Cold Case – Spurlos - Sandra Hausser - E-Book

Cold Case – Spurlos E-Book

Sandra Hausser

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Ein neuer Fall für Hannah Bindhoffer Seit Hannahs neuer Vorgesetzter krank ist, ist nicht viel los im Rüsselsheimer Polizeipräsidium. Deshalb beschäftigen sich die Kommissarin und ihre Kollegen mit einem Cold Case, einem alten Fall, der nie gelöst wurde. Ein Junge ist auf dem Weg zur Schule spurlos verschwunden, einziges Indiz: sein auf einem Spielplatz zurückgelassenes T-Shirt. Dank neuester Technik können die Polizisten nun die DNA-Spuren auf dem Kleidungsstück genauer unter die Lupe nehmen. Sie machen eine erstaunliche Entdeckung. Und plötzlich sind ihre Ermittlungen aktueller und gefährlicher denn je …  Von Sandra Hausser sind bei Midnight by Ullstein in der Rhein-Main-Krimi-Reihe erschienen: Tod auf leisen Pfoten (Fall 1) Cold Case – Spurlos (Fall 2) Düstere Rache (Fall 3)

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Die AutorinSandra Hausser, geboren 1969 in Rüsselsheim, lebt mit ihrer Familie in Raunheim und arbeitet in einer Arztpraxis. Das Schreiben begleitet sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr. Aus einer Leidenschaft für Tagebucheinträge und Kurzgeschichten ist inzwischen mehr geworden. 1999 gewann die Autorin den zweiten Preis im Literaturwettbewerb Stockstadt mit anschließender Veröffentlichung in der Anthologie des Jahres. Damit war ihr Ehrgeiz geweckt, und sie wagte sich an längere Texte. Das Buch Tod auf leisen Pfoten ist der Auftakt zu ihrer Rhein-Main-Krimireihe.

Das Buch

Ein neuer Fall für Hannah BindhofferSeit Hannahs neuer Vorgesetzter krank ist, ist nicht viel los im Rüsselsheimer Polizeipräsidium. Deshalb beschäftigen sich die Kommissarin und ihre Kollegen mit einem Cold Case, einem alten Fall, der nie gelöst wurde. Ein Junge ist auf dem Weg zur Schule spurlos verschwunden, einziges Indiz: sein auf einem Spielplatz zurückgelassenes T-Shirt. Dank neuester Technik können die Polizisten nun die DNA-Spuren auf dem Kleidungsstück genauer unter die Lupe nehmen. Sie machen eine erstaunliche Entdeckung. Und plötzlich sind ihre Ermittlungen aktueller und gefährlicher denn je … 

Von Sandra Hausser sind bei Midnight by Ullstein in der Rhein-Main-Krimi-Reihe erschienen:Tod auf leisen Pfoten (Fall 1)Cold Case – Spurlos (Fall 2)

Sandra Hausser

Cold Case – Spurlos

Kriminalroman

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Originalausgabe bei Midnight Midnight ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Dezember 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95819-137-2  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Für Martha,

mögen die Engel auf ewig deine Sicht klären.

9. März 2014

Hannahs Wohnung, Königstädten

Keuchend fuhr Hannah aus dem Schlaf. Wieder dieser Traum von den Ereignissen aus Hamburg, in dem auch ihr jetziger Chef Josef Mitheimer eine Rolle spielte. Mit erstaunlicher Klarheit erinnerte sie sich an jede Einzelheit des Alptraumes, der sie in den letzten Wochen mit regelmäßiger Grausamkeit gequält hatte. Er begann immer mit einer Szene auf dem Polizeirevier in Hamburg.

Stefan Wagner trat an ihren Schreibtisch, beugte sich zu ihr und flüsterte in seiner ihm eigenen und ausgesprochen gönnerhaften Art: »Sieht aus, als hättest du endlich wieder das Vergnügen, mit einem echten Profi auf Tour zu gehen. Gerade kam eine Meldung aus Ohlsdorf rein, die haben in ihrem Krematorium eine Person zu viel im Sarg liegen. Jede Wette, dass irgendeiner aus dem Milieu oder von einer Mafiagruppierung einen Konkurrenten entsorgen wollte.«

»Willst du mir sagen, dass dort zwei tote Körper in einem Sarg lagen?«

»Na, was denkst du? Ist ja nun echt keine Seltenheit, dass jemand versucht, sein Opfer kostenlos und sicher mit beseitigen zu lassen. Allerdings funktioniert das meiner Meinung nach nur mit Leichtgewichten. Die Typen in der Verbrennungsanlage sind mit Sicherheit nicht die hellsten Burschen, aber wenn sie über hundert Kilo anheben müssen, werden auch sie stutzig.«

Hannah funkelte ihn wütend an. »Wieder einmal kannst du mühelos nur anhand des Berufsstandes eines Menschen dessen Intelligenz und alle weiteren Eigenschaften einschätzen. Weißt du was, lauf zum Chef und lass dir einen anderen Partner zuteilen. Du kotzt mich mit deinem Gehabe einfach nur an.«

Wie selbstverständlich erschien im selben Augenblick Herr Mitheimer im Büro der Kommissarin. Dass er ihr jetziger Vorgesetzter war und sie in Hamburg noch nicht zusammengearbeitet hatten, war ein Umstand, der ihr während des Träumens keinesfalls seltsam vorkam.

»Was gibt es für ein Problem?«, herrschte er sie an. Ein ausgedehnter Spalt klaffte auf einer Seite seines Kopfes, und die Kommissarin sah durch die Schädelplatte auf einen Teil seines Gehirns. Da ihr dieser Umstand im Traumgeschehen nicht sonderlich ungewöhnlich erschien, ignorierte sie die gräuliche Masse und antwortete: »Boss, Ihr Verband scheint sich gelöst zu haben. Kommen Sie her, ich helfe Ihnen.« Sie streckte ihm ihren Arm entgegen.

»Ich helfe Ihnen, ich helfen Ihnen«, äffte Stefan Wagner sie mit kindlicher Stimme nach. »Jedem auf der Welt eile ich zur Hilfe, denn ich bin Hannah die Gütige. Selbst wenn ich mir mit den Hilfestellungen ans eigene Bein pinkle, ist es mir völlig einerlei. Komm mir nur niemand mit Diskriminierung und Ausgrenzung. Ich will alle Menschen auf der Erde glücklich sehen und schere mich keinen Moment lang darum, dass das nicht in meiner Macht steht. Die Augen fest vor dem Umstand verschlossen, dass die Menschheit womöglich null Interesse daran hat, in Frieden miteinander umzugehen.« Wagner rannte auf sie zu, legte grob beide Hände auf ihre Schultern und schüttelte sie heftig. »Kapier doch, dass deine Vorstellung vom Leben absolut alltagsuntauglich ist. Leute hassen, rauben, morden und sind nicht vierundzwanzig Stunden am Tag gut. Wach endlich auf, Hannah, und stell dich den Tatsachen! Euch Gutmenschen gehört einmal unmissverständlich gezeigt, wo es langgeht, bevor ihr am Mitleid für die Menschheit erstickt.«

Herr Mitheimer unterbrach den Redefluss von Wagner und schaute die Kommissarin mitfühlend an. »Frau Bindhoffer, würden Sie mir bitte etwas Jod in meine Kopfspalte kippen? Ich habe das Gefühl, das Gehirn braucht eine kleine Erfrischung.«

»Keine Sorge, Boss, das wird die Samariterin Hannah liebend gerne für Sie erledigen. Es ist nicht auszuschließen, dass Sie Ihnen dabei auch noch …«

Heute erwachte die Kommissarin glücklicherweise, bevor ihr ehemaliger Kollege mit den obszönen Vorschlägen begann, die sie aus vorangegangenen Träumen zur Genüge kannte. Leider spukte ihr, wie immer nach diesem Traum, die Frage im Kopf herum, ob sie wahrhaft so naiv und weltfremd durch den Tag ging, wie es von Wagner beschrieben wurde.

Nein, er sieht das viel zu eng. Nur weil ich nicht daran glaube, dass die gesamte Menschheit roh und brutal ist, bin ich keine Spinnerin. Er ist derjenige, der hinter jedem Strauch einen Verbrecher wittert. Früher oder später fahre ich zurück nach Hamburg und reiße diesem Monster von Ex-Kollegen den Arsch auf, dachte sie grimmig.

Sie versuchte, noch ein paar Minuten Schlaf zu finden, um zu verhindern, dass die unschönen Ereignisse aus ihrer Vergangenheit in der Hansestadt sie erneut in schwermütige Stimmung versetzten.

9. März 2014

Polizeipräsidium Rüsselsheim

Hannah stieg aus dem Wagen und genoss die für den März deutlich zu hohen Temperaturen. Die Sonne schien seit Tagen, und der Frühling hielt ohne Zweifel bereits Einzug.

Sie lief über den Parkplatz zum Eingang des Präsidiums, grüßte den wachhabenden Beamten, der ihr durch die Scheibe zuwinkte, und betrat das Gebäude. Sofort vernahm sie aus den Büros der Kollegen das Klappern von Computertastaturen und vereinzelte Gesprächsfetzen.

Himmel, sind die alle aus dem Bett gefallen? So spät dran bin ich doch gar nicht.

Ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihr, dass sie nur zwanzig Minuten später als gewöhnlich eingetroffen war.

Sie beeilte sich, die Treppe nach oben zu steigen. Am Kaffeeautomaten standen Hardy und Çetin beisammen und sprachen leise miteinander.

»Moin, Jungs. Was gibt’s zu tuscheln?«, fragte sie grinsend und nahm Hardy den Kaffeebecher aus der Hand. »Spendier mir einen Schluck, ich bin ohne Koffein aus dem Haus. Deshalb bibbere ich vermutlich so, obwohl es herrlich mild draußen ist.«

»Bedien dich, mein Kaffee ist dein Kaffee. Was dein Kälteempfinden betrifft, passt es hervorragend zu dem derzeitigen Klima auf dem Revier. Viel kälter als die Temperaturen im Freien.«

»Wieso, worauf willst du hinaus?«

»Alle munkeln, dass der Boss nicht aus dem Krankenstand zurückkommen wird. Die Buhlerei um seinen Posten beginnt. Einige Kollegen sind reichlich angefressen, weil er uns die Führung kommissarisch übertragen hat. Wer hier wirklich die Strippen zieht, weiß jeder genau. Der Boss ist viel zu sehr Polizist, als dass er uns drei oder Götzenbrenner im Alleingang machen lassen würde. Zu Anfang haben die Kollegen diese Lösung akzeptiert, schließlich traf die Mitteilung über seine Erkrankung alle hart. Aber seit einigen Tagen fängt es mächtig an zu brodeln.«

Ihr Vorgesetzter, Josef Mitheimer, hielt sich nach einer Gehirn-Operation und Strahlenbehandlung, die wegen eines diagnostizierten Tumors unabdingbar gewesen waren, in Reha auf. Da er darauf hoffte, nach Abschluss der Behandlungen auf seinen alten Posten zurückzukehren, hatte er gemeinsam mit der Polizeidirektion eine Übergangslösung beschlossen. Sven Götzenbrenner hatte die Leitung der Abteilung vertretungsweise übernommen. Unterstützende Aufsicht, so lautete die offizielle Version des Vorgangs.

»Ehrlich gesagt ist mir das relativ egal«, antwortete Hannah gelassen. »Wir machen so lange weiter, bis es anderslautende Anweisungen gibt. Sollen sie diskutieren und planen, wie sie wollen. Wir haben wichtigere Dinge zu tun, oder?«

»Klar«, warf Çetin ein. »Aber es wird immer schwieriger, das Gerede zu ignorieren. Götzenbrenner weiß, dass seine Arbeit hier zeitlich begrenzt ist und wird sich kaum ein Bein ausreißen, um Frieden in den Laden zu bekommen.«

»Solange sie nicht an unsere Schreibtische treten und das Thema direkt ansprechen, werde ich die Füße stillhalten und keine Unternehmungen starten. Der Boss hat hinter den Kulissen ja den Überblick. Was soll schon passieren? Von der Rehaklinik aus kann er zwar weder ein Donnerwetter auf alle herabregnen lassen noch jemanden disziplinarisch abstrafen, doch wenn es drauf ankommt, wird er einschreiten, da bin ich sicher.«

»Weißt du mehr als wir?«, fragte Hardy und trank den Rest seines Kaffees.

»Nein, er will weder Besuch von Kollegen empfangen noch mit mir telefonieren«, erklärte Hannah betrübt.

»Das habe ich beim letzten Versuch auch zu hören bekommen. Keine Anrufe und Stippvisiten«, bestätigte Hardy. »Höchst eigenartig, wie er sich abkapselt.«

»Findest du? Ich kann nachvollziehen, warum er so handelt. Er möchte uns nicht zusätzlich mit seinen Problemen belasten. Zumindest schätze ich es so ein. Götzi telefoniert oft mit ihm. Ich vermute, dass die beiden versuchen, die Lage so lange im Griff zu behalten, bis Mitheimer weiß, ob er zurückkehrt«, mutmaßte Hannah und drückte einen Knopf des Kaffeeautomaten. »Deshalb schlage ich vor, uns darauf zu einigen, zunächst nichts zu unternehmen.«

»Einverstanden«, antwortete Çetin. »Möglicherweise haben Hardy und ich die Sache ein bisschen überbewertet.«

»Lasst uns zusammen zum Mittagessen gehen. Drüben beim Chinesen? Dort können wir die Lage noch einmal in Ruhe besprechen«, schlug die Kommissarin vor. »Bis dahin wartet eine Menge Papierkram auf mich.«

»Das leidige Problem.« Hardy grinste.

»Komm, hör auf. Gib einfach zu, dass ich die Sache mit den Berichten langsam prima in den Griff bekomme«, konterte sie lächelnd.

»Für deine Verhältnisse kann man das durchaus so sehen. Ich musste dir nie weniger unter die Arme greifen als im Moment«, feixte er weiter.

»Ich dich auch«, entgegnete Hannah sarkastisch und zeigte ihm die Mittelfinger beider Hände. »Sagen wir um zwölf am Buffet?«

»In Ordnung«, willigte Çetin ein. »Bis dahin ist meine Recherche zu den Einbruchswerkzeugen hoffentlich abgeschlossen. Ich bin kein Fan von diesem Papierkram. Klingt es sehr zynisch, wenn ich sage, dass ich gerne zu einem handfesteren Verbrechen gerufen werden würde?«

»Allerdings«, riefen Hannah und Hardy im Chor.

»Sei froh, dass die schweren Jungs im Moment mit anderen Dingen als Mord oder Totschlag beschäftigt sind. Es wird früh genug wieder etwas passieren, das uns alles abverlangt und über Wochen die gesamte Freizeit beansprucht. Genieß die ruhigen Tage, mein türkischer Freund, denn sie sind gezählt. Verlass dich auf meine jahrelange Erfahrung.«

Çetin lachte. »Als ob du schon so viel länger im Job bist als ich. Aber meinetwegen, ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen, bin reuig und gelobe Besserung.«

»Mach das«, stimmte Hannah zu. »Bei dir, Jens, bleibt Zeit für einen Cold Case?«

Jens brummte zur Antwort. »Wie ich es hasse, dass jedermann seit dieser Fernsehserie zu den alten Fällen Cold Cases sagt. Meine Oma wäre damit völlig überfordert. Aber ja, im Moment ist es ruhig und entspannt, da kann ich mir zwischendurch Zeit nehmen, die Akten zu entstauben. Ich hoffe, dass ich damit nicht gleich Mord und Totschlag heraufbeschwöre.«

Hannah nickte. »Auf die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm können wir getrost verzichten.«

»Geb’s Gott«, erwiderte Çetin und erntete ein schallendes Lachen von seinen Kollegen. »Warum lacht ihr?«

»Weil du christlicher plapperst, als wir es je getan haben.«

»Das nennt man allerbeste Integrationsabsichten. Und völlig egal, wie man es nennt, ob Allah, Gott oder himmlische Hilfe, die Hauptsache bleibt, dass es etwas gibt, mit dem man sich Mut machen kann.«

»Wunderbar ausgedrückt, Kollege. Deine philosophische Ader weiß ich immer mehr zu schätzen«, erwiderte Hannah. Sie nickte Çetin anerkennend zu und hoffte, ihm damit ihre Aufrichtigkeit zu verdeutlichen. »Allerdings erinnere ich mich auch an den Spruch von vor etwa zwei Minuten. Tausche Einbruch gegen Mord.«

»Zeigt doch nur, dass ich Hartmanns Worte bereits verinnerlicht habe.« Er grinste keck.

»Welchen alten Fall hast du auf dem Schreibtisch liegen, Hardy?«, lenkte Hannah das Gespräch in eine ernstere Richtung.

»Ein vermisster Junge aus den achtziger Jahren. Er verschwand am 21. Mai 1982 von einem Spielplatz in Raunheim, den er vor seinem Verschwinden häufiger aufgesucht hatte. Man fand dort ein T-Shirt. Nach Aussagen der Mutter jenes, das er an diesem Morgen trug. Es besteht die Möglichkeit, dass weiterführende Spuren daran haften. Vor einigen Tagen habe ich es per Anordnung zur DNA-Analyse geschickt, bin gespannt, ob sich etwas ergibt. Heute schaue ich mir die Ergebnisse der Befragungen an, die damals durchgeführt und protokolliert worden sind. Ich checke, ob wir den einen oder anderen Zeugen nochmal zu einem Gespräch bitten sollten.«

»Wie alt war der Junge?«, fragte Hannah und schauderte bei dem Gedanken daran, was die Ermittlungen zutage fördern könnten.

»Eben erst neun geworden. Entsetzliche Sache, zumal die Tragödie noch tiefer ging. Alina, eine der Stiefschwestern des Jungen, wurde von seinem Verschwinden völlig aus der Bahn geworfen. Obwohl die Töchter der Familie einen anderen leiblichen Vater hatten, standen sich die Kinder sehr nah. Alina hatte ein inniges Verhältnis zu ihrem Bruder und wartete drei Jahre auf ein Lebenszeichen von ihm. Danach hielt sie dem seelischen Druck nicht mehr stand. Sie stieg auf das Dach eines Hochhauses in der Nahestraße in Raunheim und sprang in den Tod.«

Çetin sah Hardy betroffen an. »Was für eine furchtbare Tragödie! Ich mag mir nicht ausmalen, wie sehr das Kind gelitten haben muss, um keinen anderen Ausweg als einen Sprung in den Tod gesehen zu haben.«

»Absolut unmenschlich, was die Familie durchgemacht hat. Zuerst der verschwundene Sohn und danach ihr Mädchen, das sich aus lauter Verzweiflung das Leben genommen hat. Besonders entsetzlich finde ich, dass die Eltern und die verbliebene Tochter noch immer unter dem Verschwinden leiden und ständig zwischen Trauern, Hoffen und Bangen hin- und hergerissen werden. Zumindest habe ich das in anderen Fällen von den Familienmitgliedern so vermittelt bekommen. Auch wenn es schrecklich ist, aber falls wir einen Leichnam finden, egal ob eines natürlichen Todes gestorben, verunfallt oder getötet, wird es leichter zu ertragen und zu verarbeiten sein als diese stetige Ungewissheit«, mutmaßte Hardy traurig.

»Da stimme ich dir absolut zu«, sagte die Kommissarin in brüchigem Tonfall. Delikte, bei denen Kinder zu Schaden kamen, nahmen sie alle besonders mit. Selbst wenn sie versuchten, mit sachlichem Blick heranzugehen, konnten sie das Gefühl der Ohnmacht und der Wut kaum unterdrücken.

»Ich kann den Tod der Schwester nicht rückgängig machen. Doch sicher hilft es der restlichen Familie, besser mit der Situation zurechtzukommen, falls wir etwas herausfinden. Ich setze eine Menge Hoffnung in die DNA-Spuren, vielleicht finden wir einen brauchbaren Hinweis«, erklärte Hardy, und sein Gesichtsausdruck zeigte Entschlossenheit.

»Wenn es auswertbares Material und hilfreiche Informationen gibt, wirst du sie auch entdecken. Ich wünsche dir von Herzen viel Erfolg«, versicherte Hannah. Niedergeschlagen öffnete sie ihre Bürotür.

»Danke, Hannah, das weiß ich zu schätzen. Wir sehen uns nachher.«

21. Mai 1982

Matthias blieb abrupt stehen, als er den Jungen auf der Schaukel erblickte. Er blinzelte und schaute ein zweites Mal. Keine Frage, es handelte sich um Roberts Sohn Christopher. Er wohnte also jetzt in Raunheim.

Augenblicklich kamen ihm die Worte des letzten Gespräches mit seinem Cousin in den Sinn.

»Bernie verweigert mir den Umgang mit dem Kind. Stell dir vor, sie ist heimlich umgezogen, damit ich ihn nicht finden kann. Ich habe bei all ihren Freunden angerufen und sie gelöchert. Niemand rückt raus mit der Sprache. Die halten absolut dicht, was den Aufenthaltsort meines Sohnes betrifft. Dabei ist es für Christopher doch besser, dass er mit seinem Vater in Kontakt bleibt, oder?« Robert hatte flehend geschaut, bevor er weitersprach. »Klar sind viele Dinge geschehen, und die Schuld lag oft bei mir. Bernie hat Recht, wenn sie sauer wegen ihrer Töchter ist. Sie wollte, dass wir eine echte Familie werden. Aber ich konnte die Mädchen einfach nicht behandeln, als wären sie leibliche Kinder. So sehr ich auch versucht habe, ihren Erwartungen zu entsprechen, es ist mir nie gelungen.«

Matthias verstand nicht, was sein Cousin Robert an Bernie fand. Wegen ihrer achtunddreißig Jahre und der zwei Töchter aus erster Ehe hatte er immer gedacht, dass sie nur deshalb an Robert interessiert war, weil er ihr ein sicheres Nest bot. Nach Christophers Geburt waren bald Streitigkeiten und Unmut in den Alltag der Patchworkfamilie eingezogen. Da die beiden nicht verheiratet waren, hatte dieses Frauenzimmer seine Machtposition gegenüber Robert ausgenutzt. Sie hatte sämtliche Freiheiten in Anspruch genommen und sich nie dazu bewegen lassen, mit ihrem Partner an einem Strang zu ziehen.

»Wenn ich nur herausbekommen könnte, wo mein Sohn jetzt wohnt. Ich will ihn sehen, zumindest aus der Ferne, solange wir keine Einigung erzielt haben«, hatte Robert ihm sein Leid geklagt.

Matthias betrachtete den Cousin als armes und verweichlichtes Würstchen, weil er sich von dieser Frau derart abspeisen ließ. An seiner Stelle hätte er längst aufgeräumt und der Tussi gezeigt, wer der Herr im Hause ist und das Sagen hat. Ohne einen Hauch von Verständnis, und falls nötig auch mit körperlicher Gewalt.

Robert wird mich in den Himmel heben, wenn ich ihm anvertraue, dass ich weiß, wo Christopher ist.

Erneut warf er einen Blick auf den Jungen, der nun kopfüber an einem Klettergerüst hing. Ein herrlicher Jungenkörper, schlank und muskulös. Die Arme baumelten über dem Sand unter dem Gerüst. Auf seinem Gesicht, das wegen der Körperhaltung und vor Aufregung gerötet war, leuchtete ein glückliches Lächeln. Die grünen Augen strahlten vor Freude und fixierten einen Punkt auf der Wiese, auf der eine Gruppe Löwenzahn stand.

Matthias ahnte, was Christopher als Nächstes plante, und blieb am Beobachtungspunkt stehen. Der Knabe kletterte vom Gerüst und ging mit flinken Schritten auf die Grasfläche.

»Dachte ich mir. Himmel, wie wunderschön er ist!«, flüsterte Matthias leise.

Er schloss die Augen und versuchte, sich den Großcousin unbekleidet vorzustellen. Ein Stöhnen entfuhr ihm, und er wusste, dass er Robert die Entdeckung verschweigen würde. Zu gewaltig flammte das Verlangen in ihm auf.

Langsam ging er auf den Jungen zu und rief ihn beim Namen. Zufrieden registrierte er, dass Christopher ihn zu erkennen schien. Ohne Argwohn kam der Junge auf ihn zu und streckte ihm einen Löwenzahn entgegen.

»Schau mal, Onkel Matthias, da vorne gibt es noch viel mehr. Wollen wir sie zusammen wegpusten?«

In seiner Familie nannte man alle männlichen erwachsenen Männer seit jeher Onkel, während die weibliche Verwandtschaft mit ihren Vornamen gerufen und das Wort Tante vermieden wurde. Eine Gewohnheit, die Matthias nie verstanden oder hinterfragt hatte.

»Sehr gerne«, antwortete er mit schmeichelnder Stimme. »Weißt du, ich finde Pusteblumen klasse. Wir sollten sie in alle Winde verteilen, damit wir im nächsten Jahr ein Meer aus ihnen bestaunen können, was meinst du?«

Christopher schaute einen Moment verlegen, bis die Worte bei ihm ankamen. »Heißt das, aus jeder, die wir wegpusten, bekommen wir neue Blumen?«

»Ja, sicher, was dachtest du?«

»Eigentlich habe ich noch nie darüber nachgedacht. Aber wenn das so ist, nichts wie los«, antwortete Christopher und lachte laut auf. Er zerrte Matthias an seiner Hand zum Löwenzahn.

9. März 2014

Restaurant Golden Panda, Rüsselsheim

Das Golden Panda lockte zur Mittagszeit viele Arbeiter aus dem Gewerbegebiet Hasengrund in Rüsselsheim an. Das Angebot des Mittagsbuffets wurde gerne in Anspruch genommen, die reiche Auswahl und der faire Preis hatten sich rasch herumgesprochen. Hannah, Jens und Çetin mussten einen Moment am Eingang warten, bevor ein Tisch am Fenster frei wurde.

»Ich vermute, dass alle Ganoven in den Winterurlaub gefahren sind, weil hier der Frühling bereits Einzug hält«, spekulierte die Kommissarin sarkastisch und ließ ihren Blick über die Auswahl an dampfenden Speisen schweifen. Ihr Magen knurrte laut, denn heute Morgen war sie zu spät aufgestanden, um noch Gelegenheit zum Frühstücken zu haben. »Wir können uns also Zeit lassen und in Ruhe das Buffet plündern.«

»Klasse Idee, allerdings ist ordentlich was los hier. Die Frau kommt kaum mit dem Auffüllen hinterher«, antwortete Çetin und hob anerkennend den Daumen.

»Strategisch günstiger Ort eben. Jeder ist froh, in der Mittagspause etwas Warmes in den Bauch zu kriegen. Und wenn man sich auch noch vom Buffet bedienen kann und wenig Wartezeit hat, ist das doppelt praktisch, oder? Von mir aus können wir anfangen«, erklärte Hardy. Er stand auf und nickte seinen Kollegen aufmunternd zu.

»Bin dabei«, sagte Hannah grinsend.

»Hin und wieder wundere ich mich, dass ihr beide nicht bereits die Ausmaße eines Fasses angenommen habt«, stellte Çetin amüsiert fest. »So wie ihr an den Trog stürmt, könnte man meinen, es gibt kein Morgen mehr. Geht ihr ohne Frühstück aus dem Haus?«

Die Kommissare nickten, griffen zu den Tellern in der Warmhaltevorrichtung und begannen sich verschiedene Gerichte aufzutun.

»Lasst mir etwas übrig«, rief Çetin und winkte der Bedienung. »Ich muss zuerst was trinken.«

Nachdem die Beamten die erste Portion ihres Essens gierig verspeist hatten, fragte Hannah erneut nach dem Jungen aus dem alten Fall.

»Sag mal, Hardy, habt ihr außer dem T-Shirt noch andere Beweisstücke in der Asservatenkammer?«

»Nein. Ich weiß natürlich nicht, wie gründlich die Kollegen damals den Spielplatz und die Umgebung abgesucht haben. Warum fragst du?«

»Weil ich darüber nachdenke, weshalb er sein T-Shirt ausgezogen hat. Im Mai ist es doch nicht so warm, oder?«

»Die Wetterdaten von diesem Tag muss ich mir noch ansehen. Danke für den Tipp, werte Kollegin.« Er zwinkerte ihr freundlich zu. »Sonderbar fand ich das allerdings auch. Zumal er vor der Schule dort hingegangen ist. Die ersten beiden Stunden fielen an dem Tag aus, und er hatte seiner Mutter versprochen, auf die Uhrzeit zu achten, um rechtzeitig vom Spielplatz loszulaufen.«

»Verstehe. Also warum zieht der Junge sich aus? Das würde ich an deiner Stelle noch einmal hinterfragen.«

»Ich könnte mir vorstellen«, warf Çetin ein, »dass er irgendetwas zum Anziehen in die Schultasche gesteckt hat. Was Cooles, wie ein Batman-Shirt oder so, und sich dort umgezogen hat. Dabei hat er einfach vergessen, das andere T-Shirt wieder einzupacken.«

»Hmm, das kenne ich eher von Mädchen. Aber könnte so gewesen sein.«

»Na, komm, ich habe das früher genauso gemacht«, erzählte Çetin fröhlich und schien in nostalgischen Gedanken zu schwelgen. »Ich hatte so eine Jeansweste mit verschiedenen Aufnähern und Abzeichen. Meine Mutter hat sie gehasst und mir verboten, sie auch nur eine Minute in der Schule zu tragen. Keine Ahnung, ob sie je herausgekriegt hat, dass ich sie genau auf diese Weise ausgetrickst habe.«

Hannah lachte auf. »Sorry, aber du in einer Jeansweste mit Abzeichen, höchstwahrscheinlich noch von einem Böse-Buben-Verein, das kann ich mir keinesfalls an dir vorstellen.«

»Sehr witzig«, knurrte Çetin leise. »Wer weiß, was du in deiner Jugend getrieben hast. In Sachen Vergangenheit bist du nie besonders redselig, oder?«

Der Blick der Kommissarin wurde schlagartig ernst. »Nein, das bin ich tatsächlich nicht, und glaube mir, Kollege Alkan, dafür gibt es ausreichend Gründe. Solange ich selbst mit der Bewältigung …«

Ihr Mobiltelefon begann das Lied »Der Kommissar« zu spielen. Verwundert schaute sie auf das Display. Was konnte der Chef von ihr wollen?

»Boss, was kann ich für Sie tun?«

»Ich bin gerade in unserem etwas verwaisten Revier, weil ich eine kleine Auszeit von meiner Behandlung genieße. Wollte mal sehen, was hier ansteht und ob Sie Ihre Akten im Griff haben.« Er lachte laut auf.

»Sehr witzig«, beschwerte sich Hannah und schoss zurück: »Und weil Sie außer Ihrem Job keine Hobbys haben, dachten Sie, dass Sie direkt ins Präsidium fahren, um uns zu kontrollieren und uns Feuer unterm Hintern zu machen?«

»Nein«, antwortete Mitheimer beschwichtigend. »Ich wollte Sie nicht angreifen, das sollte nur ein Scherz sein. Scheint die Wirkung verfehlt zu haben. Eigentlich bin ich hergekommen, um ein paar persönliche Dinge aus dem Büro zu holen und eine oder zwei alte Fallakten. Ich kann die Langeweile während der Behandlung kaum mehr ertragen. Schon ein Vierteljahr, in dem ich mein Hirn nur pflegen und nicht anstrengen darf. Das schlägt mir aufs Gemüt. Na, jedenfalls dachte ich, dass ich Hartmann aus der Ferne ein wenig unter die Arme greifen könnte, indem ich helfe, die alten Fälle zu lesen. Dabei erkennt man zweifelsohne rasch, wo es sich lohnt, noch einmal nachzuhaken.«

»Soll ich Ihnen Hardy geben? Er sitzt mir gegenüber, und Çetin Alkan ist auch hier.«

»Nein, lassen Sie mal. Weshalb ich anrufe, hat andere Gründe. Als ich ins Büro gekommen bin, klingelte das Telefon. Ich bin rangegangen und habe eine Anzeige aufgenommen.«

»Worum geht es?«

»In der alten Disco in der Stadt, dem Canadian Club, sind in der Nacht laute Geräusche zu hören gewesen.«

»So sollte das doch im Tanzschuppen auch sein, oder?«

»Quatsch. Das Ding ist seit vielen Jahren dicht. 2008 hat es dort gebrannt und seither verfällt dieses wunderbare Gebäude mehr und mehr. Das war allerdings vor Ihrer Zeit hier. Sie konnten das nicht wissen, Verzeihung.«

Hannah fragte verwundert: »Was machen die mit Ihnen während Ihrer Behandlung?«

»Das wollen Sie keinesfalls genauer beschrieben haben. Aber was soll die Frage?«

»Weil Sie mich so vorsichtig behandeln und sich für alles entschuldigen.«

»Muss mein schlechtes Gewissen sein. Schließlich war ich wenig zimperlich im Umgang mit Ihnen, als wir das letzte Mal zusammen einen Fall gelöst haben.«

»Stimmt. Allerdings sehe ich das nicht so eng in Anbetracht Ihrer …«

»Stopp«, rief Mitheimer gereizt. »Ich brauche kein Mitleid und möchte, dass meine Erkrankung nie Thema zwischen uns beiden ist, verstanden?«

»Absolut.«

»Gut, dann wischen Sie sich mal den Mund ab und kommen rüber. Bringen Sie die Kollegen Hartmann und Alkan mit.«

»Alles klar, wir sind schon fast bei Ihnen.«

Hannah erzählte Jens und Çetin in Kurzfassung, was Herr Mitheimer ihr mitgeteilt hatte, während sie der Bedienung zuwinkte, um die Rechnung zu bestellen.

»Oha, das Candy, da muss ich aufpassen, dass ich keine Spuren hinterlassen habe, so oft wie ich früher dort gewesen bin«, lachte Çetin und fingerte umständlich sein Portemonnaie aus der Hosentasche.

»Vermutlich in deiner Jeansweste, du alter Rocker.« Hardy grinste und ging zur Garderobe.

»Nein«, rief Çetin ihm hinterher. »Im Candy gab es wenig Chancen, in Jeans und T-Shirt hineingelassen zu werden. Zumindest in den Anfangszeiten war elegante Kleidung ein Muss, um den Tanztempel betreten zu dürfen.«

»Vom Rocker zum Popper«, meinte Hannah. Sie drückte der Kellnerin das Geld für die Rechnung in die Hand und machte sich zusammen mit ihren Kollegen auf den Weg zum Ausgang.

21. Mai 1982

Christopher lief glücklich durch die Reihen der Blumen und pustete die weißen Schirmchen des Löwenzahns in den Himmel. Matthias spielte einige Minuten mit und beobachtete ihn, entschlossen, seine Fantasien noch eine Weile im Griff zu behalten. Doch der Bub, der absolut arglos und unbekümmert beschäftigt war, ließ Gier und krankhafte Leidenschaft in ihm aufkochen. Mit trockenem Mund hielt er Christopher an der Schulter fest, drehte ihn zu sich herum und fragte lächelnd: »Weiß deine Mami, dass du hier auf dem Spielplatz bist?«

»Ja. Und ich muss gleich los, wir haben bald Unterricht.«

»Verstehe, du wolltest also vorher noch schnell ’ne Runde toben?«

Der Junge nickte. »Genau, mache ich immer, wenn wir später Schule haben.«

»Ach, Mist, ich dachte, du würdest mit mir dort hinten in den Keller gehen.« Er zeigte auf eines der Gebäude neben der Wiese. »Mein Freund hat angerufen und mir erzählt, dass er da unten ein Zebra gesehen hat. Vermutlich hat er mich angeschwindelt, aber ich glaube, nachsehen kann nicht schaden, oder?«

Christopher schaute ihn begeistert an.

»Aber natürlich musst du jetzt los. Die Schule ist wichtig, das weißt du doch.«

Der Junge nickte enttäuscht.

»Vielleicht können wir uns für heute Nachmittag verabreden? Ich komme wieder her und hole dich ab. Was hast du denn gleich für eine Stunde?«

»Nur Musikunterricht«, antwortete Christopher, und in seinen Augen blitzte die Hoffnung auf, dass Matthias das Fach als genauso unwichtig ansah wie er selbst.

»Musik? Musst du da hingehen? Ein neues Lied kannst du auch von mir lernen. Wir müssen es deiner Mutter nicht sagen und hätten ein Geheimnis. Bist du dabei?«

Nervös starte das Kind auf seine Hände, die es unablässig knetete. »Aber wenn der Lehrer meine Mama anruft, dann weiß sie, dass ich unartig war.«

»Wir gehen rasch rüber, schauen nach und dann fahre ich dich zur Schule. Ich schreibe dir eine Entschuldigung, dass du ein klein bisschen zu spät kommen musstest. Schließlich kriegt man nicht jeden Tag die Chance, ein Zebra zu sehen, oder? Stell dir nur vor, wie deine Klassenkameraden staunen werden, wenn du ihnen nachher davon erzählst. Ich meine, falls es wirklich dort unten ist. Wie sieht’s aus?«

»Okay«, willigte Christopher ein. »Lass uns nachsehen.«

»Allerdings musst du dein T-Shirt ausziehen. Es ist schmutzig dort, und ich habe gehört, dass Zebras sich nur sauberen Menschen zeigen.«

»Quatsch, wer sagt denn sowas?«

»Einer im Fernsehen in einer Tiersendung, und ich glaube, der Mann hat keinen Spaß gemacht. Besser, du ziehst es einfach aus. Ist ja schön warm heute.«

»Na gut«, erwiderte der Junge, zog widerstrebend sein T-Shirt über den Kopf und warf es achtlos auf den Boden. Matthias durchfuhr ein Blitz aus Begehren, als er auf die nackte Haut des Kindes sah.

»Beeil dich«, keuchte er, »wir wollen doch nicht allzu spät in der Schule ankommen.«

Energisch zog er Christopher an der Hand in Richtung des Hauses, während er gedanklich nach Möglichkeiten suchte, den Knaben in seiner Gewalt zu behalten.

9. März 2014

Polizeipräsidium

»Guten Tag, werte Kollegen«, begrüßte Josef Mitheimer sie. Man sah ihm an, dass er sich über das Wiedersehen freute. »Kommen Sie mit Herrn Götzenbrenner klar? Ich meine, stört es Sie, dass er Ihre Entscheidungen quasi pro forma absegnen muss? Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich halte Sie drei für unfähig, diese Abteilung zu leiten. Doch ich wollte einen Mann hier sitzen haben, mit dem ich auch privat gute Kontakte pflege. So konnte und kann ich während meiner Behandlung Einsicht in alles bekommen, was hier geschieht.«

»Was spricht dagegen, dass Sie diesbezüglich mit uns sprechen?«, fragte Hardy und nahm ihm gegenüber am Schreibtisch Platz.

»Herr Hartmann, Sven Götzenbrenner ist ein langjähriger Freund, dem ich zumuten kann, dass er mich besucht und meinen jammervollen Zustand erträgt. Er wird, wenn ich wieder auf dem Posten bin, zurückversetzt. Mit Ihnen werde ich nach der Genesung, die hoffentlich weiter voranschreitet, wieder zusammenarbeiten. Deswegen. Ich möchte nicht, dass Sie das Bild eines kranken und schwachen Mannes im Hinterkopf haben. Und bevor Sie jetzt Einwände vorbringen, vergessen Sie es. So will ich es haben und so wird es gemacht, basta.«

»Ich freue mich auch, Sie zu sehen, Herr Mitheimer«, antwortete Hannah mit in die Hüften gestemmten Armen. »Der Kollege Götzenbrenner ist ausgesprochen verständnisvoll und loyal uns gegenüber. Denken Sie nur nicht, dass wir uns nicht darüber im Klaren sind, dass seine Anweisungen in Wirklichkeit von Ihnen stammen. Dazu lieben Sie Ihre Arbeit als Polizist zu sehr, und genau genommen kommt uns dieser Umstand absolut entgegen.« Sie lächelte freundlich.

»Ist auch nicht viel passiert in den letzten Monaten«, fügte Çetin hinzu.

»Womit wir beim Grund meines Anrufes bei Frau Bindhoffer sind.« Josef Mitheimer griff nach einem Notizzettel auf dem Schreibtisch. »Ein Herr Markus Witwenkamp meldete vorhin, dass er bereits des Öfteren laute Geräusche im Canadian Club gehört hat. Er wollte von mir erfahren, ob im Candy, so nennen es die meisten Rüsselsheimer, die Bauarbeiten wieder aufgenommen wurden und warum in der Nacht gearbeitet wird. Als ich ihm erklärte, dass ich von keinen baulichen Maßnahmen weiß, bat er darum, dass man dort einmal nachschaut, was los ist.«

»Und weshalb sollen wir uns das ansehen? Ich meine, reicht es nicht aus, eine Streife vorbeizuschicken?«

»Im Prinzip haben Sie damit Recht, Kollege Hartmann. Vorhin ist bereits ein Wagen vorbeigefahren und hat von außen einen Blick auf das Gelände geworfen. Da sie keine Auffälligkeiten bemerkt haben, haben sie mir Entwarnung gegeben. Aber Herr Witwenkamp erzählte mir außerdem, dass er am Morgen mit seiner Freundin gesprochen habe, die ebenfalls vom Lärm geweckt worden sei. Sie meinte allerdings, dass es für sie nicht nach Bauarbeiten, sondern eher nach einem Schuss geklungen hätte. Weshalb ich sichergehen möchte und eine zusätzliche Inspektion der Räume vorschlage.«

»Warum hat der Mann so lange gewartet, bis er angerufen hat?«

»Weil er den halben Vormittag mit seiner Freundin diskutiert hat, ob sie Recht haben könnte. Er erklärte mir zusätzlich, dass sie oft Probleme mit Angstzuständen habe und er deshalb der Meinung sei, dass es sich keinesfalls um einen Schuss handeln könne. Trotzdem würde er gerne wissen, was im Gange ist. Ich übrigens auch.«

»Wo wohnt Herr Witwenkamp?«, fragte Hannah.

»Direkt nebenan im alten Hotel Mainlust. Er hat eines der Zimmer gemietet, die zur Verfügung stehen, bevor die Umbauarbeiten in diesem Jahr beginnen. Da Sie vorhin erwähnten, dass es hier im Augenblick ohnehin ausgesprochen friedlich ist, schlage ich vor, zwei von Ihnen machen sich auf den Weg.«

»Dann rücken Sie mal raus mit der Sprache«, erwiderte die Kommissarin und sah ihren Chef herausfordernd an.

»Was meinen Sie, Frau Bindhoffer? Womit soll ich rausrücken?«

»Wer dort hinfahren soll. Zweifelsohne haben Sie dazu schon genaue Vorstellungen.« Sie grinste kokett.

»Wie gut, dass Ihr Spürsinn im letzten Vierteljahr nicht nachgelassen hat. Natürlich werden Sie und Herr Alkan fahren. Mit dem Kollegen Hartmann möchte ich in der Zwischenzeit über den Stand der alten Vermissten- und Mordfälle reden. Viel Zeit bleibt mir nicht, ich muss heute Nachmittag wieder zurück sein. Und bis dahin will ich auf alle Fälle genug Arbeit im Gepäck haben. Auch um zu verhindern, dass ich erneut Stunde um Stunde auf einen Anruf von Götzenbrenner warten und dabei das Treiben um Deutschlands Kleiderschränke und sämtliche Kochshows konsumieren muss. Sie ahnen hoffentlich kaum, was im Nachmittagsprogramm so alles ausgestrahlt wird. Kennen Sie zum Beispiel die Sendung, in der …«

Hannah räusperte sich vernehmlich. »Çetin, du hast den Boss gehört. Lass uns losfahren.«

9. März 2014

Mainstraße, Rüsselsheim

Hannah und Çetin stellten den Wagen auf dem weitläufigen Parkplatz am Mainufer ab und liefen zum ehemaligen Canadian Club.

»Heiliges Kanonenrohr. Hier ist ja echt seit Jahren nichts mehr gemacht worden, oder?« Entsetzt starrte Hannah auf einen relativ großen Gebäudekomplex, an dem an der rechten Seite des Dachs Schilder mit dem Namen des Tanzlokales, einer Biermarke sowie dem Zusatz Sommergarten prangten. Die hiesige Fauna hatte sich Teile der Anlage durch Wildwuchs zurückerobert, und viele der Fensterscheiben waren zerschlagen. Am ehemals mit Sicherheit wunderschönen Zaun im Westernstil blätterte die Farbe großzügig ab, und auch das hölzerne Eingangstor hatte schon bessere Tage gesehen.

»Was für ein traumhaftes Gebäude. Warum macht sich niemand die Mühe, es wieder aufleben zu lassen?«, fragte Hannah ungläubig.

»Weil es nach dem Brand im November 2008 absolut hinüber war. Soweit ich mich erinnere, wurde bei den Löscharbeiten der komplette Keller unter Wasser gesetzt. Neben den Schäden durch das Löschwasser ist beim Feuer auch eine Wasserleitung kaputtgegangen. Niemand scheint der Meinung zu sein, dass sich eine Komplettsanierung noch lohnt«, erklärte Çetin.

»Weshalb weißt du so genau, wann das passiert ist?«, fragte Hannah überrascht.

»Meine Mutter hat am 13. November Geburtstag, und genau in dieser Nacht ist das Feuer ausgebrochen. Der Brandherd lag vermutlich im Inneren des Hauses. Jedenfalls habe ich das dem Bericht der Feuerwache so entnommen.«

»Weißt du auch, ob Brandstiftung als Ursache in Frage kam?«

»Davon sind die Kollegen seinerzeit ausgegangen, da das Feuer gleichzeitig an vier Stellen ausbrach. Ob es jemals dazu kam, dass sie den Täter gefasst haben, kann ich dir nicht sagen. Das müssten wir im Archiv nachschlagen.«

»Alles klar, dann lass uns jetzt mal zu Herrn Witwenkamp gehen und ihn befragen.«

»Unnötig, denke ich. Der Kerl da vorne schaut schon eine Weile zu uns und lässt uns nicht aus den Augen. Vermutlich ist er es.«

Çetin Alkan ging auf den Mann zu und erkundigte sich nach einer höflichen Begrüßung, ob er Herr Witwenkamp sei.

»Ja, angenehm.« Witwenkamp streckte den Beamten seine Hand entgegen. »Ich bin froh, dass Sie hier sind. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich weiß, dass Cora mitunter ein paar … sagen wir mal, Hirngespinste hat. Deshalb schläft sie auch häufig mit in meinem beengten Zimmer, obwohl ihre eigene Wohnung in der B-Siedlung viel größer ist. Die Angst, es könnte jemand bei ihr einsteigen, ist oft übermächtig für sie. Aber sie hat heute Morgen derart vehement darauf bestanden, dass sie einen Schuss gehört hat, dass ich ihr fast glauben möchte. Wir schauen also besser zügig im Club nach.«

»Sie sehen nirgendwo hinein. Das müssen Sie uns überlassen. Entschuldigung, die Vorschriften verlangen das so.«

Der Mann mittleren Alters, den Hannah erst jetzt genauer in Augenschein nahm, blickte beleidigt in ihre Richtung. Seine muskulösen Arme in die Hüften gestützt, schien er nach einer trotzigen Antwort zu suchen.

»Bevor wir uns Zutritt verschaffen, erzählen Sie mir bitte noch einmal, wann Sie die verdächtigen Geräusche in etwa gehört haben«, bat Hannah freundlich.

»Ich hörte sie gegen zwei. Weil ich danach nicht gleich wieder einschlafen konnte, holte ich mir ein Glas Milch. Dabei habe ich in der Küche auf die Uhr gesehen, es war acht Minuten nach zwei. Cora behauptet, dass der vermeintliche Schuss etwa um halb fünf gefallen ist.«

»Hat sie Sie nicht geweckt?«, wollte Çetin wissen.

»Wenn ich schlafe, kriegt mich so rasch niemand wach. Sie hat es mehrmals versucht, allerdings erfolglos. Den Rest der Nacht hat sie mit der Bettdecke über dem Kopf verbracht und gelauscht, ob sie noch mehr hört.«

»Herzlichen Dank, Herr Witwenkamp. Wären Sie so freundlich, jetzt wieder auf Ihr Zimmer zu gehen? Wir kommen zu Ihnen herüber, sobald wir hier fertig sind.«

»Die Sonne scheint heute so schön. Kann ich auch im Rind auf Sie warten?« Er deutete auf das Haus nebenan, vor dem bereits einige Tische und Stühle aufgestellt worden waren.

»Wie Sie meinen«, erwiderte Hannah. »Solange Sie dort sitzen bleiben und nicht auf die Idee kommen, uns hinterherzuschleichen«, ergänzte sie in einem Ton, der keine Widersprüche zuließ.

»Versprochen. Ich trinke einen Kaffee. Im Gegenzug wäre es nett, wenn Sie mir nachher alles genau berichten.«

»Soweit wir dabei nicht unsere Vorschriften überschreiten, gern«, versicherte Çetin. Mit einer Kopfbewegung deutete er Hannah an, loszugehen.

9. März 2014

Polizeipräsidium

»Wie kommen Sie mit der Recherche zu den alten Fällen voran, Hartmann? Haben Sie sich bereits einen Überblick verschafft, welcher der, ich sage es mal auf neudeutsch, Cold Cases für eine erneute Aufnahme der Ermittlungen in Frage käme?«

»Letzte Woche habe ich das zurückgelassene T-Shirt aus dem Vermisstenfall Christopher Friedmann zur Analyse gegeben«, antwortete Jens Hartmann. »Ich rechne damit, in den nächsten Tagen konkrete Ergebnisse zu bekommen. Mit ein wenig Glück findet das Labor außer der DNA des vermissten Jungen auch Fremdspuren.«

»Was ist damals passiert? Frischen Sie meine Erinnerung bitte rasch auf.«

Hardy begann, ihm den Fall zu schildern. Nach kurzer Zeit hob Mitheimer die Hand und stoppte Hardys Redefluss. »Danke, ich kann mich wieder erinnern, diese Tochter nahm sich das Leben, stimmt’s?«

»Genau.«

»Sprang von einem der Hochhäuser in der Nahestraße in Raunheim, entsetzliche Sache.«

Insgeheim bewunderte Hardy die Fähigkeit seines Chefs, sich nach so vielen Jahren an die Details eines Vermisstenfalles erinnern zu können. Andererseits gruben sich Fälle, in denen Kinder verschwanden und nie wieder auftauchten, auch tief in die Gedächtnisse aller ein. Das Gefühl der Machtlosigkeit war bei solchen Ereignissen extrem ausgeprägt und hatte bereits so manchen Kollegen in die Arme eines Therapeuten getrieben. Insbesondere dann, wenn man den Leichnam eines Heranwachsenden auffand und den Mörder nie hinter Schloss und Riegel bringen konnte.

»Und Sie denken, dass wir, falls es eine weitere DNA-Spur auf dem T-Shirt des Buben gibt, den Täter in der DNA-Analyse-Datei finden werden?«

»Ich hoffe natürlich, dass es so einfach ist. Wenn wir einen genetischen Fingerabdruck haben und er nicht in unserer Datenbank gespeichert wurde, bleibt immer noch die Möglichkeit, die Befragten nochmals genauer in Augenschein zu nehmen.«

Mitheimer nickte. »Allerdings wissen Sie so gut wie ich, dass sich Erinnerungen an ein so lange zurückliegendes Ereignis mit den Jahren immer mehr verwaschen. Glauben Sie also nicht, dass Sie von den Zeugen und Befragten heute noch präzise Angaben zu Uhrzeiten oder genauen Abläufen erhalten werden.«

Hardy seufzte laut. »Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber wenn man beginnt, sich mit alten Fällen zu beschäftigen, muss man schließlich irgendwo ansetzen. Als Start wären eine brauchbare DNA-Spur und ein Treffer in der DAT selbstverständlich traumhaft. Dennoch wage ich kaum, darauf zu hoffen.«

»Ihr Vorgehen ist absolut in Ordnung, Herr Hartmann. Ich möchte Ihnen im Vorfeld nur verdeutlichen, wie schwierig die Aufnahme alter Ermittlungen werden kann. Trotzdem bietet sich auch nach vielen Jahren die Chance, endlich Gewissheit zu erlangen und im schlimmsten Fall wenigstens einen Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen. Letztendlich können wir nur gewinnen, denn außer Ihrer Zeit und Arbeitskraft kostet es uns nichts. Wenn es uns gelingt, nur einen einzigen der Cold Cases aufzuklären, sind wir auf der Gewinnerseite. Sie merken es, ich schweife ab, dabei sollte ich schon längst mit Ihnen über den Akten sitzen und mir ein bis zwei davon zur weiteren Beurteilung unter den Arm geklemmt haben. Mein Hirn ist noch immer nicht ganz auf den flotten Dampfer zurückgekehrt.« Er hob entschuldigend die Hände.

Hardy fiel es schwer, seinem Vorgesetzten im Plauderton zu begegnen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie schwierig es für Mitheimer war, in der Rolle des Chefs zu agieren, ohne die derzeitigen Schwächen in den Vordergrund zu stellen.

»Wir haben uns eine Weile nicht gesehen, da muss auch mal Zeit für ein kleines Schwätzchen sein«, versuchte er, die Bemerkung des Chefs abzuschwächen. »Lassen Sie uns loslegen.«

9. März 2014

Canadian Club, Rüsselsheim

Der Schlüssel zum Club lag an der Rezeption des Hotels Mainlust. Josef Mitheimer, der mit dem jetzigen Besitzer des Grundstücks befreundet war, hatte dies nach einem Telefonat erfahren und seine Kollegen bereits angekündigt. Als Hannah und Çetin im Hof auf einen eifrig arbeitenden Mann trafen, war dieser sofort im Bilde und begrüßte sie freundlich.

»Sie kommen wegen der Schlüssel, oder?«

»Genau. Sieht man uns das schon aus der Ferne an?«, fragte die Kommissarin belustigt. Sie streckte ihm die Hand entgegen und stellte sich und ihren Kollegen vor.

»Nee, aber sonst ist hier im Moment eher wenig Publikumsverkehr. Es wird alles umgebaut und renoviert. Nur in einem einzigen Zimmer ist noch ein Gast. Er hat sich hier notfallmäßig für die nächsten Wochen eingemietet. Im Augenblick können wir jeden Euro brauchen, deshalb habe ich ihm eines der Gästezimmer überlassen, obwohl sie im Moment eigentlich nicht zu vermieten sind.«