Chassepot-Zündnadelgewehre - Wolfgang Finze - E-Book

Chassepot-Zündnadelgewehre E-Book

Wolfgang Finze

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Beschreibung

Das Buch richtet sich gleichermaßen an Sammler wie an Schützen, die mit ihrem Chassepot-Gewehr schießen möchten. Man kann französische Chassepot-Zündnadelgewehre sammeln, man kann mit ihnen aber auch schießen, genau wie mit den preußischen Zündnadelgewehren von Dreyse. Wie bei den preußischen Zündnadelgewehren ist man auch bei Chassepot-Gewehren auf ein Original angewiesen, denn es gibt keine Repliken. Allerdings sind im Fachhandel ausreichend viele schussfähige Originale erhältlich. Da für Zündnadelgewehre, die vor 1871 entwickelt wurden, keine WBK benötigt wird, stellt der Erwerb eines Chassepot-Gewehrs kein unlösbares Problem dar. Schützen erhalten in diesem Buch die notwendigen Hinweise zur Funktionsweise der Chassepot-Zündnadelgewehre, zum Umgang mit diesen Waffen und eine Anleitung zur Anfertigung von Munition, geeignet für das sportliche Schießen. Sammler finden hier nicht nur viele Informationen zu Alphonse Chassepot, dem Namensgeber dieser Waffen, sondern auch zu den einzelnen militärisch in Frankreich verwendeten Modellen, zu deren Veränderung im Laufe der Fertigung, zu den Herstellern sowie Zahlen zur Fertigung. Außerdem werden einige der Stempel auf den Waffen erklärt. Ebenfalls ausführlich eingegangen wird auf den geschichtlichen Hintergrund der Chassepot-Gewehre. Dazu gehört auch die Verwendung dieser Gewehre im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71. Zusätzlich dazu finden sich hier Informationen zur militärischen Verwendung modifizierter Chassepot-Zündnadelgewehre in Deutschland nach 1871.

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Meiner Frau gewidmet

Danksagung

Es ist die angenehme Pflicht des Autors, all denen zu danken, die zum Zustandekommen dieses Buches beigetragen haben.

Besonderer Dank gilt dabei den folgenden Personen, die für dieses Buch uneigennützig Informationen und Material bereitstellten, ohne die dieses Buch nie hätte entstehen können.

Horst Friedrich, Singhofen

Hessisches Staatsarchiv, Wiesbaden

Reiner Wurster, Mössingen

Inhalt

Vorwort

Der Erfinder des Chassepot-Gewehrs

Die Einführung und ihre Hintergründe

Chassepot-Gewehre aus französischer Sicht

Modelle

Infanteriegewehr (Fusil Modèle 1866)

Modell 1866 „pour la Cavalerie d´Afrique“

Karabiner

Kurzgewehr (Mousqueton d’Artillerie M

LE

1866)

Hersteller

Staatliche Fabriken

Privatfirmen

Fertigungszahlen

Stempelung

Herstellerangabe

Herstellungsjahr

Seriennummer

Schaftstempel

Abnahmestempel

Einheitenstempel

Die Chassepot-Patrone

Die Technik des Chassepot-Gewehrs

Patronenlager

Dichtelement

Nadel

Feder

Vorgänge beim Schuß

Visier

Zubehör

Veränderungen am Chassepot-Gewehr

Chassepot und Dreyse im Vergleich

Chassepot-Gewehre aus Sicht des Auslands

Chassepot-Gewehre in Deutschland

Nach dem Krieg von 1870/71

Bayern

Preußen und Württemberg

Sachsen

Verwendung bei der deutschen Gendarmerie

Umgang mit dem Chassepot-Gewehr

Öffnen und Sichern der Waffe

Laden der Waffe

Entladen der Waffe

Zerlegen des Schlosses

Reinigung

Chassepot-Patronen selbst herstellen

Das Zündelement

Herstellung der Patrone

Schießen mit dem Chassepot-Gewehr

Fehlersuche

Wer liefert was

Öl zur Schaftpflege

Federstahl (Draht)

Federn

Dichtung

Filz- und Pappscheiben

Literatur

Vorwort

Die Chassepot-Zündnadelgewehre stehen in Deutschland unverdientermaßen im Schatten der von Nicolaus v. Dreyse entwickelten preußischen Zündnadelgewehre. Sie gelten als schwerer zum Schießen und vor allem zum Treffen zu bringen und sind deshalb beim sportlichen Einsatz kaum vertreten. Auch von den Sammlern interessieren sich nur wenige für diese interessanten Gewehre.

Die Ursachen dafür liegen nicht nur in vielen alten, aus der Zeit vor 1870 stammenden Vorurteilen, sondern auch darin, dass es, einmal abgesehen von wenigen Artikeln in Fachzeitschriften, kaum deutschsprachige Literatur über die Chassepot-Gewehre, ihre Geschichte und ihre Patrone gibt.

Um dem abzuhelfen, sind hier die verfügbaren Informationen über die Geschichte und die Technik der militärischen Chassepot-Gewehre und über die Patrone zusammengefasst. Auch werden einige der auf Chassepot-Gewehren vorhandenen Stempel erklärt.

In einem eigenen Kapitel werden die Herstellung einfacher Patronen beschrieben und Tipps für den sportlichen Einsatz dieser Gewehre gegeben.

Rostock, im August 2018

Wolfgang Finze

Der Erfinder des Chassepot-Gewehrs

Da eine deutsche Biographie von Antoine Alphonse Chassepot fehlt, wurden hier in vielen Quellen1 verstreute Angaben zusammengefasst, ohne dass der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird.

Der Entwickler und Namensgeber der französischen Variante der Zündnadelgewehre ist Antoine Alphonse Chassepot. Er wurde am 4. März 1833 in Mutzig (Elsass) geboren und starb am 5. Februar 1905 in Gagny, einem im Département Seineet-Oise gelegenen Vorort von Paris. Anfangs Arbeiter in der Waffenfabrik, wurde er später Beamter und Werkführer in den Werkstätten des Depot central de l´ artillerie.

Schon 1863 legte er dem französischen Kriegsministerium mehrere Modelle eines Perkussions-Hinterladers mit Gasdichtung vor, die zwar getestet, aber von der Armee nicht angenommen wurden, da die Musterwaffen häufig Ladehemmungen hatten und die Patronen nicht den Anforderungen entsprachen.

Chassepot überarbeitete nun seine Konstruktion und nutzte jetzt die Nadelzündung. Das so entstandene Gewehr war eine verbesserte Variante des von Nikolaus v. Dreyse bereits vor 1840 entwickelten preußischen Zündnadelgewehrs. Die Verbesserungen bestanden im (damals) kleinen Kaliber von 11mm und dem (durch die Kautschukscheibe) gasdichten Verschluss. Außerdem ließ sich Chassepots Gewehr leichter und schneller laden als die preußischen Zündnadelgewehre.

Im Herbst 1865 wurde Chassepot vom Kriegsminister beauftragt, selbst in Vincennes die Erprobung seiner verbesserten Waffe zu leiten. Die Versuche begannen am 15. November 1865 unter der Aufsicht eines höheren Artillerieoffiziers. Schon am 20. März 1866 erfolgte eine Vorentscheidung zugunsten Chassepots. Unter seiner Leitung wurden nun in Chatellerault 500 Gewehre hergestellt, die für eine Erprobung im Lager von Chalons bestimmt waren. Nach der Erprobung sprach sich die dafür eingesetzte Kommission für die Annahme des Chassepot-Gewehrs aus.

Mit kaiserlichem Dekret vom 30. August 1866 wurde Chassepots Gewehr eingeführt. Chassepot erhielt den Orden der Ehrenlegion und zusätzlich eine Gratifikation in Höhe von 30.000 Franc (etwas mehr als 8.000 Reichstaler preußischer Währung).

Die Waffe wurde im In- und Ausland patentiert2 und wurde bei einigen internationalen Vergleichsschießen vorgestellt. Noch am Tage der Erteilung des französischen Patents verkaufte Chassepot seine Patente an die Gewehrfabrik3 Cahen-Lyon et Compagnie, die damit das alleinige Recht der Fertigung von Chassepot-Gewehren erwarb. Das galt allerdings nicht für Gewehre, die in staatlichen Fabriken für die französische Armee gefertigt wurden.

Die Konstruktion des Gewehrs war schon 1867 allgemein bekannt. In Dinglers polytechnischem Journal wurden eine ausführliche Beschreibung der Waffe und ihrer Munition sowie entsprechende Detail-Zeichnungen veröffentlicht.

Abbildung aus dem 1867 in Dinglers Polytechnischem Journal erschienenen Artikel

Auch in einem 1867 veröffentlichten Buch4 wurde die Konstruktion ausführlich vorgestellt.

Nach 1867 schied Chassepot aus dem Staatsdienst aus und wurde einer der Direktoren und Miteigentümer der Gewehrfabrik Cahen-Lyon.

Da er vermutete, zu wenige Gewinnanteile erhalten zu haben, strengte Chassepot später einen Prozess gegen Isaac Cahen-Lyon an, den er allerdings verlor. Im Verfahren wurde bekannt, dass er inzwischen über 200.000 Francs Gewinnanteile erhalten hatte.

Details zur Zentralzündungspatrone von Chassepot(Bildquelle: Dinglers Polytechnisches Journal, 1870, Band 197, Nr. X)

Chassepot ließ sich 1870 in Frankreich und England eine aus gewickelter Metallfolie bestehende randlose Zentralzündungspatrone5 für „sein“ Gewehr patentieren, die allerdings in der französischen Armee nicht eingeführt wurde.

Nach 1874, der Übernahme der von Gras vorgeschlagenen Änderungen des Chassepot-Gewehrs und der Einführung der zugehörigen Metallpatrone zog sich Chassepot aus der Waffenentwicklung zurück und kaufte sich einen größeren Besitz in Südfrankreich.

Chassepots Gewehr beeinflusste noch viele Jahre lang die Konstruktion von Militärgewehren nicht nur in Frankreich. Die in Preußen bei der Aptierung der Zündnadelwaffen verwendete Konstruktion war letztlich nichts anderes als eine modifizierte Kopie der von Chassepot verwendeten Dichtung. Auch die Konstruktion der Gewehre M/71 und M/71.84, indirekt auch noch die Verschlusskonstruktion des Gewehrs 88 und des russischen 3-Linien-Gewehrs, zeigen den Einfluss des Chassepot-Gewehrs.

1 Poten, Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften; Löbell, Des Zündnadelgewehrs Geschichte und Konkurrenten; Zeitschrift: Der Waffenhändler, Nr. 5 vom 5. März 1905; West, Guy; West, Leonard A-R: The Needle Ignition System of the Modele 1866 Chassepot und andere.

2 Französisches Patent Nr. 72600 vom 27. August 1866, mit Schutzrechten von 15 Jahren, belgisches Patent vom August 1866 mit Schutzrechten für 20 Jahre, englisches Patent Nr. 2304 vom 7.September 1866.

3 Der Firmenname Cahen-Lyon hat nichts mit der Stadt Lyon zu tun, sondern setzt sich aus dem Namen des Firmengründers, Cahen, und dem Mädchennamen seiner Frau, Lyon, zusammen.

4 Neumann, Ignaz: Das Wesen der Hinterladungs-Gewehre.

5 Chassepot's neue Central-Zündungs-Patrone. In: Dinglers Polytechnisches Journal, 1870, Band 197, Nr. X. (S. 17–18).

Die Einführung und ihre Hintergründe

In Frankreich hatte das Militär schon seit 1858 mehr oder weniger intensiv Versuche mit Hinterladern mit Perkussionszündung durchgeführt, ohne dass eine Entscheidung über die Einführung eines neuen Gewehrmodells getroffen wurde. Man war in Frankreich der Meinung, dass Schlachten weniger durch das Feuergefecht, sondern durch kühne Attacken der Infanterie entschieden wurden, die in geschlossener Formation und mit gefälltem Bajonett angriffen. Da sich diese Taktik im „Sardinischen Krieg“ von 1859 gegen Österreich bewährt hatte, hielt man die Entwicklung moderner Infanteriegewehre nicht unbedingt für vorrangig.

Der Krieg in Dänemark (1864) zeigte dann, dass mit Hinterladern bewaffnete Einheiten auch beherzt vorgetragene Angriffe deutlich stärkerer (aber mit Vorderladern bewaffneter) Verbände6 abwehren konnten. Auch blieben die Zündnadelgewehre unter den Bedingungen des überwiegend im Winter geführten Krieges einsatzfähig.

Obwohl Frankreich am Krieg von 1866 nicht beteiligt war, hielt sich Napoleon III. für den eigentlichen Verlierer. Seine Außenpolitik verfolgte das Ziel, Frankreich in den Grenzen wiederherzustellen, die Napoleon I. gesetzt hatte. In Italien war dies gelungen, denn als „Dank“ für die aktive Unterstützung der italienischen Einigungsbemühungen trat das Königreich Sardinien-Piemont 1860 Savoyen und die Grafschaft Nizza an Frankreich ab.

Frankreich setzte in dem sich im Frühjahr 1866 abzeichnenden Krieg auf den Sieg Österreichs. Am 2. Juni 1866 schloss man einen Geheimvertrag mit Österreich, dem man die Neutralität Frankreichs zusicherte. Österreich stellte dafür in Aussicht, dass aus dem preußischen Rheinland ein unter französischer Vorherrschaft stehender neuer Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes geschaffen würde.

Kladderadatsch (1866 Nr. 35), anspielend auf die Versuche Napoleons III. als Vermittler in den Verhandlungen zwischen Österreich und Preußen aufzutreten.