbstsüchtige Arschloch!«, entfährt es mir. Ich schlage mir selbst auf den Mund. Mit Mühe beherrsche ich mich, nicht mit der Faust gegen die Tür zu hauen. Ich bin schließlich immer noch in der Bibliothek.

»Es ist okay, Schwesterherz. Ein andermal.«

Mir kommt der Gedanke, dass sie in der gleichen sanften Stimme spricht, wenn Dad ausrastet. Ich versuche, mich zusammenzureißen.

»Dann kaufen wir es neu. Das Geld kann ja nicht weg sein.«

»Er hat einen neuen Rasenmäher für das Garten-Business gekauft, das er anfangen will. Er möchte das als Service für die neuen großen Villen machen, die auf der Nordseite der Insel gebaut worden sind und so üppige Rasenflächen haben. Hat ihn ein Freund drauf gebracht.«

Wir beide wissen, dass Dads Business-Ideen nie funktionieren. Aber ich bin gerade so schockiert, dass Sonny so weit gegangen ist, dass ich nicht mehr sprechen kann. »Ich werde ein neues Ticket kaufen«, bringe ich durch zusammengebissene Zähne hervor. »Ich weiß, dass Dad Colleges für überflüssige Einrichtungen hält. Aber ich werde ein Ticket besorgen.«

»Wovon denn? Du hast doch selbst nur ein Stipendium.«

»Ich habe einen Job«, weise ich Rain zurecht. »Ich habe Geld gespart. Du kannst dich auf mich verlassen. Ich … muss zurück zur Aufsicht. Ich bin gerade in der Bibliothek. Ich melde mich.« Und damit lege ich auf. Meine Finger sind schweißnass, und fast fällt mir mein Handy aus der Hand. Für eine weitere Minute starre ich bloß auf das Telefon und warte, dass mein Atem sich wieder beruhigt. Wie konnte er das nur tun? Immer möchte er allen seinen Willen aufzwingen. Ich werde das nicht zulassen. Ich wasche mir die Hände, spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Dann reiße ich die Tür auf und stapfe zurück an meinen Platz.

Die harte Stuhllehne drückt in meinen Rücken, und in meinem Kopf kreisen die Gedanken. Jetzt kann ich mich leider wirklich nicht mehr konzentrieren, und das Verhalten von Nate, das sich kein bisschen verbessert hat in den letzten Minuten, macht mich wahnsinnig. Wenn ich ehrlich bin nicht nur heute. In meinen Adern siedet ein Gemisch aus Wut über meinen Vater und Empörung über Nates Rücksichtlosigkeit. Eigentlich halte ich mich für einen ausgeglichenen Menschen, aber irgendwas an Nate treibt mich in den Wahnsinn. Sein Selbstbewusstsein nervt mich, diese Souveränität, die er nur besitzt, weil er so aufgewachsen ist und immer alles hatte, was er wollte: die besten Schulen, Lehrer, Kleidung, Essen, einfach das ganze Paket. Und gleichzeitig tritt er all das mit Füßen und hat keinen Respekt vor den Dingen, die er ungefragt geschenkt bekommen hat. Vielleicht kann es mich trösten, dass es auch Vorteile hat, nicht nur von Leuten umgeben aufzuwachsen, die einem jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Man wird nicht verdorben. Ich verstehe die Frauen nicht, die auf ihn abfahren. Was sie in ihm sehen. Auf jeden Fall etwas, was völlig anders ist als das, was ich sehe. Sie denken, er ist tough und cool und, keine Ahnung, wollen in irgendeiner Form von ihm erobert werden? Für mich ist er jemand, der großkotzig alle Chancen mit Füßen tritt, die er bekommt, und gerade wurmt mich das noch mehr als sonst.

Ich vergrabe mich tiefer in mein Buch und versuche zu ignorieren, was um mich herum vorgeht. Dann versuche ich, den Brief weiterzuschreiben, den ich meiner Schwester schicken wollte. Sie liebt es, Post zu bekommen, die in der Silverfall Colony immer im Sanctuary ankommt. Das klingt nach was Heiligem, letztlich ist es der Ort, der eine Adresse hat und somit Post empfangen kann. Aber in den ersten Zeilen hatte ich schon geschrieben, wie sehr ich mich freue, dass sie kommt. Und jetzt hat mein Vater stattdessen einen Rasenmäher gekauft? Rain ist vier Jahre jünger als ich, und solange ich denken kann, habe ich sie beaufsichtigt. Meine Eltern sind nicht so gut im Aufpassen, und das macht mir Angst. Aber gerade kann ich mich weder auf den Brief konzentrieren noch auf mein Buch. Ich versuche, die anschwellende Lautstärke zu ignorieren. So leise wie bei Mr Ross, der hemmungslos jeden Störenfried rauswirft, wird es ohnehin nicht. Die meisten, die den Lesesaal betreten, werfen mir einen langen Blick zu, weil sie sich wundern, wer hier sitzt. Sie fragen sich wahrscheinlich, wer ich bin, obwohl ich schon ein Jahr hier studiere und das College so klein ist. Aber ich habe erst im letzten Semester begonnen, etwas zu unternehmen, seit ich mich mit Yuna und Hazel angefreundet habe. Ich stehe einfach nicht gern im Mittelpunkt. Das kommt noch von der Zeit an der Hanalei Highschool, die ich nur kurze Zeit besucht habe, bevor ich wegen dieses Skandals wieder gehen musste. Ich darf nicht daran denken, sonst rege ich mich noch mehr über meine Eltern auf, die das alles zugelassen haben. Damals habe ich gedacht, dass Blicke Spuren auf mir hinterlassen, wie kleine unsichtbare Wunden. Dass ich sie spüren kann. Na ja, ganz ehrlich, wahrscheinlich stimmt das. Die Leute verstehen nicht, dass viele Dinge, die man nicht erklären kann, wahr sind. Die Studis hier halten sich für clever, dabei wollen sie für alles eine wissenschaftliche Begründung, und wenn ich ihnen sage, dass ich auf Kauai mit Geistern Gespräche geführt habe, halten sie mich für durchgeknallt. Es ist nicht durchgeknallter, als zu glauben, dass eine physikalische Formel erklären kann, warum wir existieren. Nichts kann das Warum begreifbar machen. Warum ist überhaupt etwas da und nicht einfach Nichts? Warum bin ich in Kauai geboren statt an der Upper East Side?

Schon wieder höre ich das mir leider allzu bekannte Lachen, schließlich wohne ich seit über einem Jahr mit Nate im gleichen Haus. Ich blicke vorsichtig hoch und sehe, dass Landon sich neben ihn gehockt hat und sich totlacht. Lautlos, aber er krümmt sich, und nein, es ist nicht lautlos, die beiden glauben nur, dass es das ist. Nate mag der beste Freund von Landon sein, Hazels Freund seit letztem Semester – und Hazel habe ich wirklich gern –, aber dafür habe ich jetzt echt keinen Nerv mehr. Das kann ich den anderen auch nicht zumuten. Ich gebe ihnen fünfzehn Sekunden. Im Kopf beginne ich zu zählen.

Und dann klingelt auch noch Nates Handy mit einem völlig beknackten Klingelton. Er stellt es aus und hebt entschuldigend die Hand in meine Richtung. Äh, wie bitte? Ich spüre wieder Blicke auf mir. Diesmal die von den Studierenden, die tatsächlich arbeiten und sich konzentrieren wollen, weil sie ein Vermögen dafür bezahlt haben, hier zu sein, und das auch wertschätzen.

Ich weiß nicht, was ich rücksichtsloser finde: die Tatsache, dass er so laut ist, oder die Tatsache, dass er genau weiß, dass gleich alle sauer auf mich sind, weil ich nicht eingreife. Jetzt flüstert Nate noch mit der Studentin neben ihm, die »geräuschlos« hinter vorgehaltener Hand kichert. Sie trägt teure Klamotten, das erkenne ich, auch wenn ich selbst nie wertvolle Sachen besessen habe. An ihren Fingern stecken goldene Ringe, und sogar ihre Haare sehen irgendwie teuer aus, glänzend, gesträhnt. Sie strahlt diesen Wohlstand aus, Geld verdunstet förmlich aus jeder Pore.

Es ist ein Elend.

Ich erhebe mich und gehe leise zu seinem Tisch. Unhörbar auf dem Geräusche schluckenden Teppich zu gehen, der hier überall ausgelegt ist, ist für niemanden ein Problem – außer für Nate. Nur das Rascheln meiner Kleidung rauscht laut in meinen Ohren. Vielleicht ist es aber auch mein Blut. Meine Wangen beginnen zu brennen, und ich bin froh über mein weites Sweatshirt und das große Baumwolltuch, das ich trotz des warmen Wetters um den Hals gewunden habe und das Teile meines Gesichts bedeckt. Denn natürlich haben wir jetzt ziemlich viele Zuschauer, die sich die Show nicht entgehen lassen möchten. Nate macht ein betont betroffenes Gesicht, was er scheinbar witzig findet, weil er mich als Aufsicht nicht ernst nimmt. Seine Augen gleiten kurz über mich hinweg, und ich kann nicht verhindern, dass ich darüber nachdenke, was ich anhabe.

Nate lehnt sich zurück und verschränkt die Hände vor der Brust. Das Mädchen kritzelt pseudomäßig in einem ledernen Notizbuch herum, und Landon hat sich eilig verabschiedet. Ich wusste gar nicht, dass ich so einschüchternd sein kann, dass alle davonstürmen.

Nate sieht mich belustigt an. »Mr Ross? So attraktiv habe ich Sie gar nicht in Erinnerung.«

Er flüstert, aber seine Stimme ist laut genug, dass jeder im Raum alles mitbekommt, und ich habe den Eindruck, dass es – anders als vor ein paar Minuten – mucksmäuschenstill im Lesesaal ist.

»Ich helfe nur aus«, gebe ich so leise zurück, wie ich kann. Allerdings glaube ich, dass zu diesem Zeitpunkt jeder im Saal hier die Ohren bis aufs Äußerste gespitzt hat. Man würde eine Stecknadel fallen hören, sogar auf dem Lärm isolierenden Teppich.

»Was hast du gesagt, ich kann dich nicht verstehen?«, flüstert er und beugt sich näher ran, sodass ich sehe, dass seine Nase etwas glänzt und er einen Pickel auf seiner sonst geradezu unwirklich reinen Haut hat. An seiner Lippe ist außerdem die Haut etwas abgeplatzt. Als ich wieder in seine Augen schaue, ist es mir unangenehm, dass ich gerade so offensichtlich auf seinen Mund gestarrt habe. Ich bin so nah, dass ich das Waschmittel riechen kann, das er benutzt. Er provoziert das doch nur. Würdevoll weiche ich zurück, schließlich will ich nicht auf seinen Schoß kriechen.

»Ich helfe heute hier nur aus, weil Mr Ross krank ist. Aber du machst meinen Job verdammt schwer. Ich muss dich eigentlich rauswerfen, denn es gibt hier tatsächlich Leute, die da sind, um zu lernen.«

Er nickt und beißt sich zerknirscht auf die Unterlippe. Daher hat er den Hautfetzen, der dort hängt. Irgendwie passt die nervöse Geste nicht zu seinem sonstigen Auftreten. Leider schaue ich zu der Studentin, die neben ihm sitzt und bisher so getan hat, als würde sie unser Gespräch nicht mitbekommen. Nun schaut sie zu Nate, und mit Erschrecken stelle ich fest, dass sie ihn anstarrt, als wäre er das großartigste Geschöpf, das sie je gesehen hat. Sie wartet förmlich darauf, von ihm den Einsatz zu bekommen, ob sie lachen, einen Witz machen oder ihm bloß huldigen soll. Angewidert wende ich mich wieder ihm zu.

»Ich würde vorschlagen, dass du entweder gehst oder vielleicht einfach in dein Buch reinschaust.« Ich nicke ironisch in Richtung des Stapels, den er vor sich auf dem Tisch platziert hat. Alle Bücher sind zugeklappt. »Man nimmt den Inhalt dieser Bücher nämlich nicht dadurch auf, dass man sie auf den Tisch legt. Man muss tatsächlich reinschauen. Hattest du vielleicht noch nie im Leben nötig. Oder vielleicht verstehst du sie auch bloß nicht.« Ich bin selbst überrascht, wie gehässig ich bin, sogar im Flüsterton. Aber der ganze angestaute Mist hat mich dünnhäutiger gemacht, und Nates Verhalten bringt irgendetwas in mir zum Überlaufen. Oder, wenn ich ganz ehrlich bin, allein seine Person. Ich muss noch mal drüber nachdenken, was er in mir auslöst. Keine guten Dinge. Ich sollte mich von ihm fernhalten.

Sein überhebliches Lächeln gefriert. Kein Wunder. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, aber nur fast. Die Studentin hat ihren Arm näher an seinen gelegt, sie sucht Körperkontakt. Dabei schaut sie zu mir, aber eher so, als wäre ich ein besonders langer Regenwurm. Fasziniert und ein klein wenig irritiert? Sie nimmt mich nicht ernst.

Nates Blick hingegen hat sich verdunkelt, und er presst die Lippen aufeinander. Konzentriert schiebt er die Bücher zusammen, und über sein Gesicht gleitet ein Ausdruck der Besorgnis, vielleicht sogar ein bisschen Angst. Schwer zu entscheiden, was genau es ist. Und dann packt er seine Sachen in seinen Rucksack, der nagelneu aussieht. Das Mädchen neben ihm in dem Schottenrock, der nichts weiter als eine ironische Anspielung auf die sittsame Schuluniform ist, weil er nur bis zum oberen Drittel des Oberschenkels reicht, versucht, ihn mit einem Griff an den Unterarm zurückzuhalten, aber Nate ignoriert sie.

Kurz huscht ein Ausdruck von Verzweiflung über sein Gesicht. Dann ist er wieder verschwunden. Er seufzt. »Wenn ich jetzt durchfalle, habe ich wenigstens jemanden, dem ich die Schuld geben kann. Danke, Mitbewohnerin, dass du so gut auf mich aufpasst.« Dann zwinkert er mir zu. Aber es wirkt angestrengt und eher so, als würde er sich eine Maske aufsetzen. Die Leichtigkeit, die ihm vorhin angehaftet hat, ist weg, und mir tun meine Worte leid, als er hinter der schweren Eingangstür des Lesesaals verschwindet. Ich habe Mitleid mit ihm. Was für eine Ironie, dass ich, Julie Reef, Nathaniel the Third – oder wie auch angestrengt vornehm dieser Name lautet, den seine Eltern ihm gegeben haben – bemitleide. Ich höre besser damit auf.

Zwei

Nate

Party am ersten Wochenende nach den Sommerferien. Immerhin habe ich es bisher einmal in die Bibliothek geschafft. Eigentlich wollte ich die Aufsätze schreiben, was ich im Sommer in den Hamptons nicht gepackt habe. Aber nach einer frustrierenden Stunde vor dem blinkenden Cursor und ein paar geschriebenen und wieder gelöschten Wörtern habe ich es nicht mehr ausgehalten in meinem Zimmer, und die Nachricht von Victoria kam wie gerufen. Die Einzelteile meiner Umgebung, das Mid-Century-Modern-Mobiliar des International House mit den geschwungenen Tischen und Sesseln, die etwas ungemütlich wirken, verbinden sich zu einer beruhigenden Einheit, die Anspannung fällt von mir ab, und ein wohliger Frieden senkt sich um mich.

Noch zwei Drinks bis zu dem Punkt, an dem ich sein will. Ich atme aus. Ich habe noch drei Wochen, um meine Aufsätze abzugeben. Drei Aufsätze, das wäre doch ein Witz, wenn ich das nicht schaffen würde, wo so viel auf dem Spiel steht.

Was ich vorhin geraucht habe, war gut. Jo ist der beste Dealer hier am College. Er ist mit einem Stipendium hier und ständig knapp bei Kasse, weshalb er immer erreichbar ist, wenn man was braucht. An meiner Highschool gab es einige, die gedealt haben. Vor allem die Kids, die Geld brauchten, denn man konnte gut verdienen, wenn es so viele gab, deren Ausgaben so wenig kontrolliert wurden wie auf meiner Highschool. Ich war nicht der Einzige mit einer Kreditkarte, die niemand überwacht.

Im International House bin ich freudig begrüßt worden, schließlich bin ich gekommen, um Victoria was zu rauchen zu bringen, worum sie mich gebeten hat. Ich wäre sonst vielleicht noch mal in die Bibliothek gegangen, um es dort mit den Aufsätzen zu probieren. Victoria hat mich umarmt, als wäre ich das Beste, was sie seit vielen Jahren gesehen hat. Das tut gerade irgendwie gut und hilft mir dabei, das schlechte Gewissen abzustreifen.

»Nate, mein Lieblings-Party-Boy.« Auf ihren Lippen ist der Großteil der roten Farbe schon verschwunden, wahrscheinlich an verschiedenen Wangen, Lippen und Drinks-Gläser verteilt. Nur ihre superlangen schwarzen Haare hängen geradezu makellos frisiert über ihre Schultern. Es handelt sich um eine Perücke, wie ich inzwischen weiß. Sie liebt Perücken. Hatte ich anfangs gar nicht verstanden, wie sie das hinbekommen hat mit den schnell wechselnden, aufwendigen Frisuren, aber sie tauscht bloß die Perücke. Clever, die Frau. Sie trägt ein weißes Kleid, das ihren etwas knochigen, aber hübschen Körper betont, dazu dicke Boots. Ich mag Victoria, vielleicht mag ich sie auch, weil sie einen Hauch vertrautes New York mit nach Montana bringt. Sie ist von der Upper West Side, in der Stadt mag das weit weg sein, hier gehört sie zu meiner Art von Leuten.

»In den Hamptons hast du dich auch nicht mehr gemeldet«, murrt sie gespielt beleidigt.

»Ich war nur ganz kurz da. Wir waren auf Hawaii, im neuen Haus von meiner Mutter und meiner Tante. Einweihung.« Das stimmt so halb. Auf Hawaii war ich nur für fünf Tage, aber ich habe vergessen, mich zu melden. Das Grundstück auf Hawaii hat meine Familie schon seit zwei Generationen, allerdings hat meine Tante in den letzten drei Jahren einen neuen gigantischen Kasten gebaut, und ich habe immer noch keine Ahnung, wie sie es geschafft haben, diese Baugenehmigung zu bekommen.

»Wie war es bei dir? Steht der Club noch?«

»Ach, es war ein bisschen so wie immer. Ich bin ganz froh, wieder hier zu sein, der Klatsch ist manchmal einfach unerträglich«, sagt sie und wendet sich einer anderen Studentin zu, die sie überschwänglich begrüßt.

Wir hatten direkt am Anfang des Studiums festgestellt, dass wir Mitglieder im gleichen Country Club in den Hamptons waren. Ich erinnere mich vage, dass ich sie früher mal dort gesehen habe, auch wenn wir nicht mit den gleichen Leuten zusammen waren. Als Kinder hatten wir sogar beim gleichen Reit-Sommer-Programm teilgenommen. Eines dieser Sommer-Programme in den Hamptons, bei denen jeder Tag vierhundert Dollar kostet. Natürlich weiß jeder, dass Reitstunden für Achtjährige nicht vierhundert Dollar pro Tag wert sind. Die Preise dienen ausschließlich der Sortierung. Wenn es so teuer ist, können sich das nur bestimmte Leute leisten, und man ist automatisch nur mit anderen Leuten zusammen, die das ebenfalls können. Da ist keiner dabei, der mal kritisch nachfragt, ob das nicht völlig absurd ist.

Am MCPA ist das anders. Ich weiß genau, dass viele mich überhaupt nicht ernst nehmen. Für sie bin ich eben der verwöhnte New Yorker, der sich aus Spaß ein bisschen im Filmemachen ausprobiert. Leute mit viel Geld sind Kreativen suspekt. Fuck you, möchte ich sagen und nehme noch einen großen Schluck, um die ganzen Stimmen in meinem Kopf zum Schweigen zu bringen, die genauso der Meinung sind, dass ich nichts kann. Dass ich hier nicht hingehöre. Dass alle anderen besser sind. Auch wenn andere glauben, dass es mir entgangen ist, weiß ich ziemlich genau, dass das Geld, das ich ausgebe, von meinen Eltern kommt. Und wenn man ganz ehrlich sein soll, dann haben die sich das noch nicht mal selbst erarbeitet, sondern auch nur geerbt. Manchmal benötigt man ganz schön viele Drinks und am besten noch was drauf zum Rauchen, um all diese Gedanken zum Schweigen zu bringen. Andere Drogen nehme ich allerdings nicht oder nicht mehr. Die Probierphase, die einige hier im College haben, habe ich in der Highschool schon lange hinter mich gebracht. Ich will mich nicht umbringen, nur betäuben. Maximal.

Victoria winkt Layla heran, die heute auch drauf ist, und sie umarmen sich innig und fangen an, sich zu unterhalten. Layla ist Victoria in rothaarig mit Westküsten-Vibe. Sie kommt aus L. A., und normalerweise würden Victoria und ich sagen, dass sie deswegen total anders ist als wir, aber hier, in Appleby, Montana, sind wir Stadtmenschen uns ziemlich ähnlich. Jedenfalls ist Layla heute auch auf Spaß aus, darauf, sich selbst zu vergessen.

Sie wendet sich zu mir. Sie trägt einen ultrakurzen Rock und ein winziges Tanktop. Rote Haare umspielen ihre Schultern. Sie sieht super sexy aus, was keineswegs Zufall ist, und umarmt mich. Sie presst ihren Oberkörper flach gegen meinen, und ihr Parfum steigt mir in die Nase, ein blumiger Duft mit einer dunkleren Note, der eine berauschendere Wirkung hat, als hätte sie sich mit puren Pheromonen eingesprüht. Ein zusätzlicher Teil ihrer Sexyness ist definitiv ihr Selbstbewusstsein.

»Layla, ich glaube, ich habe mich gerade in dich verliebt«, bemerke ich. Wir kennen uns über Landon, der gut mit ihr befreundet ist und letztes Jahr was mit ihr hatte. Nichts Ernstes, halt auf Landon-Layla-Art, bevor er sich in Hazel verknallt hat.

Sie grinst, was ich an ihrer Stimme höre, denn wir umarmen uns immer noch. »So richtig verliebt? Wie im Film, meinst du?« Layla ist im Schauspiel-Programm. Sie rückt ein Stück von mir ab und klimpert mit ihren auffällig langen Wimpern.

»Also nicht so verliebt verliebt. Aber du riechst halt gut.«

Jetzt gluckst sie vor Lachen und zwickt mich in die Seite.

»Ach, Nate, du hebst meine Laune. Das ist gut. Heute könnte dein Glückstag sein.«

Sie löst sich von mir, und sofort will ich sie zurück: ihre Wärme, ihre Nähe, ihren etwas betäubenden Geruch.

»Dein Glückstag«, betone ich und grinse sie an. Sie rollt mit den Augen.

»Gib mir deine beste Pick-up-Line, Nate. Ich will wissen, ob sie deinem Ruf gerecht wird.«

»Nicht so viel Druck, damit kann ich schlecht umgehen«, erwidere ich und lasse ihre lockigen Haare durch meine Finger gleiten. »Wenn du zum Beispiel ein Joint wärst, würde ich dich nur für mich behalten und so lange an dir saugen, bis dir die Glut ausgeht.«

Sie verzieht das Gesicht. »Soll das ein Gedicht sein? Lernt man so was im Filmprogramm?«

»Entschuldige, ich bin durcheinander, weil ich einfach so aufgeregt bin, wenn ich an all die Dinge denke, die wir gegenseitig mit uns anstellen werden. Die Antizipation macht mich fertig.«

Sie schüttelt den Kopf, aber sie lacht. »Du bist durchgeknallt, Nate.«

Layla beugt sich vor und flüstert in mein Ohr: »Komm, lass uns tanzen.« Sie riecht wirklich gut, dieser vielversprechende Duft, ihre Lippen sind so nah an meinem Ohr, dass ich die Feuchtigkeit, die auf ihnen liegt, spüre. Das ist eigentlich keine Einladung zum Tanzen, sondern zu etwas anderem. Und ich denke, wir wissen das beide. Ich werde mit Sicherheit nicht ablehnen. Ihr Gesicht gerät wieder in meinen Fokus, ihre hohen Wangenknochen, die sinnlich geschwungenen Lippen. Ich mag Frauen, und viele gefallen mir, wenn ich ehrlich sein soll. Layla ist heute die perfekte Frau für mich.

Wir gehen in die Mitte des Raumes und beginnen, voreinander zu tanzen. Vielleicht hat sie wieder mit ihrem Vater gesprochen oder mit ihrem Bruder. Beides Männer, die sie triggern, sich den Kopf frei zu machen, mit ähnlichen Mitteln, wie ich sie nutze. Ich habe ein Gespür dafür, wer mit der gleichen Mission unterwegs ist.

Zu Hause hatte ich dafür ein gutes Trainingsgelände. Dort sind so viele glatt polierte Oberflächen, dass ich weiß, dass die am besten polierten meist was ganz anderes verbergen. Ich habe mal zwei Monate lang die Freundin meiner Mutter gevögelt, die immer in weißen Kostümen, Pumps und mit unschuldiger Fünfzigerjahre-Frisur unterwegs war. Daher weiß ich, dass Leute, von denen man es nicht erwartet, ziemlich überraschende Fantasien haben. Sie sah jedenfalls nicht so aus, als würde sie davon träumen, dass man ihre Arme über dem Kopf festbindet. Hatte sie aber. Und noch von ein paar andern Sachen. Sie hatte die letzten zwanzig Jahre ausschließlich im Ehebett mit ihrem Mann geschlafen und wollte noch ein paar Orte sammeln, unter der Dusche, auf dem Sofa und im Fahrstuhl. Was soll ich sagen, ich war dazu bereit. Jeder Mensch hat Abgründe. Ich helfe gern beim Eintauchen. Aber sie hat tatsächlich nie ihren Mann in ihre Fantasien eingeweiht. Das war schon absurd, so viele Jahre mit jemandem zu verbringen und eine solche Distanz aufrechtzuerhalten. Ich bilde mir ein, dass ich ziemlich viel gesehen habe und von dem Material ein paar gute Filme machen könnte. Vielleicht tue ich das später mal. Das ist es, was ich hier mache: Material sammeln. Mein ganzes Leben besteht aus nichts anderem. Die Frage ist nur, für welches Projekt genau ich sammele.

Layla verschwindet kurz, um was zu holen. Ich tanze allein weiter, knöpfe mein Hemd noch ein Stück auf, weil mir heiß ist. Eduardo ist ebenfalls auf der Tanzfläche, hat sich Victoria geschnappt und wirbelt sie an ihrem Handgelenk herum wie bei einem europäischen Gesellschaftstanz. Natürlich beherrscht Eduardo klassische Gesellschaftstänze, er könnte hier sicherlich auch einen Eins-a-Walzer tanzen. Aber er hat seine Anzugjacke abgelegt und seinen Hemdkragen mehr geöffnet als sonst. Keine Ahnung, was das heißt, vielleicht seine Art, mal so richtig die Sau rauszulassen. Das seidene Einstecktuch ist allerdings noch da. Eduardo ist auch im Filmprogramm, und es gibt Parallelen zwischen uns, was unsere Vorliebe für Partys angeht. Wobei ich gehört habe, dass er ein ziemlich gutes Theaterstück geschrieben hat. Sogar Eduardo kann was.

Ich schwanke, doch es geht noch. Mir kommt der Gedanke, dass ich im dritten Semester bin. Das Semester, in dem ein wichtiges Filmprojekt verlangt wird und ich nicht weiter bin als im letzten Semester. Dass ich genau an dieser Stelle schon zu oft gewesen bin. Und was ich mir selbst als Materialsammlung verkaufe, ist schon lange nur noch Betäubung. Aber jetzt ist es ohnehin zu spät. Ich bin zu zugedröhnt, um noch irgendetwas zu machen. Oder, nun ja, es gibt bloß noch eine Sache, die ich kann. Und hallo, heute ist mein Geburtstag. Ich finde, da kann ich mir was gönnen, und ich nippe an dem Getränk, das Layla mir reicht, als sie zurückkommt. Moscow Mule. Ich lächele sie dankbar an, auch wenn ich wirklich nichts mehr wollte. Eigentlich. Ich denke an die ganzen eingeschweißten Reader vom letzten Jahr, die noch in meinem Zimmer liegen. Ich habe sie noch nicht mal ausgepackt. Aber heute Abend kann ich sowieso weder einen Film drehen noch einen Aufsatz schreiben noch irgendwelche Wirtschaftsprobleme lösen. Wenn ich so müde bin, kann ich auch keinen Satz ohne mindestens fünf Fehler schreiben, dann wird es ganz schlimm mit meiner abgefuckten Rechtschreibung.

Geburtstag also. Ich brauche Dopamin. Es gibt viele Wege, Dopamin zu bekommen: Videospiele, Trinken, Kiffen, Sex. Trinken und Sex ist eine ziemlich bewährte Kombination, und glücklicherweise bin ich nicht der Einzige an diesem College, der diese Theorie vertritt.

Layla will Sex. Ihre Augen glänzen, keine Ahnung, ob sie was getrunken hat oder sich was eingeworfen hat. Ich glaube, das macht sie noch nicht mal, aber sie sieht mich, und sie weiß auch, dass wir gerade im gleichen Universum unterwegs sind und sich unsere Flugbahnen heute kreuzen.

Ich lasse meine Hand ihren Rücken heruntergleiten, direkt in die Kuhle über ihrem Po. Sie ist erhitzt. Ein bisschen Druck, nicht zu viel Druck, aber durch ihre Klamotten ist es nicht sonderlich schwer, ihre Körperformen zu erahnen. Das Top ist nur Dekoration für die Blumenranke an ihrem Oberarm. Ein schräges Lächeln erscheint in ihrem Mundwinkel, und unsere Blicke verhaken sich ineinander. Ich umfasse vorsichtig ihren Oberarm und küsse ihr Tattoo. »Wissen das eigentlich deine Eltern?«, frage ich sie und lasse meinen Daumen ihren Arm hochgleiten.

»Nate, Nate, Nate, viele Leute unterschätzen dich. Du kriegst mehr mit, als viele ahnen. Nein, natürlich nicht.«

Ich nicke und streichele vorsichtig mit dem Daumen darüber. »Es passt zu dir. Ich glaube, wir haben noch nie zusammen getanzt«, erwidere ich.

»Es ist überfällig.«

»Keine Ahnung, wie wir das bisher verpassen konnten.«

Der Wodka knallt voll rein. Viel Limette, wie ich es mag. Mehr brauche ich auf keinen Fall. Jetzt bloß nicht das Maß verlieren, dann wird es noch ein richtig guter Geburtstag.

Wir sind nur noch ungefähr zehn Leute, aber das ist egal. Zehn Leute, die ziemlich gut drauf sind, sind besser als fünfzig halb gare Leute, die dir ein schlechtes Gewissen machen, indem sie dich durch ihre bloße Existenz daran erinnern, dass du gerade etwas anderes tun solltest. Man findet sogar auf diesem kleinen Campus immer jemanden zum Ausgehen. Das Problem für mein Studium ist, dass es für andere das eine Mal ist, der große Abend, an dem man sich einmal komplett zerstört. Und einige wissen inzwischen, dass ich ein guter Partner dafür bin, so einen Abend zu verbringen. Sie wissen, dass ich immer bereit bin, eine Pause vom Lernen zu machen und die Bibliothek zu verlassen. Meine Partner für alle diese Dinge wechseln, ich bin allerdings immer der Gleiche. Die anderen haben eine Auszeit genommen, ich habe nur Auszeiten genommen.

Doch jetzt ist Layla da, und es ist mein Geburtstag. Ihre Haut schimmert leicht von Schweiß, sie lässt ihre schlanken Arme herumwirbeln, ihr roter Lippenstift harmoniert perfekt mit ihren roten Haaren. Während wir tanzen, schließt sie die Augen und lässt sich nach hinten sinken, als würde sie gleich in die Brücke gehen, aber sie kommt wieder hoch. Sie gibt sich der Musik hin, aber ich glaube, sie will mir nur einen Vorgeschmack darauf geben, was mich erwartet.

Als das Lied zu Ende ist, bleiben wir voreinander stehen. Auch wenn nur noch wenige Leute da sind, haben die jedoch vermutlich alle mitbekommen, was hier läuft. »Manchmal vermisse ich die Anonymität der Großstadt«, flüstere ich ihr zu.

»Ich weiß, was du meinst.« Layla wohnt gemeinsam mit Landon im Chekhov-Haus. Im letzten Jahr, als ich mir nicht sicher war, ob sie was mit Landon am Laufen hat, habe ich mich von ihr ferngehalten. Man will keine problembeladenen One-Night-Stands. Das widerspricht sich total.

»Im Chekhov-Haus war ich schon ewig nicht mehr. Landon lädt mich nie ein«, bemerke ich.

»344 ist eigentlich eins meiner Lieblingshäuser. Dieses Wochenende ist es im Chekhov-Haus zudem voll. Und ich habe eine Zimmernachbarin. Und du?« Layla zupft an meinem Shirt herum, auch wenn ich nicht weiß, was es da genau zu zupfen gibt.

»Willst du das Einzelzimmer sehen, das ich dieses Semester habe?«

»Natürlich, ich habe schon viel von 344 gehört«, bestätigt Layla grinsend. Sie blickt zur Seite, wo Eduardo gerade verschwindet. »Ich würde sagen, wir folgen Eduardo mit Abstand, dann kommt er nicht auf die Idee, gemeinsam mit uns rüberzulaufen.«

Auf dem nächtlichen Campus ist es ungewohnt mild. Die Luft ist warm vom Tag und wurde ausnahmsweise nicht durch feuchte Kälte ersetzt. Layla hat ihre Jacke nur nachlässig übergeworfen, eher als Umrahmung für ihr Dekolleté. In ihrem kurzen Rock und dem kleinen Top zeigt sie immer noch viel Haut. Wir halten uns an den Händen, die Welt ist ein bisschen verschwommen, aber ihre Hand ist deutlich spürbar, eine Art Anker. Als wir noch hundert Meter von 344 entfernt sind, bleibt sie abrupt stehen und hält mich fest, bis ich auch stehe, lässt los und zieht stattdessen meinen Kopf zu sich und küsst mich. Sorgfältig, mit geöffneten Lippen. Wir stehen in der Nähe einer der Laternen, die den Campus in ein sanftes Licht tauchen. Um uns herum, wie es typisch ist fürs Wochenende, einige vereinzelte Gruppen, die umherlaufen, ein paar Leute sind mit dem Fahrrad unterwegs. Alles wirkt weit weg. Belanglos. Sie unterbricht den Kuss und sucht wieder meine Augen. In ihren glänzt Verlangen. Ich streiche mit beiden Händen an ihren Schläfen herunter, nehme ihre Haare und bündele sie hinter ihrem Rücken. Dann wickele ich sie um eine Hand, was Zug auf ihre Kopfhaut auslöst. Sie lässt mich gewähren und lehnt ihren Kopf zurück. Ich beuge mich zu ihrem Hals herunter und küsse ihre Kehle. Ihr entfährt ein Seufzen. Sie ist ziemlich bereit, für alles. Ich richte mich auf und streiche mit dem Daumen über ihre Kehle, entlang ihrer empfindlichsten Stelle, und ich merke an ihrem Atem, wie sehr es ihr gefällt. Ihre Augen verschleiern sich. Schon jetzt. Hier draußen. Zu behaupten, dass ich angeturnt bin, ist echt untertrieben.

Ich trete noch näher an sie heran, sodass mein Unterkörper gegen ihren stößt, und sie kommt näher, erhöht den Widerstand. Sie will wissen, ob sie mich kaltlässt. Tut sie nicht, das weiß sie spätestens jetzt. Wir sind inzwischen in einer eigenen Welt und spielen ein Spiel. Es ist eine Art Schatzsuche auf Speed, bei der wir dem anderen mitteilen, was wir mögen. Es ist die Sprache der Leute, die nicht den ersten One-Night-Stand haben, die vorher sichergehen wollen, dass sie das Gleiche im Sinn haben. Dass wir dazu geeignet sind, dem anderen das Gehirn wegzupusten und all den Scheiß hinter uns zu lassen.

Dann dreht sie sich abrupt um und zieht mich weiter Richtung 344.

»Ich mag diese Antizipation auch«, sagt sie. »Aber langsam reicht’s.«

Drei

Julie

Die meisten Mitbewohner haben sich nach dem Abendessen im Wohnzimmer von 344 versammelt. Ich sitze im Schneidersitz vor dem etwas abgenutzten grünen Cordsofa, auf dem Yuna und Miles es sich bequem gemacht haben. Iris, die Tänzerin ist wie Yuna, ist auch da sowie Wei und Krishna, die sich auf den anderen Sofas und Sesseln verteilt haben. Auf dem Boden liegt neuerdings ein heller, sehr flauschiger Teppich, den Wei besorgt hat, weil das gemütlicher ist, wenn er Playstation spielt. Er ist super pingelig, und niemand darf den Teppich mit Schuhen betreten, aber jetzt sitze ich drauf und er ist tatsächlich angenehm weich. Krishna, der mit Hazel und Landon im Theaterprogramm ist und Teil der berüchtigten Eisbaden-Gruppe auf dem Campus, ist neu eingezogen. Er will uns davon überzeugen, dass vegane Ernährung am besten für Muskelaufbau ist. Er führt immer Wasserbüffel als Beispiel an. Deshalb hat er zum Einstieg indisches Gemüsecurry nach dem Rezept seiner Mutter gekocht, sodass im Haus noch der Duft von Kardamom, Kurkuma, Koriander, Garam Masala und all den anderen exotischen Gewürzen hängt. Seine Mutter hat jetzt unbekannterweise eine ziemliche große Fangemeinde hier. Jetzt quatschen wir bei einer Playlist zum Chillen, nachdem wir die Küche aufgeräumt haben.

Es ist das erste Wochenende nach den Ferien. Als ich hier vor einem Jahr angekommen bin, wäre ich nicht dabei gewesen, aber inzwischen fühle ich mich wohl an der MCPA und besonders in diesem Haus. Allerdings bin ich froh, dass Nate nicht beim Abendessen dabei war, er hängt bestimmt auf einer Party rum, und nach der Sache in der Bibliothek Anfang der Woche bin ich nicht sonderlich scharf auf ein Wiedersehen.

»Wir haben uns kaum gesehen, seit wir zurück sind. Was war denn genau zu Hause los?«, fragt Yuna und umfassst meine Schulter. Ihre langen Haare fallen nach vorn, so dass man die einzelne lila Strähne deutlich sieht.

»Meine Mutter hatte eine Lungenentzündung und konnte nicht arbeiten. Ich musste bei ihrer kleinen Firma helfen. Also mit der Ernte der Pflanzen, dem Pressen und Abfüllen der Öle und der Auslieferung an die Läden.«

»Lungenentzündung. Das ist tatsächlich gefährlich, wenn man erwachsen ist.«

»Es ist vor allem gefährlich, wenn man keine Krankenversicherung hat«, erkläre ich und verdrehe die Augen. Es gibt wenige Menschen, denen ich das so beiläufig erzählen würde, aber zu Yuna habe ich inzwischen Vertrauen. Sie nimmt mich so, wie ich bin.

»Das ist vor allem teuer.«

»Mein Vater hält nichts von traditioneller Medizin. Und die Häuser bei uns sind eher zugig. Unser Holzhaus hat mein Vater größtenteils selbst gebaut. Auf andere wirkt das, glaube ich, eher wie ein permanenter Campingplatz, jedenfalls keine tolle Kombination, wenn man eine schwache Lunge hat.« Ich seufze. »Und ich mag wirklich nicht schlecht über Sonny reden, aber es hat mich schon gewurmt, dass es für ihn so selbstverständlich war, dass ich sofort gekommen bin. Du weißt ja selbst, wie aufwendig das immer ist, alles nachzuholen.«

Ich nippe an meiner Teetasse mit dem Chai, den Krishna an alle verteilt hat und der köstlich schmeckt.

»Du darfst dich gern über deine Eltern aufregen und sie trotzdem lieben. Ich würde sogar sagen, dass es normal ist. Du bist so stark, Julie, ich bewundere dich, wie du das alles schaffst. Und dann bist du ja im Sommer schon hier gewesen, als noch keiner da war. Total bescheuert.«

Ich nicke. »Das war okay, mir macht es ja nichts aus, allein zu sein. Aber ich mache mir echt Sorgen um Rain. Ich bin so wütend, dass mein Vater ihr Ticket zurückgegeben hat. Und sie hat mit Sicherheit wieder für meine Mutter gearbeitet, statt Schularbeiten zu machen. Wenn sie nicht auch auf die normale Schule wechselt, wird das nie etwas. Fürs Arbeiten bekommt sie extra Taschengeld, und damit – das kenne ich leider nur zu gut von mir selbst – kann man sie zu allem bringen.« Ich presse die Lippen zusammen. Denn das war ja genau das Problem gewesen. Ich hatte so wenig Geld, dass ich bereit war, alles dafür zu tun. Es ist nicht normal, dass Kinder Geld von ihren Eltern dafür bekommen, dass sie arbeiten. Nennen wir es einfach mal nicht Kinderarbeit. Sollten Eltern nicht vielleicht für ihre Kinder sorgen, ohne dass sie gleich für sie arbeiten müssen?

Yuna umfasst meine Hand. »Ich kann dir helfen, ein neues Ticket zu bezahlen.«

»Quatsch«, unterbreche ich sie. »Das schaffe ich schon. Aber ich denke, ich gehe jetzt ins Bett«, erkläre ich. Vorhin war ich so entspannt, doch jetzt steigt der ganze Mist wieder hoch. Ich muss vor dem Einschlafen meditieren oder so.

»Wir fahren gleich noch zu Miles«, erklärt Yuna, als hätte sie ein schlechtes Gewissen, mich zurückzulassen. Am Wochenende ist sie oft auf der Magnolia Ranch.

»Dann habe ich das Zimmer für mich. Nein, nein, ich vermisse dich«, grinse ich und beuge mich vor, um sie zu umarmen. Sie umarmt mich zurück. Ihre Haare riechen nach einem fruchtigen Shampoo, sie war vorhin wieder beim Training.

Kurz danach bin ich in unserem Zimmer und öffne das Fenster. Es ist schon das zweite Jahr, in dem Yuna und ich ein Zimmer teilen, aber seit dem zweiten Semester ist sie ziemlich oft weg, weil sie bei Miles auf der Magnolia Ranch übernachtet. Ich verstehe das, und mir ist es definitiv lieber, als wenn Miles ständig hier übernachten würde. Hat er schon mal, und natürlich haben sie Rücksicht auf mich genommen, aber wohlgefühlt habe ich mich dabei nicht. Déjà-vu von der Silverfall Colony. Ich mag unser Zimmer, dessen zwei Hälften ziemlich unterschiedlich eingerichtet sind. Yuna hat einen Paris-Fimmel und hat Bilder der Stadt aufgehängt, Schwarz-Weiß-Drucke mit einer Tänzerin und einer Frau, welche die Vorhänge eines prächtigen Apartments aufschiebt. Bei mir gibt es Traumfänger, meine Kristallsammlung und Erinnerungsstücke an Hawaii, und auch ein Foto von Rain und mir in einem Muschelrahmen steht neben meinem Bett. Über das Fenster haben wir dieses Jahr eine Lichterkette mit Sternen gehängt, die das Zimmer abends direkt doppelt so gemütlich macht, und auf meinem Bett liegt eine Überdecke mit gelben Sternen und kleinen Honus, den hawaiianischen Seeschildkröten, die Glück bringen. Die hat meine Mutter mir geschenkt, als ich zu Hause war. Vielleicht hatte sie doch ein schlechtes Gewissen, auch wenn sie meinem Vater nie widersprechen würde. Es ist völlig okay für mich, am Wochenende allein zu sein. Vielleicht, weil ich früher nie Zeit für mich allein hatte. Ich hole immer noch nach. Ich kann mich normalerweise gut mit meinem Lieblings-Podcast aufs Bett legen und bin eigentlich ganz zufrieden. Es gibt immer noch Anspielungen, die ich nicht verstehe, weil ich ohne Serien aufgewachsen bin, aber inzwischen weiß ich, wer die Gilmore Girls und die Kardashians sind und habe von Grey’s Anatomy zumindest zwei Folgen gesehen, genauso wie Ich, unverbesserlich,Shrek und Drachenzähmen.Vaiana, was angeblich »mein Film« sei, steht mir noch bevor. Inzwischen kann ich selbst sogar Anspielungen auf die Shows machen, die ich noch nie gesehen habe, weil ich weiß, was sie bedeuten. Nur an den Anruf von Rain am Anfang der Woche darf ich nicht denken, aber ich habe schon einen Plan. Ich werde nicht nur in der Bibliothek, sondern auch noch mehr im Diner arbeiten, wo ich schon im Sommer einen Aushilfsjob hatte, und für das Ticket sparen.

Ich setze mich auf mein Bett und hole das kleine Album heraus, das Rain mir zum Abschied geschenkt hat. Sie hat Bilder gezeichnet und eine kleine Karte der Silverfall Colony mit den verschiedenen Häusern – wenn man die kleinen Hütten so bezeichnen kann – eingeklebt. Sogar etwas Sand von unserem Lieblingsstrand Mākua auf Kauai rieselt bei jedem Öffnen aus dem Buch sowie eine getrocknete Hibiskusblüte, die offizielle Blume des Staates Hawaii, und ein paar Mokihana-Blätter. Das sind die grünen Blätter, die oft in Ketten eingeflochten werden. Ich liebe ihren Duft, und ich kann ihn riechen, wenn ich das Buch öffne. Wie lange hält sich so ein Geruch wohl? Ein hohler Schmerz breitet sich in meiner Brust aus, weil damit eine nagende Sehnsucht nach Kauai in mir hochsteigt. Ich liebe die Insel, das Wasser und die Natur. Und der Strand ist ein sehr spezieller Ort, der mir viel bedeutet, weil er nicht nur der schönste auf Kauai ist, sondern weil dort gleichzeitig fast das Schlimmste passiert wäre, was jemals hätte passieren können. Doch es ist nicht passiert, und dafür werde ich mein Leben lang dankbar sein. Natürlich will ich anders leben als meine Eltern, aber ganz ohne Kauai in meinem Leben ist das schwer vorstellbar.

Ich nehme einen Kristall von meiner Sammlung auf der Fensterbank in die Hand und halte ihn gegen das Licht der Nachttischlampe. Er ist wunderschön, ein Türkis. Er soll entgiftende und entzündungshemmende Eigenschaften haben. Die glatte Oberfläche und das Gewicht üben eine beruhigende Wirkung auf mich aus. Ich stütze die Ellenbogen auf das Fensterbrett und atme die milde Nachtluft tief ein. Später soll es regnen, aber jetzt ist es noch ungewöhnlich warm für eine Spätsommernacht in Montana. Vielleicht kann ich eine Aufnahme von deren Geräuschen für meine Sammlung von Soundscapes machen. Andere machen Fotos, ich sammle Klänge. Mal sehen. In einiger Entfernung sehe ich zwei Menschen eng umschlungen über den Campus in Richtung unseres Hauses laufen. Wir sind durch diese Straße vom eigentlichen Campus getrennt, aber letztlich gehören hier die meisten Häuser ebenfalls dem College, das sie in Wohnhäuser für die Studierenden umgewandelt hat. Ich brauche nicht lange, um den Typen mit dem leicht schwankenden Gang zuzuordnen. Nate. Ich erkenne seine Silhouette viel zu gut, seine breiten Schultern, die Haare, die etwas von seinem Kopf abstehen. Er ist ziemlich groß und nicht sehr schmal gebaut. Und natürlich hat er seinen Arm um eine Frau geschlungen, wie so oft. Ich kann vom Fenster aus hauptsächlich nackte Beine sehen. Im Halbdunkeln wirkt die Frau wie eine Figur aus einem japanischen Comic, weil ihr Körper so zierlich ist, ihr Kopf durch ihre langen welligen Haare hingegen so groß wirkt.

Unwillkürlich stelle ich mich seitlicher neben das Fenster, damit sie mich nicht sehen. Trotzdem kann ich die Augen noch nicht losreißen und erkenne genau, wie seine Hand so tief um ihre Taille liegt, dass er eher Hüfte oder Po berührt. Dann bleiben sie in der Nähe der Straßenlaterne plötzlich stehen, und sie fällt über ihn her. Ja, anders kann man das nicht beschreiben. Es ist so, als würde eine hungrige Löwin über ihre Beute herfallen. Nicht, dass die Beute sich wehren würde, aber ich kann leider immer noch nicht meinen Blick abwenden, er klebt geradezu fest. Als sie aufhören, sich zu küssen und sich dabei gegenseitig gründlich abzutasten, trete ich ganz vom Fenster weg. Das fehlt mir gerade noch, dass ich hier stehe wie eine Zuschauerin.

Ich schiebe vorsichtig das Fenster zu und lasse mich auf mein Bett fallen. Hilfe, das kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Ich merke, wie mein Gesicht glüht. Ich habe gesehen, wer die Frau war, als sie ins Licht getreten sind. Es war Layla aus dem Theaterprogramm.

Eigentlich wollte ich ja noch einen Moment meditieren, um die toxischen Gedanken an meinen Vater loszuwerden. Vielleicht kann ich die Gedanken an Layla und Nate dann gleich mit abschütteln, sie prickeln unangenehm wie ein Schwarm Mücken hinter meiner Stirn. Ich zünde eine kleine Kerze an, setze mich im Schneidersitz auf den Fußboden und atme tief ein. Und wieder aus. Der Geruch, die Haltung, ich kann mich normalerweise sehr schnell in den Zustand der Entspannung bringen, weil ich es so oft geübt habe. Leider höre ich kurz darauf die viel zu lauten Schritte auf der Treppe, die flüsternden, kichernden Stimmen, höre, wie eine Tür aufgeht und wieder zugeschlagen wird und anschließend undefinierbares Gerumpel, bei dem ich mir so gar nicht vorstellen will, wie es erzeugt wird. In meinem Kopf beginnt ganz großes Kino. Mist. Nate hat dieses Semester das Zimmer auf meiner Etage am Ende des Flures, und leider grenzt seine Wand an mein Zimmer. Ich habe etwas Angst vor den Dingen, die ich durch die nur mitteldicke Wand hören kann. Das Meditieren muss ich jedenfalls verschieben, den Lärm kann ich unmöglich ausblenden.

Eigentlich sollte ich abgehärtet sein, wenn man bedenkt, dass ich in der Silverfall Colony groß geworden bin. Dort gab es insgesamt sehr wenig Wände, und keine einzige davon war dick. Durch diese Wohnsituation bin ich ziemlich früh aufgeklärt worden, weil meine Eltern ihre Schlafzimmertür nicht geschlossen haben oder zwischenzeitlich auch gar nicht schließen konnten, weil wir mehr oder minder alle in einem Raum gewohnt haben und sie eben häufig gedacht haben, dass meine Schwester und ich fest schlafen. Aber intuitiv spürt man, auch wenn man ziemlich klein ist, dass man sich besser schlafend stellen sollte, wenn die Eltern seltsame Dinge machen und komische Geräusche von sich geben. Ich weiß sehr, sehr genau, wie meine Eltern klingen, wenn sie Sex haben. Ich will das gar nicht dramatisieren. Ich finde es ziemlich heuchlerisch, dass einige Eltern so tun, als gäbe es keinen Sex, keine Tampons, keine Schamhaare und quasi keinen Körper. Trotzdem wünsche ich mir manchmal, ich hätte das leise, unterdrückte Stöhnen meiner Mutter nicht so oft gehört, dass ich es nie wieder vergessen werde. Sie hatten ziemlich viel Sex. Oder vielleicht auch nicht, ich weiß schließlich nicht, was normal ist.

Einmal, da war ich allerdings sehr klein, habe ich meinem Vater ganz fest auf den Rücken gehauen, weil ich dachte, dass er meiner Mutter wehtut. So klang es jedenfalls. Sie haben mir dann aber erklärt, dass ihr nichts wehtut, sondern dass Erwachsene sich auf diese Art zeigen, dass sie sich lieb haben. So richtig verstanden habe ich das erst sehr viel später. Aber wenn ich jetzt die Geräusche aus dem Nebenzimmer höre, die immerhin hauptsächlich von Layla zu stammen scheinen, frage ich mich, ob Yuna nicht mal irgendwo Ohropax hatte oder ich mir diese teuren Kopfhörer ausleihen kann, die auf ihrem Schreibtisch liegen, ein Geschenk ihrer Eltern. Ja. Ganz sicher. Ich brauche die Kopfhörer. Meine sind irgendein billiges Modell und senden gelegentlich elektrische Schläge in mein Ohr, weil das Kabel defekt ist. Ich weiß, dass Yuna nichts dagegen hat. In diesem Moment dringt wieder ein ziemlich lautes Winseln von Layla an mein Ohr, begleitet von einem Stöhnen von Nate. Ich hole mir Yunas Kopfhörer, verbinde sie mit meinem Computer und mache einen entspannenden Regenschauer an, den ich mal selbst aufgenommen habe. Sonst halte ich das nicht aus. Die Bilder, die ich gerade im Kopf habe, sind schlecht auszuhalten. Nate läuft zu häufig ohne T-Shirt im Haus herum, ich kann ihn mir viel zu genau vorstellen. Und obwohl ich hauptsächlich Layla gehört habe, habe ich in meinem Kopf nur Nate gesehen. Nach kurzer Zeit koche ich geradezu vor Wut und kann mir nicht erklären, warum.

Vier

Nate

Kurze Zeit später taumeln wir in mein Zimmer, Layla zieht an meinem Hemd, dessen Knopflöcher noch etwas eng sind, weil es neu ist. »Es ist nur ein Hemd«, murmele ich, als sie mich fragend ansieht und unseren Kuss kurz unterbricht. »Mach es weg.«

Sie macht sich einen Spaß daraus und reißt mein Hemd auf, sodass die Knöpfe abplatzen und wie kleine Geschosse durchs Zimmer fliegen. Ich habe eine Kreditkarte, mit der ich mir sehr viele neue Hemden kaufen kann. Sie weiß das, sie hat die gleichen Karten, aber Kaufen befriedigt mich leider in keinster Weise. Es funktioniert für diese Freundinnen meiner Mutter, die ihre Kreditkarte bis zum Anschlag vollladen, weil sie da irgendeinen Kick draus ziehen. Kaufen gibt mir gar nichts. Sex schon, weil ich mir einbilde, jede Frau ziemlich glücklich machen zu können.

»Lass uns so lange weitermachen, bis wir zusammenbrechen«, sagt Layla atemlos. »Ich habe jede Menge Ananas gegessen.« Sie lächelt. Ich lächele zurück.

»Gott, ich liebe Männer, die den Hinweis verstehen.«

»Keine Sorge«, sage ich. Meine Hände liegen auf ihrem Hintern und kneten ihn, erst sanft, dann härter. Ich bin rücksichtsvoll, ich mache nur, was sie mag, und bin gut darin, die Zeichen zu deuten. Ich will, dass sie mich anbettelt, das ist mein Dopamin. Die Gewissheit, dass ich diese eine Sache gut kann, Frauen beglücken, macht mich an. Ich kann sie um ihren Verstand bringen, und es gibt wenig, was mich mehr anturnt, als jemanden, dessen Gehirn sich unter meinen Händen komplett aufgelöst hat. Und ja, ich komme auch, aber mein Kick ist nicht mein Orgasmus, der Kick ist irgendwie ihrer. Verlässliches, gutes Feedback. Wenn es das Fach »Eine Frau zum Orgasmus bringen« gäbe, ich hätte ein A + mit Sternchen.

Layla macht es mir nicht schwer, und sie hat vollen Respekt für meine eigenen Wünsche. Als mein Daumen ihre Lippen entlangfährt, umschließt sie ihn sofort mit ihrem Mund und beginnt, an ihm zu saugen. Dabei fixiert sie mich, aber ihre Augen sind verhangen, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass meine andere Hand die Innenseite ihrer Oberschenkel hochfährt und in ihren Slip. Sie ist komplett rasiert. So weich, dass sie entweder alles weggelasert oder sich direkt vor der Party rasiert hat, weil sie wusste, was sie wollte. Sie ist mehr als ready. Sie lässt ihre Zunge mit Hingabe um meinen Daumen gleiten, um mir zu zeigen, was sie mit ihrem Mund alles machen kann. Dabei presst sie ihre flache Hand gegen meinen Schritt, der steinhart ist.

Ich ziehe ihre Haare nach hinten und kann dabei zuschauen, wie sich ihr Gesicht verändert, wie die Schleier vor ihren Augen dichter werden und ihr Atem heftiger. Ich schiebe ihren Rock weiter nach oben und zwei Finger in der gleichen Bewegung in sie hinein. Sie stöhnt auf, kommt fast nur von meinen Fingern.

Ich ziehe ihr Top nach unten, sodass die obere Kante ihren Busen leicht hochdrückt, dann widme ich mich ihren Brüsten. Sie stöhnt in meine Haare, und ihre Beine sind wackelig, gleich fällt sie um, wenn ich nicht aufpasse. Ich nehme sie hoch, sie ist nicht schwer, ihre Beine umschlingen meine Taille. Ich trage sie zum Bett und lasse sie dort vorsichtig fallen. Sie ist schon jetzt irgendwie ein Wrack, ich mag ihre fahrigen Bewegungen auf mir, ich ziehe ihre Hände nach oben, ziehe ihr das Top aus und wickele mein Hemd, das jetzt ohnehin nicht mehr alle Knöpfe hat, um ihre Hände und die Metallstrebe am Kopfende des Bettes. Genau so, wie Melanie Rice, diese Freundin meiner Mutter, es mochte. Es stimmt schon, man nimmt von jedem Liebhaber etwas mit. Und von Melanie habe ich ziemlich viel mitgenommen. Sie hat mir auch beigebracht, wie man unter Wasser Sex haben kann, was nämlich gar nicht so leicht ist, wie es in den Filmen wirkt. Die Haut klebt aneinander, und obwohl man total feucht ist, ist man genau das Gegenteil, wenn’s um Sex geht.

Dann kommt Layla von meiner Zunge, so, wie sie es sich gewünscht hat, und meine Erregung reicht aus, dass ich kurz darauf noch mal gemeinsam mit ihr komme. Anschließend liegt sie ziemlich fertig in meinen Armen, aber ich bin enttäuscht, dass wir so schnell diese entleerte Zone vor dem Orgasmus verlassen haben, und alles fühlt sich einfach nur … unglaublich falsch an.

Sie seufzt zufrieden, das ist immerhin richtig, denn ich weiß, dass es ihr darum gegangen ist. Sie wollte Entspannung und all die Begleiterscheinungen, die Sex mit sich bringt. Angeblich soll man ja sogar länger leben, wenn man viel Sex hat. Diese Studien bleiben alle in meinem Kopf, aber keine einzige Business-Fallstudie bleibt hängen.

Ich stehe auf und schleiche mich aus dem Zimmer, um ins Bad zu gehen, vorsichtig, damit die alten Dielen nicht zu laut knarren. Ich erinnere mich vage, dass vorhin noch Leute im Wohnzimmer waren, aber jetzt sind alle Geräusche verstummt. Ich weiß nicht, wie spät es ist, zwei Uhr? Früher? Mein Gesicht im Spiegel sieht müde aus, trotz der aufgerissenen Augen. Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht und putze mir die Zähne, um ihren Geschmack loszuwerden. Sie schmeckt nicht schlecht, vielleicht stimmt das Gerücht mit der Ananas, aber auch das ist irgendwie … verkehrt, und ich muss fast heulen, als ich mich anschaue. Ich will und kann das alles nicht mehr weitermachen. Natürlich habe ich es wieder geschafft, die Frau in meinem Zimmer um den Verstand zu bringen und eine gute Erinnerung zu schaffen. Da bin ich ehrgeizig und entwickle so viel Durchhaltevermögen wie bei keiner anderen Sache in meinem Leben.

Nur leider ist diese Fähigkeit außerhalb der Callboy-Szene nicht wirklich von Nutzen. Und da ich mir die Frauen lieber selbst aussuche, statt von ihnen gebucht zu werden, kann ich mit dieser Fähigkeit nicht viel anfangen.

Ich bin so wahnsinnig leer. Ich ärgere mich, dass ich Layla mit zu mir gebracht habe und wir nicht einfach zu ihr gegangen sind. Jetzt kann ich sie ja nicht rauswerfen. Anders, als einige Leute annehmen, bin ich nämlich gar kein Arschloch. Oder jedenfalls nicht so eins. Aber ich will wirklich, dass sie geht. Ich will allein sein. Und heulen.

Als ich aus der Badezimmertür trete, schrecke ich zurück, als ich die dicken, rotblonden Haare und die grünen Augen erkenne. Julie steht im Flur. Sie trägt ein etwas vergrautes, langes T-Shirt, auf dem »Surf Kauai« steht. Ihr Gesichtsausdruck ist mindestens genauso erschrocken wie meiner. Sie zieht scharf die Luft ein und weicht einen kleinen Schritt zurück.

»Oh. Ich dachte, hier wäre niemand«, erklärt sie. Sie versucht, ihr T-Shirt in die Länge zu ziehen. Wie so oft fällt mir auf, dass sie hübsche Beine hat, auch wenn ich mich wirklich bemühe, sie nicht auffällig abzuchecken.