CONAN, DER KRIEGSHERR - Leonard Carpenter - E-Book

CONAN, DER KRIEGSHERR E-Book

Leonard Carpenter

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Beschreibung

Viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung bildeten Europa, Asien und Afrika noch eine zusammenhängende Landmasse: den hyborischen Kontinent. Es ist die Welt und die Zeit von Conan, dem Abenteurer aus dem düsteren nördlichen Grenzland Cimmerien, der die Steppen und Dschungel, die Gebirge und Ebenen auf der Jagd nach Beute durchstreift. Sein Weg führt ihn in märchenhafte und sagenumwobene Länder, in prächtige Städte und an glanzvolle Höfe, an denen Könige oder mächtige Zauberer herrschen. Immer wieder versucht man ihn, den einfältigen Barbaren, zu übertölpeln und zu versklaven. Doch mit seinen gewaltigen Körperkräften und der unglaublichen Schnelligkeit seiner Waffen sprengt er alle Ketten und lehrt seine Gegner das Fürchten... Um sich aus der Kerkerhaft freizukaufen, schlüpft Conan in die Rolle von Baron Einharsons Erben Favian. Doch Calissa, die sinnliche Schwester, hat ganz andere Pläne mit dem Cimmerier – ebenso die tollkühne Rebellin Evadne. Gegen Giftbecher und tödliche Dolche aus dem Hinterhalt weiß sich Conan alias Favian mühelos zu erwehren. Gegen ein Heer dämonischer Schlangen, das alles niedermetzelt, was sich zur Wehr setzt, erlahmt selbst der starke Arm des Barbaren... bis sich in feuchten Verliesen die toten Ahnen rühren, bereit, alles niederzustrecken, was sich dem adligen Erbe entgegenstellt...

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LEONARD CARPENTER

Conan, der Kriegsherr

Roman

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

CONAN, DER KRIEGSHERR 

Prolog: Die reitenden Skelette 

1. Der Tanz der Keulen 

2. Das Schloss 

3. Die Ausbildung 

4. Der Schrein in der Krypta 

 

Zwischenspiel: Rauchsäulen 

 

5. Schwert und Peitsche 

6. Nektar und Gift 

7. Favians Reise 

8. Blutiger Fluss 

9. Tödliche Brautnacht 

10. Erbfolge durch das Schwert 

11. Die Kriegsherren 

12. Mylord Barbar 

13. Marsch in die Hölle 

14. Blutige Morgendämmerung 

15. Die tausendzüngige Schlange 

16. Der Kopf der Schlange 

17. Die Heimkehr 

18. Das Schwert Einhars 

Epilog: Der Streitwagen 

 

Das Buch

Viele Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung bildeten Europa, Asien und Afrika noch eine zusammenhängende Landmasse: den hyborischen Kontinent.

Es ist die Welt und die Zeit von Conan, dem Abenteurer aus dem düsteren nördlichen Grenzland Cimmerien, der die Steppen und Dschungel, die Gebirge und Ebenen auf der Jagd nach Beute durchstreift.

Sein Weg führt ihn in märchenhafte und sagenumwobene Länder, in prächtige Städte und an glanzvolle Höfe, an denen Könige oder mächtige Zauberer herrschen.

Immer wieder versucht man ihn, den einfältigen Barbaren, zu übertölpeln und zu versklaven. Doch mit seinen gewaltigen Körperkräften und der unglaublichen Schnelligkeit seiner Waffen sprengt er alle Ketten und lehrt seine Gegner das Fürchten...

Um sich aus der Kerkerhaft freizukaufen, schlüpft Conan in die Rolle von Baron Einharsons Erben Favian. Doch Calissa, die sinnliche Schwester, hat ganz andere Pläne mit dem Cimmerier – ebenso die tollkühne Rebellin Evadne. Gegen Giftbecher und tödliche Dolche aus dem Hinterhalt weiß sich Conan alias Favian mühelos zu erwehren. Gegen ein Heer dämonischer Schlangen, das alles niedermetzelt, was sich zur Wehr setzt, erlahmt selbst der starke Arm des Barbaren... bis sich in feuchten Verliesen die toten Ahnen rühren, bereit, alles niederzustrecken, was sich dem adligen Erbe entgegenstellt...

CONAN, DER KRIEGSHERR

Prolog: Die reitenden Skelette

Die Sümpfe Varakiels waren ein verlassener, sagenumwobener Landstrich. Vom östlichen Nemedien erstreckten sich unendlich weit zahllose Inselchen und Fenne bis zur Brythunischen Steppe, wo die Sonne geboren wurde. Weder zu Fuß noch zu Ross oder mit dem Boot waren sie passierbar. Seit alters her waren sie ein trübes Altwasser der Geschichte, eine bodenlose, finstere Todesfalle für Armeen und letzter Zufluchtsort für Gejagte.

Für einen Jungen von elf Sommern bot das Leben am Rand eines derartig riesigen, unerforschten Landstrichs viele verlockende Geheimnisse. Das klagende Geschrei der Sumpfvögel und das Rauschen des Windes im Schilf durchdrangen die Seele, besonders wenn das Kind ein Träumer war, ohne Geschwister aufwuchs und trotz der Warnungen der Eltern nur allzu gern von den vertrauten Feldern davonwanderte.

Lar hatte das Floß aus Holzstämmen einfach verlassen und war begeistert auf Entdeckungsreise in diesem neuen Land gegangen, von dem sein Vater seltsamerweise nie gesprochen hatte. Zweifellos kannte es der verschlossene alte Mann, denn er wusste mehr von Varakiel als irgendein anderer; aber er ehrte die Geheimnisse.

Vielleicht war dieser Teil des Landes geheim und der Zutritt streng verboten. Der Junge wusste noch nicht, ob dieser geheimnisvolle trockene Platz eine Insel oder eine Halbinsel war. Vielleicht änderte dies sich auch im Laufe der Jahreszeiten durch den Wettstreit zwischen Dürre und Flut.

Weidengestrüpp und tiefer Schlamm erschwerten Lars das Vorankommen Außerdem musste er ständig auf der Hut vor Bären, Wildkatzen und Schlangen sein. Doch weiter vorn stieg das Gelände an und war wie die Grasflächen, welche sein Vater weiter im Westen umpflügte. Reiches Ackerland, aber dennoch nicht besiedelt - warum?

Lar senkte den Speer, den er zum Fischfang benutzte, und lief schneller. Er suchte den Horizont nach einem hohen Baum oder einem anderen Orientierungspunkt ab.

Als er eine Erlengruppe umrundete, blieb er wie angewurzelt stehen. Vor ihm erhob sich das ausgebleichte Skelett eines Pferdes, das sich wie im Galopp aufbäumte. Auf seinem Rücken saß ein Reiter in rostiger Rüstung - auch als Skelett.

Lar floh nicht in abergläubischer Panik. Sein Verstand sagte ihm, dass er sich nicht in unmittelbarer Gefahr befand. Er suchte lediglich im Gebüsch Deckung, verhielt sich ganz still und lauschte. Nur die Blätter raschelten leise im Wind. Kein Hufschlag, kein Klirren von Rüstungen. Als sein Herz nicht mehr so wild pochte, kroch er langsam vorwärts und riskierte wieder einen Blick.

Der Geisterreiter war immer noch da und galoppierte auf der Stelle. Nur ein ausgeblichener Fetzen des Gewandes, der sich an den bleichen Knochen oder in einer Schnalle der Rüstung verfangen hatte, flatterte durch die Luft.

Lar sah jetzt, dass Ross und Reiter mit einem senkrechten Holzstab im Boden befestigt waren. Die Stange lief durch Bauch und Sattel des Pferdes in den leeren Brustkorb des Reiters und oben durch den Schädel; denn die verrostete Helmspitze überragte den Kopf um ein Stück.

Lar wusste, dass die grausamen Brythunier als Strafe oft langsames Pfählen verhängten. Instinktiv vermutete er, dass der Reiter und das Pferd wohl kaum - lebendig aufgespießt worden waren. Bei diesem Gedanken lief es ihm kalt über den Rücken, aber er konnte die Augen nicht losreißen.

Tapfer ging er darauf los. Allerdings machte er um den Pferdeschädel mit den langen Zähnen einen respektvollen Bogen. Wohliges Gruseln überlief ihn, als er sah, dass der Reiter der Anführer einer Truppe war.

In loser Formation standen neun weitere Pferde samt Reitern auf der Wiese. Alle waren so alt und ebenso ausgedörrt wie der erste. Einige lagen auf dem Boden, weil die verwitterten Stangen gebrochen waren. Manche trugen noch lehmüberkrustete Lederwamse und am Gürtel die grün angelaufene Messinghefte ihrer vom Rost zerfressenen Eisenschwerter.

Die meisten Bauernjungen hätten vor diesem unheilverkündenden Platz die Flucht ergriffen und den Eltern wirre Geschichten vorgestammelt, so dass diese entweder darüber gelacht oder sie mit strengen, angsterfüllten Blicken zum Schweigen gebracht hätten.

Doch Lar war anderes. Er war ein Träumer. Sein Verstand erfasste mehr als der anderer Jungen mit elf Sommern. Schon ganz früh hatte er über bestimmte Bemerkungen lange nachgedacht, welche die Erwachsenen des Nachts vor dem Feuer hatten fallen lassen, wenn sie glaubten, er schlafe längst.

Mit einem Schauder ging er zwischen den Skeletten umher. In der Mitte der Abteilung lagen die Überreste eines zweirädrigen Streitwagens. Die drei Pferde davor waren nicht aufgespießt, sondern lagen als Knochenhaufen mit Resten des Zaumzeugs im Gras. Die zerbrochenen Holzteile des Wagens waren ebenso ausgebleicht wie die Skelette. Flechten hatten sich darauf angesiedelt. Nur stellenweise sah man noch die bunte Bemalung.

Hier lag ein elftes menschliches Skelett, dessen Schädel in der Mitte gespalten war. Lar fiel die seltsame Flachheit des Schädels sowie die übermäßig vorstehenden Zähne auf.

Doch dann blitzte unter einem Lederfetzen eine goldene Statue auf. Lar stockte der Atem. Er holte sie zwischen den Knochen heraus. Es war eine ovale Schmuckschatulle, die wie ein Schlangenkopf gearbeitet war. Juwelen bildeten die Augen. Als Lar den Staub abrieb, funkelten sie giftig grün. Auch die Stoßzähne waren Juwelen, wie Eiszapfen so klar.

Am Rand der Schatulle befanden sich Scharniere. Mit zitternder Hand griff Lar zwischen die Fänge und drückte mit aller Kraft nach oben. Die Innenseite des Schlangenkopfes war pures Gold. Darin lagen blutrote Edelsteine und die gespaltene goldene Zunge. Auf ihr ruhte ein juwelenbesetzter goldener Kranz - eine Krone?

Lar kannte Schätze und Kronen nur aus den phantasiereichen Erzählungen seiner Onkel an langen Mittwinterabenden. Am liebsten hätte er sofort die Krone aufgesetzt und sich im glänzenden Deckel der Schatulle betrachtet.

Da überlief ihn plötzlich ein eiskalter Schauder. Er war sicher, dass die Geisterreiter lebendig würden, wenn er aufschaute. Voll Angst wagte er schließlich einen Blick. Doch alles war wie zuvor. Die Reiterskelette zeichneten sich noch immer regungslos gegen den Himmel ab.

Doch nun zogen dunkle Wolken über dem Sumpfgebiet auf. Der Wind rauschte stärker in den Bäumen und im Schilf.

Lar hatte keine Angst vor einem Gewitter. Was war eigentlich so unheimlich oder böse an diesem Ort hier? Warum sollte er sich vor den Überresten vergangener Krieger fürchten? Sein ganzes Leben lang hatte er gehört, wie die Erwachsenen mit abergläubischer Furcht über Unheimliches sprachen. Jetzt verachtete er ihre Feigheit. Er gehörte nicht zu den angstzitternden Sklaven! Beherzt griff er in den Schlangenkopf nach der Krone.

Als seine Hand den Schatz berührte, löste sich ein Hebel, und der Deckel fiel ihm auf den Arm Er schrie vor Schmerzen auf, als ihm einer der nadelscharfen Schlangenzähne bis zum Knochen eindrang.

Schluchzend öffnete er mit der anderen Hand den Deckel und zog den Arm heraus. Die tiefe Wunde brannte wie verätzt. Schon wurde der Arm taub. Er konnte kaum noch klar denken. Beim letzten Blick auf den Schlangenkopf sah er, dass aus dem Zahn kein Blut, sondern gelbes Gift tropfte.

Sein Vater fand ihn drei Tage später, als er wie betäubt durchs Schilf stolperte. Weder Fragen noch Schläge brachten ihn zum Sprechen. Der alte Mann trug ihn auf der Schulter nach Hause, wo die Mutter wartete.

»Lar! Mein liebes Kind, warum hast du nicht auf mich gehört? Versprich mir, dass du nie wieder von der Seite deiner Mutter wegläufst!« Sie badete ihn und legte ihn auf ein Lager vor dem Feuer. Dann band sie ihm Heilkräuter um den verletzten Arm, damit die Wunde sich nicht entzünde.

Später, als der Vater wieder auf dem Feld war, wollte sie Lar eine kräftige Suppe einflößen, doch der Junge wollte nicht essen. Sie hielt ihm den Holzlöffel an den

Mund und redete ihm gut zu. Da packte Lar ihren Arm und biss hinein. Sie schrie auf. Die Wunde brannte wie verätzt.

  1. Der Tanz der Keulen

Das Verlies war erfüllt vom Gestank menschlichen Elends. Nur ein dünner Lichtstrahl fiel durch das Gitterloch hoch oben. Wasserlachen und fauliges Stroh lagen auf dem Steinboden.

An den Wänden lagen oder kauerten über zwanzig Gefangene. Einige waren nemedische Sklaven. Die dunkelhäutigen Männer trugen raue knielange Tuniken, welche mit einem Strick in der Mitte zusammengehalten wurden. Fröhliche Straßendiebe aus Dinander waren exotischer gekleidet. Die Stadtwache hatte auch einige mittellose Reisende aufgegriffen und ins Loch geworfen. Die körperliche Verfassung der Gefangenen war ebenfalls sehr unterschiedlich. Die kräftigeren Typen hielten sich in der Nähe der Tür auf, während von der Folter gebrochene Bauernburschen in den dunkelsten Ecken lagen und leise stöhnten.

Am schlimmsten war der arme Kerl dran, der mit dem Gesicht nach unten in der Mitte des nassen Bodens lag. Seine Gliedmaßen waren verrenkt. Sein Schicksal bewegte die Insassen sehr, denn sie schrien laut:

»Kerkermeister! He, der arme Stolpa ist tot! Komm und schaff ihn weg!«

»Ja, hol ihn hier raus! Er stinkt schon.«

Ein kräftiger Gefangener mit verfilztem Vollbart trat dreimal kräftig gegen die schwere Holztür. Dann brüllte er durch das Guckloch: »He, Wärter! Komm her! Der Kerl ist schon seit Stunden tot. Überall kriechen die Maden herum«

»Schafft ihn weg! Schafft ihn weg!«, brüllte jetzt der Haufe im Chor. Nur einer beteiligte sich nicht am Geschrei.

Er war ein Barbar aus dem Norden: ein kräftiger junger Mann, ungefähr achtzehn Winter alt, mit langen blauschwarzen Haaren und einem Hauch von Bart. Das schlecht sitzende Hemd und die Hosen waren ein Hohn für seine muskulöse Gestalt. Als er sich neben der Zellentür reckte, waren seine Bewegungen so geschmeidig und anmutig wie die einer Raubkatze. Seine Augen hafteten auf der Tür. Ab und zu flüsterte er mit seinem Nebenmann, einem Raufbold mit gebrochener Nase.

»Sie kommen.« Der Krummnasige machte ein ernstes Gesicht. »Du kennst deine Aufgabe, Conan. Die anderen wissen auch Bescheid.«

»Ja, Rudo. Crom sei mit uns!«

Dann donnerten Schläge gegen die Tür. Die Gefangenen wurden still.

»Ihr Abschaum!«, brüllte eine raue Stimme durchs Guckloch. »Ruhe da drinnen! Oder ich schicke euch einen Pfeilhagel!«

Der mit dem Vollbart, der gegen die Tür getreten hatte, trat vor das Guckloch und breitete die Hände aus. Dann zeigte er auf die leblose Gestalt in der Mitte. »Euer Hochwohlgeboren, Stolpa ist schon seit Stunden tot, und hier ist es sowieso schon furchtbar eng. Wir wären ihn gern los, bitte.«

»Tot, ja?«, rief der unsichtbare Kerkermeister. »Und wer von euch Schurken hat ihn erwürgt?«

Der Vollbärtige rang nervös die Hände. »Niemand. Ihr wisst doch, dass er schon seit längerer Zeit kränkelte.«

»Na schön. Soll sein Kadaver verrotten, und deiner auch, Falmar!« Dann unterhielt sich der Kerkermeister leise mit anderen. »Woher weiß ich, dass es kein Trick ist?«, fragte er nach.

Unmut wurde unter den Gefangenen laut. Der krummnasige Rudo verließ seinen Platz neben dem Barbaren und schob den Vollbärtigen beiseite. »Mit Eurer Erlaubnis, Kerkermeister...«

Er schwang den rechten Fuß, der in einem Stiefel steckte, und trat dem leblosen Körper direkt in den Rücken, so dass dieser ein Stück auf dem schleimigen Boden dahinrutschte.

»Stolpa hat ausgelitten.« Rudo schaute zur Tür und senkte den Kopf. »Unser Leiden beginnt erst. Bitte, schafft ihn fort.«

Die Gefangenen warteten stumm. Wieder aufgeregtes Getuschel vor der Tür. Dann rief der Kerkermeister durchs Guckloch: »Na schön! Aber ihr müsst ihn selbst rausschaffen. Vielleicht ist er an einer schleichenden Seuche verreckt. Zwei - nicht mehr - sollen ihn tragen.«

Knarrend öffnete sich die schwere Holztür.

»Los! Beeilt euch!« Die raue Stimme gehörte einem Mann mit grauem Gesicht. Er trug den Bronzehelm und das rote Lederwams der Stadtwache. Mit der Armbrust zeigte er auf die Tür. Die zwei Männer, die die Leiche trugen, setzten sich in Bewegung. Ein zweiter Wächter, etwas hagerer und größer als der Kerkermeister, packte die Riegel, um die Tür sofort wieder zu schließen.

Kaum waren die beiden mit ihrer Last über die Schwelle getreten, als die gespannte Ruhe unter den Gefangenen einem plötzlichen Ansturm auf die Tür wich. Der junge Barbar sprang den Wärter an, welcher die Riegel hielt, drehte ihm blitzschnell den Arm nach hinten und riss den Mann in die Zelle. Inzwischen hatten sich die beiden Leichenträger auf den Kerkermeister gestürzt, wobei die Leiche ihnen tatkräftig half. Stolpa war auf wunderbare Weise von den Toten auferstanden.

Conan versetzte dem Wächter einen harten Schlag mit der Faust. Dann packte er den Lederriemen, an dem der schwere Knüttel hing, und drehte ihn so lange, bis das Handgelenk des Besitzers knackte und er die Keule losließ. Der junge Barbar überließ ihn danach den Fäusten und Füßen der Mitgefangenen.

Er selbst stürzte sich mit markerschütterndem

Kriegsgeheul in das Kampfgetümmel an der Tür, bei dem inzwischen weitere vier Wachtposten kämpften. Der Kerkermeister war bereits entwaffnet und versuchte auf allen vieren davonzukriechen. Blut floss ihm aus der klaffenden Schädelwunde über das Gesicht. Als der Barbar aufschaute, liefen noch zwei Stadtwachen die enge Treppe von den Folterkammern herauf.

Conans erster Schlag galt dem zweiten Mann. Doch der Eichenknüttel prallte am Helm des Gegners ab. Dennoch fiel er über die Treppe in den nur von Fackeln beleuchteten engen Gang vor dem Verlies.

Sein Kamerad wollte ihn rächen. Aber der Keulenschlag traf Conan nur an der Schulter, weil der Barbar sich blitzschnell zur Seite gedreht hatte. Jetzt kam es zu einem heftigen Schlagabtausch mit den schweren Keulen. Eiche schlug gegen Eiche. Da gelang dem Mann aus dem Norden ein Treffer auf die Handknöchel des Gegners. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wich der Mann zurück. Im nächsten Augenblick schickte ihn ein Schlag über die Brauen ins Reich der Träume. Sofort bemächtigte sich ein Gefangener seiner Waffe.

Conan kämpfte sich auf der engen Treppe weiter nach oben, von wo weitere Stadtwachen aufgetaucht waren. Der krummnasige Rudo schlug mit der Armbrust des Kerkermeisters wild um sich. Andere Gefangene rangen mit den Wachen, um ihnen die Keulen zu entreißen. Falmar drückte einem Gegner mit dessen Knüttel die Kehle zu.

Stolpa lag am Fuß der Treppe. Diesmal wirkte seine Darstellung eines Toten sehr echt.

Der junge Barbar kämpfte wie ein Löwe an der Spitze. Unbarmherzig schlug er auf die Wächter ein. Da ihre Köpfe durch die Helme geschützt waren, zielte er auf die Nacken. Mehrere Todesschreie belohnten seine Mühe.

Conan war von einem wilden Schlachtrhythmus erfüllt. Seine Bewegungen zwischen Wachen und Gefangenen wurden zu einer Art Kriegstanz. Traf ihn eine feindliche Keule an den Rippen, steigerte der Schmerz nur seine Schnelligkeit. Ausweichen, zuschlagen, abwehren, zuschlagen! Das barbarische Blut sang ein wildes Lied in seinen Ohren.

Er fühlte sich plötzlich übermächtig und unverwundbar. Die Feinde sanken wie niedergemähte Kornschwaden rechts und links von ihm zu Boden.

Lautes Geschrei von hinten riss ihn aus dem Kampfestaumel. Von den unteren Verliesen waren weitere Wachtposten heraufgestürmt und standen jetzt vor der Zellentür. Einige Gefangene waren noch drinnen. Entweder hatten die Wachen sie zurückgedrängt, oder sie hatten aus Schwäche oder Feigheit das stinkende Loch nicht verlassen. Jetzt waren die Meuterer getrennt. Der riesige Fletta mit dem Mondgesicht, der alle verhört hatte, stand zwischen zwei Wachen neben der Tür und schlug jedem, der aus der Zelle herauswollte, mit seinem Kupferhammer auf den Schädel.

Für die Unglücklichen in der Zelle kam jede Hilfe zu spät; aber die übrigen Gefangenen hatten noch die Möglichkeit, über die Treppe nach oben zu entkommen. Nur zwei Wachen verteidigten sie, und diese wichen unten den furchtbaren Schlägen von Rudo und Falmar bereits zurück.

Doch plötzlich strömten neue Verteidiger durch einen Torbogen von oben auf die Wendeltreppe zu. Es waren Angehörige der Elitetruppe der Provinz: Eiserne Wächter. Sie trugen enganliegende schwarze Metallkappen und Brustharnische. Alle zückten die langen Krummsäbel.

Ihr Anführer blieb oben beim Torbogen stehen und blickte auf das Getümmel herab. Er war groß, hager, hatte einen schwarzen Schnurrbart und wirkte sehr vornehm in dem schwarzen Umhang. Seine Hand lag am Schwertgriff, als er einem jungen Offizier etwas zuflüsterte, der im Begriff war, die Treppe herunterzukommen. Dann schaute er ruhig und ernst direkt auf den jungen Barbaren aus dem Norden. Jedenfalls hatte Conan dieses Gefühl.

Der Kampf war kurz und brutal. Die Eisernen Wächter machten die Gefangenen mit ihren Säbeln blitzschnell nieder. Irgendjemand warf Conan ein stinkendes Hemd von hinten über den Kopf, dann rissen ihn mehrere Elitesoldaten zu Boden.

Er wehrte sich gegen die Fausthiebe, welche von allen Seiten auf ihn niederprasselten. Jeden Augenblick erwartete er, kalten Stahl zwischen den Rippen zu spüren.

Doch aus unerfindlichen Gründen gaben sich die Soldaten damit zufrieden, ihm die Hände auf den Rücken zu binden.

Er hörte überall Stöhnen und Bitten um Gnade, als der Kampf endete. Offenbar wollte man ihn verschonen. Vor ihm stiegen Bilder grausamer Folterungen und Erniedrigungen auf, falls er so lange leben sollte. Jetzt hörte er, wie die überlebenden Gefangenen unter Fluchen und lautem Schimpfen wieder zurück in die Zelle getrieben wurden. Nur ihn ließ man schweigend weiter auf dem Boden knien.

»Ist das der Bursche, der Conan genannt wird?«, fragte eine ruhige Stimme neben ihm

»Jawohl, Sir, ein Cimmerier. Ein gefährlicher Kämpfer und wahrscheinlich einer der Anstifter der Meuterei«, antwortete ein Posten wütend. »Mit Eurer Erlaubnis, Marschall Durwald, dem Kerl sollte man die Achillessehnen durchschneiden oder ihn gleich töten.«

»Macht sein Gesicht frei!«

Das Hemd wurde herabgezogen. Conan stand inmitten von Leichen im Wachraum Der hohe Offizier im schwarzen Umhang betrachtete ihn mit ausdruckslosem Gesicht. Neben ihm stand ein Soldat der Stadtwache mit blutiger Nase.

Nach kurzem eisigen Schweigen befahl der Offizier: »Schafft ihn in eine Einzelzelle. Er wird später woanders hingebracht.« Dann machte Marschall Durwald auf dem Absatz kehrt und ging so schnell hinaus, dass sich der

Umhang wie eine schwarze Wolke blähte. Über die Schulter rief er noch zurück: »Er wird dem Baron übergeben.«

  2. Das Schloss

 

 

 

Verstohlene Blicke aus dunklen Fenstern und Hauseingängen folgten dem Streitwagen, der über Nebenstraßen durch Dinander rumpelte. In dieser langweiligen Provinzhauptstadt entging den Bewohnern nicht viel. Selbst nachts und auf von Unrat übersäten Gassen wurde alles beobachtet - aus Angst oder Klatschsucht und um politische Intrigen zu spinnen.

Der Streitwagen rüttelte die Insassen kräftig durch, als er über das Kopfsteinpflaster holperte. Die drei herrlichen Rotschimmel fanden mit den Hufen guten Halt. Wenn die eisenbeschlagenen Räder in eine der Kloakenrillen gerieten, welche quer über die Gassen verliefen, schaukelte das Fahrzeug noch stärker.

Fahrer und Soldaten saßen enggedrängt auf der gepolsterten Querplanke. Noch schlimmer war die Fahrt für Conan, der mit auf dem Rücken gefesselten Händen unten auf dem Boden lag.

»Bleib unten, du stinkender Barbar, sonst zieh ich dir eins drüber!« Die Drohung des Fahrers wurde durch die Faust um den Dolchgriff unterstrichen.

»Crom! Ihr bringt mich um! Ich kann kaum atmen!« Sie hatten eine Pferdedecke über ihn geworfen, um sein

Klagen nicht zu laut zu hören.

»Ruhig, Cimmerier!« Marschall Durwalds Stimme klang ruhig, aber entschieden. »Der Baron hat diese Fahrt befohlen. Wenn man dich sieht, bist du für ihn von keinem Nutzen mehr.

Dann ereilt dich das Schicksal, das dir aufgrund deines Lebenswandels und deiner letzten Verbrechen eigentlich gebührt. Verhalt dich ruhig, das ist besser für dich.« Verächtlich schaute er nach unten. »Gib dir mit den Fesseln keine Mühe. Wir sind gleich im Schloss.«

Der Fahrer stieß einen schrillen Pfiff aus und ruckte mit den Zügeln, um die Hengste noch mehr anzutreiben. Conan kam es wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich über eine Holzbrücke rollten. Dann hörte er einen Ruf von oben und wie ein schweres Tor sich öffnete. Der Streitwagen hielt an.

Die Decke wurde weggerissen. Dann zerrte ihn ein Soldat vom Wagen hinunter auf die harte Erde. Conan schaffte es gerade, aus eigener Kraft wieder aufzustehen.

Der Marschall deutete auf die Seitentür eines großen Gebäudes, das vor ihnen aufragte. Der Fahrer kam auf Conan zu. Doch der Barbar warf ihm einen derartig finsteren Blick zu, dass der Mann zurückwich. Offenbar hatte er vergessen, dass Conan noch gefesselt war. Mürrisch schritt der junge Barbar zwischen den Soldaten auf die Tür zu.

Das Schloss glich eher einer Festung. Die äußere Mauer war so hoch wie drei Männer übereinander. Das Torhaus wurde von einer Brustwehr gekrönt. Als zusätzliche Sicherung standen vier runde Türme an den Ecken des quadratischen Schlosses. Der Hauptbau war aus dicken Quadern errichtet. An den Außenwänden lehnten Holzhütten, die als Stallungen oder Unterkünfte genutzt wurden. Das große Hauptportal des Schlosses stand offen. Heller Lichtschein strömte auf die breite, steinerne Terrasse davor.

Doch Durwald, der Marschall des Barons, hielt sich vom Lichtschein fern. Er schloss eine Eisentür auf, die in einer Mauernische auf der Vorderseite des Schlosses verborgen war. Dahinter kam ein kleiner Raum mit einer Holzbank an einer Seite. Gegenüber an der Wand hingen Kleidungsstücke, darunter standen aufgereiht Stiefel. Durch den Torbogen am anderen Ende erhaschte Conan einen Blick in eine große Halle mit bunten Gobelins und einer mächtigen Freitreppe.

»Schließen!«, befahl der Marschall. Sobald der Fahrer des Streitwagens die Außentür verriegelt hatte, lief er schnell zu der Tür, welche in die Halle führte, und schloss sie ebenfalls rasch.

Durwald gab Conan ein Zeichen, sich auf die Bank zu setzen. Der junge Mann zögerte einen Augenblick lang, nahm dann aber trotz der schmerzenden Glieder Platz. Der Marschall blieb stehen.

»Du bist also ein Cimmerier«, stellte Durwald fest.

Dann schlug er den Umhang zurück, so dass der blitzende Brustharnisch zu sehen war, und musterte den Gefangenen scharf. »Aber bei deiner Gefangennahme hattest du Münzen aus Zamora bei dir, außerdem noch Golddrachmen von unserer Hauptstadt Belverus. Offenbar hast du dich im Süden herumgetrieben, richtig?«

Conan nickte. Er wusste, dass dies schwere Verbrechen in der nemedischen Hauptstadt waren. Ganz gleich, ob er schuldig oder nicht war, konnten sie ihn den Kopf kosten.

»Antworte, wenn ich mit dir spreche! Wie lange bist du schon in Dinander?«

»Ein Dutzend Tage.« Conan schlug die Augen nieder, damit ihn sein Blick weniger verriet.

Der Marschall zwirbelte nachdenklich den Schnurrbart. »Hast du Verwandte oder sonstige enge Bindungen in Nemedien?«

»Nein.« Conan wunderte sich über diese Fragen.

»Bist du sicher? Ist keine deiner weiblichen Verwandten als Braut in den Süden gegangen?« Durwald legte den Kopf schief und ließ den Gefangenen nicht aus den Augen. Doch dieser schüttelte nur empört den Kopf.

Als keine weitere Antwort kam, fuhr der Marschall fort: »Na schön, Junge. Du kommst aus dem wilden Norden. Was hältst du denn von den Wundern unserer Zivilisation?« Er lächelte mit falscher Freundlichkeit. »Gefallen dir die hyborischen Länder?«

Conan dachte kurz nach. Dann schaute er Durwald offen in die Augen. »Es ist komisch... Nie habe ich so viel Reichtum gesehen wie in diesen Städten im Süden - aber auch nie so viel Schmutz und Elend.« Verwundert schüttelte er den Kopf. »Wenn in Cimmerien ein ganzer Stamm hungert, leiden alle. Aber wenn es wieder besser geht, genießen dies auch alle gemeinsam Hier können ehrliche Leute inmitten von Reichtum verhungern, und Habgierige werden fett auf Kosten vieler anderer Menschen.«

Durwalds Augen verengten sich. »Derartige Gedanken solltest du in den Schneewüsten des Nordens lassen, Junge. Ganz gleich, ob richtig oder falsch - in Dinander schneidet man dir deswegen die Zunge heraus. Aber du beherrschst die nemedische Sprache erstaunlich gut. Wie kommt das?«

Sorglos antwortete Conan. »Unter dem Abschaum der Grenzkönigreiche, der den Cimmeriern Land stehlen wollte, waren auch Nemedier. In meiner Jugend nahmen wir ein paar als Geiseln.« Er spannte die Schultermuskeln, als wolle er zeigen, dass diese Jugendzeit schon lang zurücklag. »Später war ich bei den Kriegern, welche sie zum Fort Ulau brachten und dort das Lösegeld kassierten.«

»Das waren Nemedier aus dem Osten?«

»Vastische Bauern.«

»Hm, ja.« Der Marschall nickte nachdenklich. »Hast du irgendwelche Vorbehalte, in die Dienste des Barons von Dinander zu treten?«

»Warum nicht?« Conan blickte ihn ausdruckslos an. »Solange man von mir nicht erwartet, meine Verwandten umzubringen oder gegen sie zu spionieren.«

Jetzt lächelte Durwald ehrlich. »Dann ist es abgemacht!« Er wandte sich an den Fahrer. »Swinn, der Mann braucht anständige Kleidung, wenn er vor Seine Lordschaft tritt.« Dann rümpfte er leicht die Nase. »Aber das Bad muss auf später verschoben werden, fürchte ich. Los, such etwas Passendes heraus!«

Swinn musterte die Kleidungsstücke an der Wand. Schließlich nahm er ein grünes Wams und hellbraune Hosen herab und hielt sie wortlos hoch. Durwald nickte. »Ja, und jetzt schneide die Fesseln entzwei.«

Swinn warf dem Marschall einen zweifelnden Blick zu, doch dann legte er die Kleidungsstücke auf die Bank, zückte seinen Dolch und ging auf Conan zu. Der Cimmerier drehte sich um und hielt ihm die zusammengebundenen Knöchel entgegen.

Wieder zögerte Swinn.

»Keine Angst«, sagte Durwald, »wenn der Junge aus dem Norden einen Funken Verstand hat, weiß er, dass alles, was wir ihm anbieten, besser ist, als es das Verlies und ein Leben in den Kupferminen sind. Los, schneide schon!«

Swinn gehorchte. Conan nahm die Arme nach vorn und massierte sich die Handgelenke, auf denen rote Striemen zu sehen waren. Vorsichtig trat Swinn neben ihn, um ihm beim Ausziehen zu helfen.

Blitzschnell knallte Conan ihm die Faust vor die Brust. »Zurück!« Swinn fiel rücklings auf die Bank. Fluchend kam er mit gezücktem Dolch wieder auf die Beine.

Ungeduldig fuhr Durwald ihn an. »Swinn, lass ihn in Ruhe und steck dein Rübenmesser weg!« Er nickte Conan zu. »Mach schon, Junge! Zieh diese gestohlenen Lumpen selbst aus.«

Conan funkelte ihn wütend an. »Das sind meine eigenen Sachen. Hätte ich sie gestohlen, wären sie von besserer Qualität.«

Dann entledigte er sich des Hemds, das im Rücken seit einem Keulenkampf der Länge nach aufgerissen war. Danach stieg er aus der ausgefransten Hose. Seine Nacktheit störte ihn nicht im Geringsten. Verwundert betrachtete Durwald die vielen Blutergüsse. Der Cimmerier starrte zwar vor Schmutz aus dem Verlies, hatte aber für einen so jungen Mann einen erstaunlich wohlgebauten Körper. Breite, muskelbepackte Schultern, eine schmale Taille und kräftige Beine. Er bewegte sich mit der Kraft und der Geschmeidigkeit eines Leoparden.

Conan legte die neue, gut passende Kleidung an, knotete die Schnur in der Hose und knöpfte das Wams zu. Dann band er die neuen leichten Lederschuhe fest, die viel besser als seine schmutzigen, abgelaufenen Sandalen waren.

»Das reicht. Komm jetzt!«, befahl Durwald.

Conan folgte dem Marschall zur Tür. Swinn blieb ihm auf den Fersen. Sie kamen auf eine Innengalerie, welche um die prächtige Halle lief. Das hohe Gewölbe lag im Schatten. Das Holzgeländer der Galerie war kunstvoll gearbeitet. Aber Conan erkannte, dass die kreuzförmigen Öffnungen in der Schnitzerei Bogenschützen einen hervorragenden Wehrgang mit Schießscharten boten, falls Feinde in die Halle eingedrungen waren. Von hier oben hatte man auch das große Eingangsportal im Visier. Die drei Männer gingen bis zu einer hohen Tür. Dahinter lag ein kostbar ausgestatteter großer Raum.

An einem sechseckigen Schreibtisch erhoben sich zwei Männer von hochlehnigen Stühlen. Der eine war hochgewachsen und trug einen eisengrauen Schnurrbart. Der andere war untersetzt und hatte ein rundes Gesicht. Offenbar war er ein Gefolgsmann.

»Ah, Durwald. Das ist also der junge Bursche.«

Der Ältere wandte sich halb zur Tür. In dem feinen Lederkilt und gefältelten Seidenhemd war er jeden Zoll ein Edelmann. Als Waffe trug er einen Dolch mit Silberheft in einer silbernen Scheide an schwerer Silberkette am Gürtel. Sein Gesicht war die Verkörperung eines Herrschers. Der graue Schnurrbart und die Locken machten die Adlernase und das energische Kinn nur etwas weicher.

Doch als er nun den Kopf ganz wandte, um Conan näher zu betrachten, sah der junge Barbar, dass die Symmetrie des edlen Antlitzes grausig entstellt war. Von einem Auge bis zum Mund verlief eine blutrote, schief verheilte Narbe. Daher war ein Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen verzogen. Das Auge darüber war etwas wässrig, schien aber funktionsfähig zu sein. Conan hatte das Gefühl, als musterten ihn die flinken Augen eines Raubvogels.

Der andere Mann bildete einen starken Gegensatz. Er wirkte durch und durch gewöhnlich. Das Wollwams hatte er so zusammengeschnürt, dass dicke Fettrollen über und unter der Körpermitte hervorquollen. Er war glatt rasiert und gab sich sehr hochmütig.

Durwald beugte vor dem Aristokraten den Kopf und nahm Haltung an. »Jawohl, Mylord! Dies ist Conan, der Junge, von dem ich Euch berichtet habe. Ein wilder Cimmerier, doch fähig, Befehle zu verstehen, habe ich den Eindruck. Conan, knie nieder vor Baron Baldomer Einharson!«

Conan beugte knapp den Kopf, blieb aber stehen.

Durwald drehte sich zu ihm »Cimmerier, du hast vor Höherstehenden zu knien!«

Der junge Barbar blickte furchtlos in die Runde. »Vielleicht tue ich das, wenn ich einem Höherstehenden begegne.«

Durwalds Hand fuhr zum Schwert. »Jetzt reicht's, Barbar!«

»Marschall!« Baldomer fuhr ihn im Befehlston an und hob den Arm Aber er schien auch amüsiert zu sein. »Lass ihn leben!«

Alle schwiegen respektvoll. »Es ist doch besser, wenn der Junge es nicht gewohnt ist, zu gehorchen. Das würde nicht zu der Rolle passen, für welche wir ihn vorgesehen haben.«

Der Marschall blickte von seinem Gefangenen zum Baron und nickte. »Selbstverständlich, Mylord. Verzeiht mir.« Er musste sich kurz sammeln. Dann fragte er: »Findet Ihr die Ähnlichkeit zufriedenstellend?«

Baldomer lächelte. »Ja, er hat den offenen Blick, der den Männern Cimmeriens den Anflug von Kühnheit verleiht... und den Frauen die Schönheit.« Der Schatten einer traurigen Erinnerung verdüsterte ganz kurz sein Gesicht. »Wenn sein Haar etwas geschnitten ist, sieht er meinem Sohn tatsächlich ähnlich. Dieser hat ebenfalls noch keinen richtigen Schnurrbart.«

Der kleine Dicke faltete die Arme über dem Bauch und beugte sich eifrig zum Baron. »Mylord... glaubt Ihr wirklich, dass dieser ungeschlachte Tölpel die Rolle Eures Sohns Favian spielen könnte?«

Baldomer lachte. »Na ja, Svoretta, mein Sohn und Erbe müsste ein gut gepolstertes Wams tragen, um die Formen seines Leibwächters zu erreichen. Und beide müssten vielleicht öfter Helme tragen. Aber das kann Favians Bild in der Öffentlichkeit nur verbessern.«

Der Marschall und Swinn lachten pflichtschuldig. Doch Svoretta war offenbar weniger untertänig. Er drang weiter in den Baron.

»Mylord, ein unbekanntes, aufsässiges Geschöpf wie diesen Burschen in Euren engsten Dienerkreis aufnehmen... Ich fürchte, dass er zu einer größeren Gefahr werden könnte als die, welche Ihr vermeiden wollt. Als Verantwortlicher für die Spionage im Land kann ich nur sagen, dass es praktisch unmöglich ist, eine derartig wichtige Angelegenheit geheimzuhalten und...«

»Svoretta, das alles haben wir zur Genüge besprochen«, unterbrach ihn der Baron. »Hier in Dinander ist es nicht leicht, diese Maskerade aufzuführen; aber bei der Tour durch die Provinzen wird es einfacher sein. Und dort ist meiner Meinung nach das Leben meines Sohnes am meisten in Gefahr - ebenso wie mein eigenes. Deshalb brauchen wir da einen Doppelgänger.« Ungeduldig trommelte Baldomer auf den Tisch. Seine Stimme wurde tiefer.

»In diesen Zeiten, da unter den Bauern Aufruhr um sich greift, gilt meine einzige Sorge der festen Herrschaft in der Baronie von Dinander. Das bedeutet selbstverständlich die Fortsetzung der Herrschaft des Geschlechts der Einharsons. Wir müssen alles tun, um die Katastrophe eines Bürgerkriegs zu vermeiden - oder, was noch schlimmer wäre, eine schwachsinnige Einmischung unseres verweichlichten Königs Laslo aus seinem Harem in Belverus.« Baldomer hob den Blick über die Köpfe der Anwesenden.

»Meine eigene Herrschaft hier muss bestehen bleiben! Und wenn meine Tage auf dieser Erde sich dem Ende zuneigen, müssen die an der Spitze in der Lage sein, die ordnungsgemäße Übergabe der Herrschaft von einer Generation auf die nächste auszuführen. Offensichtlich kann dies nur geschehen, indem mein heiliger Samen bewahrt wird, welcher - dank der Gnade der Götter - von meinem göttlichen Vorfahren Einhar stammt.«

Auf dem Gesicht des Barons spiegelten sich abwechselnd Grausamkeit und Heiterkeit. »Daher ist unser Kurs klar abgezeichnet. Verpflichtet ihr alle euch durch einen Eid dazu, das Leben meines einzigen Sohnes und Erben zu erhalten?«

Auf Baldomers feurige, fast fanatische Rede folgte kurz betretenes Schweigen. Doch dann nickten alle zustimmend.

Der Baron suchte in den Augen der Anwesenden nach Spuren von Zweifel oder Widerstand. Zuletzt schaute er Conan an, der die Augen niedergeschlagen hatte.

Schließlich wagte Svoretta es, seinen Herrn zu beschwichtigen. »Selbstverständlich verstehe ich, welche Prioritäten Ihr setzt, Mylord. Ich kann als bescheidenen Beitrag zu Eurer göttlichen Mission nur eins anbieten: mein Leben!« Er machte eine Pause und senkte den Kopf, um die Worte wirken zu lassen. »Daher werde ich mich sogleich an die Ausführung Eures Befehls machen und dafür sorgen, dass alles einem guten Ende zugeführt wird.« Er verbeugte sich und küsste die Fingerspitzen des Barons.

»Nun, gut!« Baldomer deutete auf Conan. »Wir können ihn als persönlichen Leibwächter in den Haushalt einführen. Offensichtlich ist er ein Kämpfer. Hervorragend. Wir müssen ihn ein wenig verborgen halten oder die Ähnlichkeit herabspielen, bis er als Doppelgänger für meinen Sohn auftritt. Er muss lernen, den Mund zu halten. Dieser grobe cimmerische Akzent ist unmöglich! Und natürlich müssen wir ihm die Reitkunst beibringen und wie man sich bei Hof benimmt.

Das alles, ferner Unterbringung und Ausrüstung, überlasse ich dir, Durwald. Ach ja, mein Sohn muss seinen kümmerlichen Schnurrbart abrasieren. Denn dieser Jüngling kann es unmöglich schaffen, dass bei ihm in der kurzen Zeit, die uns bleibt, Haare unter der Nase hervorsprießen.« Er blickte alle noch einmal tiefernst an. »Das Geheimnis darf diesen Raum nicht verlassen. Ganz gleich, welche Vermutungen und Gerüchte auch laut werden, keiner von euch darf auch nur die geringste Bestätigung äußern.« Er schaute Conan in die Augen. »Hast du verstanden, Junge?«

Conan nickte und überraschte alle. »Ja. Und wie hoch ist mein Sold?«

Baldomer musste lächeln. »Verschon mich mit diesen läppischen Dingen. Außer deinem Leben, Kost und Logis sollte eine Golddrachme alle zwei Wochen genügen...« Er griff in den Lederbeutel auf dem Tisch, holte eine Münze heraus und warf sie Conan zu.

In diesem Augenblick teilte sich ein grüner

Samtvorhang hinten im Raum. Eine Tür kam zum \0rschein, durch welche sich ein junger Mann auf unsicheren Beinen hindurchschob.

Er war groß, trug ein seidenes Hemd und einen Kilt aus Pelz, der über die hohen schwarzen Reitstiefel fiel. Am Gürtel hing ein langer Dolch, dessen Griff mit Juwelen besetzt war. Das zerzauste schwarze Haar und das kantige Gesicht verrieten die Mischung aus cimmerischem und aus Einharsons edlem Blut. Nur der dünne Schnurrbart störte das Bild. Er ähnelte Conan. Allerdings war er etwas kleiner und nicht so muskulös wie der Barbar. Er schwankte zum Tisch und stützte sich mit einer Hand darauf. Ob dies die Dramatik seines Auftritts erhöhen sollte oder ob er Halt brauchte, war nicht ganz klar. Dann musterte er die Anwesenden.

»Aha, eine illustre Versammlung! Männer mit Verantwortung denken über wichtige Staatsgeschäfte nach.« Er sprach sehr undeutlich und machte eine ausladende Armbewegung. Der junge war sturzbetrunken. »Wie kommt es - frage ich mich -, dass ich nicht zu dieser Beratung gebeten wurde?«

Der Baron warf ihm einen angeekelten Blick zu. »Favian, wenn du alt genug bist, um an einer Beratung von Männern teilzunehmen, dies durch anständiges, ehrenhaftes Benehmen beweist, wirst du hinzugezogen. Vorher nicht!«