Cool! Du sollst unser Papi werden! - Carolin Schreier - E-Book

Cool! Du sollst unser Papi werden! E-Book

Carolin Schreier

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Beschreibung

Große Schriftstellerinnen wie Patricia Vandenberg, Gisela Reutling, Isabell Rohde, Susanne Svanberg und viele mehr erzählen in ergreifenden Romanen von rührenden Kinderschicksalen, von Mutterliebe und der Sehnsucht nach unbeschwertem Kinderglück, von sinnvollen Werten, die das Verhältnis zwischen den Generationen, den Charakter der Familie prägen und gefühlvoll gestalten. Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! »Elfie! Hallo, Elfie!« An der linken Hand den kleinen Lukas und über die rechte Schulter zwei große, prall gefüllte Einkaufstaschen gehängt, winkte Liane Albrecht ihrer Freundin zu, die, ihre langen Beine elegant übereinandergeschlagen, auf der sonnenbeschienen Terrasse des Cafés ›Zum lieben Augustin‹ saß, auf die blitzende Wasserfläche des Bodensees hinausschaute und genüßlich an einem Espresso nippte. Elfie strich ihre langen blonden Haare zurück und sah sich suchend um, konnte aber im Gewühl der auf der Friedrichshafener Seepromenade hin- und herflanierenden Menschen nicht sofort ausfindig machen, zu wem die Stimme gehörte, die sie gerufen hatte. »Eeelfie!« Endlich wandte Elfie Bogner ihren Kopf in die richtige Richtung. Mit einem Ausruf der Überraschung stellte sie die Tasse ab und winkte zurück, dann sprang sie auf und lief, so schnell es ihr enger, raffiniert geschlitzter Rock und ihre hochhackigen Pumps erlaubten, auf Liane Albrecht zu. Mit herzlicher Spontanietät umarmte sie die Freundin, wobei eine der riesigen Taschen zu Boden fiel und ein blaues Plastikkrokodil, eine Schachtel mit farbiger Kreide und ein paar Bilderbücher herauskollerten. »Mensch, Liane«, lachte Elfie übermütig, ohne das Spielzeug und Lukas, der sich sofort darauf stürzte, auch nur eines Blickes zu würdigen. »Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen? Vor einer halben Ewigkeit oder vor einer ganzen? Ich war jedenfalls schon nahe daran zu glauben, dich hätte das Seeungeheuer verschlungen.« Liane Albrecht stieß einen Seufzer aus und warf einen vielsagenden Blick auf ihren fünfjährigen Sohn, der sich soeben daran machte, mit den bunten Kreiden den grauen Asphalt zu seinen Füßen zu verschönern. »Das Seeungeheuer gerade nicht«, meinte sie mit einem schiefen Lachen, »aber jede Menge Arbeit im Haus, im Garten und mit den Kindern…« Elfie zuckte die Schultern. »Bei mir ist es mein Architektenbüro«, stöhnte sie und rang die Hände. »Vom frühen Morgen bis zum späten Abend komme ich nicht zur Ruhe, weil ein Termin den anderen jagt, eine Ausschreibung die andere.

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Mami Bestseller – 98 –

Cool! Du sollst unser Papi werden!

Zwei kleine Jungs und eine große Hoffnung

Carolin Schreier

»Elfie! Hallo, Elfie!«

An der linken Hand den kleinen Lukas und über die rechte Schulter zwei große, prall gefüllte Einkaufstaschen gehängt, winkte Liane Albrecht ihrer Freundin zu, die, ihre langen Beine elegant übereinandergeschlagen, auf der sonnenbeschienen Terrasse des Cafés ›Zum lieben Augustin‹ saß, auf die blitzende Wasserfläche des Bodensees hinausschaute und genüßlich an einem Espresso nippte.

Elfie strich ihre langen blonden Haare zurück und sah sich suchend um, konnte aber im Gewühl der auf der Friedrichshafener Seepromenade hin- und herflanierenden Menschen nicht sofort ausfindig machen, zu wem die Stimme gehörte, die sie gerufen hatte.

»Eeelfie!«

Endlich wandte Elfie Bogner ihren Kopf in die richtige Richtung.

Mit einem Ausruf der Überraschung stellte sie die Tasse ab und winkte zurück, dann sprang sie auf und lief, so schnell es ihr enger, raffiniert geschlitzter Rock und ihre hochhackigen Pumps erlaubten, auf Liane Albrecht zu. Mit herzlicher Spontanietät umarmte sie die Freundin, wobei eine der riesigen Taschen zu Boden fiel und ein blaues Plastikkrokodil, eine Schachtel mit farbiger Kreide und ein paar Bilderbücher herauskollerten.

»Mensch, Liane«, lachte Elfie übermütig, ohne das Spielzeug und Lukas, der sich sofort darauf stürzte, auch nur eines Blickes zu würdigen. »Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen? Vor einer halben Ewigkeit oder vor einer ganzen? Ich war jedenfalls schon nahe daran zu glauben, dich hätte das Seeungeheuer verschlungen.«

Liane Albrecht stieß einen Seufzer aus und warf einen vielsagenden Blick auf ihren fünfjährigen Sohn, der sich soeben daran machte, mit den bunten Kreiden den grauen Asphalt zu seinen Füßen zu verschönern.

»Das Seeungeheuer gerade nicht«, meinte sie mit einem schiefen Lachen, »aber jede Menge Arbeit im Haus, im Garten und mit den Kindern…«

Elfie zuckte die Schultern.

»Bei mir ist es mein Architektenbüro«, stöhnte sie und rang die Hände. »Vom frühen Morgen bis zum späten Abend komme ich nicht zur Ruhe, weil ein Termin den anderen jagt, eine Ausschreibung die andere. Und wenn ich erst den Zuschlag für den Neubau der Zeppelin-Werft…«

Sie winkte mit einem resignierten Kopfschütteln ab und fügte hinzu: »Aber gerade deshalb ist es wichtig, daß man sich auch einmal eine Ruhepause gönnt. Sonst dreht man über all dem Streß irgendwann noch durch. Weißt du was, Liane, setz dich einfach für ein paar Minuten zu mir auf eine gemütliche Tasse Kaffee und laß dir die Sonne auf den Pelz brennen. Dein Mann wird es schon verkraften, wenn du einmal ein Viertelstündchen später nach Hause kommst.«

Liane Albrecht machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Der wird es ohnehin nicht merken«, stellte sie lakonisch fest. »Hans kommt so gut wie nie vor zehn Uhr nachts aus seiner Kanzlei nach Hause. Immer muß er noch irgendwelche Akten durchsehen, wichtige Telefongespräche mit Leuten führen, die tagsüber nicht zu erreichen sind, und so weiter und so fort.«

Elfie Bogner sah ihre Freundin mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Man kann nicht alles haben, meine Liebe«, meinte sie scherzhaft, aber doch mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton. »Ich wollte, mein Sven hätte nur ein kleines bißchen von dem Ehrgeiz deines Mannes. Einen winzigen Funken nur. Aber nein. Wenn ich Sven nicht jeden Morgen mühsam aus dem Bett zerren und ins Büro mitschleppen würde, blieb alles, aber auch wirklich alles an mir hängen. Er hat einfach keine Lust, Verantwortung zu übernehmen. Von wegen heiraten und für eine Familie sorgen, wie dein Hans es tut. Daß ich nicht lache.«

Liane Albrecht erwiderte nichts, sondern sah sich, während Elfie sie an der Hand faßte und zu ihrem Tisch ziehen wollte, nach Lukas um, der sein Kunstwerk inzwischen vollendet hatte.

»Das Seeungeheuer«, sagte er triumphierend und wies mit seinem kleinen, farbverschmierten Zeigefinger auf das Gemälde zu seinen Füßen, das ein knallbuntes, kugelförmiges Etwas mit einem langen, stacheligen Schwanz darstellte.

Eine ältere Dame blieb stehen und lächelte.

»Das hast du aber schön gemalt«, meinte sie und strich Lukas über sein dunkelbraunes, struppiges Haar. »Dafür schenke ich dir ein Bonbon und einen Euro für dein Sparschwein.«

Lukas strahlte, schob das Bonbon in den Mund und den Euro in die Hosentasche.

»Wenn du magst, kann ich dir auch noch etwas vorsingen«, mümmelte er.

»Du darfst es dir sogar aussuchen.«

Die Dame hüstelte verlegen.

»Aber erst, wenn dein Bonbon alle ist«, erwiderte sie ausweichend.

»Ich kann auch mit Bonbon im Mund singen«, verkündete Lukas so laut, daß er die Aufmerksamkeit mehrerer Leute in der Nähe auf sich zog.

»Na, dann vielleicht ›Hänschen klein‹. Das kannst du bestimmt«, schlug die ältere Dame vor.

»Kenn ich nicht«, war Lukas’ enttäuschte Antwort.

»Doch, natürlich«, meinte die Dame freundlich und begann zu summen.

In diesem Moment leuchteten Lukas’ Augen auf.

»Katzenklo, Katzenklo, macht nicht nur die Katzen froh«, stimmte er begeistert ein, verschluckte sich dann aber, hustete und spuckte das Bonbon durch die Luft.

Ein paar Leute lachten, andere zischelten etwas von Erziehung und unerfahrenen jungen Müttern, während Liane die auf dem Boden verstreuten Sachen in ihre Tasche warf und, den heftig widerstrebenden Lukas hinter sich herziehend, auf Elfies Tisch zusteuerte, die Augen stur geradeaus gerichtet.

Aufatmend ließ sie sich auf den Stuhl neben ihrer Freundin fallen und hielt nach einer Serviette Ausschau, um Lukas’ verschmierte Hände und seinen verklebten Mund abzuwischen.

Auf Elfies Wink näherte sich die Kellnerin, und Liane wollte gerade für sich einen Cappuccino und für Lukas eine Cola bestellen, als Lukas ihr zuvorkam.

Er kramte in seiner Hosentasche und legte den Euro, den er von der älteren Dame bekommen hatte, zwei Murmeln und einen krümeligen Keks auf den Tisch.

Während er Keks und Murmeln wieder einsteckte, zeigte er mit der freien Hand auf die Euromünze.

»Schokoladeneis, aber ganz viel«, bestellte er. »Und Himbeereis. Noch mehr.«

Liane verdrehte die Augen und hob Lukas auf ihren Schoß, wogegen er sich strampelnd wehrte.

»Lukas, wir sind doch froh, daß du wieder gesund wirst«, versuchte sie, den Fünfjährigen umzustimmen, »und nächste Woche wieder zu den anderen Kindern in den Kindergarten kannst. Da wirst du doch nicht jetzt ein Eis essen, das dir der Doktor vorerst noch verboten hat. Und dann vielleicht wieder zu Hause und im langweiligen Bett bleiben müssen, oder?«

Lukas dachte einen Augenblick nach, dann brüllte er mit hochrotem Kopf: »Schokoladeneis! Und Himbeereis! Ganz viel!«

Liane gab sich entnervt geschlagen und nickte der Kellnerin zu, die achselzuckend verschwand.

Elfie grinste.

»Dagegen ist mein Architekturbüro das reinste Kurhotel«, stellte sie amüsiert fest. »Also, wenn ich einmal Kinder habe…«

Ein vernichtender Blick Lianes brachte sie zum Schweigen.

Elfie trank ihren Espresso leer, holte einen Taschenspiegel hervor und zog sich sorgfältig die Lippen nach, dann meinte sie: »Wie geht es eigentlich Nicole und Christian?«

»Wie immer«, antwortete Liane wie aus der Pistole geschossen. »Nicole ist heuer dreizehn geworden und nach wie vor Klassenbeste, obwohl sie ihre Nase entschieden öfter in ›Bravo‹ und ›Young Miss‹ steckt als in ihre Schulbücher. Sie lernt wirklich spielend, und Hans ist mächtig stolz auf sie. Das kannst du dir ja wahrscheinlich vorstellen. Er sieht sie schon in seine Fußspapfen treten und eine steile Karriere als Anwältin machen.«

»Und Christian?«

»Bei dem gibt es auch nicht viel Neues«, erwiderte Liane. »Die üblichen Schulprobleme. Er ist in diesem Punkt das krasse Gegenteil von Nicole. Aber, ehrlich gesagt, nehme ich das nicht so ernst wie Hans. Schließlich muß nicht jeder Mensch Rechtsanwalt oder Arzt werden. Von Chris’ hervorragenden sportlichen Leistungen einmal abgesehen, entwickelt sich nämlich sein Zeichentalent immer vielversprechender. Man kann mit zehn Jahren zwar noch keine großen Prognosen wagen, aber ich glaube durchaus, daß er es auf künstlerischem Gebiet einmal ein Stück weit bringen könnte.«

Elfie Bogner lachte.

»Na, sieh einmal an«, meinte sie, »der rechte Sohn seiner Mutter also. Ich finde es, offen gestanden, ziemlich schade, daß du die Malerei nach deiner Heirat völlig an den Nagel gehängt hast und zum Heimchen am Herd geworden bist.«

»Danke für die Blumen«, konterte Liane. »Aber ich denke doch, daß die Kunstwelt den unermeßlichen Verlust, den sie dadurch erlitten hat, verkraften kann.«

Elfie kicherte amüsiert, doch die Quelle ihrer Belustigung waren nicht Lianes ehemalige künstlerische Bestrebungen, sondern Lukas, der mit wahrer Wonne anfing, den bis zum Rand gefüllten, überdimensionalen Eisbecher, den die Kellnerin soeben auf den Tisch gestellt hatte, in sich hineinzuschaufeln.

Eine Weile beobachtete Elfie den kleinen Mann mit Vergnügen, dann wurde sie wieder ernst.

»Und deiner Mutter, Liane? Lebt sie immer noch in Salzburg bei ihrer Cousine oder…«

Ein Schatten lief über Lianes Züge.

Traumverloren schweiften ihre Blicke über den See zum Schweizer Ufer, an dem sich im blassen Dunst grüne, mit weißen Häusern getupfte Hügel und dahinter die mächtigen Gipfel des Säntismassivs abzeichneten.

»Ja«, entgegnete sie etwas niedergeschlagen. »Und sie schreibt wieder und wieder, daß es ihr dort gut gefällt und daß sie glücklich ist. Salzburg ist natürlich eine wunderschöne Stadt, und mit ihrer Cousine hat sich Mama immer gut verstanden, aber…«

»Aber?« erkundigte Elfie sich verwundert.

Liane Albrecht zuckte die Schultern.

»Ich bin mir einfach nicht sicher, ob das, was sie schreibt, so ganz der Wahrheit entspricht. Klar, warum sollte sie lügen, aber… aber andererseits hat sie den Bodensee und vor allem unser Haus in Hagenau sehr geliebt. Es steckt für sie voller Erinnerungen an meinen Vater, an die gemeinsame Zeit und…«

Liane räusperte sich.

»Und dann die Kinder. Wobei ich mir sicher bin, daß auch die drei ihre Oma nur ungern haben ziehen lassen. Sogar Nicole, die sonst nicht gerade ein Muster an Anhänglichkeit ist.«

Gelangweilt zupfte Elfie ein paar Flusen von ihrem Rock, während Liane weiterredete. »Aber Hans hat gemeint, daß wir das Zimmer meiner Mutter als Gästezimmer gut gebrauchen könnten. Ganz abgesehen davon, daß mein Mann die Ansicht vertritt, drei Generationen unter einem Dach seien entschieden eine zuviel.«

Liane schwieg bedrückt.

Elfie Bogner wußte zuerst nicht recht, was sie sagen sollte, dann versuchte sie, ihre Freundin zu beschwichtigen.

»Also, was mich betrifft, kann ich mir gut vorstellen, daß deine Mutter sich in Salzburg wohl fühlt, Liane. In einer Stadt, in der das Leben pulsiert, in der viele Menschen sind und es jede Menge zu sehen und zu hören gibt, muß es ihr doch einfach gefallen. Vielleicht besser als in eurem großen Grundstück in Hagenau, wo sie den lieben, langen Tag nur Bäume, Sträucher und den See um sich hat. Und im Winter nichts als Nebel.«

»Vielleicht hast du sogar recht, Elfie«, räumte Liane ein. »Wenn man erst einmal siebzig ist wie Mama…«

»Eben«, wußte die Freundin. »Du selber setzt dich, wenn dir die Decke auf den Kopf fällt, ins Auto und bist in zwanzig Minuten in Friedrichshafen. Kannst Konzerte besuchen, einen Schaufensterbummel machen, shoppen. Aber deine Mutter fährt, soviel ich weiß, nicht Auto und wäre somit immer auf dich oder Hans angewiesen, wenn sie eimal Stadtluft schnuppern will. Bus und Zug kann man hier in der Provinz ohnehin vergessen.«

»Freilich«, entgegnete Liane, immer noch nicht ganz überzeugt.

Ungerührt fuhr Elfie fort: »Ich frage mich sowieso, warum ihr, also du und Hans, euch nicht schon längst eine kleine Stadtwohnung genommen habt. Hans bräuchte nicht jeden Abend nach Hause zu fahren, und du könntest…«

»Und die Kinder?« fiel Liane ihrer Freundin ins Wort. »Und Luna, unsere Hündin, und Beppo, Lukas’ Kaninchen? Wer soll sich denn um die Tiere und vor allem um Christian und Lukas kümmern? Selbst wenn ich Nicole aus dem Spiel lasse, dann… Christian geht in Hagenau zur Schule, und Lukas in den Kindergarten. Ich kann doch nicht einfach mit Hans… Nein, nein. Das ist völlig ausgeschlossen. Zumal jetzt, wo Oma nicht mehr da ist. Und außerdem, was soll ich denn in der Stadt?«

Elfie nickte geistesabwesend, dann schaute sie auf ihre Armbanduhr.

»Viertel vor fünf, Liane. Ich glaube, ich muß wieder los. Im Büro geht alles drunter und drüber, wenn ich Sven das Ruder allzu lange allein überlasse. Wahrscheinlich hat er ohnehin schon Feierabend gemacht und sitzt unten in der Kneipe bei einem Bierchen.«

Liane konnte angesichts dieser Feststellung ein Grinsen nicht unterdrücken.

Mit nachsichtsvoller Selbstverständlichkeit bezahlte sie die Rechnung für sich und Elfie, während diese noch einmal zurückwinkte und dann eilends davonstöckelte.

»Ich will nach Hause«, fing plötzlich Lukas zu quengeln an. »Wann fahren wir endlich nach Hause?«

»Wir fahren ja gleich, Schatz. Hat dir dein Eis geschmeckt?« versuchte Liane abzulenken.

Lukas bejahte eifrig und nahm das rosarote Papierschirmchen, das auf dem Unterteller lag, an sich.

»Das schenke ich Papi«, meinte er treuherzig, während er es in eine von Lianes großen Taschen steckte. »Oder Luna. Oder Beppo.«

*

In Lianes rotem Mini Cooper war es brütend heiß, als sie sich

im dichten Verkehrsgewühl des

beginnenden Feierabends durch die Friedrichshafener Innenstadt kämpfte.

Schon bereute sie die Kaffeepause mit ihrer Freundin Elfie und wünschte, sie wäre früher losgefahren, zumal Lukas, der im Fond ihres Wagens in seinem Kindersitz saß, immer unruhiger wurde.

Bald verlangte er nach seinen Spielsachen, bald klagte er über die Hitze, bald wollte er etwas trinken.

Kein Wunder, daß Liane sich erleichtert aufatmend den Schweiß von der Stirn wischte, als sie endlich abbiegen und auf die Bundesstraße auffahren konnte, die nach Hagenau führte.

Hier ging es zum Glück zügig voran, und es dauerte nicht lange, bis zuerst der zwischen üppig grünenden Weinbergen gelegene Ort mit seiner zwiebelturmgekrönten Kirche und dann das Albrechtsche Haus in Sicht kamen.

Liane konnte es kaum mehr erwarten, ihren Wagen unter dem glyzinienüberwachten Carport zum Stehen zu bringen.

Rasant nahm sie die Kurve und trat wenige Sekunden später erschrocken auf die Bremse, weil sie beinahe auf Hans’ silbergraue Mercedes-Limousine aufgefahren wäre.

Mit einem raschen Blick auf ihre Armbanduhr vergewisserte sie sich, daß seit ihrem Aufbruch in Friedrichshafen trotz des Staus, der sie aufgehalten hatte, noch keine volle Stunde vergangen war, schüttelte verblüfft den Kopf und wandte sich zu Lukas zurück.

»Schau mal, Lukas, der Papa ist da! Der Papa ist heute schon zu Hause!«

Lukas, der endlich eingenickt war, öffnete verschlafen die Augen.

Es dauerte eine Weile, bis er begriff, doch dann war er mit einem Schlag hellwach.

»Der Papa?« jubelte er. »Dann muß er gleich mit mir hinunter zum See gehen, damit mein neues Krokodil schwimmen kann. Und meinen Roller muß er auch reparieren. Und mir meine neuen Bilderbücher vorlesen und…«

Liane seufzte.

Sie konnte sich nicht vorstellen, daß ihr Mann auf derlei Dinge Lust verspürte, sagte aber nichts, um Lukas die Freude nicht zu verderben.