Eine Frage der Ehre - Helen Perkins - E-Book

Eine Frage der Ehre E-Book

Helen Perkins

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Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! Der April hatte erst begonnen und brachte bereits das sprichwörtlich wetterwendische Wechselspiel am Himmel über München. Eben noch hatten sich die charakteristischen Türme der Liebfrauenkirche hinter dicken, grauen Wolkenpaketen versteckt, aus denen ein feiner, durchdringender Regen geströmt war. Dann hatte eine frische Brise das Grau einfach beiseite geschoben, gleichsam den lichtblauen Frühlingshimmel sauber poliert, als liebliche Bühne für den nun wieder strahlenden Sonnenschein. Dr. Daniel Norden warf einen langen Blick aus dem Fenster, entdeckte im frischen Grün der Beete hinter dem Haus Regentropfen, Diamanten gleich, die dafür sorgten, dass die zarten Blüten von Narzissen und Tulpen noch schöner schimmerten. Durch das halb geöffnete Fenster strömte frische, klare Luft herein, in der ein süßer, verheißungsvoller Duft lag. »Kaffee ist fertig.« Dr. Felicitas Norden, genannt Fee, stellte die Kanne auf den schön gedeckten Frühstückstisch und lächelte ihrem Mann zu. »Kein Hunger?« »Doch, sicher.« Er schloss den Fensterflügel und gesellte sich zu ihr. Obwohl die Nordens beruflich sehr eingespannt waren, er als Leiter der Behnisch-Klinik, sie als Chefin der Pädiatrie, nahmen sie sich doch stets Zeit für die gemeinsamen Mahlzeiten. Die knappe Freizeit sinnvoll zu nutzen, sodass auch ihr Privatleben nicht zu kurz kam, war wohl eines der Geheimnisse ihrer harmonischen Ehe. Und auch der Grund, dass sie nach vielen Jahren und mit fünf bereits erwachsenen Kindern noch immer nicht nur ein Ehepaar, sondern auch ein Liebespaar waren. »Der Kollege Sommer macht sich. Es war eine gute Entscheidung, ihn einzustellen«, merkte der attraktive Mediziner in den besten Jahren nun an. »Er kann wirklich etwas auf seinem Gebiet.« Fee musterte ihren Mann mit einem nachdenklichen Blick ihrer erstaunlich blauen Augen.

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Chefarzt Dr. Norden – 1164 –

Eine Frage der Ehre

Ist die Liebe eines Vaters stärker?

Helen Perkins

Der April hatte erst begonnen und brachte bereits das sprichwörtlich wetterwendische Wechselspiel am Himmel über München. Eben noch hatten sich die charakteristischen Türme der Liebfrauenkirche hinter dicken, grauen Wolkenpaketen versteckt, aus denen ein feiner, durchdringender Regen geströmt war. Dann hatte eine frische Brise das Grau einfach beiseite geschoben, gleichsam den lichtblauen Frühlingshimmel sauber poliert, als liebliche Bühne für den nun wieder strahlenden Sonnenschein.

Dr. Daniel Norden warf einen langen Blick aus dem Fenster, entdeckte im frischen Grün der Beete hinter dem Haus Regentropfen, Diamanten gleich, die dafür sorgten, dass die zarten Blüten von Narzissen und Tulpen noch schöner schimmerten. Durch das halb geöffnete Fenster strömte frische, klare Luft herein, in der ein süßer, verheißungsvoller Duft lag. Der Frühling ließ sein blaues Band einmal mehr durch die Lüfte flattern…

»Kaffee ist fertig.« Dr. Felicitas Norden, genannt Fee, stellte die Kanne auf den schön gedeckten Frühstückstisch und lächelte ihrem Mann zu. »Kein Hunger?«

»Doch, sicher.« Er schloss den Fensterflügel und gesellte sich zu ihr. Obwohl die Nordens beruflich sehr eingespannt waren, er als Leiter der Behnisch-Klinik, sie als Chefin der Pädiatrie, nahmen sie sich doch stets Zeit für die gemeinsamen Mahlzeiten. Die knappe Freizeit sinnvoll zu nutzen, sodass auch ihr Privatleben nicht zu kurz kam, war wohl eines der Geheimnisse ihrer harmonischen Ehe. Und auch der Grund, dass sie nach vielen Jahren und mit fünf bereits erwachsenen Kindern noch immer nicht nur ein Ehepaar, sondern auch ein Liebespaar waren.

»Der Kollege Sommer macht sich. Es war eine gute Entscheidung, ihn einzustellen«, merkte der attraktive Mediziner in den besten Jahren nun an. »Er kann wirklich etwas auf seinem Gebiet.«

Fee musterte ihren Mann mit einem nachdenklichen Blick ihrer erstaunlich blauen Augen. »Er ist noch ziemlich jung für einen Chirurgen, nicht wahr?«

»Sicher.« Daniel schmunzelte. »Ich kenne deine Vorbehalte gegen Überflieger. Aber Matthias Sommer ist kein Streber. Er ist mit Leib und Seele Chirurg. Der große Eingriff gestern am offenen Herzen, das war eine erstaunliche Leistung. Ich habe mit echter Bewunderung zugesehen.«

»Hört, hört«, kam es da von der Tür her, durch die Désirée Norden das Esszimmer betrat. Das hübsche neunzehnjährige Mädchen gähnte herzhaft und ließ sich dann mit einem Seufzer auf einen Stuhl fallen. Désis Blässe und die Tatsache, dass ihre Augen nur mehr Schlitze zu sein schienen, sprachen für einen deutlichen Schlafmangel. »Auf welchem Kanal lief denn die große OP?«

»Vielleicht solltest du noch eine Runde an deiner Matraze lauschen, Liebchen«, riet Daniel Norden seiner Tochter nachsichtig. »Du siehst sehr mitgenommen aus. Party?«

»Ja, in meinem Zimmer, bis halb drei.« Sie gähnte noch einmal und stellte dann klar: »Aber nicht das, was du denkst, Papilein. Ich hatte sozusagen einen kreativen Schub. Habe zehn Entwürfe fertig gestellt. Unglaublich, aber wahr.«

Dési spielte mit dem Gedanken, Modedesign zu studieren.

»Muss das unbedingt nachts sein?«, wunderte er sich.

»Es muss sein, wenn es sein muss. So was nennt man Kreativität«, erwiderte sie seufzend und trank einen großen Schluck schwarzen Kaffee. »Irgendwann bin ich mit dem Stift in der Hand eingeschlafen. Um halb sechs hat der Professor mich dann ziemlich unsanft geweckt.«

»Wie ist denn das zu verstehen?«, wunderte Fee sich. »Konnte Janni etwa nicht mehr schlafen?«

»Ich nehme es an. Er hat seine Zimmertür zugeknallt und ist dann los marschiert, ausstaffiert wie ein Forscher oder so was.« Dési fielen schon wieder die Augen zu.

»Wohin wollte er denn in aller Frühe?«, forschte Fee nach.

Doch ihre Tochter hob nur die Schultern, legte den Kopf auf die Arme und war bereits wieder auf dem direkten Weg in Morpheus’ Reich. Fee warf ihrem Mann einen fragenden Blick zu.

»Soll ich sie in ihr Bett tragen?«, scherzte Daniel.

In diesem Moment wurde die Haustür aufgeschlossen und Désis Zwillingsbruder Janni erschien. Tatsächlich bot er an diesem Morgen einen eher ungewöhnlichen Anblick. Zu seiner überaus wetterfesten Kleidung hatte er sich ein Fernglas und eine Kamera um den Hals gehängt. Noch auffallender waren allerdings der entrückte Gesichtsausdruck und das milde Lächeln. Beides fiel Fees mütterlich geschultem Blick natürlich sofort auf.

Janni wollte gleich in seinem Zimmer verschwinden, doch Fee rief ihn und bot an, mit ihnen zusammen zu frühstücken.

»Danke, ich habe gar keinen Hunger, vielleicht später«, murmelte er aber nur zerstreut und war gleich darauf über die Treppe im oberen Stockwerk verschwunden.

»Siehst du, was ich sehe?«, fragte Fee ihren Mann.

»Kommt darauf an. Was meinst du, Liebes?«

»Unser Sohn ist verliebt, Dan. Man sieht es ihm an der Nasenspitze an. Es ist, als hätte er ein großes Schild umhängen, auf dem ein dickes, rotes Herz prangt.«

»Ziemlich plastisch. Und woraus schließt du das?«

Sie verdrehte die Augen. »Männer! Keinen Sinn für die Dinge des Lebens. Es war doch nicht zu übersehen.«

Dési hob den Kopf und gähnte. »Ich sollte mich noch mal aufs Ohr hauen, tut mir leid, dann bis später…«

»Warte mal einen Moment«, bat ihr Vater. »Wieso geht dein Bruder in aller Herrgottsfrühe mit Kamera und Fernglas aus dem Haus? Will er vielleicht neuerdings Wildbiologe werden?«

Das Mädchen lachte leise. »Der mit all seinen Allergien? Ein Wespenstich und das Studienjahr ist gelaufen.« Sie streckte sich. »Nein, er ist verliebt. So ein Mädchen, das morgens in aller Frühe Vögel im Englischen Garten beobachtet. Ich glaube, sie studiert wirklich Biologie.«

»Aber wie … ich meine, wo ist Janni ihr über den Weg gelaufen?«, wunderte Fee sich.

Dési erhob sich und zuckte die Schultern. »Er kam von einer Party bei einem Kumpel und ist ihr im Park begegnet.«

»Und hat dieses Mädchen auch einen Namen?«, fragte Daniel.

»Sie heißt Sissi Berger, ist hübsch und nett. Leider eine eingefleischte Frühaufsteherin, also nicht ganz passend für meinen Freundeskreis.«

»Und Janni steht nur für sie so früh auf?«, hakte Fee nach, die ihre Zwillinge als ausgesprochene Langschläfer kannte.

»Das tut er.« Dési grinste. »Er ist total verschossen in sie.«

Daniel musste schmunzeln, seine Frau hingegen schien das gar nicht lustig zu finden. Auf der Fahrt zur Behnisch-Klinik gab Fee sich auffallend wortkarg. Und als ihr Mann den Wagen auf dem reservierten Platz hinter dem Klinik-Gebäude abstellte, seufzte sie: »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«

»Irgendwann musste das ja passieren. Es ist der Lauf der Welt«, versuchte er, sie zu beruhigen.

»Was meinst du?«, wunderte Fee sich.

»Dass der Junge sich verliebt hat …«

»Ach, Dan, halte mich doch nicht für naiv. Mir geht es um etwas ganz anderes. Wenn Janni diesem Mädchen nachläuft, das wir nicht mal kennen, wenn er seine Gewohnheiten für sie ändert, dann sollten wir vielleicht …«

»Dann sollten wir uns ganz bestimmt heraushalten«, mahnte er sie mit verständnisvoller Nachsicht. »Janni ist erwachsen, er wird sich mit Recht jegliche Einmischung in sein Intimleben verbitten.«

»Ich möchte doch nur sicher gehen, dass er nicht enttäuscht wird, er ist sehr sensibel.«

»Fee, mein Herz, du bist eine wunderbare Mutter. Du hast Janni die ersten Schritte beigebracht, warst immer für ihn da, hast ihn getröstet, wenn er sich die Knie aufgeschlagen hatte oder wenn die Gedichte von Rilke ihn zur Verzweiflung gebracht haben. Du hast ihn geführt und ihm die lange Leine gelassen. Du hast alles richtig gemacht als Mutter. Jetzt ist es an der Zeit, die Leine los zu lassen, damit dein »Kind« seine eigenen Erfahrungen machen kann. Und dazu gehört nun auch mal ein bisschen Liebeskummer.«

»Ich will nicht, dass er leidet.«

Daniel lächelte angedeutet und ließ seiner Frau den Vortritt in den Lift. »Momentan ist er verliebt. Wenn er Trost brauchen sollte, wird er dir das bestimmt sagen. Meinst du nicht?«

Der Lift hielt auf der Pädiatrie, Fee seufzte. »Du hast vermutlich recht«, gab sie widerwillig zu.

»Habe ich«, versicherte er ihr entspannt. »Bis heute Mittag, mein Schatz.« Er küsste sie zart und ­lächelte ihr aufmunternd zu. »Wir sehen uns.«

*

»Wir sind spät dran.« Aische Celik erhob sich vom Frühstückstisch und warf ihrem Verlobten einen mahnenden Blick zu. Matthias hatte mal wieder seine Nase in einer medizinischen Fachzeitschrift vergraben. Die hübsche OP-Schwester räumte rasch das Geschirr zusammen, dann griff sie auch nach der Zeitschrift, denn sie wusste, dass dies die einzige Methode war, um Matthias’ Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Der junge Chirurg stutzte kurz, lächelte und zog Aische auf seinen Schoß. Sie verdrehte die Augen, kam aber zu keinem Protest, denn Matthias küsste sie erst einmal ausgiebig.

»Wir müssen zur Arbeit«, mahnte sie ihn, wobei der weiche Glanz in ihren klaren, obsidianfarbenen Augen für sich sprach.

»Wollen wir nicht mal schwänzen?«, schlug ihr Verlobter mit einem viel sagenden Lächeln vor.

»Warum nicht?«, ging sie scheinbar auf seinen Vorschlag ein. Denn sie wusste, dass er viel zu pflichtbewusst war, um es wirklich ernst zu meinen.

»Hm, und was machen wir mit Herrn Balders Gallenblase? Ganz zu schweigen von dem Magenband für Frau …«

»Sie werden eben alle auf deine Kunst verzichten müssen. Ein Kollege wird dich vertreten. Oder hältst du dich etwa für unersetzlich, mein Schatz?«

In seinen tiefblauen Augen blitzte es schelmisch auf. Als er sich vor gut­ einem Jahr in die rassige OP-Schwester mit den seelenvollen Augen verliebt hatte, war es nicht nur Aisches Schönheit gewesen, die sein Herz erobert hatte. Es war vor allem ihr trockener Humor. Und ihre Art, ihn sehr gefühlvoll auf den Arm zu nehmen. Er lachte und küsste sie noch einmal, bevor er sie auf die Füße stellte und zugab: »Ich bilde mir zwar ein, bei dir unersetzlich zu sein, mein Herz, aber in der Klinik ist das tatsächlich niemand. Deshalb möchte ich den Chef gar nicht erst auf Ideen bringen. Also, nichts wie auf zur Arbeit!«

Wenig später hatte das junge Paar die Behnisch-Klinik erreicht. Als Aische aus dem Wagen ihres Verlobten stieg, meldete sich ihr Handy. Es war Leila, ihre jüngere Schwester.

»Geh schon mal vor, ich komme gleich«, bat sie Matthias.

Der nickte und verschwand im Klinikeingang. Er wusste, dass ein Telefonat zwischen den Schwestern durchaus länger dauern konnte. Und dabei ging es nicht um die üblichen Themen wie Liebeskummer oder die neuesten Modetrends.

Aische stammte aus einer Familie, die bereits in zweiter Generation in Deutschland lebte und integriert war. Ihr Vater war Abteilungsleiter auf der Sparkasse, er spielte einmal in der Woche Skat mit seinen Freunden und ging zum Kegeln. Abgesehen von reinen Äußerlichkeiten gingen die Celiks durchaus als waschechte Münchner durch und wurden auch so angesehen. Doch es gab einen Unterschied zwischen dem sozialen Leben und dem Leben innerhalb der eigenen vier Wände. Da zeigte sich dann oft, dass Mehmet Celik eben noch sehr verwurzelt im traditionellen Denken war. Als Aische sich seinerzeit entschlossen hatte, Krankenschwester zu werden und während ihrer Ausbildung im Schwesternheim zu wohnen, hatte sie dieser Schritt eine ganze Menge Diskussionen gekostet. Der Vater hatte sie nicht gehen lassen wollen, obwohl sie bereits volljährig gewesen war. Aische hatte sich durchgesetzt, unterstützt von ihrer Mutter, die einen stillen aber nachhaltigen Einfluss auf ihren Mann ausübte.

Und nun stand Leila vor einem ganz ähnlichen Problem. Aisches Schwester hatte das Abitur in der Tasche und wollte gern Jura studieren. Per se hatte ihr Vater nichts dagegen. Er war im Gegenteil stolz auf seine kluge Tochter.

Aber dass Leila daheim ausziehen, im Studentenwohnheim leben und ganz selbstständig werden wollte, das lehnte er rundweg ab.

Aische, ihre Mutter und auch Matthias Sommer hatten bereits auf Mehmet eingewirkt, jeder auf seine Art. Und da der Familienvater seinen Schwiegersohn in spe respektierte, lehnte er dessen liberale Haltung auch nicht grundsätzlich ab. Doch es kostete ihn eben sehr viel Überwindung, sich aus dem traditionellen Rollenbild zu lösen, das er bei Eltern und Großeltern erlebt und stets für richtig gehalten hatte.

»Leila, wie geht es? Alles in Ordnung?«, fragte Aische.

»Es geht. Ich wollte dich bitten, heute Abend noch mal mit Papa zu reden. Ihr kommt doch zum Abendessen, oder?«

»So ist es abgemacht. War wieder was?«

»Na ja, gestern war eine Freundin von mir da. Stefanie Seegers, ihr Vater ist Anwalt, hat eine eigene Kanzlei. Sie will auch Jura studieren. Wir haben überlegt, ob wir vielleicht zusammen ziehen. Keine Ahnung, wie ich das Papa verklickern soll. Da könnte ich ein bisschen Unterstützung brauchen.«

»Klar, du weißt doch, dass du auf uns zählen kannst«, versicherte ­Aische. »Außerdem ist das eine gute Idee, spart Miete. Damit sammelst du bei Papa bestimmt Pluspunkte.«

Leila lachte. »In dem Fall zählt für ihn eher, dass da zwei Mädels ohne Aufsicht zusammen wohnen. Und das wird ihm ganz bestimmt nicht behagen.«

»Ich nehme an, Stefanie ist ein vernünftiges Mädchen.«

»Und ob. Außerdem hat sie einen festen Freund und ist nicht unbedingt das, was man als Partymaus bezeichnen würde.«

»Na also, wenn das kein Argument ist.«

Die Schwester seufzte. »Du kennst Papa …«

»Wir schaffen das schon. Ich muss jetzt aber zum Dienst. Wir sehen uns heute Abend. Ich werde noch mit Matthias reden, damit er dich ebenfalls unterstützen kann, okay?«

»Ich finde es super, dass er so viel Verständnis hat. Du kriegst einen richtig guten Ehemann, weißt du das?«

»Und ob.« Aische lachte. »Ich gebe ihn auch nicht mehr her.«

»Kann ich verstehen, dann bis heute Abend.«

Die junge Krankenschwester steckte ihr Handy weg und lief zum Eingang der Behnisch-Klinik. Nun musste sie sich beeilen, denn sie war wirklich spät dran, und die Oberschwester konnte keine Unpünktlichkeit leiden. Während sie in ihren Schwesternkittel schlüpfte, dachte sie darüber nach, wie sie Leila am besten helfen konnte. Diplomatie war in diesem Fall gefragt. Obwohl Aische sonst immer offen und ehrlich zu ihrem Vater war, musste sie nun doch ein wenig taktieren, damit Leila ihre Pläne in die Tat umsetzen konnte. Ganz einfach würde das wohl nicht. Aber Aische hatte ja Erfahrung auf dem Gebiet. Es war nicht ihr erster Kampf um Freiheit und das Recht, selbst über ihr Leben und ihre Zukunft zu entscheiden. Sie wusste, wie wichtig das war, und wollte es deshalb auch Leila ermöglichen.

*

Dr. Matthias Sommer hatte an diesem Tag mehrere Operationen, bei denen seine Verlobte ihm als OP-Schwester zur Hand ging. Die beiden waren auch beruflich ein eingespieltes Team und verstanden sich meist ohne viele Worte.

Als der junge Chirurg kurz vor Feierabend noch nach einem Patienten sehen wollte, traf er an dessen Bett den Chefarzt an.