The Damned - Ein Herz so verflucht - Harper L. Woods - E-Book

The Damned - Ein Herz so verflucht E-Book

Harper L. Woods

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Beschreibung

Liebe geht durch die Hölle – und darüber hinaus ...

Margot ist in der Hölle. Als die Hexe bei dem Kampf um die Hollow's Grove University zwischen die Fronten geriet, wurde sie durch ein Portal in die Unterwelt gestoßen. Bis dieses erneut geöffnet werden kann, bleibt Margot gefangen. Der Dämonenfürst Beelzebub folgte ihr, um sie zu beschützen – doch seine Gefühle für die junge Hexe machen sie beide verletzlich. Gemeinsam müssen sie sich nicht nur durch die Neun Kreise der Hölle kämpfen, sondern auch gegen die immer stärker werdende, verbotene Anziehung zueinander …

Heiße Höllenfürsten und gefährliche Hexen treffen auf die Tropes Forbidden Romance, Unlikely Allies und Shadow Daddy – die Fortsetzung der spicy Dark Romantasy »Coven of Bones« von Bestsellerautorin Harper L. Woods
Spice-Level: 2 von 5

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Seitenzahl: 551

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Margot ist in der Hölle. Als die Hexe bei dem Kampf um die Hollow’s Grove University zwischen die Fronten geriet, wurde sie durch ein Portal in die Unterwelt gestoßen. Bis dieses erneut geöffnet werden kann, bleibt Margot gefangen. Der Dämonenfürst Beelzebub folgte ihr, um sie zu beschützen – doch seine Gefühle für die junge Hexe machen sie beide verletzlich. Gemeinsam müssen sie sich nicht nur durch die neun Kreise der Hölle kämpfen, sondern auch gegen die immer stärker werdende, verbotene Anziehung zueinander …

Autorin

Harper L. Woods ist das Alter Ego der »USA Today«-Bestsellerautorin Adelaide Forrest. Ihre Liebe zum Lesen wurde in ihrer kleinen Heimatstadt in Vermont geboren, wo sie die langen Winternächte tief vergraben zwischen Buchseiten verbrachte. Als Zeitvertreib begann sie mit dem Schreiben. Mittlerweile hat sie sich mit ihren knisternden Fantasyromanen auf die Bestsellerlisten und in die Herzen Tausender Leser*innen geschrieben: Insbesondere die düstere und romantische Dilogie »Coven of Bones« eroberte die Top-Plätze der SPIEGEL- wie auch der »New York Times«-Bestsellerliste. Wenn Harper einmal nicht schreibt, verbringt sie am liebsten Zeit mit ihren zwei kleinen Kindern und ihrem Hund, träumt vom Bereisen ferner Länder oder entwirft Buchcover.

Harper L. Woods

THE DAMNED – EIN HERZ SO VERFLUCHT

Roman

Deutsch von Christina Eschbacher und Sebastian Otterbach

Die Originalausgabe erschien 2025 unter dem Titel »THE DAMNED« bei Bramble, an imprint of Tor Publishing Group, New York.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Copyright © 2025 by Harper L. Woods

Published by arrangement with Tor Publishing Group.

All rights reserved.

Dieses Werk wurde im Auftrag von Tom Doherty Associates durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover, vermittelt.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)

Umschlaggestaltung: © Anke Koopmann | Designomicon, nach einer Vorlage von Opulents Designs

SH · Herstellung: fe

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 9783641335267

www.blanvalet.de

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet sich am Ende des Buchs eine Triggerwarnung.

Achtung:

Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.

Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.

Für alle, denen nicht geglaubt wurde.

Erbfamilien von Crystal Hollow

KRISTALLHEXEN (auch als Weiße Hexen bekannt)

Haus Petra

Haus Beltran

KOSMOSHEXEN (auch als Violette Hexen bekannt)

Haus Realta

Haus Amar

ERDHEXEN (auch als Grüne Hexen bekannt)

Haus Madizza

Haus Bray

LUFTHEXEN (auch als Graue Hexen bekannt)

Haus Aurai

Haus Devoe

WASSERHEXEN (auch als Blaue Hexen bekannt)

Haus Tethys

Haus Hawthorne

SEXHEXEN (auch als Rote Hexen bekannt)

Haus Erotes

Haus Peabody

FEUERHEXEN (auch als Gelbe Hexen bekannt)

Haus Collins

Haus Madlock

TOTENBESCHWÖRERHEXEN (auch als Schwarze Hexen bekannt)

Haus Hecate

Part I

1

Beelzebub

Zuvor

Es war scheißkalt.

Lucifer hatte uns ein Paradies versprochen, und doch saßen wir jetzt in einer halbgefrorenen Tundra fest, in der morgens das Gras von Frost bedeckt war. Ich hätte nie geglaubt, einmal die Hitze des in meiner Nähe prasselnden Höllenfeuers zu vermissen. Wäre es denn wirklich zu viel verlangt gewesen, an diesem kalten und feuchten Ort die Kamine zu befeuern?

Meine schwarzen ledrigen Flügel kratzten am Torbogen entlang, als ich durch einen der engeren Gänge lief. Ich war gezwungen, die Flügel eng an mich zu ziehen und mich zu ducken, damit ich durch den Durchgang passte. Mit den Flügeln an den Steinwänden entlangzuschleifen, richtete wohl keinen Schaden an, aber es sorgte verdammt noch mal für etwas ganz anderes.

Ich war teuflisch angepisst.

Lucifer hatte den Verstand verloren, Seiner Gefährtin so viel Seines Blutes zu geben. Ich hatte die beiden mit einem unguten Gefühl am Waldrand zurückgelassen, schließlich hatte sie doch eindeutig versucht zu fliehen. Ich wusste nicht, wie sie es geschafft hatte, Ihn so wirkungsvoll um den Finger zu wickeln; dabei war sie ja nicht einmal eine Rote Hexe, die Ihn mit süchtig machendem Sex hätte korrumpieren können.

Sie war nichts Besonderes, nur ein weiterer Mensch. Er hatte unzählige andere zuvor gehabt, die bereitwillig das Bett für Ihn gewärmt und sich schlussendlich als wesentlich unkomplizierter herausgestellt hatten.

Ich hatte gesehen, wie sich Dämonen und verlorene Seelen in der Hölle vor Ihm zu Boden geworfen hatten, und ich konnte mir denken, dass sie sich im Reich der Lebenden genauso für Ihn interessierten, vor allem zu einer Zeit, in der sie noch nicht wussten, wie gefährlich Er wirklich war.

Ich eilte durch die Gänge und lenkte meine Schritte in Richtung der Räume, die Lucifer in der Zwischenzeit den Erzengeln überlassen hatte. Dieser Gang war eng und abgelegen, kurz vor dem Tribunalraum und dem Innenhof, der über und über von kräftigen Pflanzen bedeckt war.

Was immer die Hexen getan hatten, dieser Teil der Welt verströmte ihre Macht auf eine Art, wie es andere Orte in Hollow’s Grove nicht taten.

Nachdem ich Lucifer und die Hexe zurückgelassen hatte, hatte ich den Rest des Tages mit den Aufgaben zugebracht, die Lucifer eigentlich selbst hätte übernehmen sollen. Die Erzdämonen im Zaum halten und ihnen klarmachen, dass sie die Hexen nicht zum Nachtisch verspeisen durften.

Sie mussten zumindest so lange die Finger von ihnen lassen, bis Lucifer geklärt hatte, wie Er sich das Ganze weiter vorstellte. Über die Hexen zu herrschen, war schon immer Seine Absicht gewesen und zudem der Punkt, an dem unsere Pläne für diese Welt voneinander abwichen. Er sah sie als launische Kinder, als Wesen, die er heilen und zu einem Leben an unserer Seite bewegen konnte.

Ich sah sie als den Grund, weshalb Lucifer uns in der Hölle alleine zurückgelassen hatte, und es war nur allzu offensichtlich, dass die Hexen am eigenen Leib erfahren sollten, wie sich diese Einsamkeit anfühlte. Sie schienen es nicht zu würdigen, dass Er all diese Jahrhunderte bei ihnen gewesen war, zumindest nicht so, wie es Seine treuen Dämonen getan hätten, die überglücklich gewesen wären, wäre Er zu uns zurückgekehrt.

Hätte Er sich für uns entschieden.

Dass Er sich eine Hexe als Frau nahm – eine Komplikation, die keiner der Erzdämonen hatte kommen sehen –, war kein Teil des Plans.

Ich verlangsamte meine Schritte, als inmitten meines Rundgangs der leise Klang einer unschuldigen Melodie durch die Nacht zu mir drang. Alle Hexen hatten sich noch vor Einbruch der Dunkelheit in ihre Betten zurückgezogen, als fürchteten sie sich vor dem, was die Erzdämonen ihnen antun könnten, sollten sie sie nachts außerhalb ihrer Zimmer antreffen. Was absolut keinen Sinn machte. Sie müssten doch wissen, was auch jedem anderen klar war, nämlich dass das Böse nicht auf die Dunkelheit angewiesen war.

Wir konnten sie genauso leicht am helllichten Tag töten.

Die Pflanzen im Hof schwangen leicht zu der sanften Melodie. Die Stimme der Frau war heiser und tief. Ich näherte mich mit gleichmäßigen, festen Schritten, unfähig, dem Ruf dieses Klangs zu widerstehen. Ich konnte die Sängerin nicht sehen, da die Pflanzen sie vor meinem Blick verbargen.

Sie dämpften ihr Lied, wie ich nun erkannte. Hielten den Klang in einem Raum, der voller Schülerinnen und Schüler gewesen wäre, hätten die Hexen nicht solche Angst vor uns. Schon die bloße Idee, dass eine von ihnen mutig genug war, alleine hierherzukommen, wo keine der anderen war, hätte genügt, um meine Neugier zu wecken. Doch die herzerwärmende Schönheit dieses Lieds zog zudem an der Stelle, an der mein Herz gewesen wäre, hätte ich geglaubt, eines zu haben.

Ein klügerer Mann wäre aus genau diesem Grund umgedreht. Obwohl ich das Lied einer Hexe noch nie zuvor mit eigenen Ohren wahrgenommen hatte, wusste ich von der Macht, das es auf alle ausüben konnte, die es hörten – und dass manche Hexen Lieder nutzten, um ihre Opfer zu umgarnen, um sich dann von der Lust zu ernähren, die sie erzeugt hatten.

Ich ging dennoch weiter, von dem Klang auf eine Art und Weise angezogen, die ich nicht erklären konnte, bezaubert wie eine Motte vom Licht. Ich trat an die Steinbrüstung am Rand des Innenhofs und überstieg sie mit Leichtigkeit, um meiner Fängerin näher zu kommen. Die Rosen bildeten in der Mitte des Gartens einen Bogen, fast als hätten sie einen Durchgang für mich erschaffen, der mich auf den Weg der Verführung lenkte.

Am Ende dieses Tunnels saß eine Frau mit dem Rücken zu mir. Lockiges blondes Haar fiel in mehreren Stufen fast bis auf die Schultern, sodass es flauschiger und weicher aussah als alles, was ich je gespürt hatte. Mit einem Mal überkam mich das Verlangen, es zu berühren, und ich ging einen weiteren Schritt auf sie zu. Dabei streifte mein Blick die weiche Haut ihrer Schultern. Ihr tiefrotes Top gab viel von ihrem Rücken frei und legte den Bogen ihres Rückgrats offen. In die Mitte hatte sie sich Musiknoten tätowieren lassen, die sich in feine Nebel auflösten, wo sie auf die definierten Muskelstränge zu beiden Seiten trafen.

Ihr karierter Rock war kurz, und die weißen Overknee-Strümpfe umschlossen ihre langen Beine und deren glatten Konturen. Dort, wo das Ende der langen Strümpfe auf ihre Oberschenkel traf, wellte sich keinerlei Fleisch. Ich konnte mir die Festigkeit schon vorstellen, auf die ich treffen würde, sollten meine Finger sich ihren Weg entlang des Stoffs nach oben bahnen, was in mir sofort den Wunsch wachrief zu erfahren, welche Tugend sie gewählt hatte – die Übung, die sie nutzte, um solch eine obsessive Kontrolle über ihren Körper zu erlangen.

Kein Haar lag unordentlich auf ihrem Kopf, kein Staubkörnchen oder Fussel war auf ihrer Kleidung zu erkennen.

Sie achtete sorgfältig und akribisch auf ihr Äußeres, doch irgendetwas daran wirkte eher gezwungen denn natürlich, als sei das Tattoo entlang ihrer Wirbelsäule der einzige Hinweis auf die echte Frau, die sich unter dieser sorgsamen Kontrolle des Äußeren verbarg.

Ich trat noch einen Schritt vor und zuckte bei dem knackenden Geräusch eines Stöckchens unter meinem Stiefel zusammen. Die Pflanzen hielten in ihrer Bewegung inne, als würden sie meine Gegenwart spüren, und das Ausbleiben des Schwingens der Rosen und Efeuranken ließ meinen Fehltritt in der nun eintretenden Stille nur noch lauter erscheinen.

Die Frau wirbelte herum, das Lied erstarb, und ihre Haare flogen beiseite, um ihr hübsches, erschrockenes Gesicht freizulegen.

Nein, hübsch war nicht das passende Wort.

Sie war ein Engel, mit ihren großen mahagonibraunen Augen und den perfekt geschwungenen Lippen, die vor Schreck ein wenig geöffnet waren. Sie schloss die Augen, als sie mich erblickt hatte, und seufzte, und ich konnte das Knurren in meiner Brust nicht unterdrücken.

Erkannte sie das Raubtier nicht, das ihr gegenüberstand?

Ich ging auf sie zu und blieb erst stehen, als sie vor Angst einen Schritt zurückwich. Ihre hohen Wangenknochen waren wie aus Glas geschliffen, und die Nase der perfekte Knopf in der Mitte ihres Gesichts. Ihre Uniform ließ das Dekolleté und zwei Brüste erkennen, die groß genug waren, meine Hände auszufüllen.

»Es war nicht meine Absicht, dass mich jemand hört.« Ihre Stimme war eine heisere Melodie, in der eine Entschuldigung mitschwang. Diese Rauheit erinnerte mich an Leidenschaft in einer heißen Sommernacht. Laue Luft und schweißnasse Körper tauchten in meiner Vorstellung auf.

»Ich habe dich aber gehört, Singvögelchen«, erwiderte ich und machte einen weiteren Schritt auf sie zu.

Die Frau schreckte zurück, als hätte ich sie körperlich berührt. »Du wirst schon bald nichts mehr von mir hören«, sagte sie und trat an mir vorbei. Sie hielt den Kopf gesenkt, während sie an mir vorbeizukommen versuchte, und ihr gesamter Körper zuckte zusammen, als ich meine Hand nach ihr ausstreckte und sie mit einem Finger am Arm berührte.

Augenblicklich ließ ich von ihr ab, ohne zu verstehen, warum es mir wichtig war, ihren Wunsch nach Abstand zu respektieren. Sie war eine Hexe, also eines jener Wesen, die ich seit Jahrhunderten verachtete und die ich plante, eines Tages so zu bestrafen, wie ich bestraft worden war. Hexen hatten es verdient, jedes bisschen Schmerz zu spüren, der durch das Verlassenwerden entstand, durch ein hoffnungsloses Leben am dunkelsten aller Orte.

Warum erfüllte mich die Vorstellung, dass diese Hexe solchen Schmerz bereits gefühlt hatte, mit einer Wut, zu der ich mich nach all diesen Jahren nicht mehr fähig geglaubt hatte?

Ich runzelte die Stirn und konzentrierte mich auf die Panik in ihrem Gesicht. Man konnte die Vorsicht nicht übersehen. Die Angst vor einer Berührung.

Wer?

Ich stellte die Frage nicht, schob nur die Hände in die Hosentaschen, um die Hexe zu beruhigen. Sie war schon nervös genug. Sie folgte jeder meiner Bewegungen mit angespanntem Körper, als warte sie nur auf meinen Angriff.

Ihre Füße standen schulterbreit auseinander, sowohl für einen Kampf wie für die Flucht bereit. Schon das allein verdiente meinen Respekt, da ich nun wusste, dass sie alles ihr Mögliche tun würde, um sich aus der Gefahr zu befreien – dass sie sich vermutlich geschworen hatte, jeglichen potenziellen Angreifer mit sich in den Abgrund zu reißen.

Der Muskeltonus in ihrem zarten Körper bestätigte das nur.

»Wie heißt du?«, fragte ich und sah zu, wie sie mit der Zunge über ihre Lippen fuhr, um sie anzufeuchten. Meine ganze Welt verengte sich auf diese Bewegung, und mein Körper spannte sich an unter dem Bedürfnis, diese feuchte Hitze auf meinen Lippen zu spüren. Ich wusste, dass dies die Konsequenz aus ihrem Lied sein musste, so stark und unnatürlich war die Anziehung, dass es nur ihre Magie sein konnte, die in meinem Körper wirkte und versuchte, mich zu ihrem willigen Diener zu machen.

»Mein Name spielt keine Rolle. Du wirst mich ohnehin bald vollkommen vergessen haben«, sagte sie und drehte sich auf einem ihrer hochhackigen Schuhe um. Sie bewegte sich ungemein geschickt in ihnen, trotz der Gartenerde unter ihr, und konnte leicht die halbhohe Steinwand überwinden, die den blühenden Innenhof umgab. Ihre Absätze klackerten über den Steinboden, als sie sich eilig entfernte, jedoch ohne zu rennen. Sie gewährte mir das Privileg dieser Angst nicht.

Ich blieb zurück und starrte dieser rätselhaften Frau nach, fragte mich, wie irgendjemand sie überhaupt jemals vergessen konnte.

2

Margot

Der stets wachsame Blick meiner Mutter lastete während des gesamten Unterrichts wie ein bleierner Mantel auf meinen Schultern. Als wäre dieses verhasste Fach, das den Fluch meines Daseins bildete, in ihren Augen noch nicht Strafe genug. Schon in jungen Jahren hatte ich gelernt, dass Kindheit nicht zwangsläufig mit Kindsein einhergeht – vor allem nicht unter dem strengen Regiment meiner Tante. Und doch war es ausgerechnet dieser Strenge zu verdanken, dass ich ein tiefes Verständnis für die theologischen Grundfesten und die Anwendungsweise unserer Magie entwickelte. Als Vertreterin der Erotes-Linie im Tribunal blieb meiner Tante das Mutterglück verwehrt, weshalb sie und meine Mutter mein Aufwachsen kurzerhand zu einem Gemeinschaftsprojekt erklärten.

Meine Mutter verstand es dabei meisterhaft, mein frühkindliches Wissen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Sie stellte mir gezielt Fragen, von denen sie wusste, dass ich sie kinderleicht beantworten konnte – nicht um mich zu fördern, sondern um sich im Glanz meines Könnens vor anderen hervorzutun. In sexuellen Belangen galten die Roten Hexen von Natur aus als unkonventioneller als viele andere Familien innerhalb des Coven. Nicht alle jedoch legten ein solches Maß an Förderbereitschaft an den Tag wie meine Mutter.

Meiner Magie wohnte ein dunkleres Naturell inne – eine Besonderheit, die ihrer scharfen Beobachtungsgabe nicht verborgen blieb. Auch mir wurde bald bewusst, dass ich nicht dem entsprach, was als gewöhnlich galt. Andere Hexen vermochten den Wesensruf zu kontrollieren – die Kraft, die durch unseren Sirenengesang in das Wesen einer anderen Person eindrang und sie zu einer Marionette in unseren Händen machte. Es verlangte sogar eine gewisse Anstrengung und den Einsatz von Magie, damit der Ruf überhaupt die gewünschte Wirkung zeigte.

Ich hingegen besaß nie auch nur den Hauch einer Kontrolle über die Magie, die so mühelos durch meine Fingerspitzen strömte. Sie war allgegenwärtig – in jeder Bewegung, jeder Berührung und in jedem Wort, das singend meine Lippen verließ.

Deshalb lehnte ich jede Einladung konsequent ab, dem Chor beizutreten, der den sozialen Mittelpunkt der Roten bildete. Während sie dort sangen und den Großteil ihrer Freizeit verbrachten, zog ich mich in die stillen Winkel der Bibliothek zurück – fern von denen, die mir altersmäßig nah, gleichwohl innerlich so fern waren. Sie verstanden nicht, was es bedeutete, eine solche Magie in sich zu tragen. Dass sie für mich kein Geschenk war, sondern ein Fluch.

»Margot, hörst du überhaupt zu?« Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken. Damit missachtete sie ein ungeschriebenes Gesetz, wonach Eltern auch beim Unterrichten ihrer eigenen Kinder eine gewisse Distanz wahren mussten.

Hier sollte ich nicht Fritha Erotes’ älteste Tochter sein – nicht die Tochter jener Frau, die längst als sichere Nachfolgerin für den Tribunalsitz gehandelt wurde, den meine kinderlose Tante noch besetzte. Hier sollte ich schlicht Miss Erotes sein. Eine unter vielen. Nicht mehr und nicht weniger als alle anderen an dieser Schule – Cousins, Cousinen, entfernte Verwandte, Nachfahren eines Stammbaums, der sich so weit verzweigte, dass niemand mehr wusste, wo er eigentlich wurzelte.

Die Nachkommen der Peabodys saßen wie gewohnt auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, und nur ein aufklaffender Spalt im Boden hätte die Kluft zwischen unseren beiden Familien noch deutlicher machen können.

»Ja, Ma’am«, antwortete ich, senkte demütig den Kopf und wandte meine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder dem aufgeschlagenen Buch vor mir zu.

Ein flüchtiger Blick zu meiner Cousine Belva verriet, dass ich so weit abgeschweift war, dass ich inzwischen sechs Seiten hinterherhinkte. Ehe ich überhaupt realisierte, dass meine Mutter mich längst stumm ins Visier genommen hatte, kreisten meine Gedanken nur noch um den rotäugigen Erzdämon. Seit unserer nächtlichen Begegnung im Innenhof hatte ich kein Auge zugetan.

Der Zorn meiner Mutter richtete sich nicht nur gegen meine mangelnde Konzentration, sondern auch gegen mein müdes, glanzloses Erscheinungsbild – ein stilles Zeugnis der schlaflosen Stunden. An der obersten Regel der Roten gab es nichts zu rütteln: Der äußere Eindruck stand über allem. Kein noch so ausgeklügelter Zauber vermochte es, fehlenden Schlaf oder eine Vernachlässigung der morgendlichen Pflegeroutine zu kaschieren.

»Dann erklär uns bitte die genaue Funktionsweise des Kegels der Macht und wie er zur ultimativen Kraftmanifestation eingesetzt wird«, forderte sie.

Im selben Moment drehten sich sämtliche Köpfe zu mir herum. Meine Wangen begannen sofort zu glühen.

Bei unserer Göttin, manchmal wünschte ich mir nichts sehnlicher als eine ganz normale Mutter-Tochter-Beziehung. Eine, in der solche Peinlichkeiten beiden Seiten die Schamesröte ins Gesicht trieb. Nicht nur mir.

»Beim Einsatz des Kegels sammelt eine Hexe sämtliche Magie, die sie beim Sex aufnimmt – sowohl aus ihrem eigenen Verlangen als auch aus dem ihres Partners. Dieser Vorgang setzt sich fort, bis der Höhepunkt erreicht ist und die gespeicherte Magie in das Universum geleitet wird. Der Körper der Hexe dient dabei als Kanal für den magischen Fluss, wobei sie ihre Absicht klar formulieren muss. So wird der Zauber genährt, und das gewünschte Ergebnis tritt ein«, antwortete ich nahezu wortgetreu aus dem Lehrbuch zitiert.

Dass gar nicht die richtige Seite aufgeschlagen war, fiel kaum ins Gewicht. Seit meinem achtzehnten Geburtstag waren mir Erklärungen wie diese regelrecht eingebläut worden. Ab jenem Tag hatte meine Mutter auch kein Geheimnis mehr daraus gemacht, wie sehr es sie enttäuschte, dass ich keinerlei Interesse an jenen außerschulischen Aktivitäten zeigte, für die meine Mitschülerinnen und Mitschüler so viel Begeisterung aufbrachten.

Sie nickte nur knapp, wandte sich ab und fuhr mit jener Lektion fort, die ich vermutlich selbst im Schlaf herunterbeten könnte. Kaum hatte sie mir den Rücken zugewandt, atmete ich erleichtert auf. Unweigerlich wanderten meine Gedanken zurück zu der Gefahr, die dort draußen auf mich lauerte.

Am Waldrand, jenseits der Schulmauern, wäre ich außer Hörweite neugieriger Ohren gewesen. Doch dazu hatte mir der nötige Mut gefehlt. Also war ich im Innenhof geblieben, innerhalb der vertrauten Grenzen, und hatte mich an die trügerische Hoffnung geklammert, dass um diese späte Stunde längst alle schliefen. Dass ich dort ungestört und sicher wäre.

Eine Annahme, die meinem Wohlergehen nun möglicherweise zum Verhängnis wurde. Dabei wusste ich nicht einmal, mit welchem Erzdämon ich es überhaupt zu tun hatte. Immer wenn es im Unterricht um die Geschichte des Coven ging, schaltete mein Gehirn zuverlässig ab.

Wann ich dem Erzdämon wieder begegnen würde, blieb ungewiss, nicht jedoch, ob er zurückkehren würde. Mein Sirenengesang hatte ihn gerufen, und früher oder später würde er diesem Ruf folgen. Genau das war die unausweichliche Folge meines Liedes.

Hätte sich all das nur ein paar Tage früher ereignet, wäre Willow vermutlich meine erste Anlaufstelle gewesen. Aber Willow hatte schon genug mit ihren eigenen Sorgen zu kämpfen – allen voran mit dem Teufel, der sich selbst als ihr Ehemann bezeichnete. Ich konnte ihr nicht auch noch meine Last aufbürden.

Die Glocke ertönte und läutete damit offiziell das Ende des heutigen Schultags ein. Mit dem Stundenplan fortzufahren, als liefe alles in gewohnten Bahnen, obwohl die Welt gerade kopfstand, brachte ein beachtliches Maß an Absurdität mit sich. Als würden der Teufel und Seine Erzdämonen nicht gerade zum allerersten Mal seit Anbeginn der Zeit durch unsere Welt streifen.

Niemand wusste, was das für den Coven bedeutete – für uns Hexen, die Hollow’s Grove ihr Zuhause nannten. Sicher war nur, dass von jetzt an jeder Tag der letzte sein konnte. Und genau so fühlte es sich heute an – wie ein Tag, den man mit den Personen verbringen möchte, die einem am Herzen liegen, bevor alles endet.

Doch Hollow’s Grove hielt unbeirrt an der obersten Priorität fest, unserer Ausbildung. Wir waren die Zukunft, und deshalb galt es als essenziell, unsere Magie nicht nur zu beherrschen, sondern sie auch wirklich zu verstehen. Wenn Willow allerdings recht behielt, waren wir längst von unserer wahren Natur abgekommen. Mit ihrer Grünen Magie hatte sie die Pflanzenwelt um uns herum zu neuem Leben erweckt, und seitdem sah ich alles mit anderen Augen. Ich war so sehr an fahles, halbverwelktes Grün gewöhnt, dass ich nie hinterfragt hatte, wie gesundes Leben überhaupt aussah.

Ich bemerkte nicht, wie sich die schmale Silhouette meiner Mutter beinahe lautlos an mich heranpirschte, während ich meine Schulsachen in der Tasche verstaute. Erst als es bereits zu spät war und ihre rot lackierten Fingernägel zweimal auf die Tischplatte klopften, erstarrte ich auf meinem Stuhl. »Bevor du die Flucht antrittst, möchte ich gerne mit dir sprechen«, sagte sie, wandte mir den Rücken zu und ging schnurstracks zu ihrem Schreibtisch.

Während die übrigen Schülerinnen und Schüler nach und nach den Raum verließen, stellte ich meine Tasche widerwillig zurück auf den Boden, richtete mich langsam auf und trottete ihr hinterher. Dabei hätten wir das Gespräch genauso gut an meinem Platz führen können. Schließlich hatte sie vor kaum einer Minute noch genau dort gestanden. Aber nein. Natürlich nicht. Selbstverständlich lief es wieder auf eines ihrer Machtspielchen hinaus. Eine weitere Gelegenheit, mir ihre Autorität zu demonstrieren.

»Du siehst aus, als wärst du der Sünde höchstselbst entsprungen.« Wie immer sparte sie sich jegliche Umschweife, bevor sie ihre unverblümte Kritik an mir übte. Kaum ausgesprochen, wandte sie den Blick von mir ab, griff nach einem ihrer roten Korrekturstifte und widmete sich mit demonstrativem Gleichmut einem Stapel Arbeiten. Ich stand wie eine Angeklagte vor dem Richterpult und wartete auf mein Urteil. Draußen, vor dem Klassenzimmer, lauerten bereits die Aasgeier – neugierig, sensationshungrig, und bereit, jedes Wort meines bevorstehenden Spießrutenlaufs mitzuhören. Kaum fiel die Tür ins Schloss, ging das Getuschel los. Doch all das scherte meine Mutter nicht im Geringsten. »Dein äußeres Erscheinungsbild spiegelt diese Familie nach außen wider. Deshalb ist es wohl nicht zu viel verlangt, dass du dein Zimmer erst verlässt, wenn du dem Anspruch gerecht wirst, den unser Name mit sich bringt. Ich hoffe, dass dies die letzte Ermahnung war und dass du dich daran erinnerst, wenn du das nächste Mal in den Spiegel siehst. Du weißt, dass es mich ermüdet, mich ständig wiederholen zu müssen.«

So bitter die Wahrheit auch sein mochte – ich hatte an diesem Morgen tatsächlich versucht, ihren Maßstäben gerecht zu werden. Noch vor dem ersten Strahl der Sonne, und trotz mangelnden Schlafs, hatte ich mich aus dem Bett gequält. Ich hatte geduscht, meine Haare zurechtgemacht und meine Haut mit all den eigens hergestellten Wundermitteln der Roten Hexen eingecremt.

Aber keine Creme der Welt konnte die Schatten unter meinen Augen verbergen.

»Ich konnte nicht schlafen«, gestand ich, wohl wissend, dass das für sie nicht als triftiger Grund durchging, sondern mehr wie eine bequeme Ausrede klang.

»Plagen dich wieder Albträume?«, fragte meine Mutter. In ihren Augen hatte das, was Itan mir angetan hatte, nie stattgefunden. Als ich ihr am nächsten Morgen davon berichtete, tat sie es als Hirngespinst eines überreizten Geistes ab. Sie war fest davon überzeugt, dass allein meine Magie solche Trugbilder erzeugte – so real, dass ich sie mit der Wirklichkeit verwechselte.

»Nein«, sagte ich und strebte damit einen raschen Themenwechsel an. Ich ertrug es nicht, schon wieder daran erinnert zu werden, dass meine eigene Mutter mir nicht glaubte. Dass sie sich lieber an die Vorstellung eines eingebildeten Wahns klammerte, als zu akzeptieren, dass ein Mitglied des Tribunals ihre damals vierzehnjährige Tochter missbraucht hatte. »Letzte Nacht ist etwas passiert, das mich ziemlich aufgewühlt hat. Ich habe einen Fehler gemacht, und …«

Sie legte den Stift zur Seite. Ihre mahagonifarbenen Augen – meinen zum Verwechseln ähnlich – verengten sich zu schmalen Schlitzen und fixierten mich wie ein Pfeil sein Ziel kurz vor dem Einschlag. »Was hast du diesmal angestellt?«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ihre Finger trommelten ungeduldig auf die Tischplatte, als könnte sie es kaum erwarten, ein Geständnis zu hören, das sicher eine Enttäuschung für sie wäre.

Genau wie ich selbst.

»Ich habe letzte Nacht im Innenhof gesungen«, begann ich zu erklären. »Bei allem, was gerade passiert, und diesem seltsamen Gefühl, seit Lucifer unter uns weilt, habe ich das einfach gebraucht.« Alle strahlten plötzlich Magie aus. Ich wusste nicht, ob es nur an der allgemeinen Anspannung lag, die alle nach einem Moment der Erleichterung lechzen ließ, oder ob es direkt mit Seiner bloßen Anwesenheit zu tun hatte. Aber ich spürte sie. Die Magie. Tief in meinen Knochen. Egal, wo ich war oder was ich tat. Ich hatte etwas davon freisetzen müssen – auf die einzige Weise, zu der ich bereit war.

»Du hättest es uns anderen gleichtun und dir einfach einen Partner ins Bett holen können«, tadelte meine Mutter und atmete hörbar aus. Die Enttäuschung sickerte durch jedes Wort. »Du weißt doch, dass Keane mehr als bereit wäre, dir diesen Gefallen auch vor eurem Handfasting zu tun.« Allein die Erwähnung meines Verlobten, dem der Coven mich bereits als Kind versprochen hatte, ließ es mir eiskalt den Rücken hinunterlaufen. Als hätte mich jemand in ein Eisbad getaucht.

Dabei war Keane weder grausam noch unattraktiv oder gar auf irgendeine andere Weise abstoßend. Ganz im Gegenteil. Er stammte aus der Familie Peabody, hatte seine eigene Magie geopfert, als ich ihm zugesprochen wurde, und galt wohl als einer der freundlichsten Männer, die der Coven je hervorgebracht hatte. Die anderen Mädchen lagen ihm zu Füßen und betonten mir gegenüber immer wieder, dass ich unverschämt beneidenswert wäre.

Ja. Vielleicht sollte ich wirklich dankbarer sein und mich glücklich schätzen. Sollte seine Zuneigung mit derselben Offenheit erwidern, mit der er sie mir schenkte. Jahrelang war er mir wie ein liebestrunkener Welpe auf Schritt und Tritt gefolgt, bis er schließlich begriff, dass mir seine Nähe Unbehagen bereitete, und auf Abstand ging.

Doch ich fühlte einfach … nichts. Kein Knistern, kein Flattern, nicht einmal ein winzig kleines Gefühl. Ich fragte mich schon seit Langem, ob mir schlicht die Fähigkeit fehlte, mehr zu empfinden als ein vages Bewusstsein dafür, dass jemand attraktiv war. Offenbar mangelte es mir an einem entscheidenden Puzzleteil, das es möglich machte, Verlangen oder Liebe zu spüren. All die Wärme, die andere aus ihrer Magie schöpften, blieb mir verwehrt.

»Tja, hab ich aber nicht.« Augenblicklich bereute ich den schnippischen Ton in meiner Stimme. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht verhärtete sich – eine stumme Warnung, die eine mögliche Bestrafung in Aussicht stellte.

In unserer Welt spielte es keine Rolle, dass ich bereits zwanzig war und als erwachsene Frau galt. Für sie blieb ich ein Kind, das ihrem Willen ohne Widerspruch zu gehorchen hatte. Sie war älter, designiertes Mitglied des Tribunals, künftiges Oberhaupt unseres Hauses und damit in jeder Hinsicht über mir stehend.

»Wer hat dich gehört?«, fragte sie, während sie sich gedanklich wohl schon auf die Schadensbegrenzung vorbereitete. Für den Fall, dass ich jemanden innerhalb des Coven verzaubert hatte. Denn auch wenn es kein ausdrückliches Verbot gab, unsere Magie innerhalb des Coven einzusetzen, galt es als Tabu, sie gegen eine ranghöhere Person einzusetzen.

Ich schluckte. »Einer der Erzdämonen«, murmelte ich. Sie sah mich an, den Kopf leicht zur Seite geneigt, der Zorn aus ihrem Blick gewichen. Stattdessen wirkte sie nachdenklich. Ganz anders als noch Sekunden zuvor.

»Weißt du, welcher?«, fragte sie schließlich, was ich kopfschüttelnd verneinte.

Ich kannte seinen Namen nicht. Wusste nicht, welchen von ihnen ich mit meinem Sirenengesang an mich gebunden hatte.

»Der mit den Flügeln und den henochischen Tätowierungen auf der Brust. Rote Augen.« Viel mehr konnte ich nicht zu seiner Beschreibung beitragen. Ich bezweifelte, dass meine Mutter mit Details wie der Länge seiner dunkelbraunen Haare – etwa so lang wie meine und zu einem Dutt gebunden – etwas anfangen konnte. Auch sein kantiger Kiefer oder diese Züge, brutal und schön zugleich, hätten für sie keinerlei Relevanz gehabt. Ebenso wenig wie seine Augenbrauen, die bei meinem Anblick ein wenig von ihrer Strenge verloren hatten.

»Beelzebub.« Meine Mutter griff erneut nach ihrem Korrekturstift und begann, henochische Symbole in ihr Notizbuch zu zeichnen. Sie ähnelten jenen, die ich auf seiner Brust gesehen hatte. Ich bestätigte ihre Vermutung mit einem knappen Nicken.

»Wirkte er angetan von deinem Gesang?« Ihre Hand verharrte über dem Papier, als fürchte sie, dass jede falsche Bewegung eine epische Katastrophe nach sich ziehen könnte.

Ich ließ die vergangene Nacht noch einmal Revue passieren, insbesondere den Moment, in dem ich geglaubt hatte, er sei meinem Sirenengesang verfallen. Vielleicht hatte ich mich getäuscht. Vielleicht war es nichts weiter als Einbildung gewesen. Doch dann durchfuhr mich ein Schauder, als seine Stimme erneut in meinem Kopf widerhallte, und mir der Kosename wieder einfiel, den er mir gegeben hatte: Singvögelchen.

Seine Stimme war ein einziges Paradox – tief und rau, und zugleich unerwartet sanft. Seine Hand hatte nach mir gegriffen, als ich gehen wollte. Selbst mir war die Zerrissenheit und der innere Konflikt, der in ihm tobte, nicht entgangen. Und doch hatte er mich gehen lassen.

»Ich denke schon«, gab ich zur Antwort, verschwieg jedoch den Spitznamen. Dieses Detail behielt ich vorerst für mich. Es fühlte sich zu persönlich an, zu intim, um es mit ihr zu teilen. Als wäre es ein unausgesprochenes Geheimnis zwischen ihm und mir. Etwas, das nicht freiwillig gegeben, sondern durch meine Magie entrissen worden war.

Ein Name, den ich nicht verdient hatte und den ich deshalb auch nicht beanspruchte.

Die Lippen meiner Mutter verzogen sich zu einem Lächeln, wie ich es noch nie an ihr gesehen hatte. Ein Ausdruck, der sie auf einmal förmlich aufleuchten ließ – auf eine Weise, wie sie sonst nur unter Leuten strahlte, die sie wirklich mochte.

Ich gehörte eigentlich nicht zu jener Personengruppe.

»Oh, Margot, das ist ja fabelhaft!«, rief sie, klatschte begeistert in die Hände und trat um ihren Schreibtisch herum. Ihre Hände umfassten sanft, beinahe liebevoll, meine Wangen. Diese Zärtlichkeit war mir fremd und der überdeutliche Stolz in ihren Augen zu grell. Jede Faser meines Körpers sträubte sich gegen diese vermeintliche Geste mütterlicher Wärme.

Ich hatte etwas Ungeheuerliches getan. Und ausgerechnet das war es, was meine Mutter glücklich machte.

»Ist es das?«, fragte ich und schluckte den giftigen Unterton in meiner Stimme mühsam herunter. Es hätte keinen Sinn gehabt, ihr zu erklären, wie falsch das alles war. Nicht, wenn sie mich ansah, als hätte ich ihr gerade neue Hoffnung geschenkt.

»Du hast Lucifers rechte Hand an dich gebunden. Wenn du und Willow zusammenarbeitet, könnten wir daraus Kapital schlagen. Beelzebub wird dir im Nu zu Füßen liegen. Schließlich hast du ihn schon am Haken. Solange du weiter für ihn singst, wird sich daran nichts ändern. Ich werde die anderen Roten Hexen gleich über diese Entwicklung unterrichten. Wenn dein Lied sogar bei Beelzebub gewirkt hat, besteht die Chance, dass es auch bei den übrigen funktioniert. Vielleicht gelingt es uns dann, die übrigen Erzdämonen ebenfalls unter unsere Kontrolle zu bringen«, erklärte sie beinahe feierlich und wandte sich dann wieder ab, um sich weiter dem Korrigieren ihrer Arbeiten zu widmen.

»Aber das ist abscheulich«, sagte ich leise, während mir der Ernst der Lage mit jeder Silbe klarer wurde. Wenn Beelzebub sich zu tief an meine Magie band, wenn ich ihn noch weiter in diesen Bann hineinzog, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis er handeln würde. »Du redest davon, ihnen den freien Willen zu nehmen. Ich habe das nicht absichtlich getan. Aber wenn die anderen die Erzdämonen aufsuchen …«

»Ach, Margot, mach nicht so ein Drama«, unterbrach sie mich hörbar genervt. Mit einem flüchtigen Wink entließ sie mich, ich hatte meinen Zweck erfüllt. Für heute war sie mit mir fertig. »Es sind Erzdämonen. Die haben keine Gefühle.«

Ohne ein Wort griff ich nach meiner Tasche und trat, so schnell es meine Würde zuließ, den Rückzug an. Meine Mutter mochte glauben, dass es keine Rolle spielte, weil diese Wesen unfähig waren zu fühlen. Aber ich wusste es besser. Ich verstand, dass selbst jene, die innerlich zerbrochen waren und denen jeder Funke von Wärme abhandengekommen war, trotzdem solch einen Übergriff spüren konnten.

Ich wusste es aus eigener Erfahrung.

3

Margot

Ohne den scheinheilig herumstehenden Klatschmäulern Beachtung zu schenken, bog ich um die Ecke in den Flur und eilte direkt auf die geschwungene Treppe zu. Die überladene Tasche an meiner Schulter baumelte bei jeder Stufe gegen meine Seite. Im Laufschritt huschte ich an den anderen Schülerinnen und Schülern vorbei und hielt mich eng an der Wand, um zu verhindern, dass jemand durch das Geländer einen Blick unter meinen Rock erhaschte.

Etwas trieb mich unaufhaltsam voran. Selbst als meine Oberschenkel zu brennen begannen, hielt ich nicht inne. Es ging nicht darum, das obere Stockwerk schnellstmöglich zu erreichen. Es war ein Drang, ein innerer Zwang, der mich peinigte und so übermächtig war, dass kein Wille der Welt ihn hätte zügeln können. Der Schmerz in meinen Beinen war der einzige Beweis dafür, dass ich überhaupt noch zu irgendeiner Form von Gefühl fähig war. Denn alles, was eigentlich etwas in mir auslösen sollte – wie die Erinnerung an meine Kindheit, die fehlende Liebe oder das stumme Verlangen nach der Anerkennung meiner Mutter –, ließ mich völlig kalt.

Es war, als sei da nur noch Leere. Und sie fraß mich Stück für Stück von innen auf. Ich hatte mich so oft gefragt, was mit mir nicht stimmte und was ich dagegen tun konnte, dass ich aufgehört hatte zu zählen. Also lief ich. Rannte. Trieb meinen Körper bis an seine Grenzen.

Weder der Wald noch das unwegsame Gelände kamen zum Singen infrage. Schon bevor die Erzdämonen hier ihr Unwesen trieben, galt das Terrain als gefährlich. Inzwischen grenzte es an blanken Wahnsinn, sich dorthin zu wagen. Wer es trotzdem tat, nahm den Tod billigend in Kauf.

Ich war noch nicht an dem Punkt, an dem ich bereit war, mein Leben freiwillig aufs Spiel zu setzen. Also eilte ich die vier Stockwerke zur Bibliothek hinauf. Oben angekommen, blieb ich keuchend vor der verschlossenen Tür stehen und wartete, bis mein Atem sich wieder beruhigte. Ein dünner Schweißfilm zog sich meinen Rücken hinab und kitzelte genau dort, wo mein Tattoo saß. Jenes Tattoo, das meiner Mutter einst die Fassung raubte, als sie es im Unterricht zum ersten Mal zu Gesicht bekam.

Rote Hexen nahmen grundsätzlich keine permanenten Veränderungen an ihrem Körper vor. Jede Abweichung von der Norm galt als Abkehr von unserer natürlichen Schönheit. Ein auffälliges Merkmal wie ein Tattoo würde Aufmerksamkeit bei unseren potenziellen Partnern erregen, im guten wie im schlechten Sinne. Weil es den meisten Hexen nicht möglich war, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, hielten es die Ältesten für unumgänglich, jederzeit für möglichst viele begehrenswert zu bleiben.

Auch meine kurzen Haare waren meiner Mutter ein Dorn im Auge. Sie verabscheute sie regelrecht, nicht zuletzt, weil sie meinen stillen Widerstand gegen ihre Erwartungen symbolisierten. Deshalb ließ ich sie nie bis zu den Schultern wachsen. Die Piercings unter meinem Oberteil waren ein weiterer Akt meiner wortlosen Rebellion gegen die strengen Vorschriften des Coven, der jeden Funken Individualität im Keim zu ersticken suchte. Niemand sah sie. Und das war auch nicht nötig. Sie gehörten zu den wenigen Dingen, die ich einzig für mich getan hatte.

In dem Moment, als meine Finger sich nach der Klinke streckten, trat er unvermittelt vor mich und versperrte mir den Weg.

Beelzebub.

Instinktiv wich ich einen Schritt zurück, um etwas Distanz zwischen uns zu schaffen. So nah wirkte er sogar noch imposanter als in der gestrigen Nacht. Obwohl ich mit meinen ein Meter siebzig nicht als klein galt, überragte er mich deutlich. Mein Blick blieb unweigerlich an seinen breiten Schultern hängen. Seine Flügel legten sich an seine Seiten. Mit verschränkten Armen und erhobenem Kinn bäumte er sich vor mir auf.

Er musste geflogen sein. Anders ließ sich sein lautloses, plötzliches Erscheinen kaum erklären. Der Platz hinter mir war schmal bemessen. Ich spürte die harte Kante der obersten Stufe direkt an meiner Ferse. Ein einziger Schritt zurück, ein kleiner Schubser, und ich würde ins Leere stürzen. Der Fluch, den mein Lied ihm auferlegt hatte, wäre gebrochen.

Einen Moment lang fragte ich mich, ob er es tun würde. Einen Moment lang hoffte ich es.

Seine glühend roten Augen ruhten unbeirrbar auf mir. Sein Kiefer war so angespannt, dass die darunterliegenden Muskeln zuckten. Von der Sanftheit der letzten Nacht fehlte jede Spur. Sein Haar hatte er, wie schon zuvor, streng zu einem Dutt zurückgebunden. Ob er es je offen trug? Die goldenen henochischen Zeichen auf seiner Haut schimmerten und pulsierten leicht, als er auf mich zutrat und der Abstand zwischen uns erneut schwand. Mein Herz raste bei dem Gedanken, dass ich vielleicht meinem Ende entgegenblickte.

»Was willst du?«, fragte ich und warf auf der Suche nach einem Ausweg einen raschen Blick über die Schulter zurück auf die Treppe.

Statt einer Antwort sah er mich nur prüfend an. Er betrachtete mich, als versuchte er, ein Rätsel zu knacken, dessen Lösung ihm sich einfach nicht erschließen wollte. Jede noch so kleine Regung, jedes kaum merkliche Zucken in meinem Gesicht schien er zu registrieren. Was auch immer Beelzebub in meiner Miene zu erkennen glaubte, nahm er aufmerksam wahr.

Ich wusste nicht, ob es Angst oder Aufregung war, die mein Herz so rasen ließ, während ich auf seine Entscheidung wartete, was er als Nächstes tun würde. Wir beide wussten, was in seinem Blick verborgen lag. Ein einziger, winzig kleiner Schubs, und er wäre frei. Ich ließ die Anspannung aus meinem Körper weichen und bereitete mich innerlich auf das vor, was unausweichlich schien.

Sein Kopf neigte sich leicht zur Seite. Ein Ausdruck von Verwunderung, ja, wenn nicht sogar Neugier, lag auf Beelzebubs Gesicht.

»Warum singst du nicht?«, stellte er eine Gegenfrage. Im selben Moment schnellte seine Hand nach vorn – so abrupt, dass ich für einen Wimpernschlag glaubte, er würde meinem Leben ein Ende setzen. Stattdessen griff er nach dem Gurt meiner Tasche und riss mich zu sich heran. Mein Kopf prallte beinahe gegen seine Brust, sodass ich instinktiv die Hände gegen seinen Oberkörper stemmte. Seine Haut war warm, die Muskeln darunter hart wie Stein.

Der Schock, den meine Berührung bei Beelzebub auslöste, zeichnete sich klar in seinen Zügen ab. Ohne zu zögern, nutzte ich den kurzen Moment seiner Abgelenktheit, indem ich mich an ihm vorbeischob und meine Kehrseite gegen die kühle Wand neben der Bibliothekstür presste. Doch auch wenn wir nun die Positionen getauscht hatten, war meine Lage deshalb nicht weniger aussichtslos. Langsam drehte er sich um, sodass er nun mit dem Rücken zur Treppe stand. Ein einziger Schritt genügte, und schon stand er wieder dicht vor mir. Seine Hand stützte er an der Wand über meinem Kopf ab, hielt dabei aber ausreichend Abstand, um eine weitere Berührung zu vermeiden.

»Warum hast du nicht gesungen?«, fragte er diesmal mit spürbarer Ungeduld, während seine Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten.

»Ich bin nicht in der Stimmung für Musik«, erwiderte ich. Meiner Antwort folgte ein bitteres, halb spöttisches Lächeln. Sarkasmus war eher Willows Ding, und untypisch für mich. Hätte der Erzdämon mich töten wollen, wäre das schon längst geschehen. Aber der Umstand, dass ich noch immer aufrecht stand und nicht mit verdrehten Gliedmaßen am Fuße der Treppe lag, gab mir neuen Mut.

»Ich hätte dich töten können«, sagte er und ließ den Arm von der Wand sinken. »Und du hast einfach dagestanden und gewartet, dass ich es tue.« Ich hielt den Atem an, überzeugt davon, dass ich jeden Moment seine Fingerspitzen irgendwo auf meiner Haut spüren würde. Doch diese Erwartung wurde nicht erfüllt. Stattdessen sah Beelzebub mich nur kühl von oben herab an und wartete auf eine Antwort.

Ich wusste, dass er mehr sah, als ich zeigen wollte.

»Trotzdem hast du es nicht getan«, konterte ich und versuchte, mit gespielter Gleichgültigkeit meine innere Unruhe zu überspielen.

Ein tiefes, kaum hörbares Knurren grollte aus seiner Brust, das mir durch Mark und Bein fuhr.

»Im Nachhinein wäre es vielleicht klüger gewesen«, gab er zu. Die Erkenntnis, dass er seine Entscheidung jederzeit rückgängig machen konnte, ließ mich schlucken. »Sag mir, kleine Sirene … Hättest du dich gewehrt? Wäre deine Magie stark genug gewesen, mich davon abzuhalten, dir das hübsche Genick zu brechen?«

Mein bitteres Lächeln brach in sich zusammen, während ich seinem durchdringenden Blick standhielt. In meinem Fundus aus Lügen und Täuschungen suchte ich die Kraft, wenigstens den Anschein zu erwecken, dass mir mein Schicksal nicht gleichgültig war. Nur eines stand für mich unumstößlich fest. Niemand würde sich je wieder gegen meinen Willen an meinem Körper bedienen. Nicht er. Und auch sonst niemand.

Nur ein einziges Wort verließ meine Lippen. Und doch lag darin ein Maß an Offenheit, das ich bisher niemandem zugestanden hatte. Warum ausgerechnet er derjenige war, dem ich diesen Einblick in meine verletzliche Seite zeigte, wusste ich selbst nicht. Vielleicht, weil es einfacher war, sich jemandem zu öffnen, dessen Urteil mir so gleichgültig war wie die Farbe der Wände, an denen ich Tag für Tag vorbeiging.

Er war ein Erzdämon. Und damit der Feind.

Deshalb war es mir herzlich egal, ob er mich für schwach hielt. Er durfte das ruhig glauben.

»Nein.« Ich hob entschlossen das Kinn und stellte mich seinem durchdringenden Blick, während sein Zorn sich in Entsetzen wandelte. Für den Bruchteil einer Sekunde ließ ich ihn in meine Augen blicken – in die Leere, die sich dahinter verbarg – und überließ es ihm, die Wahrheit darin zu erkennen.

Mit der Fassade, die ich dann wieder hochzog, kehrte auch mein aufgesetztes Lächeln zurück. Ich wandte mich ab, riss die Tür auf und suchte Zuflucht in der Stille der Bibliothek.

Zielsicher steuerte ich meinen Stammplatz in der hintersten Ecke an, hängte die Tasche über die Stuhllehne und ließ mich mit einem resignierten Seufzer nieder. Beelzebubs Schritte hallten hinter mir durch den gesamten Raum und wurden immer lauter, je näher er kam. Dass wir nicht allein waren, schien ihm herzlichst egal zu sein. Es überraschte mich, dass er mir tatsächlich gefolgt war, zumal ich insgeheim gehofft hatte, ihn mit meiner ehrlichen Reaktion so überrumpelt zu haben, dass er mir wenigstens einen Augenblick Ruhe gönnen würde.

Er blieb auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches stehen, und als ich zu ihm aufsah, begegnete mir sein finsterer Blick.

»Wie lange wird dieser verdammte Zauber anhalten?«, fuhr er mich an und ließ sich in den Stuhl fallen. Die Flügel auf seinem Rücken zuckten unruhig, als suchten sie verzweifelt nach einer bequemen Position, fanden aber keine. Mit einem genervten Grunzen gab er schließlich auf.

»Die sehen ziemlich unpraktisch aus. Enge Türen müssen für deinesgleichen der blanke Horror sein«, warf ich trocken ein.

Dem sträflichen Blick nach zu urteilen, den ich für meinen Kommentar erntete, war er nicht für Scherze aufgelegt. »Wie lange?«, fragte er erneut, diesmal mit mehr Nachdruck. Ich seufzte.

»Das hängt allein davon ab, ob du mir fernbleibst«, erklärte ich und zog ein Buch aus meiner Tasche. »Jede Berührung verstärkt den Ruf meines Liedes und macht es nur noch schlimmer. Deshalb darfst du mich unter keinen Umständen anfassen. Wenn du genügend Abstand hältst, sollte die Wirkung nach ein paar Wochen allmählich nachlassen. Dann bist du wieder frei.«

»Wie praktisch für dich, mein Singvögelchen, zumal du ohnehin jedes Mal in Erwartung meiner Berührung vor Angst zusammenzuckst.« Ein arrogantes Grinsen umspielte Beelzebubs Mundwinkel.

Er glaubte mir offensichtlich nicht, weshalb seine Worte mehr nach einer gezielten Provokation klangen, auf die ich nur allzu gerne eingegangen wäre.

Mein Stolz war jedoch stärker als dieser Impuls. »Ich habe keine Angst vor dir«, blaffte ich ihn an und ließ das Buch mit einem dumpfen Rumms auf den Tisch knallen, sodass das Echo durch die gesamte Bibliothek hallte. Ich war mir der neugierigen Blicke, die alle auf uns gerichtet waren, durchaus bewusst. Schließlich lieferte unser Gespräch ein gefundenes Fressen für den nächsten Pausenklatsch.

»Ach nein?«, fragte er höhnisch und streckte die Hand in Richtung meiner Wange aus. Ich wich instinktiv zurück und musste mit Entsetzen feststellen, dass ich auf meine Reaktionen ebenso wenig Einfluss hatte wie der Erzdämon auf den Ruf meines Liedes. »Dachte ich mir«, murmelte er.

Beelzebub zog die Hand zurück, während ich ihn demonstrativ ignorierte, den Blick senkte und zu dem Kapitel blätterte, das sich mit der Geschichte der Magie befasste. »Das hat nichts mit dir zu tun. Ich mag es einfach nicht, angefasst zu werden.« Warum ich es für nötig hielt, meine Begründung wie eine Entschuldigung zu formulieren, warf selbst mir Rätsel auf. Vielleicht war es dieser Anflug von Unsicherheit in seinem Gesicht, den ich unbewusst zu besänftigen versuchte.

Vielleicht war der Gedanke, ein Monster zu sein, für ihn gerade ebenso real wie für mich.

»Warum nicht?«, hörte ich den Erzdämon fragen und riss den Kopf wieder hoch. »Wer ist der Grund dafür?«

Selbst er wirkte überrascht, als dieses unvermittelte Knurren tief aus meiner Brust drang. »Du hast kein Recht, mir so eine Frage zu stellen«, fauchte ich.

»Ganz ruhig, Singvögelchen. Ich will dich nur ein bisschen besser kennenlernen«, behauptete er und hob beschwichtigend die Hände – als sei das eben keine Grenzüberschreitung gewesen. Als hätte er nicht gerade ohne Vorwarnung Salz in eine Wunde gestreut, die noch immer offen klaffte. Ich hasste, dass er genug von mir gesehen hatte, um zu wissen, dass diese Abneigung nicht angeboren war.

Es gab eine Zeit, in der ich mich nach Umarmungen, Nähe und Wärme gesehnt und diese bei meiner Familie und in Freundschaften gesucht hatte. Aber das lag über ein Jahrzehnt zurück.

Er hatte mir das genommen und mich an den Punkt gebracht, an dem allein die Vorstellung eines fremden Duftes auf meiner Haut Abscheu und Ekel in mir weckte.

»Spar dir die Mühe«, zischte ich und blätterte blind vor Wut in meinem Buch weiter, entschlossen, mich auf etwas zu konzentrieren, das nichts mit ihm zu tun hatte. »Es ist für uns beide besser, wenn wir nichts voneinander wissen.«

Beelzebub verschränkte die Arme vor der Brust und machte einen eher gelassenen als erzürnten Eindruck, als er sich schweigend in seinem Stuhl zurücklehnte. Allem Anschein nach hegte er nicht die Absicht, mich in absehbarer Zeit in Ruhe zu lassen. »In diesem Punkt bin ich anderer Meinung.«

»Willst du auf ewig unter meinem Zauber stehen? Ist es das?«, fragte ich und beobachtete, wie das Grinsen auf seinem Gesicht ein wenig erstarb.

»Nein«, schnaubte er. »Aber ich habe zumindest ein Recht darauf zu wissen, welch dreistes Geschöpf da gegen meinen Willen jeden meiner Gedanken besetzt. So habe ich wenigstens etwas, worüber ich nachdenken kann. Außerdem habe ich in dir einen faszinierenden Zeitvertreib gefunden.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung sein soll«, erwiderte ich und ließ mich ebenfalls tiefer in meinen Stuhl sinken.

Dieser seelenlose Kotzbrocken zeigte nicht den geringsten Anflug von Einsicht. Statt Abstand zu halten, zog er uns nur noch tiefer in diesen Albtraum hinein.

»Sowohl als auch«, gestand er. Das Lächeln, das dabei seine Lippen umspielte, ging mir unter die Haut. Mein Herz schlug mir bis zum Hals.

Scheiße. Dieses gottverdammte Lied wird noch den Grundstein meines Verderbens bilden.

4

Margot

Noch nie zuvor hatte ich den Tribunalraum so überfüllt erlebt. Üblicherweise war dieser Ort ausschließlich den hochrangigen Mitgliedern des Tribunals vorbehalten – und jenen wenigen Auserwählten, die sie für würdig erachteten. Selbst ich hatte dieser Versammlung nur eine Handvoll Male beigewohnt, und keine dieser Erinnerungen trug ich gern mit mir.

Unvergessen blieb der Tag, an dem der Coven mich zur »Schönheit meiner Hexengeneration« auserkoren hatte. Oder jener, an dem man mich formell über meine Verlobung in Kenntnis setzte. Ein weiteres Mal wurde mir die Ehre zuteil, als mir die offizielle Einladung nach Hollow’s Grove überreicht wurde. Möglicherweise gab es danach noch zwei oder drei weitere Anlässe, bei denen auch die Kinder der Tribunalmitglieder anwesend sein durften – nicht aus Wohlwollen, sondern um frühzeitig eine Auswahl zu treffen. Ziel war es, möglichst zeitnah herauszufinden, wer sich für welche Rolle innerhalb der Hexengemeinschaft eignen würde.

So oft hatte ich mir ausgemalt, zu den wenigen Roten zu gehören, die aufgrund ihrer ausgezeichneten Noten eines Tages in der Stadtapotheke arbeiten durften. Tief im Inneren wusste ich jedoch, dass es kaum mehr als Wunschdenken bleiben würde. Denn auch jene Tribunalkinder, die nicht in die Fußstapfen ihrer Mütter traten, blieben im Fadenwerk des politischen Spinnennetzes gefangen. Dabei hatte ich der Politik nie etwas abgewinnen können.

Mein Herz schlug für die Welt der Kräuter und Tränke, denen ich meine Magie einhauchen wollte. Es lag mir daran, jenen etwas zurückzugeben, die meine Magie wirklich wollten, statt sie in mir einzuschließen – zumal mir das ohnehin nicht gelang.

Mein Blick schweifte durch den Tribunalraum, über all die angespannten Gesichter, zwischen denen ich mir erst einmal einen Weg zu meinem Platz bahnen musste. Als ich schließlich neben Della stehen blieb, hob sie den Kopf. Sanft lächelnd sah sie zu mir auf und streckte zögerlich die Hand nach meiner aus. Weil Della um meine Abneigung gegen jede Form körperlicher Nähe wusste, wagte sie solche Gesten, so vorsichtig und bedacht sie auch sein mochten, nur äußerst selten. Trotzdem konnte ich das leichte Zucken, das mit ihrer Berührung einherging, nicht unterdrücken.

Ihre Haut fühlte sich kühl an – wie das Wasser eines klaren Sees nach einem drückend heißen Sommertag. Da erst wurde mir bewusst, dass ihre Kühle nur deshalb so deutlich spürbar war, weil ich selbst vor Hitze glühte. Mein überreizter Körper stand unter Hochspannung, aufgeladen von der Erwartung dessen, was uns hier bevorstand. Was auch immer innerhalb dieser Wände geschehen würde, erforderte die ausnahmslose Anwesenheit jeder Einzelnen von uns.

»Ich habe gehört, dass der geflügelte Mistkerl dir Ärger macht«, wisperte Della dicht an meinem Ohr. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, und so hoffte ich, dass niemand außer mir sie gehört hatte.

Ich schluckte schwer. Wie ferngesteuert landeten meine Augen bei Beelzebub auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Dabei hätte es genau umgekehrt sein müssen. Er sollte derjenige sein, der nach mir Ausschau hielt und den der Ruf meines Liedes zu mir zog. Im Strom der Gesichter hätte er sich meinem Blick entziehen müssen. Doch meine Intuition machte ihn selbst inmitten des Getümmels aus, bevor sich meine Augen überhaupt auf die Suche begaben.

Ich schrieb es der rohen Macht zu, die von ihm ausging, und der imposanten Gestalt, mit der er unweigerlich aus der Menge herausstach. Seine gewaltigen schwarzen Flügel ähnelten denen der Fledermäuse, die die Hüllen zu ihrer Unterstützung herbeirufen konnten. Beelzebub besaß eine Präsenz, wie ich sie bei kaum einem anderen Mann je wahrgenommen hatte.

»Wer sagt das?«, fragte ich, während hinter uns weiterhin Mitglieder des Coven den Raum füllten. Sie alle folgten einem inneren Ruf, den auch wir tief in uns spürten.

»Juliet. Sie hat wohl in der Bibliothek etwas aufgeschnappt«, antwortete Della verlegen und sprach zum ersten Mal offener über die Hülle, mit der sie seit Monaten heimlich liiert war. Jetzt, da die Beziehung zwischen Willow und Direktor Thorne kein Geheimnis mehr war, schienen die Regeln, die der Coven uns auferlegt hatte, kaum noch von Bedeutung.

Immerhin war es meiner Freundin vergönnt, mit der Frau zusammen zu sein, die sie liebte – selbst wenn diese Frau eine Hülle war und ich mir Sorgen machte, wie das auf Dauer gut gehen sollte. Anders als bei uns Hexen war ihre Existenz nicht an die Ketten der Endlichkeit gebunden. Hüllen wandelten ewig auf dieser Welt, während wir dem Lauf der Zeit und irgendwann unausweichlich dem Tod ausgesetzt waren.

Im Tribunalraum herrschte eine spürbare Anspannung. Ungeduld lag in den Gesichtern aller, die darauf warteten, dass endlich etwas geschah. Die verbleibenden Mitglieder hatten sich in der Mitte des Raumes versammelt und warteten dort auf Lucifers und Willows Ankunft. Ihre Throne bildeten einen geschlossenen Kreis, sodass jene außerhalb des Kreises ihre aufgeregten Gespräche nicht hören konnten. Nicht, dass ihre Körpersprache nicht ohnehin mehr sagte, als tausend Worte es könnten.

»Juliet sollte sich besser um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern«, murmelte ich, etwas zu forsch, wenn auch unbeabsichtigt. Auf einmal fiel mir auf, wie neugierig die Umstehenden immer wieder zu mir schielten. Offenbar waren Juliets Ohren nicht die einzigen, die meine Begegnung mit dem Erzdämon in der Bibliothek aufgeschnappt hatten. Und die anderen waren deutlich weniger diskret damit umgegangen.

Beelzebub wandte sich von dem Dämon ab, der direkt neben ihm stand – dem Einzigen, der ihn überragte. Trotz seiner schuppigen Haut trug dieser Dämon auf eigentümliche Weise etwas Menschliches an sich. Ich begegnete Beelzebubs Blick und rechnete fest mit einem überheblichen Augenzwinkern oder einem schiefen Lächeln als Zeichen des Spotts. Vielleicht würde er auch nur die Braue heben, wenn er mich dabei erwischte, wie ich ihn stumm anstarrte.

Aber wider Erwarten verzog der Erzdämon keine Miene. Seine steife Körperhaltung und die verschränkten Arme ließen auf seine wachsende Ungeduld schließen. Von der unbeschwerten, neckischen Art war nur eine blasse Erinnerung zurückgeblieben. Stattdessen funkelte er mich an, als würde er nur darauf warten, dass ich den Blick abwende.

Eine Erwartung, der ich in diesem Moment gerecht wurde, weil ich den Hass in seinen Augen nicht länger ertragen konnte. Ich wusste nicht, ob der Ruf meines Liedes nachließ oder eher seine Wut schürte, die seit meinem Rückzug aus der Bibliothek und der Flucht in die Einsamkeit meines Zimmers – was ihn amüsiert hatte – offenbar stärker geworden war. Möglicherweise spielte mir das in die Hände. Solange diese Wut in ihm brannte, konnte ich hoffen, dass sie seinen Impuls, mir nahe zu sein, zügelte. Wenn mein Sirenengesang denn überhaupt noch Wirkung zeigte.

Mein einziger Wunsch war, dass er so weit wie möglich auf Abstand ging – zum Missfallen meiner Mutter, die gerade mit einem maliziösen Grinsen im Gesicht zu ihm hinübersah.

»Sie hat sich einfach Sorgen um dich gemacht. Bist du dir sicher, dass du weißt, was es bedeutet, dich mit einem Erzdämon einzulassen?«, fragte Della mit sanfter, vorwurfsfreier Stimme. Dennoch konnte ich ein trockenes Schnauben nicht verhindern.

»Das fragt ausgerechnet die, die eine Hülle datet.« Dellas schmerzverzerrter Ausdruck ließ mich den bitteren Tadel beinahe bereuen, doch ich sprach unbeirrt weiter. »Glaub mir, ich habe mich nicht freiwillig in diese Situation gestürzt. Er hat mein Lied gehört. Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten.« Della nickte, als ergäbe das Sinn.

Unsere Unterhaltung fand ein jähes Ende, als plötzlich Lucifer und Willow durch die offenen Türen traten. Die Stimmenkulisse verstummte, und von einer Sekunde auf die andere erfüllte ein kollektives Schweigen den Raum. Willows Hand ruhte in Lucifers Ellenbeuge, und sie überließ es Ihm, sie durch den Raum zu führen. Mit jedem Schritt, den sie auf das Tribunal zugingen, veränderte sich etwas in ihrer Miene. Früher war sie jeder Autoritätsperson, die sie nicht respektierte, mit Trotz begegnet. Doch inzwischen hatte sich dieser Trotz offenbar in etwas anderes gewandelt.

Willow war nicht länger die Rebellin. Selbstsicher schritt sie mit erhobenem Haupt durch die Räume des Tribunals, als wäre es ihr persönliches Reich.

Arm in Arm gingen sie zielstrebig auf die Barriere zu, die den meisten von uns den Zugang zum inneren Kreis verwehrte. Die Magie der Grenze zerrte an Willow, verlangsamte jede ihrer Bewegungen, als müsste sie sich durch zähen Nebel kämpfen. Kleine, spitze Magiefragmente schrammten an ihren Armen entlang. Ich kannte dieses Gefühl, das Brennen, wenn das eigene Blut aus nadelartigen Wunden herausgesogen wurde. Winzige Blutstropfen schwebten von der Magie getragen in der Luft, während Lucifer ihr wie gebannt zusah.

Aus all diesen kleinen Blutperlen formte sich ein einzelner, großer Tropfen, der schwerelos vor ihr schwebte. Sie hob ihre Hand darunter, und der Tropfen sank langsam auf ihre Handfläche, woraufhin die Grenze sie passieren ließ und ihr den Eintritt in den inneren Kreis gewährte – mitten hinein in den Zorn des Tribunals.

Sie schenkte ihnen für den Bruchteil eines Augenblicks keine Beachtung und wandte sich dem Rest des Coven zu, der jenseits der Barriere verharrte und nicht hören konnte, was im Inneren gesprochen wurde. Willow sah mich mit einem verschmitzten Grinsen an und zwinkerte mir zu.

Mit einem Seufzer senkte sie dann den Blick auf den Tropfen in ihrer Hand, und ihre Lippen bewegten sich stumm, fast beschwörend. Dann presste sie die Hände fest zusammen, sodass ihr Blut gegen das magische Kraftfeld spritzte.

Mit einem ohrenbetäubenden Knall zerbarst die Barriere, und ein heftiger Windstoß fegte durch die Reihen. Nun wurden auch wir Zeugen jedes gesprochenen Wortes. Itans wütende Stimme donnerte durch den Raum. Seine Tiraden hallten wie Peitschenhiebe in meinen Ohren und brachten mein Trauma zurück. Meine Haut begann am ganzen Leib zu kribbeln, als hätte man mich in Eiswasser getaucht.

Ich hätte alles dafür gegeben, diesem Raum zu entfliehen und von ihm fortzukommen. Doch Willow schenkte mir ein beruhigendes, mitfühlendes Lächeln, bevor sie sich wieder dem tobenden Hexer zuwandte – jenem Scheusal, das endlich zum Schweigen gebracht werden musste.

Ein für alle Mal.

Mein plötzlicher Stimmungswechsel entging offenbar auch Beelzebub nicht, denn er begann, sich mir zu nähern. Meine Augen blieben allerdings auf Itan gerichtet. Mit seinem selbstgefälligen Grinsen saß er wie ein Erlöser auf seinem Thron – dabei brachte er nichts als unermessliches Leid und Verderben mit sich.

Er musste für seine Taten büßen – das, was er mir angetan hatte, forderte Vergeltung. Und eines Tages, das schwor ich mir, würde ich die Kraft besitzen, ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen.

»Was hat das zu bedeuten? Du schmückst deine Hure mit den Knochen der Legaten, die wir gerade verloren haben?«, fauchte Itan und deutete auf die Knochen, die an Willows Taille baumelten. Es war der Moment, in dem viele im Coven erstmals die Wahrheit über Willows Abstammung erfuhren. Sie erkannten, welche Täuschung sie begangen hatte, als sie hierhergekommen war, um jene Knochen zu finden, von denen niemand glaubte, dass sie ihr zustünden.

Das Vermächtnis der Hekate-Linie war so lange verborgen geblieben, dass selbst der Covenant Willow nicht als das erkannt hatte, was sie wirklich war. Eine uralte Prophezeiung, die nun auf dem Weg war, sich zu erfüllen.

Und die Abrechnung stand uns allen bevor.

Mit einem bedrohlichen Knurren reagierte Lucifer auf Itans impertinente Beschimpfung, woraufhin Willow entschlossen vortrat und direkt den unbesetzten Hekate-Thron ansteuerte. Bei jeder Bewegung klapperten die Knochen an ihrer Taille. Das Geräusch erinnerte mich an Susannahs und Georges Schritte auf dem Steinboden – eine Parallele, die eine verborgene Erinnerung in mir weckte, deren Bedeutung ich noch nicht bereit war zu fassen.

Die Knochen waren nicht bloß Überreste, sondern mächtige Werkzeuge einer Hexe, die ihre Kraft aus den Gebeinen und dem Tod selbst schöpfte und durch sie Kontrolle ausübte.

Mit einem leichten Kopfschütteln zwang ich mich, den Augenblick meiner Freundin zuliebe zu genießen. Das Blut, das der Preis für ihr Eindringen in den Kreis war, sammelte sich erneut um sie, als wäre es nie von ihrer Seite gewichen. Es folgte ihr zum Thron, wie ein Schatten ihres Willens.

»Was verloren ist, kann immer wiedergefunden werden, Itan«, entgegnete Willow und richtete sich furchtlos auf. Angesichts des Blickes, mit dem sie ihn anfunkelte, würde ich nicht in seiner Haut stecken wollen.