College Football 1-0-1 - Nils Müller - E-Book

College Football 1-0-1 E-Book

Nils Müller

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Beschreibung

Nils Müller begann bereits 2006 in jungen Jahren als aktiver Spieler mit American Football. Verletzungsbedingt wechselte er 2015 auf die Trainerbank. Neben dem Erwerb der Trainerlizenz feierte er auf Anhieb zwei Aufstiege in zwei Jahren, und stellte verschiedentlich sein Fachwissen, u.a. bei ranNFL als College-Experte, unter Beweis.

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Coach Nils Müller, 2017

Kapitelübersicht

Warum College-Football?

Es nähern sich drei dunkelgrüne Busse. Die Spannung steigt ins Unermessliche. Alleine hier vor der imposanten Spielstätte stehen hunderte von Menschen und lauern erwartungsvoll und gespannt auf ihre Mannschaft.

Studenten, Alumni, Junge wie Alte reihen sich Seite an Seite auf dem riesigen Vorplatz bis sie sich letztlich zu einem Spalier aufstellen.

Fahnenschwenkende Studentinnen führen eine Show auf, wie wir sie hierzulande vielleicht aus dem Karnevalsumzug in vorderster Reihe kennen. Eine riesige Big Band mit Pauken, Trompeten und Becken, Trommeln und riesigen Xylophonen spielt ein Van-Halen-Cover, zu dem man schon beim Ertönen der ersten Klänge mitwippen möchte. Eine riesige weiße Plüschente im grün-gelben Matrosenoutfit mit markanter Mütze und überdimensionaler Sonnenbrille schlägt sich tanzend und animierend durch die Menge und versucht, die Stimmung noch weiter anzuheizen.

Ein paar hundert Meter weiter bauen gerade junge Frauen und Männer auf einer parkähnlichen Fläche und auch daneben auf dem Parkplatz Hinterlassenschaften ab, die an ein abgelaufenes Volksfest erinnern könnten. Outdoor-Spielgeräte reihen sich dort an braune Ledereier. Ganze Gartengarnituren samt Einweggeschirr und Besteck, Grills und Smoker sowie weitere Küchenutensilien, die hier auf dem grünen Gras doch merkwürdig zu erblicken sind. Zuletzt dürfen natürlich auch die aus Filmen bekannten, typischen roten Trinkbecher mit weißem Rand, aus denen natürlich nicht nur Alkoholfreies genossen wurde, nicht fehlen. Es liegt der Geruch einer wirklich fantastischen Grillparty in der Luft, sodass einem das Wasser im Mund nur zusammenlaufen kann. Reste von Rippchen, Bacon, Pattys und Beef sowie diverser Beilagen stapeln sich auf den verbliebenen Tellern.

Na klar, der Sport begeistert die Massen und sorgt für volksfestartige Stimmung. „Tailgating“, also das gemeinsame Zusammenkommen und Grillen vor einer großen Veranstaltung, wird in amerikanischen Familien ebenso zelebriert, gehört ebenso zum Spieltag, wie das eigentliche Spiel selbst. Merkwürdig ist aber, dass man sich überhaupt nicht vor einem Stadion der „Big Four“, einer der großen amerikanischen Sportligen, befindet.

Gut viereinhalb Stunden Autofahrt entfernt liegt die Heimat des Football-Teams der Oregon Ducks, das Autzen Stadium, vom Century Link Field. Das wohl deutlich bekanntere Stadion beheimatet eines der beliebtesten Profi-Football-Teams in Deutschland, die Seattle Seahawks.

Die Mannschaft um Headcoach Pete Carroll, Quarterback Russell Wilson und Cornerback Richard Sherman ist damit im Staate Oregon, der über kein eigenes NFL-Team verfügt, die Franchise „vor Ort“. Bei den Namen von Wilson, Sherman und Carroll klingelt es in den Ohren fast aller Football-Fans. Dekoriert mit Ringen, Pro-Bowl-Berufungen und millionenschweren Verträgen gehören diese drei zur absoluten Elite der National Football League.

Wöchentlich werden die Hawks weltweit vor den Fernseh- und Radiogeräten von Millionen umjubelt. Der „12. Mann“, so nennen sich die Fans der Seahawks, ist bekannt für seine Euphorie und lautstarke Unterstützung der Mannschaft. Bei Spielen der Hawks schmückt eine riesige Fahne mit einer weißen „12“ auf blauem Grund die Space Needle, das Wahrzeichen der Stadt.

Das Stadion in der größten Stadt des Nordwestens der Vereinigten Staaten von Amerika bietet Platz für maximal 72.000 sportbegeisterte Zuschauer. Hier wird nicht nur Football gespielt, auch das Soccer-Team der Seattle Sounders FC aus der Major League Soccer tritt hier zu seinen Heimspielen an. 72.000 Zuschauer – das sind durchaus Zahlen, die uns aus den hiesigen Fußballstadien der Republik, ob in Dortmund oder München, in Gelsenkirchen oder Berlin bekannt sind. Der Profisport boomt, immer auf der Suche nach neuen Profiten, Werbegeldern und Aufmerksamkeit, der schieren Unendlichkeit entgegen. Auch hierzulande pilgern Woche für Woche Hunderttausende in die Stadien, um die Bundesligaclubs anzufeuern oder einen schönen Tag mit der Familie zu genießen.

Auch das Autzen Stadium in Eugene fasst beachtliche 54.000 Plätze und bietet weiteren 6.000 Menschen auf Stehrängen Platz. Die Spiele sind größtenteils ausverkauft. Die Maßstäbe stimmen also. Nur vom Profisport will hier wirklich gar niemand etwas wissen.

Nun also fahren die drei Vehikel durch das Spalier, das von den Menschenmassen gebildet wurde. Auf beiden Seiten prangert ein großes gelbes „O“. Als die imposanten Fahrgeräte zum Stillstand kommen und sich die Hydrauliktüren mit einem deutlich hörbaren Zischen öffnen, stellt sich ein weiteres vertrautes und doch so fremdes Bild dar.

Dort steigt jetzt Mann für Mann, ein Athlet nach dem anderen aus dem Bus, ausgestattet von Kopf bis Fuß in der hochwertigsten Montur des ortsansässigen, weltweitoperierenden Sportartikelherstellers mit dem „Swoosh“. Selbstverständlich lässt sich der 1964 ebenfalls in Oregon gegründete Global Player nicht lumpen und stattet die Athleten großzügig aus. Unter allen Trainingsanzügen, Sportpolos und Jogginghosen, die selbstverständlich farblich aufeinander abgestimmt sind, zeichnen sich sportliche Körper, definierte Oberarme, enorme Brustkörbe, der eine oder andere wohlgenährte Bauch, vor allem aber massive Oberschenkel und Gesäßmuskeln ab.

Auf der linken Brust der Athleten lächelt einem das Profil der weißen Matrosenente entgegen. Es schauen einem kantige Gesichter entgegen, die fest entschlossen einer neuen Aufgabe entgegenfiebern.

Ohne Zweifel – das Team das hier aus dem Bus steigt gleicht einer Profimannschaft, wären da nicht ab und an die gefühlt sehr jungen Männer.

Und in diesem Moment kann es dann passieren, dass einem an einem bildschönen Samstagmittag inmitten dieses wahnsinnigen Sport- und Feierexzesses, inmitten von feiernden Horden, Maskottchen, Marching-Bands und Bratengeruch klar wird, dass man sich nur noch wenige Stunden vor einem Spiel einer Universitäts-Football-Mannschaft befindet. Einem Spiel, in dem die jüngsten Spieler in der Regel tatsächlich gerade mal 18, die ältesten 22 Jahre alt sind, und in dem kein einziger Spieler in irgendeiner Weise durch mehr entlohnt wird als durch das Biologie- oder Mathematik-, das Archäologie- oder Pädagogikstudium, das er unter der Woche unter Hochdruck und in Vollzeit vorantreiben muss oder zumindest sollte.

Welch ein Stolz, aber auch welch ein Druck muss auf diesen jungen Schultern lasten? Woche für Woche der Auftritt vor Millionen Zuschauern im Stadion und vor dem Fernseher. Hinter vielen der „toughen“ Fassaden liegen bewegte Vergangenheiten, die wahrscheinlich unterschiedlicher nicht ausfallen könnten.

Akademische Genies stehen neben absoluten „Sport-Stipendiaten“, die nur eben knapp ihre akademische Eignung für die Universität nachgewiesen haben.

Absolute „Pro-Prospects“, also hochtalentierte Highschool-Sportler mit bester Aussicht auf eine große Karriere neben eher bescheiden talentierten Rollenspielern. Alle zusammengeschweißt von einem hauptamtlichen Team aus Trainern, Betreuern, Medizinern und Physiotherapeuten, aber auch ergänzt von „Waterboys“, die das Team auf freiwilliger Basis auf dem Feld durch das Nachfüllen und Verteilen von Sportgetränken unterstützen. Ebenso wie die Cheerleader oder die Blaskapelle, die hier imposant auftritt, sind sie aber vor allem Kommilitonen mit denen die Spieler die gesamte Woche über gemeinsam die Schulbank drücken.

Ein Alumnus, ein Oregon Duck, wird jeder von ihnen irgendwann ein Leben lang sein. Die Spieler werden mit Freud und Leid auf ihre Studienzeit zurückblicken. Auf die harte Arbeit, die sie Tag für Tag investierten. Den Verzicht, den sie in dieser eigentlich feuchtfröhlichen, für andere partyreichen Zeit auf sich genommen haben, um Teil des Teams und dieses Spektakels gewesen zu sein. Und auch diejenigen wenigen elitären Spieler, die später einmal den großen Sprung schaffen und in einer magischen Nacht während einer medial fast überrepräsentierten Show, dem NFL-Draft, in die amerikanische Profi-Football-Liga transferiert werden, werden oft noch viel enger mit ihrer Universität verbunden und identifiziert bleiben, als sie es sich mit ihrem Profiklub je vorstellen könnten.

Und genau hier liegt die Faszination der Amerikaner für ihren Schulsport begraben: Spieler, Cheerleader, Musiker, Staff, Professoren, Studenten und Angehörige bleiben ihrer Universität ein Leben lang verbunden. Fast sektenhaft werden Motto und Logo der Alma Mater durch die Biographie getragen.

Das unter Coach Chip Kelly etablierte Motto „Win the Day“ war genauso Marschroute für die Sportler beim Einzug in das Stadion, wie für die Physikstudentin vor der wichtigen Klausur. Das Spektakel, das Beisammensein vor und nach dem Spiel, der Sport an sich wird oft als „ehrlicher“, als „echter“ empfunden, weil die Identifikation mit der Universität „vor Ort“ eben deutlich größer ist, als mit einem hochgezüchteten Sport-Franchise-Unternehmen, das im schlimmsten Fall im Zehn-Jahres-Rhythmus den Standort innerhalb des Landes wechselt, wie jüngst geschehen bei den San Diego Chargers und den St. Louis Rams, die nach Los Angeles auswanderten.

Wie genau der Sport an den amerikanischen Hochschulen funktioniert, ist dabei auf Anhieb nicht ganz so leicht zu verstehen. Universitäten sind unterschiedlichen Divisionen zugeteilt, nach deren Regeln sie Stipendien verteilen dürfen. Spielpläne werden nach einem ausgeklügelten System entworfen und die Tabelle wird im Football nicht etwa nach einem Punktesystem à la Drei-Punkte-Sieg und Null-Punkte-Niederlage, sondern durch eine Gruppe ausgewählter Coaches und Pressevertreter ermittelt. Der „National Champion“ wird in einer Playoff-Runde ausgespielt, über dessen Teilnehmer also eine Kommission entscheidet. Auf- und Abstiege zwischen den Divisionen gibt es sportlich nicht.

Die NCAA, der Dachverband des Amerikanischen Schulsportsystems, gibt strenge Reglementierungen für die Vergütung und den Studienablauf der Spieler vor, sieht sich selbst aber vor allem als Organisation, die die Interessen der Studierenden vertritt. Die jungen Männer und Frauen leben unter der ständigen Doppelbelastung, das Leben eines Profiathleten führen zu dürfen, gleichsam aber auch erfolgreich studieren zu müssen. Bereits in der Highschool beginnt ein erbitterter Konkurrenzkampf um die begrenzten Stipendien der „großen“ Universitäten und andersrum buhlen natürlich auch die Universitäten um die besten Sportler des Highschool-Abschlussjahrgangs.

Es wird deutlich: auf dem Bildungsweg der Amerikaner spielt sportliches Talent eine herausragende Rolle; schwerwiegende Verletzungen im letzten Schuljahr vor dem College drohen Lebenswege komplett zu verändern.

So, wie sich die jungen Menschen in dieser bewegten Zeit des Lebens verändern, so verändert sich auch ihr sportliches Profil. Manch ein Sportler spielt nicht nur American Football, sondern auch noch Basketball oder Baseball, ist nebenbei ein begabter Musiker oder Akademiker und muss sich für eine Karriere entscheiden.