Papierpatronen - Wolfgang Finze - E-Book

Papierpatronen E-Book

Wolfgang Finze

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Beschreibung

Papierpatronen wurden bis etwa 1870 in allen Armeen verwendet. Solche Patronen waren etwas völlig Selbstverständliches, über das deshalb kaum berichtet wurde. Das Ziel dieses kleinen Buches ist es, die Papierpatronen aus dem Dunkel der Vergangenheit zurückzuholen. Dabei geht es nicht darum, heute allgemein die Verwendung von Papierpatronen für die Nachbauten von Vorderlader-Militärgewehren zu propagieren. Es soll vielmehr helfen, Quellen zur Ladeweise und zu Schießleistungen von Gewehren von vor mehr als 150 Jahren besser zu verstehen. Ebenso wird hier erklärt, warum in Quellen die Größe der Geschosse immer geringer ist als heute üblich, die Anfangsgeschwindigkeiten höher sind als heute erreichbar und auch, warum manche Geschosse (wie z.B. das Stauchgeschoss von Lorenz) bei der heute üblichen Ladeweise Probleme bereitet. Es soll aber auch zeigen, dass andere als die heute üblichen Ladeweisen von Musketen und Vorderlader-Dienstgewehren zu guten bis sehr guten Trefferleistungen führen. Das Buch enthält nicht nur Daten zu den früher verwendeten Papierpatronen für britische Enfield-Gewehre und Schweizer Gewehre, sondern auch eine Anleitungen, mit denen sich heute Papierpatronen für glattläufige Musketen (am Beispiel einer Brown Bess) und für Vorderlader-Dienstgewehre (am Beispiel des württembergischen Vereinsgewehrs M.1857) herstellen lassen. Mit den im Buch enthaltenen Anleitungen lassen sich auch die Abmessungen der zum Herstellen von Papierpatronen notwendigen Papierstücke für andere Gewehrmodelle abschätzen. Vom Autor wird im Buch auch auf Recherchen und Bilder zurückgegriffen, die er schon in Beiträgen in der Zeitschrift VISIER verwendet hat.

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Meiner Frau gewidmet

Inhalt

Einführung

Papierpatronen für Musketen

Die selbst aufschüttende Pfanne

Laden – damals

Patronenanfertigung - damals

Patronenanfertigung - heute

Laden - heute

Papierpatronen für Jägerbüchsen

Der Schweizer Feldstutzer

Papierpatronen für gezogene Infanteriegewehre

Expansionsgeschosse

Kompressionsgeschosse

Einsatz gezogener Militärgewehre

Patronen für gezogene Gewehre

Patronen für britische Enfield-Gewehre

Patronen für Schweizer Gewehre

Anfertigung – heute

Laden der Patronen

Literatur

Einführung

Dieses Büchlein führt in eine Zeit, in der fast alle Armeen der Welt mit Vorderladern bewaffnet waren. Während im zivilen Bereich Jäger und Schützen ihre Flinten und Büchsen mit Pulver aus dem Pulverhorn und gepflasterten Geschossen aus der Jagdtasche luden, wurden im militärischen Bereich überwiegend Patronen verwendet, deren Außenhüllen aus Papier Ladung und Geschoss vereinigten. Der Zweck der Patronen (egal, ob für glattläufige Musketen oder gezogene Infanteriegewehre) wird so erläutert1:

„Da es bei der Chargierung bedeutenden Aufenthalt veranlassen würde, wenn der Soldat das zur Ladung benöthigte Pulver jedesmal abmessen, und dieses und die Kugel jedes besonders in den Lauf bringen müsste, auch ferner, während des Gefechts, dieses Abmessen der benöthigten Pulverquantität für die geschlossen aufgestellte Infanterie mit Schwierigkeiten verbunden seyn, die Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Ladung nach einem gewissen Maaße aber, entweder eine geringere Schussweite, oder eine Überladung des Gewehrs höchstnachtheilig veranlassen würde: so verfertigte man, um diesen Nachtheilen vorzubeugen, Patronen …“

Bis zur Mitte des 19 Jahrhunderts war die Infanterie überall auf der Welt mit glattläufigen Musketen bewaffnet. Da sich die Präzision dieser Gewehre kaum steigern ließ, versuchte man, die Feuergeschwindigkeit zu erhöhen, denn je mehr Kugeln gleichzeitig flogen, umso größer wurde auch die Wahrscheinlichkeit, den Gegner zu treffen, etwas, für das man heute Maschinengewehre einsetzt. Und da die Präzision der glattläufigen Gewehre ohnehin gering war, hielt die militärische Führung jedes Zielen für reine Zeitverschwendung. Eine gut gedrillte Infanterie konnte mit ihren glattläufigen Steinschloss-Musketen selbst unter Gefechtsbedingungen in zwei Minuten bis zu sechs Schuss abgeben, allerdings ohne zu zielen, man hielt den Lauf der Muskete nur in Richtung des Feindes.

Um die Feuergeschwindigkeit zu erhöhen, musste man vor allem schneller laden. Das überall verwendete Mittel zur Verkürzung der Ladezeiten war neben einem intensiven Drill die Verwendung von Patronen, mit denen es möglich war, das Laden der Gewehre und damit die Schussfolge zu beschleunigen.

Die allgemeine Bewaffnung der Infanterie mit gezogenen Vorderladern nach dem System Minie änderte zwar das Bild des Krieges dramatisch, man blieb aber bei der Verwendung von (deutlich verbesserten) Papierpatronen. Die nun eingeführten Gewehre waren den bisher verwendeten glattläufigen Musketen sowohl in der Reichweite als auch der Präzision weit überlegen. Die Geschosse aus diesen Gewehren verursachten meist auch schlimmere Verletzungen. Allerdings änderte das nichts an den taktischen Vorgaben für die Infanterie. Zwar verbesserte man die Schießausbildung des einzelnen Infanteristen deutlich, aber nach wie vor marschierte die Infanterie in geschlossenen Formationen auf und führte das Feuergefecht aus einer eher geringen Entfernung. Das brachte verheerende Verluste.

Trotz der deutlich besseren Schusspräzision des Einzelschusses zählten vor allem die Reichweite und die möglichst flache Flugbahn des Geschosses. Bedingt durch die große Geschossmasse und die eher geringen Anfangsgeschwindigkeiten war die Flugbahn der Geschosse immer stark gekrümmt und lag, je nach Kaliber, Schussentfernung, Anfangsgeschwindigkeit und Geschossform an ihrem Scheitelpunkt viele Meter über der Visierlinie. Eine flache Flugbahn bedeutete immer einen größeren „bestrichenen Raum“2. Deshalb wurde für die Patronen für gezogene Gewehre die größtmögliche Ladung gewählt. Das wird Im Beschluss des Schweizer Bundesrats vom 13. Mai 1851 „betreffend die Bewaffnung und Ausrüstung der Scharfschützen“ auch klar gesagt3:

„Die Ladung … muß so groß genommen werden, als der Schütze des Rückstoßes wegen sie aushalten kann.“

Das bedeutet nicht, dass Waffen mit Papierpatronen nicht präzise schossen. Vom bayerischen Podewils-Vorderlader M.1858, Kaliber 13,9mm, ist bekannt, dass auf 100 Schritt (73m) alle Schüsse4 innerhalb einer Fläche von 20cm x 20cm lagen. Die folgende Skizze5 zeigt den Zusammenhang zwischen Flugbahn und bestrichenem Raum.

1 Handbuch zur Belehrung der Landwehr-Subaltern-Offiziere über ihre Berufs- und Dienstpflichten

2 Die Strecke, in der die Flugbahn des Geschosses nicht über etwa 1,80m (Größe eines aufrecht stehenden Soldaten) über dem Erdboden liegt. Je größer der „bestrichene Raum“, umso wahrscheinlicher ist es, ein aufrecht stehendes Ziel zu treffen.

3 Sammlung der in Kraft bestehenden Gesetze, Beschlüsse, Verordnungen und Vorschriften des Bundes über das schweizerische Militärwesen bis zum 31. Juli 1861

4 Plönnis, Neue Studien … Band 2

5 Anonymus: Das Deutsche Wehr- und Schützenwesen

Papierpatronen für Musketen

In den gut 200 Jahren zwischen dem Beginn des 30-jährigen Krieges und der Zeit bis etwa 1848 war die Infanterie überall auf der Welt mit glattläufigen Musketen bewaffnet. Im Laufe der Jahre änderten sich zwar das Schloss der Waffen und ihre äußere Form, der innen glatte Lauf blieb aber das Kennzeichen eines Infanteriegewehrs, dessen Präzision sich seit dem 30-jährigen Krieg kaum verbessert hatte. Zielen wurde lange Zeit als reine Zeitverschwendung angesehen.

Erst die napoleonischen Kriege und die größere Bedeutung des zerstreuten Gefechts änderten die Einstellung zum Zielen. Die meisten Armeen Europas versahen ihre Musketen jetzt mit einer Kimme und verbesserten die Schießausbildung der Soldaten. Trotzdem blieb die möglichst schnelle Schussfolge bei der Infanterie das Maß aller Dinge. In Preußen hatte man folgende Erfahrungen gemacht6. Beim Salvenfeuer einer mit glattläufigen Musketen bewaffneten Einheit, die 200 Schuss auf eine 6 Fuß (etwa 1,80m) hohe und 40 Schritt (30m) lange Bretterwand7 abgab, waren auf der Scheibe:

Auf 100 Schritt (75m) 150 Treffer, also etwa ¾ der abgegebenen Schüsse.

Auf 200 Schritt (150m) 100 Treffer also etwa die Hälfte der abgegebenen Schüsse.

Auf 300 Schritt (225m) 55 Treffer, also etwa ¼ der abgegebenen Schüsse.

Wurde mit der Muskete gezielt auf eine 6 Fuß hohe und 4 Fuß breite (ca. 1,80m x 1,20m) Scheibe geschossen, erwartete man folgende Ergebnisse:

Auf 50 Schritt (37,5m) 90% bis 97% Treffer

Auf 100 Schritt (75m) 76% bis 90% Treffer

Auf 200 Schritt (150m) 55% bis 76% Treffer

Auf 300 Schritt (225m) 41% bis 45% Treffer