12,99 €
Mein Verrat ist dein Schicksal – wagst du es, mir zu vertrauen?
Willow Madizzas Rachepläne sind gescheitert. Der Hexenzirkel von Hollow’s Grove ist angeschlagen, seine Mitglieder dezimiert, und Willow selbst hat, ohne es zu wollen, Lucifer Morningstar und seine Dämonenfürsten aus der Hölle befreit. Sie wurde ausgenutzt, manipuliert und betrogen – von dem Mann, den sie zu lieben glaubte. War sie für ihn lediglich ein Mittel zum Zweck? Willow weiß nicht, wem sie noch vertrauen kann, doch sie ist zum Handeln gezwungen. Sie muss den Rest ihres Zirkels vor dem Zorn desjenigen beschützen, an den sie nun gebunden ist. Koste es, was es wolle. Denn Willow ist die Einzige, die dem Teufel – ihrem Ehemann – die Stirn bieten kann …
Enemies-to-Lovers, Forbidden Romance und herrlich undurchschaubare Charaktere – die spicy Romantasy von Harper L. Woods bei Blanvalet.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 465
Veröffentlichungsjahr: 2024
Willow Madizzas Rachepläne sind gescheitert. Der Hexenzirkel von Hollow’s Grove ist angeschlagen, seine Mitglieder dezimiert, und Willow selbst hat, ohne es zu wollen, Lucifer Morningstar und seine Dämonenfürsten aus der Hölle befreit. Sie wurde ausgenutzt, manipuliert und betrogen – von dem Mann, den sie zu lieben glaubte. War sie für ihn lediglich ein Mittel zum Zweck? Willow weiß nicht, wem sie noch vertrauen kann, doch sie ist zum Handeln gezwungen. Sie muss den Rest ihres Zirkels vor dem Zorn desjenigen beschützen, an den sie nun gebunden ist. Koste es, was es wolle. Denn Willow ist die Einzige, die dem Teufel – ihrem Ehemann – die Stirn bieten kann …
Harper L. Woods ist das Alter Ego der »USA Today«-Bestsellerautorin Adelaide Forrest. Ihre Liebe zum Lesen wurde in ihrer kleinen Heimatstadt in Vermont geboren, wo sie die langen Winternächte tief vergraben zwischen Buchseiten verbrachte. Als Zeitvertreib begann sie mit dem Schreiben. Mittlerweile erobern ihre knisternden Fantasyromane die Bestsellerlisten und die Herzen Tausender Leser*innen. Wenn Harper einmal nicht schreibt, verbringt sie am liebsten Zeit mit ihren zwei kleinen Kindern und ihrem Hund, träumt vom Bereisen ferner Länder oder entwirft Buchcover.
Harper L. Woods
Roman
Deutsch von Ulrike Gerstner
und Sebastian Otterbach
Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »THECURSED« bei Bramble, an imprint of Tor Publishing Group, New York.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Copyright © 2023 by Harper L. Woods
Published by arrangement with Tor Publishing Group.
All rights reserved.
Dieses Werk wurde im Auftrag von Tom Doherty Associates durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover, vermittelt.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2024
by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Wiebke Bach
Umschlaggestaltung: © Anke Koopmann | Designomicon,
nach einer Originalvorlage von Bramble, Tor Publishing, Macmillan US
Umschlagdesign und -motiv: © Cass / Opulent Designs
SH · Herstellung: fe
Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss
ISBN 978-3-641-32124-6V001
www.blanvalet.de
Für alle, die es mörderisch mögen.
KRISTALLHEXEN (auch als Weiße Hexen bekannt)
Haus Petra
Haus Beltran
KOSMOSHEXEN (auch als Violette Hexen bekannt)
Haus Realta
Haus Amar
ERDHEXEN (auch als Grüne Hexen bekannt)
Haus Madizza
Haus Bray
LUFTHEXEN (auch als Graue Hexen bekannt)
Haus Aurai
Haus Devoe
WASSERHEXEN (auch als Blaue Hexen bekannt)
Haus Tethys
Haus Hawthorne
SEXHEXEN (auch als Rote Hexen bekannt)
Haus Erotes
Haus Peabody
FEUERHEXEN (auch als Gelbe Hexen bekannt)
Haus Collins
Haus Madlock
TOTENBESCHWÖRERHEXEN (auch als Schwarze Hexen bekannt)
Haus Hecate
Lucifer Morningstar
Fünfzig Jahre zuvor
Loralei Hecate lief durch die Gänge und ihr dunkles, tiefschwarzes Haar wogte bei jeder Bewegung um ihren Kopf. Das Stück Onyx, das sie in der Hand hielt, würde sie nicht vor der Kreatur beschützen können, die sie verfolgte, doch das hielt Loralei nicht davon ab, sich am Onyx wie an einer Rettungsleine festzuklammern, während ich ihr in die Schatten folgte. Ihre beste Freundin war eine Weiße Hexe, die Loralei den Edelstein als Schutz gegen das nagende Gefühl, verfolgt zu werden, überreicht hatte. Die quälende Sorge konnte sie jedoch nicht abschütteln.
Ihr einziger Schutz wäre die Gruppe gewesen, doch Loralei war leichtsinnig genug gewesen, ihr sicheres Bett mitten in der Nacht zu verlassen. Ich hatte mich nicht sonderlich anstrengen müssen, um sie herauszulocken, ein gehauchter Ruf hatte genügt, so fein, dass er das Amulett um ihren Hals nicht aktivierte.
Ich folgte ihr und hielt mich dabei im Schatten, um nicht aufzufallen. Sie musste am richtigen Ort sterben, denn auch wenn ihr Tod zu meinem Plan gehörte, so lag mir doch nichts daran, sie leiden zu lassen. Ich verspürte kein Bedürfnis, ihre letzten Atemzüge mit Angst und Dunkelheit zu erfüllen.
Ihr Tod hatte nichts Persönliches. Er war vielmehr ein Opfer, das alles andere zur Erfüllung bringen würde.
Jahrhunderte der Planung hingen von diesem Moment ab und bauten darauf auf, dass Loralei ihren letzten Atem aushauchte, doch die Rolle, die sie über die letzten Jahre hinweg in dieser Geschichte gespielt hatte, hatte mir Respekt für sie beigebracht.
Unvermittelt blieb Loralei stehen, drehte sich um und sah mich an. Das helle Blau ihrer Augen leuchtete im Dunkeln auf, es schimmerte wie Mondlicht mit einem weichen Violett, das an ihre Vorfahrin Charlotte erinnerte. Ihre Stirn legte sich in Falten und ihr Mund öffnete sich für einen stummen Schrei, während sie den Onyxkristall auf den Boden fallen ließ.
Der Schutz des Steins war vergessen, als sie erkannte, dass ich ihr folgte. Sie wusste nicht sicher, wer ich war, oder was ich unter dieser Schicht aus Fleisch war, die ich meine Heimstatt nannte, doch von einer Hülle, die ihre Beute in der Nacht verfolgte, war nichts Gutes zu erwarten.
Ich machte einen Schritt auf sie zu, hielt aber ganz plötzlich in meiner Bewegung inne, als mich ein Blick aus nicht zusammenpassenden Augen traf. Ein Frau trat in das Dämmerlicht, das durch die Fenster hereinfiel, und ging zögerlich auf Loralei zu. Ihr Körper hatte etwas Unwirkliches, als wäre sie hier und doch auch wieder nicht, und ich war nicht sicher, ob ich, hätte ich meine Hand nach ihr ausgestreckt, wirklich Fleisch berühren würde oder nur den leisesten Hauch einer halb vergessenen Erinnerung.
Loralei rannte los und stürmte auf eine Biegung im Flur zu, während die Frau die Schatten absuchte, in denen ich mich aufhielt. Sie sah nichts und ihr unheimlicher, mehrfarbiger Blick huschte suchend hin und her, als könnte sie mich spüren, wenn auch nicht sehen.
Dafür sah ich sie.
Ich spürte sie. In dem Augenblick, in dem diese violetten und bernsteinfarbenen Augen die meinen gefunden hatten, wusste ich genau, was sie war – wer sie war. Das mahagonifarbene Haar fiel in sanften Wellen auf ihre Schultern und erinnerte mich mit seinen leicht rötlich schimmernden Spitzen an den besten Merlot. Ihr Körper war kurvig und weich, sie hatte kräftige Oberschenkel, von denen ich mir gut vorstellen konnte, wie sie um meinen Kopf geschlungen waren, und Brüste, die schaukeln würden, während ich sie fickte.
Meine Absichten für die Tochter der Zwei waren nie gewesen, sie zu besitzen. Es war mir nie darum gegangen, sie an mich zu binden, sondern immer nur darum, sie für das zu nutzen, was ihre einzigartige Kombination von Magie mir zu bieten hatte.
Das änderte sich, als sich ein Grollen in meiner Brust ausbreitete und meinen gesamten Körper durchflutete. Der Boden unter meinen Füßen wurde von dieser Gewalt zum Erzittern gebracht und die Fenster klapperten, als sich diese Schichten des Schicksals wie in einer endlosen Sinfonie zusammenfügten, die klang wie im Wind klappernde Knochen.
Loralei packte den Beutel mit den Knochen, den sie an ihrer Hüfte trug, noch fester, als sich die junge Hecate-Hexe abwandte und ihrer Tante folgte. Ihr geisterhaftes Gesicht flackerte im Mondlicht und ihr Blick fiel auf den Knochenbeutel, als könnte sie dessen Ruf hören, als würde ein Teil von ihr erkennen, dass er eines Tages ihr gehören sollte.
Sie verlangte nach den Knochen und ich verlangte nur danach, mir das zu nehmen, was mir gehörte.
Sie.
»Ich habe nicht, was du suchst«, rief Loralei ins Nichts hinein. Sie sah mich unverwandt an und ihr Körper wich bei jedem meiner Schritte weiter zurück. Die Gänge pulsierten, als sie erkannten, was sich durch sie bewegte, denn ich hatte ein klein wenig der Macht offenbart, über die ich in dieser Form verfügte. Ich erfüllte die Universität mit meiner Gegenwart.
Die jüngere Hecate-Hexe, die Frau, die noch nicht einmal geboren war, schwankte und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Der Atem der beiden Hexen bildete Wolken vor ihren Gesichtern, da die Temperatur in den Gängen so tief gefallen war, dass sie brannte.
»Loralei!«, rief die jüngere Hexe panisch. Loralei warf rasch einen Blick zur Seite, als hätte auch sie die seltsame Hexe gesehen, und ihre Augen weiteten sich, sobald sie sie erkannte. Sie ließ den Knochenbeutel los, der ihr Kraft verlieh, und ihr Körper versteifte sich, während sich zwischen den beiden Frauen etwas aufbaute.
»Lauf, Charlotte. Lauf!«, schrie sie, als die andere Hexe herankam, um ihrer Tante zu helfen.
Charlotte.
Etwas an ihr kam mir vertraut vor, strahlte von ihr in Wellen ab, die mich an die erste Hexe erinnerten. An die Frau, die mich in jener Nacht in den Wäldern angerufen und um die Mittel gebettelt hatte, die sie für ihre Rache brauchte.
Doch der Name passte nicht zu der jungen Hexe, als würde jener Teil von ihr, der sich gegen die Vertrautheit wehrte, auch gegen die Vorstellung rebellieren, fest an ihre Vorfahrin gebunden zu sein, mit der alles angefangen hatte.
Ich schlug zu. Eine Krallenhand, die so schnell aus dem Dunkel hervorschoss, dass ich stark bezweifelte, ob die neue Hexe mich überhaupt gesehen hatte. Loraleis Brust färbte sich rot und aus den drei tiefen Schnittwunden spritzte das Blut ins Gesicht der jüngeren Hexe. Loralei streckte die Hand aus, während sie zusammensackte, und ergriff ihre Nichte am Arm. Der Boden unter ihr erbebte. Ich trat näher und machte mich bereit, mir das zu nehmen, was mir gehörte, auch wenn ich damit alles ruinieren würde.
Mein Körper bewegte sich wie in Trance, als würde sie die Knochen, die sie nicht besaß, nutzen, um meinen Körper zu steuern.
»Wach auf, Willow«, flüsterte Loralei und ihre Augen rollten zurück.
Willow.
Dieser Name passte. Ich ging noch näher heran und meine Aufmerksamkeit richtete sich nicht auf die Hexe, die zu töten ich gekommen war, sondern auf jene, die ich eines Tages besitzen wollte.
Ich zog meine Krallen in drei scharfen, schnellen Bewegungen über ihre Schulter. Willow schrie auf und ihr Blut sammelte sich unter meinen Nägeln, bedeckte meine Finger und gab mir zum ersten Mal seit Jahrhunderten das Gefühl, komplett zu sein. Ich führte meine Finger an den Mund und schmeckte ein erstes Mal meine Zukunft.
Willow drehte sich zu mir und ich überlegte, ob dieses seltsame Wesen mich wohl sehen konnte. Ich überlegte, ob sie bereits mir gehörte, während ich mich vorbeugte und meine Nase in das Haar auf ihrem Hinterkopf vergrub, um ihren Duft einzuatmen.
»Wach auf!«, schrie Loralei.
Der Boden erbebte unter mir, so sehr wuchs mein Zorn, dass die verblutende Hexe alles in ihrer Macht Stehende tat, um mir mein Hexenmädchen wegzunehmen. Willow sank zu Boden und ihr Knie würden gleich auf den Steinboden aufschlagen.
Doch dann verschwand sie.
Willow
Ich schnappte nach Luft, kaum dass diese seltsamen gold glühenden Augen sich auf mich richteten; Sein Blick durchbohrte mich, fixierte mich. Zitternd lag meine Hand an Seiner Brust und ich blinzelte die angsterfüllten Tränen zurück.
Was hatte ich getan?
Ich schluckte, riss den Blick von Ihm los und spähte zu den Erzdämonen, die unseren Austausch mit weitaus mehr Interesse beäugten, als mir lieb war. Ich versuchte meine Hand von Seiner Brust zu lösen, Seine Haut knisterte und schälte sich dort ab, wo sie gegen meine gebrannt hatte. Als ich erneut meine Hand wegreißen wollte und darunter rohes rotes Fleisch zum Vorschein kam, ließ der Geruch Übelkeit in meiner Kehle aufsteigen.
Der Handabdruck hob sich leuchtend rot von dem Gold Seiner Haut ab. Mein Atem ging zitternd, als ich mich zu befreien versuchte, mich aber nicht traute, es zu schnell zu tun. Er beobachtete mich, Sein unheimlicher, goldener Blick taxierte jede meiner Bewegungen, während ich versuchte, die Panik in meinem Körper zu unterdrücken.
Seine Hand schoss vor, gerade als ich meine fortzog und mehr von der verbrannten, verkohlten Haut von Ihm wegriss. Er packte mich am Handgelenk, Sein Griff unerbittlich, als ich versuchte, mich zu befreien. Langsam setzte Er sich auf, Seine geschmeidigen Bewegungen gaben nicht preis, wie lange Sein Körper unbesetzt und vernachlässigt gewesen war. Er ließ mir keine andere Wahl, als mich mit Ihm zu bewegen. Gemächlich schwang Er Seine Beine über die Seite der Trage; die Erzdämonen hatten sie auf die Armlehnen des Tethys-Throns gelegt, sodass er auf gleicher Höhe mit mir war, wenn ich vor ihm stand.
Die Trage rutschte nicht weg, trotz der unsicheren Position, und Seine Bewegungen waren so kontrolliert, dass sie schon beinah unnatürlich wirkten. Sein hitziger Blick verharrte auf meinem Gesicht. Er ignorierte die anderen im Raum, während Er seine andere Hand unter meinen freien Arm gleiten ließ und meine Taille umfasste. Er grub die Finger in den Stoff meines Oberteils und drückte ihn gegen meine Haut, während Er mich mit einem Ruck nach vorne zog und zwischen Seinen gespreizten Beinen platzierte.
Er fixierte mich und ignorierte das Zittern meiner Hand und meiner Unterlippe, dann beugte er sich nach vorn und presste seine Stirn an meine. Ein tiefer Seufzer entfuhr ihm, als sich unsere Haut berührte, und Seine Finger, die Er um mein Handgelenk gelegt hatte, zuckten, als Seine Augen schließlich zufielen.
Ich schluckte und lehnte mich zurück, um zu Ihm aufzublicken. Er knirschte mit den Backenzähnen, als Er die Hand von meiner Taille nahm und sie unter mein Haar schob und meinen Kiefer umfasste. Schweiß benetzte meine Haut, denn Sein Körper strahlte so viel Hitze ab, dass ich meinte, Er würde mich verbrennen. Es war ein eklatanter Unterschied dazu, wie sich Seine Hülle angefühlt hatte, zu der ausgeprägten Kälte, die dann immer die Luft um ihn herum durchdrungen hatte.
»Sieh mich nicht so an, kleine Hexe«, murmelte Er leise und Sein Griff um meinen Hinterkopf wurde fester, als ich versuchte, vor Seiner Berührung zurückzuzucken.
Ich nutzte den Moment der Ablenkung, um meine Hand von Seiner Brust zu reißen; der Blick in Seinen übernatürlichen Augen wurde hart und glitzerte wie geschmolzenes Gold. Ich bemühte mich, nicht auf den perfekten Handabdruck zu schauen, der Seine Haut brandmarkte, zu ignorieren, dass er nicht so zu heilen schien, wie ich gehofft hatte.
Er neigte den Kopf, um das Mal zu betrachten, und Seine Lippen verzogen sich zu einem grausamen Grinsen. »Du hast mich gezeichnet«, sagte Er und schaute mich an. Weiße Zähne blitzten hinter den geöffneten Lippen hervor. Es war ein Blick voll selbstgefälliger Zufriedenheit, voll Dominanz – ein Raubtier, das Seine Beute geschnappt hatte.
»Ich habe alles getan, was du verlangt hast«, sagte ich und schüttelte den Kopf, als ich versuchte, mich Seiner Berührung zu entziehen. Er ergriff meine Hand und starrte auf die verbrannten Fleischreste, die an meiner Haut klebten. Als Er sie mit einem Finger berührte, musste ich entsetzt zusehen, wie die Überreste zu Blut zerflossen, und von meiner Hand auf den Boden zu unseren Füßen tropften. Es war die gleiche Art und Weise, wie Er das neue Fleisch von den Knochen des Covenant geschmolzen hatte, um Charlotte zu formen. Die Erinnerung daran war noch viel zu frisch in meinem Kopf.
»Das hast du«, stimmte Er zu, fuhr mit einem Finger durch Sein Blut bis zu der Stelle, an der mein Handgelenk aus dem Ärmel meines Pullovers ragte.
»Dann lass mich gehen. Du hast keine Verwendung mehr für mich«, rechtfertigte ich mich mit leiser Stimme. Sein Finger stoppte den langsamen, verräterischen Weg über meine Haut, und mit der Wut, die plötzlich in Wellen von Ihm ausging, schien Sein Nagel länger zu werden.
Er durchbohrte meine Haut und Blut quoll hervor. Ich spürte, wie Sein warmes Blut in die Wunde floss und sich mit meinem eigenen verband. Es hätte sich nicht so anfühlen dürfen, es hätte meine Adern nicht mit einer kribbelnden Hitze durchfluten dürfen, die mich in Brand steckte.
Dennoch war es so.
»Du willst mich verlassen«, sagte Er und richtete Seinen Raubtierblick langsam wieder auf mein Gesicht. In der Härte Seines Zorns lag keine Wärme, da war nichts als Wut, über die ich nicht genauer nachdenken wollte, als ich vor Ihm zurückschreckte.
»Welchen Grund sollte ich haben zu bleiben?«, fragte ich. Seine Miene wurde ausdruckslos und die Wut von eben verschwand so schlagartig, dass ich beinah zurücktaumelte. Irgendwie waren die große Leere und das Fehlen jeglicher Emotion auf Seinen Zügen schlimmer als Sein Zorn.
Er ließ mich los und ich stolperte über meine eigenen Füße, weil ich plötzlich frei war. Ich wich noch einen Schritt zurück, als Er sich geschmeidig aufrichtete; diese Gestalt von Ihm war der Hülle so ähnlich, die Er jahrhundertelang bewohnt hatte. Aber das war nur eine oberflächliche Imitation jenes wirklichen Mannes vor mir gewesen, dieser dominanten, männlichen Schönheit, die sich mit gelassener Zuversicht auf mich zubewegte.
Zuvor war Er schön gewesen, schöner als jeder Mensch, den ich gesehen hatte. Aber jetzt, in dieser Gestalt, war Er irgendwie mehr. Sein Haar war dichter und dunkler, ein so tiefes Braun, dass es fast schwarz wirkte, und nur die Laternen über Ihm offenbarten den Unterschied. Sein Knochenbau war irgendwie ausgeprägter, schärfer und deutlich maskuliner. Die goldenen Augen schienen tiefer in der Struktur Seines Gesichts zu sitzen, was die Stirn noch markanter machte. Trotz der süßen Fülle Seiner Lippen wirkte die angespannte Mundpartie bedrohlich und unbarmherzig, während Er mich anstarrte. Er schien raumgreifender zu sein als zuvor, nicht nur in der Höhe, sondern auch in der Breite. Die Muskeln Seiner schlanken Gestalt waren wie gemeißelt, als wäre Er eine Skulptur, die in eine der Kirchen in Rom gehörte.
Denn sie waren nach seinem Bild geformt worden.
Sogar die Unterarme und Hände erzählten von Stärke, von der Fähigkeit, meine Wirbelsäule entzweizubrechen, wenn ich Ihn nur falsch ansah. Seine Essenz erfüllte den Raum und tauchte uns in Dunkelheit, während die Luft ekelhaft warm wurde und der Geschmack von Äpfeln meine Zunge überzog.
»Ich habe das erreicht, weswegen ich hierhergekommen bin, und obendrein Dinge getan, die ich nie gewollt hatte«, sagte ich, um Ihn daran zu erinnern, dass mich eine Aufgabe nach Crystal Hollow geführt hatte. In meinem Idealszenario war diese Stadt immer nur ein Zwischenstopp gewesen, falls ich sie überhaupt überleben würde.
Letzteres schien angesichts der unglückseligen Ereignisse unwahrscheinlich.
Zum Beispiel, dass ich von dem Mann erstochen wurde, in den ich mich – ganz das naive kleine Mädchen, für das Er mich auch hielt – hatte verlieben können.
Selbst ich wusste, dass ich keine Chance hatte, mir meinen Weg in die Freiheit zu erkämpfen. Meine Magie lag außer Reichweite, überstrapaziert durch die Öffnung des Siegels und ohne Erde in der Nähe, die ich anrufen konnte. Aus dem Augenwinkel warf ich einen Blick auf den Madizza-Thron, dessen schwarz gefärbte Rosenblätter sich in einer unsichtbaren Brise wiegten, als ob sie den schwachen Ruf meiner Magie spürten.
Ich trat noch einmal einen Schritt zurück, in der Hoffnung, ein wenig näher zu gelangen und dem Tod zu entgehen, den Lucifers Blick mir verhießen hatte. Mit dem Rücken stieß ich gegen etwas Massives und Hartes und hob den Kopf. Ich sah Beelzebub, der mich desinteressiert anstarrte – seine schwarzen, ledrigen Flügel zuckten, als sie sich um seine Schultern schlangen. Er griff um meinen Körper herum und hielt mit einer Hand mein Kinn fest, während er die andere gegen meinen Hinterkopf presste.
Mir stockte der Atem, und die Erkenntnis, was er vorhatte, durchzuckte mich schneller, als ich reagieren konnte. Gray würde mir nicht einmal die Höflichkeit erweisen, mich selbst zu töten, sondern es Seinem Lakaien überlassen, die Drecksarbeit zu erledigen.
Lucifer riss die Augen auf, Entsetzen schlich sich in Seinen Blick, Sein Mund klappte auf. »Nein!«, befahl Er in der Sekunde, in der Beelzebub meinen Kopf ruckartig zur Seite riss.
Ein Knacken schallte durch meinen Schädel, Gray stürmte nach vorn und fing mich auf, als ich fiel. Er verhinderte, dass ich zu Boden stürzte, während mein Kopf in einem unnatürlichen Winkel herabbaumelte, den ich nicht mehr korrigieren konnte. Meine Lungen verkrampften, als sie den letzten Atemzug ausstießen.
Mit der Hand schlug Er gegen meine Brust, die Wärme seiner Berührung sandte Schmerz aus, während alles um mich herum kalt wurde.
Aber innerlich verbrannte ich.
Lucifer Morningstar
Willow sackte in sich zusammen, ihre Beine versagten und ihre Augen wurden glasig. Genau in dem Moment, in dem ich meinen Protest herausschrie, ließ Beelzebub sie los, als habe Willow ihn in diesem Augenblick verbrannt, als reichte das aus, um rückgängig zu machen, was er getan hatte. Mein Körper bewegte sich schneller, als ich mich erinnerte, und ich geriet ein wenig ins Stolpern, schließlich musste ich mich noch daran gewöhnen, dass meine Seele nun wieder von meiner eigenen Haut umschlossen war.
Noch bevor sie auf den Boden aufschlug, fing ich Willow auf, indem ich stützend einen Arm um sie schlang. Als ich den Winkel sah, in dem ihr Hals schlaff und ohne Halt zur Seite hing, zuckte ich zusammen. Der Anblick erinnerte mich an Susannah und an die groteske Art und Weise, wie sich ihr Tod an dem festgeklammert hatte, was von ihr übrig geblieben war, sogar noch nachdem Charlotte und ich sie aus dem Grab geholt hatten.
Nein.
Willows Augen rollten nach hinten, während ihre Seele sich aus ihrem Körper löste und ihr Geist als schwacher Nebel aus ihrer Brust aufstieg.
»Es tut mir leid«, murmelte ich, obgleich ich wusste, dass sie mich nicht hören konnte. Jene Willow, die ich gekannt hatte, spürte nicht mehr, wenn man sie zu erreichen versuchte, und ihr Geist war dem Ruf der Hölle in ihrer Seele erlegen. Was ich nun tun würde, würde ihr Schmerzen verursachen, würde sie quälen und dafür sorgen, dass sie mich noch mehr als ohnehin schon hasste.
Ich führte meine Hand durch den Nebel, der von ihrem Herzen aufstieg, und drückte die Handfläche auf die nackte Haut ihrer Brust. Dunkle Ranken aus schwarzer, verbotener Magie breiteten sich durch den Nebel aus, der ihr Frieden hätte bringen können, wäre ihre Seele nicht durch die Taten ihrer Vorfahrin verdammt gewesen. Die dunklen Tentakel wickelten sich um das, was von Willow noch geblieben war, und hielten es fest.
Ihre Haut platzte unter meiner Berührung auf und öffnete sich, als wäre sie aus Porzellan. Dunkelheit kroch wie die von ihr geliebten Ranken über ihre Haut, schuf einen Hohlraum in ihrem Körper, während ich meine Magie darauf konzentrierte, die letzten Reste ihre Seele zu umfassen. Ich würde nicht zulassen, dass mir etwas von ihr entkam, würde keinem Stückchen der Frau, die ich inzwischen mehr begehrte als meine Freiheit, erlauben, sich von dem zu trennen, was Willow zu Willow machte.
Die Tentakel verhakten sich in ihr und schlossen sie in eine feste, grausame Umarmung. Ihr Körper zitterte in meinen Armen. Meine freie Hand wanderte langsam ihren Rücken hinauf, schlüpfte unter ihr Top und berührte die Markierung, die ich auf ihrer Schulter hinterlassen hatte. Das Mal, das sie als meinen Besitz kennzeichnete.
Das es mir ermöglichte, sie in diesem verzweifelten Rettungsversuch an mich zu binden.
Ihr Rücken bog sich unwillkürlich durch, als sich meine Nägel in das Zentrum des Dreiecks senkten, mit dem ich sie gekennzeichnet hatte, und sich nun zu schwarzen Krallen verlängerten, die ihr Fleisch durchbohrten. Ich wusste, dass sie nach dem Erwachen einen lähmenden Schmerz spüren und nur Bruchstücke von dem erinnern würde, was in diesem Moment ihren Körper quälte.
Ich wiegte sie in meinen Armen, beugte mich vor, berührte mit meiner Stirn die ihre und hielt sie in dieser Position fest, während ich meine Hand von ihrer Brust wegbewegte und meine Finger in den Spalt schob, der sich in ihrer Haut geöffnet hatte.
Die dunkle Magie, die ich genutzt hatte, um ihre Seele hier einzufangen, kehrte zu mir zurück, umgab meine Haut und zerrte Willow zurück in ihren Körper. Erst als ihre Seele wieder in ihr war, sich um das Herz gelegt und in dem nutzlosen, toten Fleisch ihres Körpers eingerichtet hatte, zog ich meine Finger wieder heraus und blickte auf die Stelle, an der der leicht grünlich und schwarz gefärbte Nebel in dem von mir geöffneten Spalt verschwunden war.
Schlaff hing Willow in meinen Armen, als meine Finger wieder frei waren. Ich streckte meinen Unterarm in Beelzebubs Richtung, der ihn ansah und schluckte. »Lucifer …«, hob er an und verstummte wieder, als sein Blick zwischen mir und meiner Frau hin und her sprang.
»Tu es jetzt«, befahl ich. Er zog sein liebstes Messer aus dem Gurt über seiner Brust, bohrte es dann in die verletzliche Unterseite meines Arms und fuhr damit die Ader entlang bis zur Armbeuge. Das, worauf ich abzielte, verlangte weit mehr Blut als irgendein Sterblicher geben konnte, und nur die wahre Unsterblichkeit meiner Form bot ihr die Rettung.
Blut floss ungehindert über meine Haut und tropfte auf den Boden unter mir, bis ich den Arm so hielt, dass es in Willows Mund floss. Sie reagierte nicht, als ich es auf ihre Lippen drückte, darauf verteilte und dafür sorgte, dass es sich in ihrem Mund sammelte. Die Erzdämonen und ich warteten schweigend darauf, dass das Blut durch ihre Kehle floss, dass ihr Körper das aufnahm, was helfen würde, das ihrer sterblichen Hülle Angetane zu korrigieren.
Ein keuchendes Atmen füllte ihre Lungen, ihr Nacken knirschte, als die Knochen heilten und zurück an ihren Platz sprangen. Ich senkte den Kopf, zog Willow näher an mich heran und ließ mich vom Auf und Ab ihrer Brust in dem gleichmäßigen, natürlichen Rhythmus beruhigen. Es war genau der Rhythmus, zu dem sie fand, wenn ich ihren Schlaf bewacht hatte, derselbe Herzschlag, der im Einklang mit ihren Atemzügen stand.
Mein Blut tropfte noch auf den Boden, doch mein Fleisch arbeitete bereits daran, sich wieder zu verschließen. Ich erhob mich mit Willow in den Armen und ging auf die Tür zu. Ihre Schmerzensschreie begannen, zerrissen mir beinahe das Trommelfell und ließen mich zusammenzucken. Der Schmerz in diesem Brüllen war unvorstellbar; kaum auszumalen, was sie fühlen musste, wenn sie zu solchen Geräuschen fähig war, während sie noch tief und fest schlief …
»Lucifer, sag uns, was wir tun sollen. Offensichtlich haben sich die Pläne geändert«, rief Asmodeus mir nach.
»Die Pläne können verdammt noch mal warten«, knurrte ich und überließ den Erzdämonen die Entscheidung, welche Verwüstung sie über den Coven kommen ließen. Keiner hier spielte nun mehr eine Rolle. Nichts davon spielte eine Rolle.
Nur die Hexe in meinen Armen zählte.
Willow
In einem Moment war da nur Dunkelheit. Nur Leere, wo einst Licht gewesen war. Die verschwommenen Überreste der Flammen brannten hinter meinen Augenlidern und verhöhnten mich, als ob mein Geist sich auf den Scheiterhaufen vorbereitete.
Dann war da Luft, scharf und schmerzhaft, als sie meine Lunge füllte. Ich schlug die Augen auf. Mit einem rasselnden Atemzug setzte ich mich so plötzlich auf, dass mir schwindelig wurde. Mein Brustkorb brannte, als wäre er eingefroren worden und hätte darauf gewartet, dass ich erwache.
Mein Verstand war ein einziges Chaos, ein Labyrinth, aus dem ich nicht mehr herausfand. Meine Brust pumpte vor Anstrengung, als wäre ich gerade eine Meile gelaufen, und mein Atem ging schwer vor Panik, die mich verzehrte. Langsam bewegte ich die Hand zu meinem Hals und krallte sie dort in die Haut, während ich mich bemühte zu entsinnen, wie ich in Grays Bett gelandet war.
In dem Moment, in dem meine Finger meine Haut berührten, explodierte die Erinnerung daran, wie mein Genick gebrochen worden war. Die Dunkelheit, die darauf folgte, und dann der umfassende und blendende Schmerz, der meinen Körper überwältigt hatte.
Ich kletterte aus dem Bett und verhedderte mich in den Laken, als ich meine Beine über die Kante hievte. Mit einem dumpfen Aufprall landete ich auf dem Boden und kämpfte in meiner Panik darum, mich aus dem hartnäckigen Gewirr zu befreien. Ungestüm warf ich den Kopf hin und her, trat und schlug nach der Decke und kroch schließlich zum Badezimmer, das auf der anderen Seite von Grays Zimmer lag.
»Willow!«, rief er, aber ich konnte es nicht ertragen, ihm den Blick zuzuwenden. Ich hielt es nicht aus, ihn anzusehen, selbst als ich spürte, wie er in den Wohnbereich trat. Ich zog eine Grimasse und versuchte aufzustehen, widerstand jedoch dem Drang zu schreien, als ich meine Beine nicht aus der verdammten Decke lösen konnte.
Meine Brust pochte vor Schmerz und ich presste meine Hand darauf, als sich ein erstickter Laut meine Kehle hinaufkämpfte.
Gray bewegte sich und wich meinen Beinen vorsichtig aus, als er die Decke wegzog und sie auf das Bett fallen ließ. Meine Beine waren nackt, nur ein schwarzes Nachthemd bedeckte meinen Unterleib, während ich meine Schenkel zusammenpresste. Er ließ sich neben mir in der Hocke nieder und beugte sich über mich, sodass ich sein Gesicht sehen konnte. »Du bist in Ordnung«, sagte er leise, seine Stimme klang trügerisch und beruhigend. Sie war wie eine sanfte Melodie, eine aufreizende Anspielung auf die Magie, die in seiner Gestalt als Hülle nicht vorhanden gewesen war.
Fleischgewordene Sünde; ein Körper, dazu geschaffen, die Menschen an einen Ort des endlosen Leidens zu locken.
Tränen brannten mir in den Augen, als ich jenen Klang wahrnahm, der mich immer noch an den Mann erinnerte, den ich gekannt hatte. Der Mann, dem ich dummerweise erlaubt hatte, mich zu täuschen, und in den ich mich verliebt hatte.
Der Mann, der gar nicht existiert hatte.
Ich schlang die Arme um mich, durch meinen Kopf tobte ein Wirbelwind. Ich vermochte mir keinen Reim auf das zu machen, was passiert war. Ich war nicht in der Lage zu verstehen, was er getan und wie lange er das wohl geplant hatte.
»Wie bin ich hierhergekommen?«, fragte ich und schluckte, kniff die Augen zusammen. Ich wäre nicht freiwillig in sein Bett gestiegen, nicht nach allem, was er angerichtet hatte. Da war dieses Loch in meinem Gedächtnis, da klaffte eine Lücke, in der keine Erinnerung existierte.
Ich hatte das Siegel geöffnet und Gray wieder in Lucifers Körper geleitet, aber danach wusste ich nicht mehr viel. »Du musst dich ausruhen«, sagte Gray und schob seine Hand unter mein offenes Haar. Seine Finger streiften meine Haut, umfassten mein Kinn, und er drehte mich zu sich. Seine goldenen Augen schimmerten, als er auf mich herabblickte, und mit dem Daumen liebkoste er meine Haut.
Das Geräusch, wie mein Genick abermals brechen würde, hämmerte durch meinen Verstand und ließ mich zurückweichen, fort von dem Teufel persönlich.
Ich atmete tief und zitternd ein und versuchte, die aufsteigende Übelkeit in meinem Magen niederzuringen, die mit dieser Erkenntnis einherging.
»Ich bin gestorben«, sagte ich, meine Stimme kaum mehr ein Flüstern. Ich starrte Gray – Lucifer – an, zwang mich, mein Hirn zu nutzen und ihm den Namen zu geben, den er schon immer getragen hatte. Ich trennte das Wesen, das vor mir stand, von dem, das ich zu kennen geglaubt hatte.
»Nur kurz«, erwiderte er, als ob ihn das von jeglicher Schuld entbinden würde. Sein Dämon hatte mir das Genick gebrochen und mich aus der Welt gerissen, die ich gerade erst kennengelernt hatte. Aber die Bestätigung reichte aus, um zu wissen, dass er etwas noch weit Schlimmeres getan hatte, um mich zurückzubringen.
»Was hast du getan?«, keuchte ich und schlug mir die Hand vor den Mund, als meine Übelkeit immer heftiger wurde.
»Komm zurück ins Bett, Liebes. Dein Körper braucht mehr Ruhe«, sagte er und ignorierte meine Frage komplett.
Ich stöhnte auf und eilte ins Bad, als mich die Schuldgefühle in meiner bereits vor Schmerz pochenden Brust trafen. Meine Beine rutschten unter mir weg, es fühlte sich an, als ob sie gar nicht zu mir gehörten. Irgendetwas stimmte nicht mit dem Körper, der immer der meine gewesen war; etwas war so seltsam an dem einzigen Zuhause, das ich auf dieser Ebene hatte.
»Willow«, wiederholte Gray und folgte mir mit langsamen, gemessenen Schritten. Er legte seinen Arm um meine Taille und half mir, das Gleichgewicht zu halten, als er mich ins Bad brachte und mich gerade noch rechtzeitig vor der Toilette auf die Knie sinken ließ, damit mein Magen sich entleeren konnte.
Mit sanften Fingern strich er mir die Haare seitlich aus dem Gesicht und dort, wo sie nach vorne zu fallen drohten, während ich mich übergab, hielt er sie im Nacken zusammen. »Du bist in Ordnung«, murmelte er. Ich fragte mich, ob er mich damit überzeugen wollte oder sich selbst.
Mein Magen war noch geraume Zeit, nachdem ich mich übergeben hatte, in Aufruhr, und mein Körper krampfte, als er das loswerden wollte, was längst nicht mehr da war. Ich wischte mir mit dem Handrücken über den Mund, bevor ich eine Hand auf jede Seite der Toilette legte und mich mühselig aufrichtete. Ich spülte den Inhalt hinunter und versuchte, beim Anblick der roten Flüssigkeit im Klo nicht in Panik zu geraten, sondern ging zum Waschbecken, um meinen Mund auszuspülen.
»Keine Sorge, kleine Hexe. Das ist nicht dein Blut«, erklärte Gray hilfsbereit, während sich das Waschbecken rosa färbte. Als ob das Erbrechen von Blut im Moment meine größte Sorge darstellte.
Als ich endlich den Blick hob, sah mein Spiegelbild genauso aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Es gab keine Spur davon, dass ich mich so drastisch verändert hatte. Der einzige gravierende Unterschied befand sich auf meiner Brust am oberen Rand meines Dekolletés, wo ein schwarzer Kreis meine Haut befleckte. Ranken aus Dunkelheit schlängelten sich von der Mitte aus weg und kerbten meine Haut wie Risse in einer geborstenen Fensterscheibe.
Mein Amulett hing direkt darüber, das Roségold hob sich deutlich von dem schwarzen Turmalin und dem Mal ab. Mit zitternder Unterlippe starrte ich es an und vermied es, den Fleck mit den Fingern zu berühren. »Wird es wieder verschwinden?«, fragte ich und bohrte die Zähne in meine Unterlippe. Es war so dumm, sich darüber Gedanken zu machen, wenn doch die Alternative war, in der Hölle zu verrotten.
Aber ich wollte nicht den Rest meines Lebens von der Tatsache gebrandmarkt sein, dass er sich geopfert hatte, um mich zu retten.
»Nein«, antwortete er ruhig und reichte mir eine Flasche Mundwasser. Ich ergriff sie zwar, bedankte mich allerdings nicht, nahm dann einen Schluck und spülte meinen Mund gründlich aus.
Als ich fertig war, schaute ich Gray im Spiegel an und hielt seinen unheimlichen goldenen Blick fest. Sein Haar war so zerzaust, wie ich es noch nie gesehen hatte, sein Oberkörper immer noch nackt. Eine einzelne Narbe zog sich weiß von seinem Handgelenk bis zum Ellbogen und ich war mir sicher, dass sie noch nicht da war, bevor ich …
Ich schluckte.
»Wer?«, fragte ich und drehte mich zu ihm um. Er trat näher und sperrte mich zwischen seinem Körper und dem Waschbecken ein, während er sich nach vorne beugte.
»Das spielt keine Rolle«, erwiderte er schlicht und zuckte leicht mit den Schultern, während er mit einem Finger die Dunkelheit berührte, die auf meiner Brust erblühte.
Ich schluckte und versuchte abzuschätzen, wie ich am besten vorgehen sollte. Gray war stark, als ich ihn noch für eine Hülle gehalten hatte, aber in dieser Gestalt musste er über unendlich viel Macht verfügen. Er war derjenige, der meine Vorfahrin erschaffen hatte. Er hatte ihr die Magie gegeben, die sie dann mit allen Hexen teilte. Diese Art von Macht ließ das, was mir zur Verfügung stand, wie harmloses Geplänkel aussehen. »Für mich schon«, sagte ich und wusste nicht, wie ich weitermachen sollte.
Mein Instinkt riet mir, ihm gegen die Kehle zu boxen, ihm das Knie in die Eier zu rammen, ihn schlichtweg in die Vergessenheit zu schicken – und seinem Grinsen nach zu urteilen, wusste der Scheißkerl das auch.
»Sieh mich nicht so an, wenn ich dich nicht über das Waschbecken beugen und dich daran erinnern kann, was du wirklich willst, kleine Hexe«, knurrte er. Er fasste mich bei der Hand und führte mich aus dem Bad. Meine Schritte waren unkoordiniert und ich stolperte über meine eigenen Füße. Er riss die Laken zurück, die er auf das Bett geworfen hatte, als er mich daraus befreit hatte.
»Alles, was ich will, ist dir die Kehle aufzuschlitzen«, fauchte ich und zuckte zusammen, als er in die Nachttischschublade griff und ein Messer herauszog.
Gray reichte es mir, indem er mir den Griff präsentierte, die flache Seite der Klinge hielt er zwischen zwei Fingern. »Dann tu es, Liebes. Schauen wir, ob es etwas bringt«, sagte er und seine Stimme ging in ein herablassendes Lachen über.
Ich nahm das Messer, umklammerte den Griff, und fand doch keinen Trost darin. Ich könnte ihm die Kehle aufschlitzen, aber ich wusste, dass es nichts nützte. Er würde den ganzen Boden vollbluten, eine Fleischwunde könnte ihn allerdings nie aus dem Leben reißen. »Du weißt ganz sicher, dass das für keinen von uns gut ausgehen wird. Wie, stellst du dir vor, soll das enden«, fragte ich und stieß die Spitze des Dolches in den Nachttisch neben dem Bett.
Gray hielt inne und legte einen Finger unter mein Kinn. »Enden?«, gab er zurück; er klang verwundert. Als ob ich diejenige wäre, die den Verstand verloren hätte und einen Realitätscheck bräuchte. »Für dich und mich gibt es kein Ende, kleine Hexe.«
Ich trat einen Schritt zurück, die Matratze hinter mir drückte gegen meine Oberschenkel und ließ mir keinen Ausweg. Es sei denn, ich wollte mich angreifbar machen, indem ich darüber kletterte. Ich hielt inne, reckte das Kinn und starrte ihn an. »Alles hat ein Ende, Lucifer. Sogar du«, sagte ich und zwang meine Unterlippe dazu, nicht zu zittern. Diese Aufgabe schien entmutigend, unmöglich sogar, aber ich würde einen Weg finden.
»Erinnerst du dich noch, als ich dir sagte, dass ich es mir leisten kann, geduldig zu sein? Eines Tages wird alles, was du kennst, jeder, den du liebst, aufhören zu existieren. Dann bin nur noch ich da, an den du dich wenden kannst«, gab er zurück und die Worte trafen mich mitten in die Brust. »Es wäre so schade, wenn du gegen das – uns – kämpfen würdest. Das würde mich vielmehr dazu motivieren, dem natürlichen Lauf von Leben und Tod nachzuhelfen und all jene loszuwerden, die du um Hilfe bittest.«
Ich schluckte und starrte ihn mit gerunzelter Stirn an, versuchte, die Bedeutung seiner Worte zu erfassen. Ganz bestimmt würde er nicht …
Bei der Erinnerung daran, wie er die zwölf anderen neuen Schülerinnen und Schüler, die sich Hollow’s Grove anschließen wollten, schnell und effizient tötete, kniff ich die Augen zu.
Er würde. Er würde und er konnte.
»Lucifer«, sagte ich und angesichts des leisen Flehens in meiner Stimme fühlte ich mich so schwach. Ich hasste ihn dafür, dass er mich dazu brachte, um das Leben der wenigen Freunde zu betteln, die ich hatte.
»Das bin ich nicht. Nicht für dich«, entgegnete er scharf, umfasste dann sanft mein Gesicht und strich mir mit dem Daumen über die Wange.
»Gray.« Das Wort drang erstickt heraus. Ich wollte nicht mehr, dass er Gray war. Ich wollte eine Mahnung daran, dass das Böse unter seiner Haut lauerte.
»Es muss so nicht laufen«, sagte er und erinnerte mich daran, wie es für kurze Zeit zwischen uns gewesen war. Ich erwiderte nichts, weil ich keine Worte fand, um ihn daran zu erinnern, dass er es so hatte laufen lassen. Niemand hatte ihn gezwungen, mich zu manipulieren, mich für seine Zwecke zu benutzen. Er beugte sich vor und seine Lippen streiften sanft meine. Noch bevor ich protestieren konnte, zog er sich zurück. Sein Mund war warm, wo ich sonst nur Kälte gewohnt war. »Ruh dich aus.«
Ich schaute über meine Schulter auf das Bett und schüttelte den Kopf. Ich musste nach Della und Iban sehen, ob sie in Sicherheit waren. »Ich muss …«
»Du musst schlafen. Dein Körper ist vom Tod zurückgekehrt, egal wie kurz er auch war. Schlaf, meine Willow«, sagte er und übte so lange Druck auf meine Schultern aus, bis ich keine andere Wahl mehr hatte, als mich auf den Rand der Matratze zu setzen.
»Nein. Ich muss wissen, wer den Preis für mich bezahlt hat. Wen du an meiner Stelle getötet hast, um einen Ausgleich zu schaffen«, protestierte ich und versuchte aufzustehen.
»Möge die Hölle mir helfen, kleine Hexe. Du wirst dich ausruhen, auch wenn ich dich in dieses Bett legen und dich eigenhändig festhalten muss«, widersprach er, die Warnung hing schwer zwischen uns in der Luft. Ich wollte ihn nicht bei mir im Bett haben, nicht, wenn ich mir in seiner Nähe selbst nicht trauen konnte.
Obwohl ich ihn hasste und ihn für das, was er mir angetan hatte, am liebsten ausgeweidet in die tiefsten Höllengruben zurückgeschickt hätte, erinnerte sich ein Teil von mir daran, wie er sich angefühlt hatte, als ich glaubte, ich würde ihn mögen. »Ich werde mich ausruhen«, sagte ich und unterbreitete ihm ein vorübergehendes Friedensangebot.
Eine Schlacht nach der anderen, erinnerte ich mich.
»Wenn du mir erzählst, wer es ist«, fuhr ich fort und sah, wie er frustriert mit den Zähnen knirschte.
»Eine Hexe. Ich weiß nicht, wie sie heißt, und es ist mir auch egal. Beelzebub hat es schnell und schmerzlos erledigt, genau wie bei dir«, erklärte er, wobei sich diese nüchterne Aussage wie die Wahrheit anfühlte. Gray machte sich nicht die Mühe, die Hexen kennenzulernen, die ihm keine Gegenleistung bieten konnten.
Ich nickte und hoffte, dass er wenigstens Della, Margot oder Nova als meine Mitbewohnerinnen erkannt hätte. Ich wünschte mir inständig, dass sie meinetwegen nicht zu Schaden gekommen waren, denn das konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.
Langsam hievte ich die Beine ins Bett und ignorierte den Schmerz in meinen Knochen, der sich anfühlte, als würde sich mein ganzes Wesen mit dieser Bewegung versetzen. Als könnte sich mein Körper nicht daran gewöhnen, wie fremdartig es sich anfühlte, von den Toten zurückgekehrt zu sein. Ich ließ mich unbeholfen zurücksinken, wünschte mir, ich hätte mehr Kleidung und hasste den Gedanken, dass Gray mich umgezogen hatte, während ich bewusstlos gewesen war. Sobald mein Kopf das Kissen berührte, deckte Gray mich zu und ließ sich auf dem Stuhl neben dem Bett nieder.
Ich seufzte und starrte an die Decke.
Wer konnte schon schlafen, wenn der Teufel ihn beobachtete?
Willow
Licht sickerte durch das Fenster am Rande des Zimmers, der schwache Schimmer von Sonnenschein verblasste gerade am Horizont, als ich langsam die Augen öffnete. Ein leises Grollen kroch meine Kehle hinauf, als ich mich zwang, mich aufzusetzen. Ich presste die Stirn in meine Hände, als mir ein stechender Kopfschmerz fast den Schädel zu spalten schien.
Ein paarmal atmete ich tief durch und spähte zu dem Stuhl, auf dem Gray gesessen hatte, als ich eingeschlafen war. Mein Selbsterhaltungstrieb war offensichtlich nicht sehr ausgeprägt, wenn ich es sogar geschafft hatte, mich auszuruhen, während der Teufel mich beobachtete. Ich konnte seinen Beweggründen und Plänen definitiv nicht trauen.
Lass mich dich lieben.
Diese drängenden Worte klangen mir in den Ohren, als ich seinen nun leeren Stuhl betrachtete, die Decke bis zu meinen Füßen hinunterschob und meine Beine befreite. Er hatte die Schlafzimmertür geschlossen, als er gegangen war, und ich tappte langsam und unsicher hinüber, um an dem Knauf zu rütteln. Er ließ sich kaum bewegen, das Schloss hielt ihn an Ort und Stelle, und als ich mich zu schnell umdrehte, geriet ich dabei ins Straucheln.
Was zum Henker war los mit mir?
Ich schüttelte das unsichere, verkrampfte Gefühl in meinem Inneren ab und bewegte mich zum Fenster, wo die letzten Strahlen Tageslicht hereindrangen. Ich blickte auf den Hofgarten unter Grays Zimmern und schluckte, als ich nach Hinweisen auf eine Hülle oder einen Erzdämon dort unten suchte.
Ich entdeckte niemanden und blickte zurück zur Tür von Grays Arbeitszimmer. Ich konnte mir nicht vorstellen, die anderen dem Schicksal zu überlassen, das ich so maßgeblich mitverursacht hatte, aber ich war für keinen eine Hilfe, wenn ich im Schlafzimmer des Teufels eingesperrt blieb.
Ich schloss die Augen, als ich den Riegel oben am Fensterrahmen zurückschob, doch ich öffnete es erst, als ich mich gegen die Schuldgefühle gewappnet hatte, die bereits in mir rumorten.
Ich würde zurückkommen, versprach ich mir. Versprach ich ihnen, auch wenn sie mich nicht hören konnten. Es war erst ein paar Wochen her, dass ich hier aufgetaucht war, um den Coven und all seine Mitglieder zu vernichten. Ich war fest entschlossen, die Rache zu üben, für die ich ausgebildet worden war, selbst wenn es meinen eigenen Tod bedeutet hätte.
Warum zögerte ich also, sie jetzt ihrem Schicksal zu überlassen?
Mit einer Grimasse schob ich das Fenster aus Wut über mein Zögern nach oben und zuckte zusammen, als das Glas durch die Wucht, mit der es einrastete, zerbrach. Ich berührte mit zitternden Fingern die spinnennetzartigen Risse und starrte auf die Hände, die nicht anders aussahen als die, die ich von früher kannte.
Bevor ich gestorben war.
Ich schluckte und kletterte auf die Fensterbank. Mir war bewusst, dass meine Zeit begrenzt sein und Gray mich niemals lange unbeaufsichtigt lassen würde. Denn ganz sicher war ihm klar, dass ich als Erstes an Flucht denken würde. Nur hatte er wohl nicht damit gerechnet, dass ich so schnell aufwachen würde.
Ich schaffte es, meine Beine über die Fensterbank zu schwingen, und fühlte mich dabei so unbeholfen wie ein neugeborenes Reh, als ich mich durch die kleine Öffnung manövrierte. Das steinerne Gebäude war wie eine Klippe, in diesem Bereich gab es keine niedrigeren Gebäudeteile, die mich näher Richtung Boden bringen konnten. Als ich auf den Hof hinunterblickte, schloss ich die Augen und holte tief Luft, während ich den Teil von mir rief, der für mich so lebensnotwendig war wie Sauerstoff.
Die Erde unter mir antwortete, und die Ranken des Spaliers, das die Seiten des Gebäudes überspannte, zuckten, als sie zum Leben erwachten. Sie wuchsen langsam und streckten sich mir entgegen, bis ich nach ihnen greifen konnte. Ich wickelte eine davon um meine Hand, hielt sie fest und schöpfte tief Atem.
Grüne Hexen waren nicht dazu gemacht zu fliegen. Wenn ich an den Aufprall dachte, der mich bei einem Absturz erwartete, war das fast genug, um in das Schlafzimmer zurückzukehren, das zu meinem Gefängnis geworden war.
Kleinlicher Trotz trieb mich vorwärts. Ich sprang, zufrieden mit dem Wissen, dass ich zumindest Grays Pläne vereiteln würde, sollte ich bei meinem Ausbruchsversuch sterben.
Er hatte nicht das Recht zu gewinnen. Nicht nach dem, was er getan hatte, nicht nach der Art und Weise, wie mein ganzes Leben eine vergeudete Manipulation darstellte, die nur zu seinem eigenen egoistischen Vorteil gedacht gewesen war. Ich mochte nicht daran denken, was aus mir hätte werden können, wenn er nicht durch die Verbindung zwischen ihm und meinem Vater so viel Leid verursacht hätte.
Ich unterdrückte einen Schrei, als ich auf den Boden zustürzte. Als mein Körper die Fensterbank verließ, bewegte ich mich zuerst langsam, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Die Luft rauschte mir entgegen und ließ mein Nachthemd um meine Taille flattern, während ich in die sanfte Umarmung der Ranken fiel, die nach vorne schossen, um mich aufzufangen.
Ich schloss die Augen, je näher der Boden kam. Voller Überzeugung, dass die Ranken mich nicht vor dem Tod bewahren konnten, der dort auf mich wartete. Ich krümmte mich in Embryonalstellung zusammen und stieß einen leisen Schrei aus, als ich auf etwas Weichem aufkam, das mich in dem Moment, in dem ich dort landete, zurück in die Luft drückte.
Der Schwung nahm mir etwas von der Wucht der Kollision, sodass der zweite Aufprall auf etwas Weichem eher unangenehm als schmerzhaft war. Ich entspannte den Körper und ließ die Beine von der Brust sinken. Endlich öffnete ich die Augen und blickte auf das Kissen aus Blumen hinunter, das sich aus den Gartenbeeten erhoben hatte, um mich sanft aufzufangen.
Die Pflanzen wuchsen noch höher, um mich auf die Füße stellen zu können, bevor sie sich wieder in die Erde zurückzogen. Die Ranke, die ich um meine Hand gewickelt hatte, zog sich fester. Die Dornen bohrten sich in meine Haut, um mir das Blut zu entziehen, das für die Hilfe verlangt wurde.
Als ich einen Schritt von den Pflanzen wegtrat, klapperten die Knochen um meinen Hals aneinander, erinnerten mich mit jedem Schritt an ihre Anwesenheit. Abschätzend musterte ich die Auffahrt und die Straße, die sich durch den Wald bahnte und mich wahrscheinlich in den sicheren Tod führte. Aber ich wusste, wie viel schwieriger es sein würde, sich aus Hollow’s Grove herauszuschleichen, wenn ich es vor aller Augen täte.
Ich schluckte, als ich mich auf den Wald und die Verfluchten zubewegte, die dort auf mich warteten, und war entschlossen, diese Bestien den Erzdämonen vorzuziehen. Immerhin konnten die Verfluchten getötet werden.
Bei den Erzdämonen war ich mir da nicht so sicher.
Die Ranke wickelte sich beim Gehen langsam von meinem Arm ab, löste sich voller Sehnsucht von mir. Sie wusste so gut wie ich, dass ich die beste Chance für dieses Land war, um es wahrhaft wiederherzustellen. Ich weigerte mich, den Abschied in dieser wehmütigen Berührung anzuerkennen und versprach, ihr zu helfen, wenn ich zurückkam, um den Coven wieder zu dem zu machen, was er immer hätte sein sollen.
Blut tropfte an meinem Arm herunter, als ich mich langsam auf den Weg in den Wald machte. Meine Schritte wurden von Mal zu Mal fester, und ich war weniger unsicher, wie mein Körper funktionierte. Was auch immer sich in mir verändert hatte, als Gray mich von den Toten zurückbrachte, ich konnte es nicht sehen, aber ich spürte es an den Muskelsträngen unter meiner Haut. Ich spürte die seltsame, ungewohnte Kraft in jedem meiner Finger.
Meine Schritte gewannen an Dynamik und wurden immer schneller, bis ich auf den Wald zustürmte. Normalerweise verabscheute ich Laufen. Verdammt, ich hatte rennen gehasst, noch ehe ich meine Beine überhaupt in Bewegung gesetzt hatte.
Das hier kostete mich keine Energie und trieb mich mit so wenig Anstrengung vorwärts, dass ich beinahe über meine Füße fiel. Eine riesige Gestalt trat aus dem Schatten der Bäume, gerade als ich den Waldrand erreichte. Sie breitete ihre ledernen Schwingen aus, die sie vor sich gefaltet hatte, um vor Blicken geschützt zu sein. Beelzebubs zotteliges Haar fiel ihm bis zu seinem kantigen Kinn und er starrte auf mich herunter.
»Du sollst schlafen, Gefährtin«, sagte er, als ich vor ihm zum Stehen kam. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als mich mein unbeholfener Versuch, meine Gliedmaßen unter Kontrolle zu bringen, nach vorne schleuderte, sodass ich gegen ihn prallte. Meine Hände knallten gegen die bronzefarben schimmernde Haut seiner Brust.
Er hatte sich Runen tätowiert, die genauso golden leuchteten wie Lucifers Augen. Die henochischen Symbole schienen sich unter meinen Händen zu winden und zu krümmen, als ich in Panik geriet und mich von ihm abstieß. Ich plumpste mit dem Hintern ins Gras und meine Finger gruben sich instinktiv in den Boden unter mir.
Ich erdete mich gegen das Unbekannte, gegen die Angst vor dem Erzdämon, der vor mir stand.
»Du hast mich verdammt noch mal umgebracht«, sagte ich schließlich, wobei meine Stimme bedrohlich leise wurde.
Der Mistkerl zuckte mit den Schultern und breitete seine Flügel hinter sich aus, als ob er sie dehnen müsste. »Ich entschuldige mich. Als Lucifer und ich das letzte Mal miteinander sprachen, warst du zum Sterben auserkoren. Ich war mir der Planänderung nicht bewusst.«
»Du entschuldigst dich?«, fragte ich, meine Stimme klang so ungläubig, wie ich mich fühlte. »Meinst du, das reicht für das, was du mir angetan hast?«
Er ließ seinen Blick an meinem Körper hinunterwandern und kehrte dann zu meinem Gesicht zurück, mit nichts als Desinteresse in seinen Augen. »Du siehst gut aus.«
»Mir geht es aber nicht gut. Weißt du, wie es ist, in der Dunkelheit zwischen Leben und Tod gefangen zu sein? Hast du eine verdammte Ahnung, wie verwirrend und erschreckend es ist zu wissen, dass ich zwar gestorben, aber trotzdem in diesem Höllenloch gefangen bin?«, kreischte ich und stürzte mich auf ihn.
Ich legte zwei Handflächen auf seine Brust und stieß ihn mit all meiner Wut, die in dieser Bewegung steckte, von mir. Beelzebub riss die Augen einen kurzen Moment lang vor Schreck auf, bevor das Geräusch durch den Wald hallte, wie mein Fleisch gegen ihn klatschte. Er stolperte zurück und konnte sich gerade noch mit der Spitze seines Flügels am Boden hinter ihm stabilisieren, während wir uns gegenseitig anstarrten.
Seine Augen verengten sich, als er sich wieder aufrichtete, und sein Blick fiel auf meine Handflächen, die ich an dem Seidenstoff meines Nachthemdes abwischte. »Geh zurück zu deinem Ehemann, Gefährtin. Er wird nicht erfreut sein, dich außerhalb des Bettes vorzufinden.«
»Er ist nicht mein Ehemann«, knurrte ich, meine Nasenflügel bebten angesichts der ständigen Erinnerung daran, dass mir etwas angetan worden war, während ich geschlafen hatte.
Er trat näher, thronte über mir und funkelte mich wütend an. »Was auch immer dir hilft, nachts zu schlafen. Ich weiß nicht, welchen Zauber du gesprochen hast, aber es geschieht dir recht, dass die Falle, die du gestellt hast, damit er dich liebt, dich am Ende gefangen hält.«
»Du denkst, ich habe ihn verzaubert?«, fragte ich spöttisch, als ich ihm auswich und mich in Richtung Wald davonmachte.
Scheiß doch drauf.
Er schloss die Hand um meinen Oberarm und brachte mich zum Stehen, während er vollkommen still neben mir stand. »Ich glaube, du wolltest ihn um deinen fiesen kleinen Finger wickeln, und genau das hast du getan. Er hat lieber Freunde in der Hölle gelassen, als das Risiko einzugehen, dich an das Siegel zu verlieren. Wenn das keine Verzauberung ist, dann weiß ich es auch nicht.«
»Vielleicht war es einfach meine strahlende Persönlichkeit, die ihn angezogen hat. Hast du daran schon mal gedacht?« Ich versuchte, ihm meinen Arm zu entreißen. Beelzebubs Griff rutschte unsanft ab und seine Finger verpassten mir blaue Flecke, als er darum kämpfte, mich festzuhalten.
Er senkte den Blick tiefer und ließ ihn wieder nach oben wandern, bevor er ein leises, herablassendes Lachen ausstieß. »Ich sehe dich, Willow Hecate. Und ich bin nicht beeindruckt.«
Meine Wut wuchs, brodelte in meinem Magen mit einer Kraft, die mir die Luft abschnürte. Ich konnte nichts anderes mehr sehen als den roten Schleier meiner Wut, den Tunnelblick, mit dem ich den Dämon anstarrte, der mich so bereitwillig unterschätzte und mich im selben Atemzug beschuldigte, den Teufel zu umgarnen.
Die Äste an den Bäumen raschelten, als ob sie sich im Wind bewegten, doch die Luft war zu still, als dass sie dafür verantwortlich hätte sein können. Tatsächlich wurde unsere Umgebung unnatürlich ruhig, als ich zu dem violettäugigen Dämon hinaufstarrte.
Er schien das Rascheln der Bäume, das ich in meinem Blut spürte, nicht zu bemerken; er ahnte nicht, dass sie sich langsam auf ihn zubewegten, angetrieben von meinem Zorn.
»Das reicht, Beelzebub. Gib meine abtrünnige Frau frei«, sagte Gray von irgendwo hinter mir. Ich seufzte und versuchte, nicht zusammenzuzucken, als Beelzebub langsam meinen Bizeps losließ und wegtrat. Ich hielt inne und versuchte, das Summen in meinem Blut zu beruhigen, hielt aber das Leben um mich herum bereit, falls ich die Hilfe brauchte.
Ich schluckte und drehte mich auf dem Absatz um, stellte mich dem Mann, der sich in kürzester Zeit von zu gut, um wahr zu sein, zu meinem schlimmsten Albtraum entwickelt hatte.
Er trug jetzt einen Anzug, hatte aber auf sein Jackett verzichtet, sodass nur noch ein weißes Hemd seine Brust bedeckte. Die Ärmel waren hochgekrempelt und gaben den Blick auf seine goldene Haut frei, die so gar nicht zu dem hellen Ton passte, den er vor seinem richtigen Körper aufgewiesen hatte. Er hatte die Fäuste geballt, das einzige körperliche Symptom seiner Wut, was die Muskeln in seinen Unterarmen sichtbar anspannte. Er legte den Kopf schief und ließ seinen Blick über meinen Körper gleiten, der – da ich mich beeilt hatte zu fliehen – immer noch nur mit dem seidenen Nachthemd bekleidet war, das er mir angezogen hatte. »Hast du etwas vor, kleine Hexe?«
Willow
»Ich gehe«, erwiderte ich und holte tief Luft, als er sein Kinn ganz leicht senkte. Vor einer Woche hätte ich die subtile Veränderung vielleicht übersehen, aber ein Teil von mir erkannte nun seine Bewegungen als das, was sie waren.
Eine Drohung. Ein Versprechen.
Er seufzte, schlenderte auf die Stelle zu, wo ich neben Beelzebub stand. Er nutzte keine Worte, um mir mitzuteilen, dass ich nicht gehen durfte, aber das brauchte er auch nicht. Ich drehte mich langsam zu ihm um, damit ich ihn richtig ansehen konnte. Der andere Erzdämon bequemte sich endlich, sich in Richtung Schule zu entfernen. Seine Flügel zuckten, als er wegging, und mich beschlich das ungute Gefühl, dass dies ein Zeichen für seine Verärgerung über den Mann war, der sich mir gerade näherte.