Collection No. 4 - Shadows of Love - Stella Marcus - E-Book

Collection No. 4 - Shadows of Love E-Book

Stella Marcus

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Beschreibung

Lust auf Liebe - Shadows of Love, die erotische Liebesromanserie: in sich abgeschlossene Geschichten mit vielen Höhepunkten und Happy-Endings. Junge Frauen treffen auf mächtige Männer, die sie emotional und erotisch in ihren Bann ziehen. Doch die Männer haben dunkle Geheimnisse ...

Dieses E-Book enthält drei prickelnde Abenteuer der beliebten Erfolgsserie:

Stella Marcus: "Fesselspiele".

Isabell Miller träumt von einer Karriere als Sängerin. Ihr Gesangsstudium finanziert sie sich als Kellnerin im Kölner Vier-Sterne-Hotel Caspari. Dabei verliebt Isabell sich in den charismatischen Pianisten Leon, der eine Suite des Hotels bewohnt und ab und an in der Hotelbar spielt. Leon verführt Isabell und sie genießen prickelnde Stunden zu zweit - bis sie ihm ihre Liebe gesteht. Doch warum reagiert Leon so abweisend?

Jaden Tanner: "Verhängnisvolles Verlangen".

Claire Morgan hat einen neuen Job in einer renommierten Frankfurter Werbeagentur. Obwohl ihre Kollegin sie warnt, beginnt Claire eine heiße Affäre mit dem Geschäftsführer Georg Neumann. Mit der Zeit verdichten sich aber die Hinweise, dass an den abenteuerlichen Geschichten der Kollegin über ihren Chef doch etwas dran sein könnte-

Kelly Stevens: "Riskante Lust".

Erst vor kurzem ist Emily Martin bei ihrem neuen Freund Christopher Brooks eingezogen. Christopher ist der attraktive Geschäftsführer einer IT-Firma und zugleich Emilys Chef. Die junge Informatikerin ist allein zuhause, als sie von Einbrechern überrascht wird. Zum Glück kann sie flüchten. Doch warum spendet Christopher ihr nach diesem schrecklichen Erlebnis keinen Trost, sondern verlangt, dass sie zu Freunden zieht?

Die einzelnen Episoden erscheinen jeden Monat neu, als Romanheft und E-Book. Für alle Fans von "Colours of Love".

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Seitenzahl: 374

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Inhalt

Cover

Über diese Folge

Über die Autorinnen

Titel

Impressum

Fesselspiele

Verhängnisvolles Verlangen

Riskante Lust

Lust auf Liebe – Shadows of Love, die erotische Liebesromanserie: in sich abgeschlossene Geschichten mit vielen Höhepunkten und Happy-Endings. Junge Frauen treffen auf mächtige Männer, die sie emotional und erotisch in ihren Bann ziehen. Doch die Männer haben dunkle Geheimnisse …

Dieses E-Book enthält drei prickelnde Abenteuer der beliebten Erfolgsserie zum günstigen Sammlerpreis:

Über diese Folge

Stella Marcus: »Fesselspiele«

Isabell Miller träumt von einer Karriere als Sängerin. Ihr Gesangsstudium finanziert sie sich als Kellnerin im Kölner Vier-Sterne-Hotel Caspari. Dabei verliebt Isabell sich in den charismatischen Pianisten Leon, der eine Suite des Hotels bewohnt und ab und an in der Hotelbar spielt. Leon verführt Isabell und sie genießen prickelnde Stunden zu zweit - bis sie ihm ihre Liebe gesteht. Doch warum reagiert Leon so abweisend?

Jaden Tanner: »Verhängnisvolles Verlangen«

Claire Morgan hat einen neuen Job in einer renommierten Frankfurter Werbeagentur. Obwohl ihre Kollegin sie warnt, beginnt Claire eine heiße Affäre mit dem Geschäftsführer Georg Neumann. Mit der Zeit verdichten sich aber die Hinweise, dass an den abenteuerlichen Geschichten der Kollegin über ihren Chef doch etwas dran sein könnte …

Kelly Stevens: »Riskante Lust«

Erst vor kurzem ist Emily Martin bei ihrem neuen Freund Christopher Brooks eingezogen. Christopher ist der attraktive Geschäftsführer einer IT-Firma und zugleich Emilys Chef. Die junge Informatikerin ist allein zuhause, als sie von Einbrechern überrascht wird. Zum Glück kann sie flüchten. Doch warum spendet Christopher ihr nach diesem schrecklichen Erlebnis keinen Trost, sondern verlangt, dass sie zu Freunden zieht?

Die einzelnen Episoden erscheinen jeden Monat neu, als Romanheft und E-Book. Für alle Fans von »Colours of Love«.

Über die Autorinnen

Stella Marcus hat ein Faible für erotische Liebesgeschichten, bei denen es gerne dramatisch zugehen darf - so lange es ein „Happy End“ gibt. Zu neuen Ideen lässt sie sich am liebsten auf ihren Reisen nach Italien und Frankreich inspirieren. Die Autorin lebt und arbeitet in Köln und Neapel.

Jaden Tanner, Jahrgang 1976, entdeckte bereits als Schülerin ihre Leidenschaft fürs Schreiben. Der Aufsatz, den sie als Strafe für einen Streich verfassen musste, entwickelte sich zu einer Kurzgeschichte, für die sie sogar eine Auszeichnung erhielt.

Inzwischen kann Jaden Tanner auf zahlreiche Veröffentlichungen von Romanen und Kurzgeschichten zurückblicken. Mit ihren Beiträgen zu „Caprice“ und „Shadows of Love“ hat sie sich zuletzt das Genre der erotischen Literatur erschlossen.

Kelly Stevens studierte in England Literatur und Kreatives Schreiben und arbeitete in Deutschland in verschiedenen Jobs im Medienbereich. Sie lebt als Autorin und Bloggerin mit ihren zwei Hunden in der Nähe von Köln.

Stella Marcus – Jaden Tanner – Kelly Stevens

Collection No. 4

BASTEI ENTERTAINMENT

Digitale Originalausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Titelillustration: © shutterstock/Andrey tiyk; thinkstockphotos/Thomas Northcut; shutterstock/Inozemtsev Konstantin

Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer

E-Book-Erstellung: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1006-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Stella Marcus

Fesselspiele – Shadows of Love

Seit zwei Stunden gehe ich das Gespräch in Gedanken immer wieder durch. Aber es hilft nichts. Am Ende höre ich mich jedes Mal in den Hörer flöten: »Ja, natürlich kann ich zwei Wochen früher anfangen. Nein, gar kein Problem. Danke, bis gleich.« Was habe ich mir nur dabei gedacht? Eigentlich muss ich dringend für meine Gesangsprüfung am Semesterende proben. Klausuren stehen auch noch an. Ich weiß so schon nicht, wie ich das alles schaffen soll. Trotzdem genügt ein Anruf, und ich sitze in der riesigen Eingangshalle des Vier-Sterne-Hotels Caspari, mit Rhein- und Domblick. Beides kann ich nicht genießen, weil ich mich furchtbar über mich selbst ärgere. Eigentlich hätte ich heute Abend mein erstes Engagement als Sängerin gehabt. In einem alten Jazzkeller in der Kölner Altstadt. Zwei Stunden lang die Gäste unterhalten und morgen wieder zurück an die Uni. So war der Plan. Jetzt springt eine Kommilitonin für mich ein. Und ich gehe wieder leer aus. Aber es war ja meine Entscheidung. Das Hotel zahlt nun mal mehr. Und das, obwohl ich dort nicht einmal singe, sondern kellnere. Aber was hätte ich sagen sollen? »Bei Ihnen ist eine Thekenkraft ausgefallen? Ob ich früher anfangen kann? Gleich heute Abend? Nein, suchen sie sich wen anders, tschüs.« Wohl nicht. Köln ist eine teure Stadt, und ich muss mein Gesangsstudium ja irgendwie finanzieren. Also warte ich darauf, dass mir die Rezeptionistin zeigt, was ich heute so Dringendes arbeiten soll.

Nancy heißt sie. Das hat sie mir gerade schon gesagt, bevor sie den Anruf eines Stammkunden annehmen musste. Den Gesprächsfetzen nach zu urteilen, die ich mithören kann, möchte jemand ein bestimmtes Zimmer reservieren, das leider schon besetzt ist. Nancy entschuldigt sich schon zum dritten Mal dafür, bleibt aber weiter freundlich und sachlich. Sie reagiert nicht nur äußerst professionell, sie ist auch noch eine wahre Schönheit. Ihre blonden Haare glänzen fast golden. Ihr Lidstrich wirkt absolut natürlich, und ihr knappes schwarzes Kostüm sitzt, als wurde es extra für sie angefertigt. Außerdem ist sie mindestens einen Kopf größer als ich. Aber vielleicht liegt das auch an ihren gefährlich hohen Pumps.

Dagegen wirken meine Ballerinas regelrecht kindlich. Ganz zu schweigen von meinen Haaren! Mein dunkler Bob steht zu allen Seiten ab. Wer mich sieht, muss denken, dass ich gerade frisch aus dem Bett gefallen bin. Aber um meine dünnen Fransen zu bändigen, brauche ich einfach mehr Zeit. Und es ging ja alles so schnell. Nicht einmal meine Bluse konnte ich noch bügeln. Jetzt muss ich den ganzen Abend meinen Blazer tragen, weil sonst jeder die Falten sieht. Sehr professionell. Und zuknöpfen kann ich ihn auch nicht. Er hat nämlich nur einen Knopf, und wenn ich den schließe, drückt der Stoff meinen üppigen Busen unnatürlich zusammen. Doch eine andere dunkle Jacke habe ich leider nicht.

Eigentlich trage ich nie Schwarz, weil mich das extrem blass aussehen lässt. Leider ist es genau die Farbe, die hier fürs Personal vorgeschrieben ist. Nancy steht Schwarz natürlich prima. Kein Wunder. Ihr zartbrauner Teint sieht aus, als käme sie gerade frisch aus dem Spanienurlaub. Da kann ich nicht mithalten – in keiner Hinsicht. Vielleicht sollte ich einfach aufstehen und wieder gehen, bevor ich mich total blamiere.

»Schicker Blazer.« Eine tiefe Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und lässt mich erschrocken aufblicken. Wenige Schritte neben mir steht ein etwa dreißigjähriger Mann im Smoking. Auf den zweiten Blick sehe ich, dass er nur die Smokingjacke trägt, die perfekt sitzt, und dazu eine dunkle Jeans. Eine gewagte Kombination. Doch sie steht ihm. Er sieht damit gleichzeitig elegant und lässig aus. Außerdem betont die Jeans seine langen Beine. Sicher sitzt sie auch an seinem Hintern perfekt. Habe ich das gerade wirklich gedacht? Der ganze Stress steigt mir wohl langsam zu Kopf.

»Er betont deine Figur«, setzt er nach, als ich nicht antworte. Dabei wandert sein Blick ungeniert über mein Dekolleté. Mir wird ganz heiß. Darf er das? Andererseits habe ich gerade über seinen Hintern philosophiert. Dieser Gedanke pumpt mir weiter die Hitze ins Gesicht. Sicher bin ich längst knallrot. Jetzt lächelt er mich an. Neben seinen Mundwinkeln bilden sich unwiderstehliche Grübchen. Zum Glück sitze ich. Denn ein Blick in seine fast schwarzen Augen lässt meine Knie weich werden. Reiß dich zusammen Isa! Los, sag etwas!

»Wenn er geöffnet ist, quetscht er meinen Busen nicht so ein«, die Worte purzeln einfach so aus meinem Mund. Als sie in der riesigen Lobby nachhallen, möchte ich mich auf der Stelle dafür ohrfeigen. Ich bekomme nicht oft Komplimente. Und wenn doch, weiß ich nie, wie ich darauf reagieren soll. Aber so sicher nicht. Was ist nur mit mir los? Der Smoking-Mann runzelt kurz die Stirn. Dann versucht er, ein Grinsen zu unterdrücken – erfolglos. »Ich bin sicher, er steht dir in allen Varianten hervorragend.« Bevor ich etwas noch Peinlicheres erwidern kann, nickt er zum Abschied. Dann verschwindet er hinter einer Tür, über der ein leuchtendes Schild mit der Aufschrift Jazzbar hängt. Völlig gebannt starre ich ihm hinterher. Doch seine Smokingjacke ist zu lang, sodass ich nicht sehe, ob ich mit der Jeans recht hatte. Dann eben ein anderes Mal. Schon wieder so ein Gedanke! Langsam werde ich wohl verrückt.

»Glückwunsch, jetzt kennst du Leon Baunz, unseren Herzensbrecher. Damit hast du die offizielle Hoteltaufe bestanden.« Diesmal ist es Nancys Stimme, die mich in die Wirklichkeit zurückholt.

»Wieso Herzensbrecher?« Ich versuche, meine Frage so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. Aber Nancy kann ich nichts vormachen.

»Er arbeitet erst seit zwei Monaten als Pianist in der Bar und hat mit seinem Charme schon fast jeder Angestellten den Kopf verdreht. Bisher konnte aber keine bei ihm landen.« Sie wirft mir einen vielsagenden Blick zu, der eindeutig als Warnung gemeint ist. Und er verrät mir, dass sie es wohl auch schon bei ihm versucht hat. Wenn er nicht mal eine wie Nancy will … »Erst kürzlich hat eine Kollegin wegen ihm gekündigt«, fährt sie fort.

Also ist es seine Schuld, dass ich so kurzfristig anfangen sollte. Na, das fängt ja gut an. Dabei wollte ich mich doch von solchen Typen fernhalten. Nancy scheint meine Gedanken zu erraten und nickt bestätigend. »Du wirst ihn dir gleich noch aus der Nähe ansehen können. Er spielt heute Abend. Aber bis dahin haben wir noch ein wenig Zeit für einen kleinen Rundgang. Ach ja, hätte ich fast vergessen. Isabell Miller, herzlich willkommen bei Caspari Hotels.« Sie lächelt und zeigt dabei ihre strahlend weißen Zähne.

Wahrscheinlich sagt sie diesen Satz an die hundert Mal pro Tag. Trotzdem habe ich das Gefühl, sie meint es ehrlich.

♡♡♡

In den folgenden Minuten rauscht Nancy mit mir durchs Erdgeschoss, schleust mich durch die Lobby, die Küche und den Pausenraum. Auch ein Standardzimmer zeigt sie mir. Es ist geschmackvoll eingerichtet mit englischen Möbeln aus edlen Hölzern mit schöner Maserung. Alles wirkt auf mich elegant und trotzdem einladend. Ein wahres Kunststück, da das Hotel mit seinen über hundert Zimmern wirklich riesig ist. Die Bremer Pension meiner Eltern, in der ich vorher ausgeholfen habe, hätte komplett in der Lobby Platz. Einzig die Lage am Fluss haben beide gemeinsam. Nur dass hier der Rhein fließt und bei mir daheim die Weser. Der Gedanke an zu Hause lässt mich leise seufzen. Hätte ich in Bremen studieren können … Doch ich bin nicht hier, um in Erinnerungen zu schwelgen. Entschlossen ersticke ich meine aufkeimende Wehmut und konzentriere mich wieder auf die Gegenwart.

Je mehr Nancy mir zeigt, desto selbstsicherer werde ich. Niemand scheint sich an meinem Aussehen zu stören. Alle sind froh, dass ich so kurzfristig einspringen kann. So viel Zuspruch bringt meine beste Seite zum Vorschein. Immerhin bin ich gelernte Hotelfachfrau. Das war der Deal mit meinen Eltern. Ich kann Gesang studieren, wenn ich vorher die Ausbildung mache. So habe ich immer einen Plan B.

Mittlerweile sind wir wieder in der Eingangshalle. Das Hotel ist im Erdgeschoss an einer Seite komplett verglast. So kann ich kurz die Aussicht auf die Kölner Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern genießen. »Wirklich schön.«

»Nachts mit Beleuchtung ist der Ausblick noch besser«, schwärmt Nancy neben mir. »Ein gelungener Abschluss für deine Hotelführung. Jetzt gebe ich dich aber in der Bar ab. Da wartet schon jemand sehnsüchtig auf dich.« Sie zwinkert mir verschwörerisch zu und schiebt mich durch die nächste Tür. Es ist dieselbe, hinter der Leon zuvor verschwunden ist. Doch ihn meint sie leider nicht, sondern Mario, meinen Chef für diesen Abend. Er ist mein Mitbewohner und nach eigenen Angaben der beste Barkeeper der Stadt. Ihm habe ich diesen Job zu verdanken.

Kaum hat er mich gesehen, bahnt er sich fröhlich winkend seinen Weg zu mir. Seinen schwarzen Rockabilly-Hut hat er sich leicht schräg ins Gesicht gezogen. »Hab ich dir zu viel versprochen?« Triumphierend breitet er die Arme aus, als wolle er nicht nur mich, sondern gleich die gesamte Bar umarmen. Damit lenkt er meinen Blick auf den langen Tresen, hinter dem ein imposantes Flaschenregal in die Höhe ragt. Alles leuchtet in einem warmen Orange. Die oberste Flaschenreihe spiegelt sich in der blank polierten Decke. An den Wänden hängen Porträts von Miles Davis, Peggy Lee und Norah Jones. Genau der richtige Arbeitsplatz für einen Jazzfan wie mich. Mario hat mit seinen Schwärmereien definitiv nicht zu viel versprochen. Dabei übertreibt er eigentlich immer mit allem. Mein Heimweh von vorhin ist fast vergessen.

»Noch mal danke!« Ohne ihn hätte ich den Job bestimmt nicht bekommen. Wir umarmen uns, und Mario macht eine wegwerfende Handbewegung. Dann zeigt er mir im Schnelldurchlauf, wo ich Gläser, Besteck und Strohhalme finde. Außerdem bekomme ich eine lange schwarze Schürze, deren rote Schrift am unteren Rand mich offiziell als Personal von Casparis Jazzbar ausweist.

♡♡♡

Während ich mich in meine neue Arbeit einfinde, füllt sich der Raum. Viele Frauen stehen an den runden Tischen und halten sich an ihren Cocktails fest. Einige räkeln sich gekonnt in den Chesterfield-Sesseln. Sie sitzen so, dass sie genügend Dekolleté und Bein zeigen, um die Männer in ihren dunklen Anzügen auf sich aufmerksam zu machen, sind aber nicht zu aufdringlich. Da kann ich mir noch einiges abschauen. Die Bühne befindet sich in der linken Barhälfte, direkt vor einer weiteren Glaswand mit Ausblick auf den Kölner Dom. Ein Mikrofon und ein schwarzer, glänzender Flügel stehen schon bereit. Wie gerne würde ich jetzt selbst dort auftreten und singen, anstatt Cocktails zu servieren …

»Gleich geht’s los!«, ruft Mario mir zu und reicht mir zwei Gin Tonic, die für einen der vorderen Tische bestimmt sind. Beim Servieren sehe ich aus dem Augenwinkel, wie eine große, schlanke Frau in die Bar kommt. Die Sängerin. Ihr grünes Satinkleid hat vorn einen langen Schlitz, der den Blick auf ihre extrem langen Beine freigibt. Dann folgt Leon, der Mann in Smokingjacke und Jeans. Er hält ihre Hand, während sie die kleine Stufe zur Bühne hochsteigt. Ein richtiger Gentleman also. Und dazu auch noch ein äußerst gut aussehender. Seine dunkelblonden Haare reichen ihm fast bis zu den Schultern und wirken leicht zerzaust. Als er am Flügel sitzt, streicht er sich gedankenverloren eine Haarsträhne hinters Ohr. Ich ertappe mich dabei, dass ich mir wünsche, er würde seinen Smoking ausziehen – und sein Hemd.

Bevor ich mich in weiteren Schwärmereien verlieren kann, klingen die ersten Jazzrhythmen durch die Bar. Einige der Gäste wiegen sich langsam im Takt. Die meisten Damen haben nur Augen für Leon, doch er scheint es nicht zu bemerken. Seine Finger gleiten leicht und unbeschwert über die Tasten. Ab und zu beugt er sich vor und reizt die gesamte Klaviatur aus. Beim ersten Improvisieren schließt er die Augen, legt seine Stirn in leichte Falten. Er scheint völlig versunken – in sich selbst und die Musik. Zu gerne wüsste ich, woran er jetzt denkt. An etwas Schönes, oder ist es vielleicht sogar etwas Schmerzhaftes? Beides wäre möglich. Er ist ein Profi, keine Frage. Und dazu noch seine schönen dunklen Augen und diese Grübchen, wenn er ins Publikum lächelt! Je länger ich ihn ansehe, desto mehr verstehe ich, warum Nancy ihn den »Herzensbrecher« nennt.

Einen letzten Blick riskiere ich noch, dann ist die nächste Bestellung fällig. Doch als ich zu ihm schaue, sieht er mich direkt an. Sein Blick trifft nicht nur meine Augen, er geht viel tiefer. Als könnte er in mich hineinschauen und sehen und fühlen, was ich mir wünsche. Vor Schreck klopft mein Herz so stark, dass mir fast die Luft wegbleibt. Flirtet er mit mir? Unfähig, mich zu bewegen, verliere ich mich in seinen dunklen Pupillen und spüre die Musik, die er spielt, ganz intensiv in mir drin. Dann senkt er seine Lider wieder und blickt auf die Tasten. Ich fühle mich plötzlich ganz benommen und muss mich am Tresen abstützen.

»Träum nicht, Liebes, der ist längst vergeben«, höre ich Marios Stimme neben mir. Ich fühle mich ertappt.

»Woher weißt du …« Egal, wie beschäftigt er ist, für Schwärmereien hat mein Mitbewohner einen siebten Sinn.

»Na, erstens, schau ihn dir doch an. Und zweitens, so wie er mit der Sängerin flirtet …«

Mario irrt sich in Beziehungssachen fast nie. Aber vielleicht ist alles, was auf der Bühne geschieht, auch nur Show.

♡♡♡

Kurz vor Ende meiner Schicht bin ich ziemlich erledigt, aber auch sehr stolz auf mich. Ich habe den Sprung ins kalte Wasser gemeistert und mir nach der Ablenkung durch Leon keinen Patzer mehr geleistet. Mario und ich warten noch, bis die letzten Gäste gegangen sind, räumen auf, und dann geht’s ab nach Hause. Außer Gläser spülen ist nicht mehr viel zu tun. Ein kurzer Blick zur Bühne verrät mir, dass auch Leon es gleich geschafft hat. Die Sängerin hat die Bar bereits verlassen. Er sitzt am Flügel und erfüllt letzte Musikwünsche. Irgendwie habe ich aber das Gefühl, dass er nur noch spielt, weil er es selbst möchte.

Weil es zwischendurch in der Bar recht warm geworden ist, hat er doch noch seine Smokingjacke ausgezogen und die weißen Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Darunter kommen seine leicht gebräunten, muskulösen Unterarme zum Vorschein. Er macht bestimmt Krafttraining. Gerne würde ich ihm dabei einmal zusehen. Nun verliere ich mich schon wieder in einer Schwärmerei, die zu nichts führt. Dabei haben Nancy und Mario mich ausdrücklich gewarnt. Und überhaupt. Warum sollte er sich bei dem großen Angebot an attraktiven Damen gerade für mich interessieren? Ihn ganz zu ignorieren fällt mir trotzdem schwer. Selbst wenn ich nicht hinsehe, ich höre ihn ja immer noch.

Gerade spielt er Billy Joels Piano Man. Ein Stück wie für ihn gemacht. Seine dunkle, leicht raue Stimme ergänzt das Klavier perfekt. Einige Passagen des Liedes summt er mit und schaut dabei hinaus zum Dom. Sein Gesang scheint durch den Raum zu schweben, streichelt mit seinem tiefen Vibrato über meine Arme und verschafft mir eine Gänsehaut. Ich muss einfach mitsummen. Noch dazu, wo ich dieses Lied so sehr liebe. Ich schließe die Augen und lasse mich von seiner Stimme treiben. Stelle mir vor, er würde nur für mich spielen.

Nur mit Verzögerung merke ich, dass die Musik verklungen ist und Leon längst nicht mehr am Flügel sitzt. Umso mehr erschrecke ich, als ich die Augen öffne und er vor mir am Tresen lehnt.

»Ein Kölsch, bitte.«

»Ein Kölsch für den Piano Man, kommt sofort.« Mario zapft ein großes Glas Bier und reicht es mir, da ich näher bei Leon stehe als er. Gerade einmal eine Armlänge von ihm entfernt, um genau zu sein. Aus irgendeinem Grund macht mich seine Nähe furchtbar nervös. Leon scheint dagegen völlig entspannt zu sein und beobachtet, wie ich umständlich einen Bierdeckel vor ihn lege. Warum muss dieser Mann mich nur so verdammt charmant anlächeln? Das macht mich noch nervöser. Als ich das Glas abstelle, zittert meine Hand so sehr, dass ich es fast umwerfe. Reflexartig greife ich danach und kann es gerade noch festhalten, bevor das Kölsch auf Leons Hemd landet. Er reagiert ähnlich schnell, und unsere Finger streifen sich kurz, als er versucht, das Glas zu fassen. Alles geht sehr schnell, aber mir kommt es wie eine Ewigkeit vor. Er hat schöne lange Finger, perfekte Pianistenhände, deren Wärme auf meiner Haut brennt, als hätte ich ins Feuer einer Kerze gefasst. Trotzdem wünsche ich mir, dass er mich weiter berührt, mich nicht mehr loslässt.

»Das war knapp.« Seine Stimme ist ganz ruhig.

»Tut mir leid.« Bevor ich noch mehr sagen kann, schüttelt er den Kopf. Dabei fällt ihm eine Haarsträhne ins Gesicht. Ich unterdrücke den Impuls, sie ihm hinter das Ohr zu streichen, und verstecke meine Hände sicherheitshalber hinter dem Tresen.

»Kein Problem. Ist ja nichts passiert. Du bist Isabell, nicht wahr?« Ich zucke kurz zusammen, als er meinen Namen ausspricht. Wenn er ihn sagt, klingt es wie eine Melodie.

»Isa reicht.« Mehr kann ich nicht erwidern.

Er nimmt einen Schluck aus dem schmalen Glas. »Gut, Isa. Wie hat dir denn dein erster Abend hier gefallen?«

Ich kann es kaum glauben. Er weiß genau, wer ich bin. Und er geht davon aus, dass ich ihn kenne, da er sich nicht vorstellt. Eigentlich arrogant. Aber er wirkt ehrlich interessiert. Also verzeihe ich ihm.

»Ich hätte lieber gesungen statt zu servieren.« Das habe ich gerade nicht wirklich gesagt, oder? Leons Gegenwart wirkt wie ein Wahrheitsserum auf mich. Wie kann ich das nur abstellen? »Ich meine, ich studiere Gesang an der Musikhochschule, und ich finde, du hast wirklich sehr gut gespielt.« Je mehr ich sage, desto schlimmer wird es. Schließlich ist er ein Profi. Da braucht er bestimmt kein Lob von einer plappernden Studentin! Wo ist nur Mario, wenn ich ihn brauche?

Leon zieht seinen linken Mundwinkel leicht nach oben. »Da bin ich aber froh. Sonst hätte ich meinen nächsten Auftritt abgesagt.« Er lacht und zeigt mir seine weißen Zähne. »Nein, im Ernst. An einigen Stellen dachte ich, dass es den Gästen nicht gefällt. Aber ich kann es nun mal nicht jedem recht machen.«

Den letzten Satz sagt er mehr zu sich selbst. Für einen kurzen Augenblick verschwindet die Fröhlichkeit aus seinem Gesicht und weicht einer Art Bedauern. Als er weiterspricht, lächelt er mich wieder an, allerdings ohne dass das Lächeln seine Augen erreicht. »Du hast übrigens eine schöne Summ-Stimme. Falls es mit der Gesangskarriere trotzdem nicht klappt, mach dir nichts draus. Dann bist du immer noch eine prima Barkeeperin.«

Bevor ich reagieren kann, prostet er mir mit seinem mittlerweile leeren Glas zu, stellt es auf den Tresen und geht zurück zum Flügel.

♡♡♡

Die letzten Tage im Hotel waren furchtbar anstrengend. Semesterende und Nebenjob – ich wusste, dass das hart werden würde. Deshalb wollte ich ja erst Mitte Juli hier anfangen. Stattdessen bin ich schon jetzt unverzichtbarer Bestandteil des Teams. Sie setzen mich überall ein, wo Personal fehlt. In der übrigen freien Zeit, die mir noch bleibt, stürze ich mich auf meine Bücher. Wenigstens grübele ich so weniger über Leon nach. Seit unserem Gespräch frage ich mich, wie ich seine letzte Bemerkung verstehen soll. Eigentlich hat er mir ein Kompliment gemacht und mich gleichzeitig beleidigt. Da ich ihm fast das Kölsch über sein Hemd gegossen habe, kann ich das mit der »guten Barkeeperin« ja nur ironisch verstehen. Aber warum sollte er mich plötzlich verspotten? Und warum habe ich nichts Schlagfertiges erwidert? Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr ärgert es mich. Ich muss unbedingt mehr über ihn erfahren.

Doch erst mal steht mein Auftritt in der Aula der Musikhochschule an. Es ist eine öffentliche Probe, als Vorbereitung auf meine letzte Prüfung in diesem Semester. Gleichzeitig ist es ein erstes Karrieresprungbrett. Wer die Zuschauer beeindruckt, bekommt eventuell irgendwo ein Engagement. Damit alles gut läuft, habe ich gestern Abend zwei Stunden vor meinem Kleiderschrank verbracht. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen, wie ich finde.

Ich trage mein schönes petrolfarbenes Sommerkleid mit den Spaghettiträgern, das meine grauen Augen betont. Es ist zwar nicht so aufreizend wie das Kleid der Sängerin im Hotel, aber auf der Bühne trete ich einfach sicherer auf, wenn ich Klamotten trage, in denen ich mich wohlfühle. Und ich will ja auch nicht meinen Prof bezirzen. Wäre es nach Mario gegangen, hätte ich jetzt einen Mini und High Heels an. Diese Option hebe ich mir lieber für ein anderes Engagement auf.

Zwar kommen zu den öffentlichen Proben nicht so viele Zuschauer wie zu Leons Konzerten, aber es reicht für eine ordentliche Portion Lampenfieber. Und schon denke ich doch wieder an ihn. Das kann ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Aber wie stelle ich das ab? Konzentrier dich, Isa. Denk einfach an deinen Text. Jeder meiner fünf Kommilitonen singt drei Lieder, die er selbst ausgewählt hat. Vor mir ist eine andere Studentin an der Reihe. Ihr erster Song läuft gut, soweit ich das hinter der Bühne beurteilen kann. Gute Stimmung, Applaus.

Dann geht die Tür noch mal auf. Seltsam, normalerweise lassen sie keine verspäteten Besucher in den Saal. Ich muss meine Augen zusammenkneifen, um zu sehen, welcher Nachzügler da gekommen ist. Ein anderer Prof? Nein, er ist zu jung. Er sieht fast so aus wie … Leon! Nein, das kann doch gar nicht sein. Da spielt mir bestimmt mein Lampenfieber einen Streich.

»Isa, du bist gleich dran.« Die Stimme meines Profs dringt an mein Ohr. Es ist wirklich Leon, der sich da in die vordere Stuhlreihe gesetzt hat. Und er sieht so verdammt gut aus, dass mir ganz schwindelig wird. Was um alles in der Welt macht er hier? Und wie soll ich es schaffen, vor ihm zu singen? Gegen ihn bin ich doch die reinste Anfängerin. Jedenfalls fühle ich mich so …

Ein leises Hüsteln aus Richtung Vorhang holt mich in die Realität zurück. Ich zwinge mich, nicht mehr zu Leon hinzusehen und stolpere auf die Bühne. Noch mal tief Luft holen, und los geht’s.

Bei den ersten Tönen wackelt meine Stimme noch. Dann fixiere ich Mario, der ebenfalls zur Probe gekommen ist und mir aufmunternd zunickt. Ein wahrer Freund. Er macht Handzeichen, die so viel heißen sollen wie: »Beruhig dich, alles okay.« Jedenfalls rede ich mir das ein. Und tatsächlich schaffe ich es, meine drei Lieder zu singen, ohne dabei zu krächzen oder den Text zu vergessen.

Es ist wie ein kleines Wunder. Kaum sind die ersten Minuten auf der Bühne geschafft, fühle ich mich wie ein anderer Mensch und gehe vollkommen in der Musik auf. Ich scherze mit dem Gitarristen, schließe die Augen beim finalen Refrain. Sogar das Publikum macht mit. Erst als ich mich zum Applaus verbeuge, kehren meine Gedanken zu Leon zurück. Jetzt hat er gesehen, dass ich nicht nur dumm rumsummen kann und mich auch nicht von ihm aus dem Konzept bringen lasse. Jedenfalls nicht völlig. Warum ist mir eigentlich so wichtig, dass er das weiß? Egal, jetzt heißt es erst einmal tief durchatmen. Zur Krönung will ich ihm noch einen gekonnten Divenblick zuwerfen, bevor ich hinter der Bühne verschwinde. Aber als ich in seine Richtung schaue, ist sein Platz leer.

♡♡♡

»Er war bei deiner Probe!?« Nancy ist ein wahrer Schatz. Ich erzähle ihr bei meiner Schicht am nächsten Morgen von Leons Überraschungsbesuch, und sie empört sich gleich mit mir. Das beruhigt mich, weil es mir bestätigt, dass das Ganze seltsam ist.

»Vielleicht war er nur zufällig da, weil er sich für Musik interessiert«, gebe ich mit einem Schulterzucken zu bedenken. Das wäre immerhin möglich, wenn auch höchst unwahrscheinlich.

Nancy sieht das genauso und wirft mir einen »Das glaubst du doch wohl selbst nicht«-Blick zu. »Zufall hin oder her. Es ist merkwürdig. Ich wüsste auch nicht, dass er an der Musikhochschule arbeitet. Aber er redet selten über sich, nur über seine Band.«

»Seine Band?« Ich schaue sie fragend an. Bisher dachte ich, Leon würde nur die Sänger in der Bar begleiten.

»Sie nennen sich Jazz Lines und sind relativ bekannt. Als Leon bei uns angefangen hat, kam er gerade von einer Tour aus Japan zurück.«

Japan! Ich bin beeindruckt. Der Mann steckt voller Überraschungen. »Ich würde ja gerne mal sehen, wie er so wohnt. Ist bestimmt das reinste kreative Chaos.«

»Finde es doch heraus.« Nancy sieht mich verschwörerisch an und lenkt meinen Blick auf einen Ständer mit frisch gewaschener Kleidung.

Unsere Hotelgäste können ihre Sachen in die Wäscherei bringen lassen, und wir legen ihnen ihre frische Garderobe dann wieder ins Zimmer. Ich sehe, wie außen an der Kleiderstange unter einer Plastikfolie ein mir bekannter schwarzer Smoking hängt. Endlich verstehe ich, was sie meint.

»Leon wohnt hier im Hotel?«

Nancy nickt. »Genau, und ich bin sicher, er wartet schon sehnsüchtig auf seinen frisch gewaschenen Anzug.«

♡♡♡

Gerade war ich noch so begeistert von Nancys Idee, jetzt plagen mich wieder Zweifel. Ich gehe den Gang im fünften Stock des Hotels entlang. Das dunkle Echtholzparkett knarrt unter jedem meiner Schritte, als wolle es mich warnen. Was, wenn Leon gerade auf seinem Zimmer ist? Was sage ich dann zu ihm? Besser nichts, dann blamiere ich mich nicht wieder. Er soll auf keinen Fall denken, dass ich ihm nachlaufe. Streng genommen tue ich das natürlich. Und er wird es sicher merken. Normalerweise bin ich nämlich nicht für die Wäsche zuständig. Allerdings war er derjenige, der mich bei meiner Probe überrascht hat. Und er hatte dort auch nichts zu suchen.

In diesem Abschnitt müsste es sein. Den Smoking über meinem Arm, suche ich die einzelnen Türen ab, bis ich die Nummer finde, die Nancy mir genannt hat: Suite 511. Vorsichtig klopfe ich an. Dabei kann ich gar nicht sagen, was lauter ist: meine Fingerknöchel auf dem dicken Holz oder mein Herz, das vor Aufregung wie wild in meiner Brust schlägt. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Am Ende ist es nur eine Suite, und ich bringe nur einen Smoking. Aber es ist Leons Suite und Leons Smoking, der sich so wunderbar an seinen schlanken Oberkörper schmiegt und ihn unsagbar sexy aussehen lässt …

Ich stelle mir vor, wie er mit nacktem Oberkörper in der Tür steht und mich hereinwinkt. Ich warte, hoffe. Aber niemand öffnet. Jetzt bin ich doch etwas enttäuscht und krame nach der Schlüsselkarte. Das Türschloss gibt mir grünes Licht. Bisher habe ich nur Standardzimmer gesehen, und die glichen sich bis ins Detail. Doch wer wie Leon länger als drei Wochen im Hotel lebt, hat bestimmt persönliche Sachen dort. Auf den ersten Blick entspricht die Einrichtung allerdings exakt dem Stil des restlichen Hotels. Noch eine Enttäuschung. Allerdings kann ich nur den Eingangsbereich überblicken, in dem zwei Ledersessel, ein hellgrauer Tisch und passende Stühle stehen. Ich lege den Smoking über eine Stuhllehne und schaue mich weiter um. Auf dem Tisch liegen mehrere Notenblätter verstreut. Ich erkenne Summertime und Fever. Daneben liegt ein Blatt, auf das jemand – vermutlich Leon – mit Bleistift Noten geschrieben hat. Suspension Strings ist der Titel seines selbst komponierten Stücks. Für Mijuki steht darunter.

»Was Interessantes gefunden?« Die dunkle Stimme lässt mich zusammenzucken. Ich würde sie überall wiedererkennen. Mein Puls rast. Ich drehe mich zu Leon um und erschrecke erneut, als ich sehe, wie nah er mir ist. Ich bräuchte nur meine Finger auszustrecken und könnte seine Brust berühren. Ihn scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil. Ich glaube, er kostet es aus, dass er mich erwischt hat.

»I-ich wollte nicht neugierig sein …«, stammele ich und zeige entschuldigend auf den Smoking.

»Aber du warst es«, stellt er sachlich fest, ohne meine Geste zu beachten. Wenn er über meine Anwesenheit in seiner Suite verärgert ist, kann er es gut verbergen. »Also?« Ich könnte ihn nicht anlügen, selbst wenn ich es wollte. Allerdings weiß ich selbst nicht, was ich darauf antworten soll.

»Wer ist Mijuki?«, frage ich stattdessen und bereue es sofort. In seiner Nähe kann ich einfach nicht klar denken. Seine Augen lassen mich sogar meinen Ärger auf ihn vergessen. Sein Blick ruht auf mir. Es sieht aus, als würde er etwas abwägen.

»Eigentlich geht dich das nichts an.« Wieder bilden sich diese sexy Falten auf seiner Stirn. Eine ist etwas tiefer als die andere. Dann dreht er sich von mir weg, macht zwei Schritte Richtung Fenster und schaut auf das Panorama der Stadt. »Aber ich komponiere ab und an ein Stück für Freunde. Sie nutzen die Musik für ihre künstlerischen … Performances.«

Seine Offenheit überrascht mich. Nancy hat ja gesagt, dass er selten über sich spricht. Er hätte es mir nicht verraten müssen. Andererseits, was hat er schon groß preisgegeben? Dass er komponiert, wusste ich schon. Er hat mit keinem Wort erwähnt, ob diese Mijuki seine Angebetete ist. Und was für Performances? Noch einmal nachzufragen, traue ich mich allerdings nicht. Leon lässt mir dafür auch keine Zeit. Er dreht sich wieder zu mir. Verdammt, diese Augen! Und seine Lippen! Ich möchte ihn am liebsten küssen, sofort! Jetzt schaut er mich fragend an.

»… könntest du dir das vorstellen?«

Der Mann riecht so gut, dass er mich völlig aus dem Konzept bringt. »Was denn?« Meine Stimme ist nicht mehr als ein dünnes Flüstern. Eine Sängerin, die sich nicht richtig artikulieren kann, sehr professionell.

»Dass du in zwei Wochen mit mir im Hotel auftrittst?« Diesmal lächelt er, und mir wird bewusst, dass er die Frage schon zum zweiten Mal stellt. »Meine Partnerin hat für diesen Termin abgesagt. Und von dir habe ich ja schon eine kleine Kostprobe gehört.«

Ich kann es gar nicht fassen, dass er das gefragt hat. Ich mit ihm auftreten! Also hat er mir nicht zufällig zugesehen!

»Ja, sehr gerne!« Trotz meiner Aufregung versuche ich, so professionell wie möglich zu klingen. Was mir allerdings sehr schwerfällt, da meine Stimme zittert. In drei Wochen! Da finden die Kölner Lichter statt – das größte Feuerwerk der Stadt! Wir sind dafür schon seit Wochen ausgebucht. Was für eine Gelegenheit! Wenn das ein Traum ist, möchte ich bitte nie wieder aufwachen.

»Gut, dann fangen wir am besten gleich morgen mit den Proben an.«

Und schon zerplatzt meine schöne neue Welt wie ein praller Luftballon. Im Hotel arbeiten und proben, das kann ich mir neben dem Studium zeitlich einfach nicht erlauben.

Offenbar spürt Leon meine Zweifel. »Stimmt etwas nicht?«

»Ich muss noch für meine Prüfungen lernen.« Ich schlucke und versuche, nicht zu weinen. Nicht noch einen Auftritt sausen lassen, Isa! Aber ich muss die Prüfungen bestehen.

»Natürlich. Ich bitte den Chef, dass er dich für die Proben von deiner Arbeit freistellt. Das sollte kein Problem sein. Wir bekommen ja bald noch eine Aushilfe.« Sein unerschütterliches Selbstbewusstsein macht ihn noch anziehender für mich. Er scheint sich seiner Sache sehr sicher zu sein.

»Danke!« Am liebsten möchte ich ihn umarmen. Ich kann mich gerade noch zurückhalten und bin schon fast an der Tür, als mich seine tiefe Stimme zurückhält.

»Übrigens, danke für den Smoking.«

♡♡♡

An diesem Abend habe ich endlich mal wieder frei. Doch ich kann mich nicht aufs Lernen konzentrieren. Immer wieder kreist der gleiche Gedanke in meinem Kopf: Leon möchte mit mir zusammen auftreten! Und das, obwohl er doch so viele hübsche andere Sängerinnen kennt. Mein Chef ist auch einverstanden. Anscheinend hat Leon wirklich einen guten Draht zu ihm. Ich kann nur hoffen, dass ich beim Proben nicht vor lauter Schwärmerei meinen Text vergesse.

»Du sollst doch nicht so viel grübeln.« Mario reicht mir ein Glas von dem Sekt, den er aus den Tiefen unseres WG-Kühlschranks hervorgeholt hat. »Hör sofort damit auf, heute ist Party!«

Wie auf ein Stichwort dröhnt aus unserem Wohnzimmer lauter Dance-Mix, und Marios drei Freunde fangen auf dem Flur an zu tanzen. Sie kommen gerade von der schrillen Christopher-Street-Day-Parade zurück und tanken ein wenig Energie in Form von Sekt, bevor sie wieder losziehen. Dance-Musik ist so gar nicht das, was ich sonst höre. Aber als Mario mich euphorisch auffordert, muss ich doch mit ihm tanzen.

»So ist’s gut. Und jetzt geht’s ab in die Altstadt, feiern!« Gegröle im Flur. Es ist eine lustige Truppe, aber ich bin total erledigt. Die letzten Nächte habe ich vor lauter Arbeit und Lernen kaum geschlafen.

»Zieht diesmal ohne mich los.« Mario erstarrt in gespielter Empörung. »Ich muss dringend ein wenig Schlaf nachholen, sonst verhaue ich die nächste Prüfung.«

»Manchmal beneide ich dich nicht um dein Pflichtbewusstsein.«

»Nur kein Mitleid, und jetzt verschwindet.«

»Wie du willst. Aber nicht wieder den ganzen Abend an den Piano Man denken!« Er macht sich ehrlich Sorgen um mich, das spüre ich. Trotzdem muss ich lachen, weil seine Freunde gerade eine Polonaise durch den Flur machen.

Mario kennt mich gut genug, um zu wissen, dass er mich heute nicht mehr zum Ausgehen überreden kann. Er versucht es auch nicht, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Stattdessen schnappt er sich eine freie Schulter, tippt zum Abschied kurz an seinen schwarzen Hut und verschwindet mit den dreien durch die Tür. Verrückte Kerle. Ich mag ihn und seine Freunde unheimlich gern. Trotzdem bin ich froh, dass ich jetzt meine Ruhe habe. Als Erstes tausche ich den Dance-Mix gegen Smooth Jazz, schließe die Augen und versuche, mich zu entspannen.

♡♡♡

Später in der Nacht liege ich nackt auf meinem Bett und versuche, trotz der anhaltenden Hitze draußen zu schlafen. Durch das offene Fenster weht eine warme Brise und streichelt über meine Haut. Da höre ich eine leise Melodie. Irgendwoher klingt Piano Man. Und zwar genau die Version aus der Bar.

Plötzlich löst sich aus dem Schatten am Fenster eine Gestalt. Aber ich habe keine Angst, denn ich weiß intuitiv, dass es Leon ist. Obwohl ich sein Gesicht nicht sehen kann, spüre ich, wie er mich betrachtet und sein Blick langsam über meinen Körper gleitet. Allein, dass er so nah bei mir ist und mich völlig nackt sieht, sendet ein Prickeln durch meinen Körper. Aber ich schäme mich nicht dafür, im Gegenteil. Ich möchte ihm gefallen, hebe meine Arme und fahre mir mit den Fingern durchs Haar. Langsam räkele ich mich auf dem Bett, will, dass er zu mir kommt, noch näher bei mir ist, mich endlich berührt. Er soll mich küssen, mit seinen schönen schlanken Händen über meine Haut streicheln und das pochende Sehnen zwischen meinen Beinen lindern. Aber er kommt nicht näher, versteckt sich wieder im Schatten. Ich kann sein Gesicht nicht erkennen, aber ich weiß, dass er mich immer noch ansieht, und das steigert meine Erregung weiter. Mein Herz klopft schneller, und mein Verlangen nach seiner Berührung wird immer größer. Deshalb lasse ich meine Finger statt seiner meine Sehnsucht lindern. Streiche langsam über meinen Hals, umfasse meine Brüste und kreise mit den Fingern über meinen Brustwarzen, bis sie sich hart aufrichten. Als ich an ihnen zupfe, wieder und wieder, scheint mein Körper die Berührungen direkt in meinen Unterleib weiterzuleiten. Ich drücke meinen Kopf ins Kissen und genieße das Spiel aus Erregung und Lust, das mich leise aufstöhnen lässt.

Plötzlich ebbt die Musik ab, und ein lautes Scheppern hallt durch mein Zimmer. Erschrocken blicke ich mich um. Die Jalousie hat sich gelöst und einen meiner Blumentöpfe auf den Boden befördert. Schon ist alles wieder ruhig. Ich liege allein auf meinem Bett. Eine Hand habe ich um meine Brust geschlossen, und die andere ruht zwischen meinen Schenkeln. Es war nur ein Traum. Wenn auch ein sehr realistischer. Enttäuscht lasse ich die Arme auf die Matratze sinken.

Ich habe schon oft für Männer geschwärmt, meist für berühmte Sänger, doch nie habe ich derart intensiv von ihnen geträumt. Zu Leon fühle ich mich so stark hingezogen, dass es mir ein wenig Angst macht. Wie soll ich bloß die Proben mit ihm überstehen, ohne irgendetwas Dummes anzustellen? Das stellt mich vor ein echtes Problem. Vor allem, wenn ich Mario Glauben schenke. Er ist sich sicher, dass Leon eine Affäre, wenn nicht sogar eine feste Freundin hat. Trotzdem: Die Sehnsucht, die der Traum in mir geweckt hat, ist immer noch da. Und ich kann sie nicht einfach unterdrücken, geschweige denn abstellen. Ich versuche, wieder einzuschlafen, doch bekomme in dieser Nacht kaum ein Auge zu.

♡♡♡

»Gut geschlafen?« Leons harmlose Worte lassen mich zusammenzucken. Gleichzeitig bekomme ich von seiner schönen tiefen Stimme eine leichte Gänsehaut. Ich nicke knapp und verdränge die Erinnerung an den gestrigen Traum. Unsere heutige Probe ist meine Chance, Leon zu beeindrucken, ihm aufzufallen. Und das möchte ich unbedingt. Deshalb habe ich mit Marios Hilfe ein klassisch-sexy Outfit ausgesucht, in dem mich der Piano Man unmöglich übersehen kann, wie Mario findet. Ich trage meine rote Bluse mit dem tiefen V-Ausschnitt, die ich noch nie angezogen habe, weil sie mir zu aufreizend erschien. Dazu einen knielangen Rock mit Schlitz, der meine Beine länger wirken lässt, und helle Pumps.

Tatsächlich fühle ich mich in den Sachen ähnlich attraktiv und selbstbewusst wie zuvor auf der Bühne der Hochschule. Mir bleibt bei der Probe nicht ein einziges Mal die Stimme weg. Was Kleidung ausmachen kann. Und selbst Leon reagiert darauf. Jedenfalls sieht er länger zu mir als auf seine Tasten, als ich am Klavier lehne. Sein Blick wandert über mein Dekolleté und meinen Busen. Gefällt ihm, was er sieht? Ich möchte es genau wissen und gehe näher zu ihm. Als ich mich zu ihm hinunterbeuge, um einen Blick auf die Noten zu werfen, höre ich deutlich einen falschen Ton. Der Meister hat sich tatsächlich verspielt. Allerdings fängt er sich recht schnell wieder. Zufall, oder ist mein Outfit schuld daran? Wach auf, Isa. Wer mit so schönen Frauen arbeitet wie Leon, den bringt ein tiefer Ausschnitt nicht aus dem Konzept.

»Möchtest du dir die Noten noch einmal ansehen, bevor wir weitermachen?« Erst als er spricht, bemerke ich die Stille im Raum. Seine Frage klingt ruhig und sachlich. Er ist wieder ganz der Profi. Aber ich kann nichts dagegen tun, ich muss ihn einfach noch einmal reizen.

»Meinst du denn, ich sollte?« Woher ich den Mut nehme, diese Frage zu stellen, weiß ich selbst nicht. Vielleicht liegt es an der Atmosphäre. Wir sind ganz allein in der Bar. Trotz Klimaanlage herrschen sommerliche Temperaturen im Hotel. Leon trägt ein weißes Shirt, das seine Muskeln betont. Ich muss mich zusammenreißen, damit ich ihn nicht berühre oder meine Finger in seinen blonden Haaren vergrabe. Nie zuvor habe ich einen Mann mehr begehrt als ihn.

»Wir können es gerne gemeinsam tun.«

Ich weiß, dass er eigentlich die Noten meint. Doch seine Augen sprechen eine andere Sprache. Hinter seinen dunklen Pupillen flackert eine Leidenschaft, die ich bisher nur gesehen habe, wenn er spielt. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es nicht mehr um die Probe geht. Ich muss es einfach genau wissen, nicke und beuge mich erneut zu den Noten runter. Sein Blick folgt mir und lässt mich nicht mehr los. Wie zuvor in meinem Traum! Auf einmal ist er mir ganz nah. Sein warmer Atem streichelt meinen Nacken. In der nächsten Sekunde legt er die Hände an meine Hüften und dreht mich zu sich, sodass ich auf seinem Schoß sitze. Das alles passiert so plötzlich, dass mir seine Nähe fast den Atem raubt. Ich traue mich nicht, mich zu bewegen. Doch das brauche ich auch gar nicht. Er zieht mich von selbst an sich, und für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen.

Er fährt mit der Zunge fordernd über meine Lippen. Ich öffne sie bereitwillig für ihn, spüre seinen Mund auf meinem. Seine Wärme füllt mich aus. Mein ganzes Fühlen konzentriert sich nur auf diesen Teil meines Gesichtes. Meine Hand fährt über seinen Nacken, seine weichen Haare. Ich möchte ihn näher bei mir haben. Als hätte er meine Gedanken gelesen, zieht er mich noch enger an sich. Ich spüre deutlich seine feste Wölbung unter dem schwarzen Denim. Mein Puls rast. Doch als ich gerade den Mut aufbringe, seinen Kuss zu erwidern, entzieht er mir seine Wärme, so plötzlich, wie er sie mir gegeben hat. Ich kann ihn immer noch schmecken, bin ganz benommen von seiner Präsenz. Seine Lippen scheinen noch immer auf meinen zu brennen. Warum hört er auf?

»Ich wünschte, ich könnte immer bei dir sein.« Meine Worte hallen in der Bar nach. Und nur deshalb weiß ich, dass ich sie laut ausgesprochen habe. Schuld ist der große Schluck Wahrheitsserum namens Leon, von dem ich gerade gekostet habe. Doch diesmal entlockt ihm meine ungewollte Ehrlichkeit kein charmantes Lächeln. Im Gegenteil. Seine Miene versteinert.

Selbst jetzt kann ich nur daran denken, dass er mich weiter berühren soll.

»So einfach ist das nicht.« Obwohl ich noch auf seinem Schoß sitze, ist er plötzlich wieder ganz weit weg von mir. Starr fixiert er einen Punkt am anderen Ende der Bar. »Nicht alle von uns bekommen das, was sie sich wünschen, Isa.«

Wie er so dasitzt, sieht er irgendwie verloren aus. Einsam mit sich und seinen Gedanken. Ich habe das starke Bedürfnis, ihn zu umarmen und zu trösten, obwohl ich nicht einmal weiß, was ihm die Sorgenfalten in die Stirn gräbt.

»Wie meinst du das?« Ich versuche, ihm in die Augen zu schauen, doch er wendet sich ab. Auf einmal setzt die Musik wieder ein. Jemand hat das Radio angestellt. Ein alter Rocksong tönt aus den Lautsprechern. Als wäre das ein Zeichen, schiebt Leon mich abrupt von sich weg, springt auf und verlässt die Bar. Ich bleibe verdutzt am Flügel zurück. Bin unfähig, ihm nachzulaufen. Was würde das auch bringen? Irgendetwas ist gerade passiert. Nur was?

Egal, was es ist. Er kann mir nicht einfach einen so intimen Moment schenken und dann so tun, als wäre nichts geschehen.

♡♡♡

Den ganzen restlichen Tag über kann ich an nichts anderes denken als an Leon. Und das, obwohl ich eigentlich dringend für meine Prüfungen lernen muss. Aber ich kriege den Kopf einfach nicht frei. Habe ich etwas falsch gemacht? Findet er mich nicht attraktiv genug? Und was meint er damit, dass man nicht immer alles bekommt, was man möchte? Will er mir sagen, dass ich ihn nicht haben kann? Oder meint er damit sich selbst? Auf mich wirkt er eigentlich wie jemand, der sich nimmt, was er will. Das hat er mir ja schon bewiesen.

Resigniert zerknülle ich meine Notizen zur Geschichte der Musik, die vor mir auf den Küchentisch liegen, und schleudere sie durch den Raum. Ein Papierball trifft Mario an der Stirn, als er vorsichtig aus dem Flur hereinlugt. Ich höre ein erschrecktes »Huch!« und murmele eine leise Entschuldigung. Er versteht sie als Einladung und setzt sich prompt zu mir. Natürlich weiß er genau was, los ist. Wenn er mir jetzt mit einem Spruch wie »Ich hab es dir ja gesagt« kommt, fange ich sofort an zu heulen. Zum Glück erspart er es mir, was ich ihm hoch anrechne, da ich weiß, wie gerne er recht hat.

»So eine wie dich verdient er gar nicht.« Er klopft mir sanft auf die Schulter.