Chill mal! - Matthias Jung - E-Book

Chill mal! E-Book

Matthias Jung

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Beschreibung

Wer hat Teenager in der Pubertät? Wer war selbst mal Teenager in der Pubertät? Der kennt hitzige Diskussionen über Schule, Zimmer aufräumen, Helfen im Haushalt, der weiß, WhatsApp ist überlebenswichtig - und Hygiene überschätzt. Jedenfalls aus der Sicht der Teenager. Man muss lernen loszulassen! Am liebsten wohl die Kreditkarte. Es hormoniert prächtig, aber chillt mal, Eltern, Matthias Jung kommt erneut zur Hilfe! Der Diplom-Pädagoge ist Deutschlands lustigster Jugendexperte. Mit der Fortsetzung seines Erfolgsprogramms "Generation Teenietus" geht er in die nächste Runde. Freuen Sie sich auf "Chill mal! - Am Ende der Geduld ist noch viel Pubertät übrig". Matthias Jung gibt interessante wissenschaftliche Einblicke in die Verhaltensweisen und Gehirne der Teenies und hat ebenso hilfreiche wie humorvolle Tipps und Tricks im Gepäck. Das ist echte Spaßpädagogik für die GANZE Familie. Eine einzigartige Mischung aus Sachverstand und Humor, faktenreich und äußerst unterhaltsam. Nah an den Eltern! Nah am Alltag! Nah an der Pubertät!

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Edel Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright © 2018 Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Projektkoordination: Dr. Marten Brandt

Redaktion: Steffi von Wolff

Lektorat: Tillmann Courth

Coverillustration: Lena Schaffer

Layout und Satz: Datagrafix GmbH, Berlin

Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH | www.groothuis.de

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin| www.datagrafix.com

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

eISBN 978-3-8419-0628-1

Für meine wundervolle Freundin Nicole und meine großartigen Kinder Lenny und Kate!

Inhalt

Vorwort

1. Kapitel: Chill deinen Körper

2. Kapitel: Chill deine Hormone

3. Kapitel: Chill dein Gehirn

4. Kapitel: Chill die Schule

5. Kapitel: Chill dein Handy

6. Kapitel: Chill die Familie

7. Kapitel: Chill meine Hobbys

8. Kapitel: Chill die Pubertät

Quellen

Vorwort

Pubertät ist:

•wenn man trotzdem lacht …

•die Zeit, in der die Eltern schwierig werden …

•die wahrscheinlich aufregendste Zeit in unserem Leben

•die wahrscheinlich aufregendste Zeit, durch die wir unsere Kinder begleiten dürfen

•toll, anstrengend, spannend … die Zeit mit den meisten und rasantesten Veränderungen im Leben eines Menschen

•ein wahnsinnig wichtiger Entwicklungsabschnitt

•die Zeit des Loslassens und Abnabelns

•die Zeit, in der ich als Mutter oder Vater stolz beobachten kann, wie sich mein Kind zum Erwachsenen entwickelt

Doch sie ist keine Krankheit. Sie gehört zu unser aller Leben dazu. Niemand von uns kommt drum herum, aber wir kommen ganz sicher irgendwann wieder heraus – also die meisten zumindest.

Es ist ohne Frage die Zeit mit den meisten Aufs und Abs für uns Eltern wie für die Teenager. Genauso, wie sich ihre Launen oft nach außen zeigen, so sieht es auch in ihnen drinnen aus. Chaotisch, launisch, wechselhaft. In der einen Minute sind sie zu Tode betrübt und in der nächsten plötzlich und scheinbar grundlos vollkommen euphorisch.

Das ist ohne Frage anstrengend für alle. Obwohl wir wussten, dass die Pubertät unausweichlich kommen werde, verwirrt sie uns. Obwohl es viele Gemeinsamkeiten unter Pubertierenden gibt, ist doch jede Pubertät anders. Anders verrückt und anders spannend – und auch anders schön.

Betrachten wir die Pubertät mal von einer ganz anderen Seite: Es ist doch auch super toll, dabei sein zu dürfen, begleiten zu dürfen und zu sehen, wie aus unserem kleinen Pupsi ein Pubertist und dann – o Wunder! – ein Erwachsener wird. Mitunter macht es Angst, aber letztendlich vor allem stolz, diese Entwicklung zu beobachten und zu begleiten.

Ganz sicher wird auf dem Weg dorthin nicht alles glatt gehen. Er wird begleitet sein von chaotischen Zimmern (dort herrscht dasselbe Chaos wie im Kopf der Teenager), von durchtelefonierten Nächten und von Partys mit viel zu viel Alkohol. Geschwänzte Schulstunden und ignorierte Hausaufgaben sind ebenfalls keine Seltenheit. Grundsätzlich haben wir Eltern unrecht, sind unentspannt („ungechillt“) und einfach nur megapeinlich. Es gibt es so viele Dinge, vor denen wir unsere Kids gerne bewahren würden. Doch zum Erwachsenwerden gehören Erfahrungen unbedingt dazu, und zwar gerade nicht nur die positiven.

Das Wichtigste, das wir unseren Kindern in der Pubertät mitgeben können, ist Vertrauen – in sich selbst sowie in ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten. Es gibt kein Geheimrezept, nur eins ist Fakt, da müssen wir alle durch. Aber wie wir Durchhalten, liegt nicht zuletzt an uns selbst. Am besten funktioniert es mit einer großen Portion Coolness und Humor.

Hey, aber das Beste ist, du bist nicht allein. Es gibt die vielen anderen Eltern da draußen, die das alle auf ihre Weise erleben, und es gibt Matthias, der die besten Tipps mit ganz viel Humor für euch zusammengetragen hat. Vielleicht ist dann am Ende eurer Geduld gar nicht mehr so viel Pubertät übrig.

Daniela Strube

1. KAPITEL

Chill deinen Körper

Wo ist mein Kind? Wo ist das wonnige Bündel Mensch, das so gut nach Baby und Bübchen-Lotion gerochen hat, das mich strahlend anlächelte, seine Ärmchen nach mir ausstreckte und dessen erste Worte waren: „Papa, ich liebe dich.“

Mein Kind.

Ein Wunder der Natur.

Einzigartig.

Perfekt.

Wenn ich mir alte Fotos anschaue, zerfließt mein Herz vor lauter Rührung. Mein Sohn, gerade geboren, liegt im Arm seiner Mutter und schaut staunend in die Kamera. Dann der erste Geburtstag, laufen lernen, und immer dieses strahlende Lächeln, das einen Gletscher zum Schmelzen bringen kann. Der blonde Wuschelkopf, die blauen Augen, ach, ach. Da, das Foto mit dem ersten Fahrrad. Wie konzentriert er ist und wie beflissen! Ich weiß noch, wie er mich mit Fragen gelöchert hat. Woher Kreuzschlitzschraubenzieher kommen. Wieso Wespen stechen. Was Hefe ist. Warum es Boris Becker gibt. Es waren so schöne Jahre.

Erst neulich musste ich wieder daran denken, als ich die alten Benjamin-Blümchen-CDs auf dem Flohmarkt verkauft habe. Vorbei, vorbei. Gestern hat er mit seinen Freunden noch Fußball gespielt, ist fast geplatzt vor Mitteilungsbedürfnis, wenn er nach Hause kam, war kaum zu bremsen beim Erzählen. Plötzlich ist das vorbei. Es ist leider wahr: Benjamin Blümchen ist mittlerweile genauso scheiße wie die Nachbarn, Fußball, die Schule, die Welt, die öffentlichen Verkehrsmittel, Höflichkeit, Pünktlichkeit, der Dalai Lama – und am allerscheißesten sind natürlich die Eltern.

Aus unserem strahlenden Sonnenschein ist ein muffiger, motziger, übellauniger, zorniger, alles kacke findender Pubertist geworden. Kommunikation? Beschränkt sich auf das Nötigste und läuft nach immer dem gleichen Muster ab; hier die Top Five der häufigsten Dialoge zwischen Eltern und Kind:

1.„Räumst du bitte endlich dein Zimmer auf?“

„Ej, Mann, ej.“

2.„Kannst du bitte endlich die Pfandflaschen wegbringen?“

„Ej, chill mal, ja.“

3.„Was ist eigentlich mit Hausaufgaben?“

„Maaaaann!“

4.„Steht da unter deinem Bett etwa noch der Teller mit den Pizzaresten von vor zwei Wochen? Da ist JA SCHIMMEL DRAUF!“

„Dis is mein Zimmer, ej.“

5.„Kommst du bitte zum Abendessen?“

„Kein Bock.“

Mittlerweile hockt er am liebsten stunden- und am Wochenende tagelang in seinem Zimmer und will mit nix was zu tun haben, kommt nur raus, wenn er aufs Klo oder seine Finger unter kaltes Wasser halten muss, weil er vom ewigen Getippe auf dem Smartphone Blasen bekommen hat. Oder er erscheint unvermittelt im Türrahmen, um schnöde Geld zu fordern.

Eine Mutter erzählt: „Wenn meine Tochter mal wieder zum Kotzen ist, weil sie alles zum Kotzen findet, höre ich einen alten Text vom Anrufbeantworter ab, den sie mal gesprochen hat, als sie noch liebenswert und ein menschenähnliches Wesen war.“ Voller Wehmut erinnert sie sich: „Diese Stimme, engelsgleich, süß, so voller Eifer und so fröhlich. Ach! Immer wenn ich nicht weiter weiß, höre ich den Anrufbeantworter ab und denke: Vielleicht steckt ein Stück von diesem wunderbaren Kind doch noch in dem Monster, das meine Tochter momentan ist.“

Ja, unser Kind ist noch so klein und doch schon mittendrin. In der Pubertät. Die Pubertät – der Begriff kommt aus dem lateinischen pubertas und bedeutet Geschlechtsreife – ist eine entscheidende Entwicklungsphase, die im Allgemeinen zwischen dem 10. und 16. Lebensjahr beginnt und einige Jahre dauern kann. Eine Umfrage im Bekanntenkreis hat ergeben, dass 90 Prozent der Befragten lieber in eine Privatinsolvenz gehen würden, als die Pubertät ihres Kindes noch einmal durchzustehen. Zwei Väter haben ernsthaft behauptet, eher eine Niere spenden zu wollen, als diese Phase noch einmal mitmachen zu müssen.

Das Kind ist kein Kind mehr und will es auch nicht sein. Es verändert sich – nicht nur der Körper, auch die Gefühle, das Denken und die Beziehungen. Bei dem einen fängt’s früher an, beim anderen später. Und wenn man jetzt stocken sollte und sich fragt: Moment mal, was hab ich da gerade gelesen? Ab dem 10. Lebensjahr? Das war doch früher später.

Stimmt, früher ging das später los, da hatten die Eltern noch ein paar gute Jahre mehr mit ihren Kleinen. Vor 150 Jahren setzte die Pubertät mit 17, 18 Jahren ein, 1950 bereits ab 13. Und jetzt sind wir bei zehn Jahren! Es ist tragisch, aber wahr, und Gott bewahre, dass sich das nicht noch weiter nach vorne verschiebt! Ein Junge mit Vollbart auf einem Bobby-Car sähe einfach scheiße aus, oder wenn er im Stimmbruch auf einem Dreirad an einem vorbeiführe und wie dereinst Bruce Willis in Die Hard mit tiefer, rauchiger Stimme riefe: „Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!“ Das wollte man nicht, genauso wenig, wie man auf dem Einschulungsfoto Pubertätspickel sehen und statt Schokolade eine Flasche Clearasil in die Schultüte geben möchte.

Aber wie gesagt, das ist Statistik, die Pubertät kann so früh beginnen, muss aber nicht. Man darf von Kind zu Kind hoffen. Der Körper entscheidet selbsttätig. Auslöser sind hormonelle Veränderungen, die äußerlich sichtbare Veränderungen, sprich: Pickel und Härchen, aber auch merklich spürbare Veränderungen im Gefühlshaushalt und im Denken bewirken.

Freunde werden in der Pubertät zunehmend wichtiger, viel wichtiger als die Eltern, die sind jetzt meistens doof, weil sie einen „nicht mehr verstehen“. Der beste Freund und die beste Freundin – die verstehen einen. Schließlich sind sie in derselben Situation. Mit der Freundin wird stundenlang geredet. Mit den Eltern gar nicht mehr, denn – eben – die verstehen einen nicht mehr.

Für die Eltern reichen Einwortsätze, mal Subjekt, mal Prädikat, mal Objekt. Oder Adjektiv. Oder wie auch immer. Jede Woche eins, das reicht! Wir kennen die Situation: Das Kind kommt aus der Schule, pfeffert die Tasche in die Ecke, man erkundigt sich: „Na, wie war’s?“ Das Kind dreht sich um, atmet schwer ein und stöhnt: „Gut.“ Mehr kann man nicht verlangen. Irgendwann lernt man auch Laute zu deuten, zum Beispiel „Mmpf“. Das kann stehen für: Zahnschmerzen, eine Eins in Mathe oder eine Grundsatzdiskussion über Trump.

Für Eltern ist das eine schwierige Zeit, denn wer lebt schon gern mit Wesen zusammen, die wie Menschen aussehen, sich aber benehmen wie aggressive Flugsaurier, die auf einen losflattern, sobald man seiner elterlichen Sorge Ausdruck verliehen hat? Aber es hilft nichts, da müssen wir Eltern durch. Wir können uns damit trösten, dass es irgendwann wieder besser wird, auch wenn wir dann möglicherweise mehrere Nervenzusammenbrüche hinter uns haben und sichtbar gealtert sind. Eine Marktlücke übrigens: Warum gibt es noch keine Pflegeserie „für die Haut von gestressten Pubertätseltern“?

Vielleicht sollten wir uns einfach nicht mehr so auf über das undankbare Pack aufregen, also unsere Kinder. Möglicherweise hilft uns dabei zu verstehen, was genau in der Pubertät passiert.

Schau mal, was da wächst

Nehmen wir mal den Durchschnitt: Bei den Jungs setzt die Pubertät im Alter zwischen 12 und 14 Jahren ein. Die Ausschüttung von Testosteron stimuliert im Hodengewebe das Reifen bestimmter Zellen – und schwuppdiwupp kann die Samenbildung beginnen und ein Junge könnte ab nun Kinder zeugen. Bei den Mädchen beginnt die Pubertät schon im Alter von 10 bis 12 Jahren: Der Körper wird fraulicher, das heißt: breitere Hüften, wachsende Brüste, die Regelblutung setzt ein. Ab nun kann das Mädchen Kinder kriegen. Noch vor 150 Jahren fand die sogenannte Menarche erst mit etwa 17 statt. Das lag nicht zuletzt an der schlechteren Ernährung junger Mädchen.

Die körperlichen Veränderungen gehen mit einem deutlichen Wachstumsschub einher, oft schießen die Kinder wie Pilze in die Höhe, so schnell kann man gar nicht gucken. Um die zehn Zentimeter beträgt das durchschnittliche Wachstum in den Pubertätsjahren. Mädchen erreichen ihre ausgewachsene Körpergröße ungefähr mit 17 Jahren, Jungs wachsen manchmal noch bis sie 20 sind.

Unser Nachbarsjunge ist mittlerweile zwei Meter groß, sein Vater reicht ihm bis zur Schulter und muss, wenn sie nebeneinander gehen, fast rennen, um noch mit seinem Sprössling mitzuhalten. Sohnemann hat zudem den großen Vorteil, da oben ganz andere WLAN-Netze als sein Vater und alle anderen Kleinen nutzen zu können. Letztens fragte ich ihn, wie es seinem Vater gehe, woraufhin er entgegnete, er wisse es nicht, er sehe ihn immer nur, wenn er sich die Schuhe zubinde.

Spätestens mit der Geschlechtsreife ist die Phase erreicht, in der sich die Eltern fragen: „Wo ist nur unser kleines Kind geblieben?“ Sorry, das ist weg. Beziehungsweise, vielleicht ist es immer noch ein Kind, aber es glaubt, erwachsen zu sein und alles besser zu wissen. Aus den Goldköpfchen, die wir eben noch mit Brei gefüttert und vom Sand gesäubert haben, sind große, schlaksige, behaarte, picklige, schwitzende, krächzende Giftzwerge geworden.

Der Stimmbruch ist eine Zumutung für alle, mal ist die Stimme hoch und erinnert an ein kieksendes Küken, dann wieder so tief, als hätte John Wayne eine Stimmbandentzündung (weil auch der vordere Teil des Kehlkopfs sich entschließt, größer zu werden). Mädchen mutieren zu zickigen, schrillstimmigen, pickeligen, überschminkten, aggressiven und oft etwas pummeligen Nattern (ja, die Mädels nehmen in der Pubertät zu, die Proportionen ändern sich, ihr Körperfettanteil wächst – wer möglichst früh in die Pubertät kommen möchte, sollte Stammgast bei McDonald’s werden). Nichts ist ihnen recht, beim geringsten Anlass fangen sie an zu heulen, weil sie alles als absolute Katastrophe empfinden (der Media Receiver versagt bei der Aufnahme von GNTM, Primark ist wegen Umbau vorübergehend geschlossen oder das WLAN für drei Minuten ausgefallen, und das alles bei drei Prozent Akku!). Dann ist das Gekreische groß. Zu keinem Zeitpunkt im Leben ist die Stimme übrigens so schrill und laut wie in der Pubertät. Jugendliche schaffen 116 Dezibel, ungefähr die Lautstärke einer Motorsäge. Mädchen schreien gerne, wenn sie Spinnen oder angesagter Stars ansichtig werden. Eine extreme Kombination: Justin Bieber oder Lukas Rieger im Spiderman-Kostüm.

Eine weitere unschöne, aber nicht zu leugnende Tatsache: Bei beiden Geschlechtern setzt eine verstärkte Aktivität der Hauttalgdrüsen ein, die zur Folge hat, dass man Pickel oder Akne kriegen kann und … nun ja, sagen wir mal, anders riecht als vorher. Letztens erzählte mir ein Vater, wie er zwölf Dreizehnjährige nach einem Fußballspiel ungeduscht in einem Kleintransporter nach Hause gefahren und sich dabei einen steifen Nacken sowie eine Bindehautentzündung eingefangen habe – nämlich vom andauernden Herausbeugen aus dem Autofenster. Vielleicht war ja der Prager Fenstersturz, der den Dreißigjährigen Krieg eingeleitet hat, die Verzweiflungstat eines Teenie-Vaters, der einfach nur lüften wollte?

Überhaupt: Man muss sich mal klarmachen, dass früher nicht nur die Pubertät später anfing, wie erwähnt so etwa mit 17 Jahren, sondern dass die durchschnittliche Lebenserwartung zudem lediglich 35 Jahre betrug. Machtausübung und Pubertät fielen somit mehr oder weniger zusammen. Heinrich VIII., geboren 1491, bestieg den Thron 1509. Franz Joseph, unser Franzl, der Mann von der Sisi, wurde mit 18 österreichischer Kaiser, und Sisi selbst war 15, als sie sich mit dem Franz verlobte. Nero wiederum, der später Rom in Schutt und Asche legte, war 17, als er Kaiser wurde.

Der Zeitpunkt der Geschlechtsreife hat übrigens Folgen für das ganze Leben. Das hat die Jenaer Entwicklungsspsychologin Karina Weichold in einer Langzeitstudie herausgefunden. Zehn Jahre lang begleitete sie eine Gruppe von 66 Mädchen, filmte sie bei Streitgesprächen mit ihren Müttern, maß Hirnströme und Stresshormonspiegel, packte den Probanden GPS-Geräte in die Rucksäcke und beobachtete, wo sie ihre Freizeit verbrachten. Es hat, so das Ergebnis, eindeutige Konsequenzen, ob jemand frühreif oder spät dran ist. Wenn Mädchen schon mit 11 ihre erste Regelblutung haben, belastet dies dauerhaft das Verhältnis zu ihren Müttern. Sie gründen früher eine Familie, wechseln den Partner häufiger und sind im Beruf oft nicht so erfolgreich wie die „späten“.

Der Grund, so Weichold: „Diese Mädchen mussten zu früh erwachsen werden. Gleichzeitig glucken die Mütter um ihre Kinder, die ihnen zu schnell erwachsen werden, herum – das führt zu Konflikten.“

Viele Eltern mögen sich also fragen: Mein Gott, wie soll ich das nur aushalten? Leider gibt es darauf keine befriedigende Antwort. Wir sollten indes nicht vergessen, dass es unsere Kinder sind, die drinstecken in der Pubertät und denen es oft nicht sonderlich gut dabei geht. Plötzlich und quasi über Nacht verändert sich so viel bei ihnen, dass sie sich selber fragen, ob mit ihnen alles in Ordnung sei.

Dazu kommt – vor allem bei Mädchen – der immense Druck durch die Medien. An der ungewollten Gewichtszunahme gehen sie fast zugrunde, denn nichts entspricht plötzlich mehr dem gängigen Schönheitsideal, das irgendwelche Designer mit einer Vorliebe für Haut mit Knochen in die Welt gesetzt haben. Viele Mädchen fangen in dieser Phase mit Diäten und Schminken an, was fatal ist. Denn die wenigsten haben das Make-up im passenden Farbton ihrer Haut und sehen danach aus wie Zombies; dazu kommt, dass Make-up das Pickelsprießen zusätzlich fördert. So fühlen sie sich noch unglücklicher.

Leider ist es völlig unmöglich, die Töchter zu trösten. Sie werden dann zu wilden Tieren und alles ist kacke und mies und man gönnt ihnen nichts und alle sind böse und wir freuen uns ja nur, dass sie Pickel haben, und wie kann man sie überhaupt darauf ansprechen, das ist ja wohl das Allerletzte: „So was Fieses, boah, mit dir bin ich fertig, buhuuu, ich finde mich so scheiße ...“

Es geht aber noch weiter. Die Körper verändern sich, werden erwachsen, reifer, bilden sich aus und manch einer mag denken: Schau, ein richtiger kleiner Erwachsener! Und ich war dabei!Doch die Psyche hinkt hinterher, kann beim Tempo des Körpers nicht mithalten. Es ist, als ob eine Wanderdüne versuchte, einem Geparden zu folgen. Es kann passieren, dass ein Schrank von 16-jährigem Mann vor einem steht, breitbeinig, mit Dreitagebart und muskelbepackt, aber dieser famose Kerl, bei dem sich die Klitschkos eine Scheibe abschneiden könnten, fegt zornig wie ein Fünfjähriger die Hütchen vom “Mensch ärgere Dich nicht“-Brett und jault los, weil die Lieblingsjeans noch in der Waschmaschine ist.

Körper erwachsen – Seele Kind, das nennt man in der Wissenschaft auch das „Trump-Syndrom“.

Achterbahnfahrt der Hormone

Während die Seele sagt: Ich würde gerne mal wieder „Spitz, pass auf!“ spielen, entgegnet der Körper: „Ich bin spitz, pass auf!“ Denn das fängt ja jetzt auch an, das Interesse an der Sexualität. Bei Mädchen hört man es meistens: Sie kichern und gickeln, wenn sie zusammen sind, was das Zeug hält, und schreien „Oh Goooott!“, wenn einer, den sie gut finden, auf eine WhatsApp geantwortet hat, die gemeinsam mit allen Freundinnen bis aufs letzte Komma analysiert wird. Sie tun gelangweilt, wenn der, den sie gut finden, in der Nähe ist, aber jeder Blinde mit Krückstock sieht, dass sie ihn am liebsten anspringen würden.

Die Jungs wiederum schlaksen herum, cool wie Eis, zeigen überhaupt gar kein Interesse – und werden dadurch noch interessanter. Und alles, was sie tun oder nicht tun, ist süüüß.

„Guck mal, der Max steht da.“

„Oh, wie süüüüüüß!“

„Guck mal, der Max schaut auf den Boden.“

„Oh, wie süüüüüüüß!“

„Guck mal, der Max macht nichts.“

„Oh, wie süüüüüüüüüüüüüüüüüß!“

Und nochmal wissenschaftlich: Das Ganze ist eine Hormonkaskade. Wenn der Startschuss fällt, bilden die Zellen des Hypothalamus, einer wichtigen Steuerzentrale im Zwischenhirn, den Botenstoff Neurokinin B, der wiederum die Produktion einer Substanz namens Gonadotropin-Releasing-Hormon anstößt. Dieser Stoff signalisiert über weitere Zwischenschritte Hoden und Eierstöcken, dass die Zeit gekommen ist, die Körper mit den Sexualhormonen Testosteron und Östrogen zu fluten. Parallel dazu sorgen die Wachstumshormone dafür, dass sie sich strecken. Alles in einem Rutsch sozusagen. Da kommt ganz schön viel zusammen.

Die Pubertisten müssen sich infolgedessen ganz neu kennenlernen. Sie können erst mal nichts, müssen erst alles ausprobieren und schauen, was gut für sie ist. Diese ganze Ungewissheit macht auch schlechte Laune – noch so eine verzichtbare Nebenwirkung der Pubertät, bei Mädchen wie bei Jungen.

„Ich drehe noch durch“, erzählte kürzlich eine Mutter. „Warum kann sich meine Tochter wichtige Dinge nicht merken? Zum Beispiel, wo ihre Monatskarte ist, oder dass ich sie gebeten habe, Milch mitzubringen? Aber dass ich ihr 20 Euro Vorschuss aufs Taschengeld versprochen habe, das vergisst sie nicht.“

Die Antwort ist: Die Kinder bilden sich ihre eigene Meinung, testen aus und merken sich auf höchst ökonomische Weise nur das, was für sie wichtig ist. Und 20 Euro sind wichtiger als Milch mitzubringen. Ihr aggressives Verhalten ist oft nichts als Hilflosigkeit im Umgang mit sich selbst.

Sie brauchen in dieser Phase sehr viel Ruhe, um sich zurückziehen und über das Leben grübeln zu können. Die Pubertät ist die Zeit der Suche. Wer oder was bin ich? Was würde ich gern machen, worin liegen meine Stärken? Das herauszufinden, ist jetzt die Hauptaufgabe, die mit viel Ausprobieren, Testen und auch Anecken einhergeht. Gut gemeinte Ratschläge der Eltern sind grundsätzlich die falschen und die Eltern selbst sowieso total nervig (diese ausgeglichenen, in sich ruhenden, angekommenen Menschen!).

Während man selbst im Nirwana herumdümpelt und nicht weiß, wohin mit sich und seinen zu langen Armen und der komischen Stimme. Aggressionen, Loskreischen beim kleinsten Anlass mit der Stimme eines Kojoten, dem man versehentlich auf die Pfote getreten hat, grundsätzliches Nein-Sagen sind Ausdruck der Verzweiflung darüber, mit sich selbst gerade gar nicht klarzukommen, aber zugeben wird man das auf gar keinen Fall.

Das pubertierende Kind zieht sich zurück. Chillen ist die euphemistische Umschreibung für die Hauptaktivität: Bei geschlossenen Fenstern vor sich hin muffeln. An den Wochenenden bekommt man Pubertierende nicht vor Mittag zu Gesicht und dann hocken sie da und stochern im Essen herum und – richtig – alles ist kacke. Lieber stundenlang mit Handy auf der Toilette sitzen als mit der Familie am Esstisch. Und wehe, man klopft vorsichtig an:

„Entschuldigung, ich muss auch mal.“

„Alter, kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen!“

Schon klar: WC heißt ja auch „wir chillen“.

Und stündlich schläft das Murmeltier

Zwischen dem Chillen wird geschlafen. Stundenlang. Tagelang. Früher wäre man froh gewesen. Da galt das Motto: „Ich sehe so friedlich aus, wenn meine Kinder schlafen.“ Aber jetzt? Ich kenne Mütter, die haben sich in die Zimmer ihrer Kinder geschlichen und ihnen Spiegel unter die Nase gehalten, wie damals, als sie noch Babys waren, um zu sehen, ob der Spiegel beschlägt und der Säugling noch atmet.

Muffigkeit kennt keine Grenzen. Viele Eltern zeigen sich schockiert über ihre Kinder. Wie konnte ihr eigenes Fleisch und Blut zu Monstern mutieren? Das fragen sich die Eltern. Rein äußerlich mag das stimmen und auch das Verhalten der Kinder hat ein Stück weit mit Terrorismus gegen alles und jeden zu tun, aber die Erklärung ist eben, dass der Nachwuchs mit sich selbst überfordert ist.

Aber man frage nicht nach, noch versuche man, die Hand zu reichen:

„Was ist denn nur los mit dir?“

„Maaaaaaaann!“

„Bist du traurig?“

„Maaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaann!“

„Du kannst mit mir über alles reden.“

„AAAAAAAAAH!!!“

Haben sie einem früher das Ohr abgesabbelt, bedienen sie sich jetzt nur mehr eines sehr überschaubaren Wortschatzes: Cool, Alter, Maaaaann. Egal. Keine Ahnung.

Die einzigen, die das pubertierende Opfer verstehen, sind die anderen Pubertierenden. Mit denen kann man abhängen, schweigen, cool sein, einfach so. Und man kann gemeinsam die Eltern und überhaupt die Erwachsenen merkwürdig finden und alles hinterfragen, was sie tun oder nicht tun. Dafür sind Worte da. Um Himmels willen keine Nähe! Grenzen werden gezogen, weil die Kinder ihren Platz suchen und ihn selbst finden wollen und müssen.