Crossfire. Offenbarung - Sylvia Day - E-Book

Crossfire. Offenbarung E-Book

Sylvia Day

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Beschreibung

Abgründig und sexy, berauschend und romantisch

Schon seit ein paar Wochen sind die junge attraktive Eva und der erfolgreiche Geschäftsmann Gideon Cross ein Paar. Eva liebt seine dominante Art und findet in der Unterwerfung Geborgenheit und sexuelle Erfüllung. Noch nie konnte sie einem Mann so vertrauen. Doch dann verändert Gideon sich, er will sie immer stärker kontrollieren, und auch die alten Dämonen aus seiner Vergangenheit belasten Eva. Denn Gideon schweigt nach wie vor darüber, was ihm zugestoßen ist. Eva weiß: Ihre Beziehung hat nur eine Zukunft, wenn es keine Geheimnisse und keine Tabus zwischen ihnen gibt ...

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Seitenzahl: 499

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Sylvia Day

Crossfire

Offenbarung

Band 2

Roman

Aus dem Amerikanischen

von Marie Rahn und Jens Plassmann

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Die Originalausgabe erschien unter dem Titel REFLECTED IN YOU bei Berkley Books, Imprint der Penguin Gruppe, USA, New York

Copyright © 2012 by Sylvia Day

Copyright © 2013 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag,

München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Covergestaltung: Nele Schütz Design

Covermotiv: Edwin Tse

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-09943-5V004

www.heyne.de

Quelle der Inspiration und

einfach eine Klasse für sich

1

Ich liebte New York mit einer verrückten Leidenschaft, die ich sonst nur für eine einzige Sache in meinem Leben empfand. Die Stadt war ein Mikrokosmos aus den unbegrenzten Möglichkeiten der Neuen Welt und den traditionellen Werten der Alten Welt. Hier lebten streng Konservative auf Tuchfühlung mit liberalen Bohemiens. Kurios Schräges teilte sich die Bühne mit unbezahlbar Exklusivem. Die pulsierende Energie der Stadt belebte internationale Geschäfte und lockte Menschen aus allen Ecken der Erde hierher.

Und der Mann, der diese vibrierende Lebensgier, diesen unstillbaren Ehrgeiz und diese weltumspannende Macht wie kein anderer in sich vereinte, hatte mich eben zu zwei markerschütternden Orgasmen gevögelt.

Während ich barfuß zu seinem riesigen begehbaren Kleiderschrank lief, warf ich einen kurzen Blick auf das vom Sex zerwühlte Bett von Gideon Cross, und die Erinnerung an die dort erlebte Lust ließ mich erschauern. Meine Haare waren noch feucht vom Duschen, und ich trug nichts anderes als ein Handtuch um meinen Körper. In anderthalb Stunden musste ich allerdings im Büro sein, und ich hatte keine Zeit zu trödeln. Wollte ich die ewige Hetzerei vermeiden, würde ich künftig wohl genügend Zeit für Sex in meiner morgendlichen Routine einplanen müssen. Schließlich war Gideon beim Aufwachen sofort bereit, die Welt zu erobern, und am liebsten begann er seine Machtdemonstrationen gleich bei mir.

Was für ein Glück ich doch hatte.

Da mit den ersten Julitagen die Temperaturen in New York in die Höhe gingen, entschied ich mich für eine schmal geschnittene Hose aus reinem Leinen und ein ärmelloses Oberteil aus Popeline, dessen heller Grauton gut zu meinen Augen passte. Zum kunstvollen Frisieren fehlte mir das Talent, daher band ich meine langen blonden Haare nur in einen schlichten Pferdeschwanz zurück, bevor ich mich schminkte. Sobald ich vorzeigbar war, verließ ich das Schlafzimmer.

Schon im Flur hörte ich Gideons Stimme. Ein feines Kribbeln durchfuhr mich, denn sein ruhiger, knapper Ton verriet mir, dass er wütend war. Eigentlich reagierte er nur selten gereizt – es sei denn, ich versetzte ihn in Rage. Ich brachte ihn ohne Probleme dazu, seine Stimme zu heben, zu fluchen oder sich mit beiden Händen durch die traumhaften schulterlangen pechschwarzen Haare zu fahren.

In der Regel jedoch war Gideon die gezügelte Macht in Person. Warum auch sollte er jemanden anbrüllen, wenn die Leute bereits bei einem kurzen Blick oder einem scharf gesprochenen Wort von ihm zusammenzuckten?

Er stand mit dem Rücken zur Tür in seinem Arbeitszimmer. An seinem Ohr klemmte ein Bluetooth-Headset, und er blickte mit verschränkten Armen aus den Fenstern seines Fifth-Avenue-Penthouses. Gideon wirkte in diesem Moment wie ein Einzelgänger, völlig losgelöst von der Welt um ihn herum, doch zugleich imstande, diese zu beherrschen.

Ich lehnte mich an den Türrahmen und genoss den Anblick. Meine Sicht auf die Skyline war zweifellos berauschender als seine, denn für mich verwob sich seine Gestalt mit der gigantischen Hochhauslandschaft dahinter, und er strahlte mindestens ebenso viel Kraft aus wie diese eindrucksvolle Stadt. Er hatte schon geduscht, bevor ich mich überhaupt aus dem Bett gekämpft hatte. Mittlerweile steckte dieser süchtig machende Körper in der Hose und der Weste eines maßgefertigten Dreiteilers, wofür ich im Übrigen ebenfalls eine unleugbare Schwäche hegte. Darunter zeichneten sich ein perfekt geformter Arsch, breite Schultern und ein muskulöser Rücken ab.

An der Wand hing eine umfangreiche Fotosammlung von uns als Paar und eine sehr intime Aufnahme, die er von mir gemacht hatte, als ich schlief. Die meisten Bilder stammten von den Paparazzi, die ihm auf Schritt und Tritt folgten. Schließlich war er Gideon Cross von Cross Industries, der im unfassbaren Alter von achtundzwanzig bereits zu den fünfundzwanzig reichsten Menschen der Welt zählte. Ihm gehörte vermutlich ein beträchtlicher Teil von Manhattan, und mit absoluter Sicherheit war er der heißeste Typ auf diesem Planeten. An all seinen Arbeitsplätzen hatte er Fotos von mir aufgestellt, als wäre ich auch nur annähernd ein so scharfer Anblick wie er.

Elegant drehte er sich um die eigene Achse und musterte mich aus eisblauen Augen. Natürlich hatte er gewusst, dass ich dort stand und ihn beobachtete. Ein gewisses Knistern lag in der Luft, sobald wir uns nahe waren, eine Art erwartungsvolle Spannung, ähnlich der aufgeladenen Stille vor einem Gewitterdonner. Wahrscheinlich hatte er bewusst einen Moment gewartet, bevor er sich umdrehte, um mir Gelegenheit zu geben, ihn ausgiebig mit Blicken zu verschlingen. Er wusste nur zu gut, wie gern ich ihn ansah.

Dunkel und Gefährlich. Und ganz und gar mein.

Gott! Diese Gesichtszüge schlugen mich jedes Mal aufs Neue in ihren Bann. Hohe Wangenknochen, schwungvolle schwarze Brauen, dichte Wimpern über blauen Augen und dann diese Lippen … perfekt geformt, zugleich sinnlich, aber auch bedrohlich. Ich liebte es, wenn sie mich voller Begierde einladend anlächelten, und ich zitterte, wenn sie sich zu einer strengen Linie zusammenpressten. Doch sobald er diese Lippen auf meinen Körper presste, entbrannte ich vor Lust.

O Mann, wenn dich jemand hören könnte. Wie sehr hatten mich die schmalzigen Lobeshymnen meiner Freundinnen auf das gute Aussehen ihrer Partner immer angeödet. Ich verzog genervt den Mund. Und jetzt war ich diejenige, die sich der Faszination dieses komplizierten, anstrengenden, in vielerlei Hinsicht beschädigten und verboten scharfen Mannes nicht entziehen konnte. Meine Liebe zu ihm wurde mit jedem Tag stärker.

Während wir uns ansahen, blieb seine Miene zwar unvermindert finster, und er redete weiter auf den armen Kerl am anderen Ende der Leitung ein, aber die eisige Wut in seinen Augen wich nach und nach einer feurigen Glut.

Im Grunde hätte ich mich inzwischen daran gewöhnen können, dass mein Anblick eine derartige Verwandlung in ihm auslöste, aber es brachte mich noch immer völlig aus der Fassung. Sein Blick enthüllte, wie sehr und unbedingt er mich ficken wollte – was er bei jeder sich bietenden Gelegenheit tat –, und für einen winzigen Moment blitzte seine ungebändigte, rücksichtslose Willenskraft auf. Stärke und Kontrolle bildeten den Kern von allem, was Gideon im Leben tat.

»Wir sehen uns Samstag um acht«, sagte er abschließend, riss sich das Headset vom Ohr und schleuderte es auf den Schreibtisch. »Komm her, Eva.«

Der Tonfall, in dem er meinen Namen aussprach, jagte mir einen weiteren Schauer über den Rücken. Mit derselben gebieterischen Schärfe befahl er mir: Komm jetzt, Eva!, wenn ich unter ihm lag … erfüllt von ihm … hoffnungslos verloren in meinem Orgasmus für ihn …

»Keine Zeit mehr, Ace.« Ich trat zurück in den Flur, weil ich bei ihm sofort schwach wurde. Das raue Knurren in seiner sanften, eleganten Stimme trieb mich schon beim bloßen Zuhören fast zum Orgasmus. Wenn er mich dann noch berührte, war ich verloren.

Rasch machte ich mich auf den Weg in die Küche, um Kaffee aufzusetzen.

Er brummte etwas vor sich hin, folgte mir aus der Tür und holte mich mit langen Schritten schnell ein. Erregend muskulöse Einmeterneunzig nagelten mich gegen die Wand im Flur.

»Du weißt doch, was passiert, wenn du wegläufst, mein Engel.« Gideon biss mir leicht in die Unterlippe und linderte den Schmerz sofort mit einer zärtlichen Liebkosung seiner Zunge. »Ich fang dich wieder ein.«

Mein Körper genoss seine Nähe, und irgendwo in meinem Innern regte sich bereits ein wohliger Seufzer süßer Kapitulation. Ich begehrte ihn ständig und mit solcher Gewalt, dass es physisch schmerzte. Ich empfand pure Lust, aber es ging auch noch weitaus tiefer. Zwischen uns existierte etwas sehr Kostbares, weshalb Gideons hitziges Drängen nicht die gleiche Reaktion auslöste, wie es bei einem anderen Mann der Fall gewesen wäre. Hätte ein anderer versucht, mich mit seiner Körpermasse gefügig zu machen, wäre ich ausgerastet. Bei Gideon jedoch war es noch nie ein Problem gewesen. Er wusste, was ich brauchte und wie weit er gehen durfte.

Als er mich plötzlich angrinste, setzte mein Herzschlag für einen Moment aus. Der Anblick seiner fein geschnittenen Gesichtszüge, umrahmt von glänzend schwarzem Haar, verursachte mir weiche Knie. Er war so elegant und weltmännisch – abgesehen von der dekadenten Länge dieser seidenweichen Haare.

Er rieb seine Nase an meiner. »Du kannst mich doch nicht einfach so ansehen und dann verschwinden. Sag schon, was ging dir durch den Kopf, als ich telefoniert habe?«

Ich lächelte gequält. »Wie wunderschön du bist. Es ist beängstigend, dass mir das so häufig durch den Kopf geht. Ich muss mir das unbedingt abgewöhnen.«

Er packte die Rückseite meines Oberschenkels, zog mich dichter an sich heran und reizte mich, indem er seine Hüfte spielerisch leicht an meiner rieb. Er war unverschämt gut im Bett – und er wusste es. »Das werde ich ganz bestimmt nicht zulassen.«

»Oh?« Sengende Hitze schoss durch meine Adern, und mein gieriger Körper konnte sie nicht ignorieren. »Mister Bloß-keine-übertriebenen-Erwartungen kann mir doch nicht erzählen, dass er gerne noch eine weitere verzückte junge Dame um sich haben will.«

»Ich sag dir, was ich will«, raunte er, legte seine Hand an mein Kinn und strich mit dem Daumen über meine Unterlippe. »Ich will, dass du zu beschäftigt damit bist, an mich zu denken, um Gedanken an andere verschwenden zu können.«

Ich atmete langsam und unsicher ein. Der glühende Ausdruck seiner Augen, der herausfordernde Ton seiner Stimme, die Hitze seines Körpers und der verlockende Duft seiner Haut raubten mir die Sinne. Er war meine Droge, und ich hatte nicht die Absicht, auf Entzug zu gehe.

»Gideon«, hauchte ich wie in Trance.

Mit einem kaum hörbaren Stöhnen legte er seine sanft geschwungenen Lippen auf meine und vertrieb jede Erinnerung an die Uhrzeit mit einem tiefen, sinnlichen Kuss … ein Kuss, dem es sogar fast gelungen wäre, die Verunsicherung zu überspielen, die er eben eingestanden hatte.

Ich vergrub meine Finger in seinem Haar und hielt ihn fest, während meine Zunge sanft an seiner entlangstrich. Wir waren erst so kurz zusammen, nicht einmal einen Monat. Und was noch schlimmer war: Keiner von uns wusste, wie die Beziehung, die wir aufzubauen versuchten, überhaupt aussehen sollte, eine Beziehung, in der wir beide die gravierenden seelischen Schäden, die jeder von uns mitbrachte, nicht leugneten.

Er schlang seine Arme um mich und drückte besitzergreifend zu. »Ich hatte vor, das Wochenende zusammen mit dir auf den Florida Keys zu verbringen – nackt.«

»Hmm, klingt gut.« Mehr als gut. So scharf ich Gideon auch in seinem Dreiteiler fand, splitternackt gefiel er mir noch besser. Ich verkniff mir den Hinweis, dass ich an diesem Wochenende keine Zeit haben würde …

»Aber jetzt muss ich am Wochenende arbeiten«, brummte er und rieb mit seinen Lippen leicht über meine.

»Arbeit, die du meinetwegen liegen gelassen hast?« Er war früher aus dem Büro aufgebrochen, um mit mir zusammen zu sein, und das war zweifellos ein großes Zugeständnis. Meine Mutter war inzwischen zum dritten Mal verheiratet, und ihre Ehemänner waren in ihren jeweiligen Branchen ausnahmslos einflussreiche, wohlhabende Unternehmensbosse gewesen. Ich wusste, dass beruflicher Erfolg Unmengen von Überstunden verlangte.

»Ich zahle vielen Leuten fürstliche Gehälter, damit ich mit dir zusammen sein kann.«

Hübscher Versuch, aber das ungeduldige Funkeln in seinem Blick verriet, dass ich ihn von etwas abhielt. »Nett von dir. Lass uns Kaffee trinken, uns rennt die Zeit davon.«

Gideon fuhr mit seiner Zunge meine Unterlippe entlang, dann ließ er mich los. »Morgen Abend. Ich möchte spätestens um acht losfliegen. Pack luftig und leicht. In Arizona ist es trocken und heiß.«

»Was?« Ich starrte ihm verwirrt hinterher, während er in seinem Arbeitszimmer verschwand. »Du musst geschäftlich nach Arizona?«

»Leider.«

Oh … aha. Um meine letzte Chance auf Kaffee zu ergreifen, verschob ich die Diskussion auf später und ging in die Küche. Dazu musste ich Gideons weitläufige Wohnung mit ihrer eindrucksvollen Architektur des frühen 20. Jahrhunderts und den schmalen Bogenfenstern durchqueren. Meine Absätze klackerten auf glänzendem Massivholz oder wurden von Aubusson-Teppichen abgefedert. Neben dem dunklen Holz und den dezenten Stoffen schmückten kostbare Einzelstücke die Räume. Insgesamt strahlte sein Zuhause bei allem unübersehbaren Reichtum jedoch die Wärme und Geborgenheit eines Orts aus, an dem man sich fallen lassen und entspannen konnte.

In der Küche angekommen, schob ich einen Thermobecher in den Kaffeeautomaten. Kurz darauf erschien Gideon, das Jackett über dem Arm und sein Mobiltelefon in der Hand. Ich stellte auch für ihn einen Thermobecher unter den Kaffeeausguss und holte mir aus dem Kühlschrank etwas Kaffeesahne.

»Eigentlich trifft sich das gar nicht so schlecht.« Ich sah ihn an und erinnerte ihn an mein Mitbewohnerproblem. »Ich muss mir Cary dieses Wochenende mal vorknöpfen.«

Gideon verstaute das Handy in der Innentasche seines Sakkos und hängte die Jacke über einen Barhocker an der Küchentheke. »Du kommst mit mir, Eva.«

Ich schnaubte und goss Sahne in meinen Kaffee. »Um was genau dort zu tun? Nackt herumliegen und darauf warten, dass du mit der Arbeit fertig bist und mich vögelst?«

Seine Augen ruhten unverwandt auf mir, während er seinen Becher nahm und den dampfend heißen Kaffee im Zeitlupentempo schlürfte. »Gibt’s jetzt Streit?«

»Machst du die Sache unnötig kompliziert? Ich hab dir doch davon erzählt. Du weißt, ich kann Cary nach dem Vorfall gestern Abend nicht allein lassen.« Das vielarmige Menschenknäuel auf meinem Wohnzimmerboden, über das ich beinahe gestolpert wäre, hatte dem Wort Gruppensex eine ganz neue Bedeutung gegeben.

Ich räumte die Sahne zurück in den Kühlschrank und spürte, wie Gideon mich durch seine Willenskraft anzog. Vom ersten Tag an war es so gewesen. Gideon konnte mich nach Belieben dazu bringen, seine Wünsche selbst zu empfinden. Und jener Teil in mir, der darum bettelte, ihm jeden seiner Wünsche zu erfüllen, war nur sehr, sehr schwer zu ignorieren. »Du wirst dich um deine Geschäfte kümmern und ich mich um meinen besten Freund, und danach kümmern wir uns wieder umeinander.«

»Ich werde nicht vor Sonntagabend zurück sein, Eva.«

Oh … Ich verspürte einen Stich in der Magengegend, als ich hörte, dass wir so lange getrennt sein würden. Zwar verbrachten die meisten Paare nicht jede freie Minute miteinander, aber wir waren anders als die meisten Leute. Wir litten beide an gefährlichen Macken, Unsicherheiten und an einer suchtgleichen Fixierung auf den jeweils anderen, weshalb wir uns regelmäßig sehen mussten, um überhaupt normal funktionieren zu können. Ich hasste es, von ihm getrennt zu sein. Selten gelang es mir, ihn auch nur für zwei Stunden aus dem Kopf zu bekommen.

»Dir ist die Vorstellung doch selbst unerträglich«, sagte er leise und musterte mich mit diesem typischen Blick, dem nichts entging. »Spätestens Sonntag wären wir beide zu nichts mehr zu gebrauchen.«

Ich blies in meinen Kaffee, bevor ich daran nippte. Der Gedanke, das gesamte Wochenende ohne ihn zu verbringen, beunruhigte mich. Noch weniger gefiel mir die Vorstellung, dass er all diese Zeit weit weg von mir sein würde. Ein Meer an Möglichkeiten und Verlockungen wartete da draußen auf ihn, darunter unzählige Frauen, die im persönlichen Umgang weit weniger verkorkst und schwierig waren als ich.

Dennoch brachte ich hervor: »Wir wissen doch beide, wie unvernünftig das ist, Gideon.«

»Wer sagt das? Wie wir sind, begreift außer uns sowieso kein Mensch.«

Okay, in diesem Punkt hatte er recht.

»Wir müssen los«, sagte ich und ahnte, dass diese Unstimmigkeit uns beide den ganzen Tag verrückt machen dürfte. Wir würden das später in Ruhe klären, aber für den Moment steckten wir in einer Sackgasse.

Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte, schlug die Füße übereinander und ließ nicht locker: »Wir müssen vor allem erst klären, dass du mit mir kommst.«

»Gideon.« Mein Fuß tippte nervös auf die Travertin-Fliesen. »Ich kann mein Leben nicht einfach für dich aufgeben. Außerdem hättest du mich verdammt rasch über, wenn ich nur noch das süße Püppchen an deiner Seite abgeben würde. Herrgott, damit würde ich mich selbst anöden. Wir werden nicht gleich sterben, wenn wir uns ein paar Tage mit anderen Dingen beschäftigen, selbst wenn uns das nicht gefällt.«

Sein Blick hielt meinen fest. »Für ein süßes Püppchen bist du viel zu dickköpfig.«

»Die Dickschädel ziehen sich eben gegenseitig an.«

Gideon löste sich von der Arbeitsplatte, und seine nachdenkliche Sinnlichkeit wich einer mitreißenden Entschlossenheit. Er war so verflucht launenhaft – genau wie ich. »Die Presse hat in letzter Zeit häufig über dich berichtet, Eva. Es ist kein Geheimnis mehr, dass du in New York lebst. Ich kann nicht weggehen und dich so lange hier allein lassen. Wenn es sein muss, bring Cary mit. Dann kannst du ihn dir vorknöpfen, während du darauf wartest, dass ich mit der Arbeit fertig werde und dich vögele.«

»Haha.« Ich wusste es zwar zu schätzen, dass er die Anspannung mit ein wenig Humor zu lösen versuchte, aber im selben Augenblick erkannte ich, was tatsächlich hinter seinen Bedenken steckte: Nathan. Mein ehemaliger Stiefbruder. Gideon fürchtete, dass der fleischgewordene Albtraum aus meiner Vergangenheit womöglich in der Gegenwart wiederauferstand. Zu meiner eigenen Beunruhigung musste ich gestehen, dass diese Befürchtung keineswegs grundlos war. Die Anonymität, die mir jahrelang als Schutzschild gedient hatte, war durch unsere höchst öffentliche Beziehung zerstört worden.

Meine Güte … wir hatten nun wirklich nicht die Zeit, uns jetzt auch noch mit diesem Mist zu beschäftigen, aber Gideon würde es nicht auf sich beruhen lassen, das wusste ich genau. Er war ein Mann, der die Dinge stets vollkommen kontrollierte, der Konkurrenten mit gnadenloser Präzision ausschaltete und der nie zulassen würde, dass mir etwas zustieß. Ich war seine Zuflucht, und dies machte mich für ihn zu einer Kostbarkeit von unschätzbarem Wert.

Gideon sah auf seine Uhr. »Wir müssen los, mein Engel.«

Er schnappte sein Sakko und bedeutete mir, ihm voran durch das luxuriöse Wohnzimmer zu gehen, wo ich meine Handtasche, die Umhängetasche mit den bequemen Laufschuhen und ein paar andere wichtige Dinge für den Tag einsammelte. Wenig später hielt sein privater Aufzug im Erdgeschoss, und wir schlüpften in den Fond seines Bentleys.

»Hi, Angus«, begrüßte ich den Fahrer, der an den Schirm seiner altmodischen Chauffeursmütze tippte.

»Guten Morgen, Miss Tramell«, erwiderte er lächelnd. Angus war ein älterer Gentleman, dessen rotes Haar viele graue Strähnen aufwies. Ich mochte ihn aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt, weil er Gideon bereits seit dessen Grundschulzeit chauffierte und aufrichtig um dessen Wohlergehen besorgt schien.

Ein rascher Blick auf die Rolex, die mir meine Mutter und mein Stiefvater geschenkt hatten, beruhigte mich, dass ich es pünktlich zur Arbeit schaffen würde … sofern wir nicht im Verkehr stecken blieben. Noch während ich dies dachte, reihte sich Angus geschickt in den dichten Strom aus Taxis und Autos auf der Straße ein. Nach der angespannten Stille in Gideons Wohnung belebte mich der Lärm Manhattans wie ein Schuss Koffein. Autohupen plärrten ununterbrochen, und Reifen rumpelten über Kanaldeckel. Eilig ausschreitende Fußgängerpulks flankierten die vollgestopfte Straße zu beiden Seiten, wo die Gebäude gierig Richtung Himmel strebten und uns trotz der aufsteigenden Sonne in Schatten tauchten.

Gott, ich liebte New York aus tiefstem Herzen. Jeden Tag nahm ich mir kurz die Zeit, es in mich aufzusaugen.

Ich lehnte mich in den Ledersitz zurück und griff nach Gideons Hand. »Wäre es dir lieber, wenn Cary und ich am Wochenende die Stadt verlassen würden? Vielleicht ein Kurztrip nach Vegas?«

Gideons Augen verengten sich. »Weshalb nicht Arizona? Hat Cary etwa Angst vor mir?«

»Was? Nein. Ich glaube nicht.« Ich setzte mich schräg, um ihn anzusehen. »Aber manchmal braucht es halt die ganze Nacht, bis ich ihn so weit habe, endlich mit der Sprache rauszurücken.«

»Du glaubst es nicht?«, wiederholte er meine Antwort und ignorierte alles, was ich danach gesagt hatte.

»Vielleicht hat er das Gefühl, dass er sich nicht mehr an mich wenden kann, wenn er das Bedürfnis hat zu reden, weil ich ständig mit dir zusammen bin«, erklärte ich. Ein Schlagloch zwang mich, den Kaffeebecher mit beiden Händen festzuhalten. »Hör mal, auf Cary musst du nun wirklich nicht eifersüchtig sein. Es ist kein Quatsch, wenn ich sage, ich liebe ihn wie einen Bruder, Gideon. Du musst ihn ja nicht mögen, aber du musst begreifen, dass er ein fester Bestandteil meines Lebens ist.«

»Erzählst du ihm das Gleiche über mich?«

»Das kann ich mir sparen. Er weiß Bescheid. Ich bemühe mich hier, einen Kompromiss zu finden …«

»Ich schließe keine Kompromisse. Nie.«

Ich musterte ihn verwundert. »In geschäftlichen Dingen, davon bin ich überzeugt. Aber dies ist eine Beziehung, Gideon. Da ist es nötig, zu geben und …«

Gideon schnitt mir mit einem ungehaltenen Knurren das Wort ab. »Mein Flugzeug, mein Hotel, und wenn ihr das Hotelgelände verlasst, nehmt ihr Sicherheitsleute mit.«

Sein plötzliches, wenn auch widerstrebendes Einlenken verschlug mir für einen Moment die Sprache. Lange genug jedenfalls, dass er fragend die Brauen über seinen stechenden blauen Augen hob und mir damit zu verstehen gab: Das ist mein letztes Angebot.

»Hältst du das nicht für etwas übertrieben?«, warf ich ein. »Ich habe doch Cary bei mir.«

»Du wirst mir verzeihen, wenn ich ihm im Hinblick auf deine Sicherheit nach der letzten Nacht nicht sonderlich vertraue.« Er nahm einen Schluck Kaffee, und seine Haltung machte unmissverständlich deutlich, dass die Diskussion in seinen Augen damit beendet war. Er hatte mir die für ihn gerade noch akzeptablen Bedingungen genannt.

Ich hätte auf seine Überheblichkeit womöglich zickig reagiert, wenn mir nicht klar gewesen wäre, warum er sich so verhielt. Er wollte mich beschützen. Meine Vergangenheit barg grauenvolle Schrecken, und an Gideons Seite war ich weit genug ins öffentliche Scheinwerferlicht geraten, um Nathan Barker direkt zu mir zu führen.

Außerdem war es nun einmal ein Wesenszug von Gideon, alles um ihn herum kontrollieren zu müssen. Damit musste ich mich bei ihm wohl oder übel abfinden.

»Okay«, stimmte ich zu. »Welches Hotel gehört dir?«

»Mehrere. Du kannst dir eins aussuchen.« Er wandte sich ab, um aus dem Fenster zu sehen. »Scott wird dir die Liste mailen. Sobald ihr euch entschieden habt, gebt ihm Bescheid, und er wird die nötigen Arrangements treffen. Wir werden gemeinsam abfliegen und zurückkehren.«

Ich lehnte mich gegen die Rückbank und trank meinen Kaffee. Mir fiel auf, dass er seine Hand auf dem Oberschenkel zur Faust geballt hatte. In der getönten Scheibe spiegelte sich seine ausdruckslose Miene, aber ich konnte seine Verstimmung spüren.

»Ich danke dir«, murmelte ich.

»Lass es. Die Sache gefällt mir überhaupt nicht, Eva.« Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. »Dein Mitbewohner baut Scheiße, und ich muss das Wochenende ohne dich verbringen.«

Es tat mir leid, ihn unglücklich zu sehen, daher nahm ich ihm den Kaffee aus der Hand und stellte die beiden Thermobecher in die Halterungen im Fond. Dann setzte ich mich rittlings auf seinen Schoß und legte die Arme auf seine Schultern. »Ich weiß es zu schätzen, dass du dieses eine Mal nachgibst, Gideon. Es bedeutet mir sehr viel.«

Er fixierte mich mit seinen funkelnden blauen Augen. »Als ich dich das erste Mal sah, wusste ich sofort, dass du mich in den Wahnsinn treiben würdest.«

Ich lächelte bei dem Gedanken an unsere erste Begegnung. »Als ich auf meinem Arsch in der Lobby des Crossfire Building landete?«

»Vorher. Draußen.«

Fragend runzelte ich die Stirn. »Wo draußen?«

»Auf dem Bürgersteig.« Gideon packte meine Hüften und drückte sie auf diese besitzergreifende, gebieterische Art, bei der mein Verlangen nach ihm nahezu unerträglich wurde. »Ich wollte gerade zu einem Meeting. Eine Minute später, und ich hätte dich verpasst. Ich stieg in den Wagen, und in diesem Moment kamst du um die Ecke.«

Ich erinnerte mich an den Bentley, der an diesem Tag mit laufendem Motor am Bordstein gestanden hatte. Bei meiner Ankunft hatte mich das imposante Gebäude noch zu sehr abgelenkt, um das schicke Auto zu bemerken, aber später war es mir aufgefallen.

»Du hast mich auf den ersten Blick umgehauen«, brummte er rau. »Ich konnte meine Augen nicht von dir lassen. Ich wollte dich sofort haben. Unbedingt. Es war wie ein Zwang.«

Wie konnte mir entgangen sein, dass hinter unserem ersten Treffen so viel mehr steckte, als ich damals bemerkt hatte? Ich dachte, wir wären uns zufällig über den Weg gelaufen. Aber er hatte das Gebäude eigentlich schon für diesen Tag verlassen … und war extra noch einmal hineingegangen. Meinetwegen.

»Du bist unmittelbar neben dem Bentley stehen geblieben«, fuhr er fort, »und hast den Kopf in den Nacken gelegt, um das Hochhaus zu betrachten. Ich habe mir vorgestellt, wie du vor mir kniest und mich auf dieselbe Art ansiehst.«

Ich rutschte unruhig auf seinem Schoß hin und her, als Gideons Stimme zu einem tiefen Knurren wurde. »Auf welche Art?«, flüsterte ich, hypnotisiert von dem Feuer in seinem Blick.

»Erregt. Ein wenig bewundernd … und ein wenig eingeschüchtert.« Er fasste meinen Hintern und zog mich näher. »Mir blieb gar nichts anderes übrig, als dir in die Halle zu folgen. Und da warst du dann – so wie ich es mir erträumt hatte, quasi direkt vor mir auf den Knien. In diesem Augenblick schossen mir alle möglichen Fantasien durch den Kopf, was ich mit dir anstellen würde, wenn ich dich nackt vor mir hätte.«

Ich schluckte, weil ich mich an meine Reaktion erinnerte, die ganz ähnlich gewesen war. »Als ich dich das erste Mal sah, musste ich auch sofort an Sex denken. An hemmungslosen, wilden Sex.«

»Das habe ich dir angesehen.« Seine Hände wanderten rechts und links an meiner Wirbelsäule hinauf. »Und ich wusste, dass du mich genauso durchschaut hattest. Du hast mich so gesehen, wie ich wirklich bin … hast tief in mein Innerstes geblickt. Ich war für dich wie ein offenes Buch.«

Und diese Erkenntnis hatte mich buchstäblich umgehauen. Nach einem Blick in seine Augen war mir klar gewesen, dass seine Seele in Ketten lag und von dunklen Schatten beherrscht wurde. Ich sah Macht, Verlangen, Herrschsucht und Hunger. Irgendetwas in mir wusste sofort, dass er völlig von mir Besitz ergreifen würde. Es tat gut zu erfahren, dass ihn unsere erste Begegnung ähnlich erschüttert hatte.

Gideon umfasste meine Schulterblätter und zog mich zu sich, bis meine Stirn die seine berührte. »Niemand sonst hat das je gesehen, Eva. Du bist die Einzige.«

Meine Kehle schnürte sich schmerzhaft zusammen. Gideon war in so vieler Hinsicht ein harter Mensch, und dennoch konnte er so süß zu mir sein, bisweilen auf eine nahezu kindliche Art, die ich ganz besonders mochte, weil sie so aufrichtig und unbefangen wirkte. Wenn sich die Leute nicht die Mühe machten, hinter seine markanten Gesichtszüge und sein fettes Bankkonto zu sehen, verdienten sie es auch nicht, ihn wirklich zu kennen.

»Das wusste ich gar nicht. Du warst damals so … cool. Ich schien nicht den geringsten Eindruck auf dich zu machen.«

»Cool?«, wiederholte er spöttisch. »Ich war sofort verrückt nach dir – und seitdem bin ich total im Arsch.«

»Hey, freut mich zu hören.«

»Du hast dafür gesorgt, dass ich dich brauche«, sagte er mit rauer Stimme. »Und jetzt ertrage ich es nicht, zwei Tage ohne dich verbringen zu müssen.«

Ich legte meine Hände an seine Wangen und küsste ihn sanft. Reumütig liebkosten meine Lippen die seinen. »Ich liebe dich auch«, hauchte ich seinem verführerischen Mund zu. »Und ich ertrage es genauso wenig, von dir getrennt zu sein.«

Er erwiderte meinen Kuss heißblütig und gierig, hielt mich aber zugleich vorsichtig und ehrfürchtig in den Armen, als wäre ich ein kostbares Gut. Dann rissen wir uns schwer atmend voneinander los.

»Dabei bin ich nicht mal dein Typ«, neckte ich ihn, um die Stimmung ein wenig zu lockern, bevor wir zur Arbeit gingen. Gideons Vorliebe für Brünette war allgemein bekannt und vielfach belegt.

Ich spürte, wie der Bentley einparkte und anhielt. Diskret und rücksichtsvoll wie immer stieg Angus aus, ließ Motor und Klimaanlage aber laufen. Aus dem Fenster konnte ich das Crossfire Building neben uns sehen.

»Apropos nicht mein Typ …« Gideon ließ den Kopf zurück auf den Ledersitz sinken und holte tief Luft. »Corinne war überrascht von dir. Du hast so gar nicht ihren Erwartungen entsprochen.«

Bei der Erwähnung von Gideons ehemaliger Verlobten verspannten sich meine Kiefermuskeln. Obwohl ich wusste, dass diese Beziehung für ihn nicht mit Liebe, sondern mit Freundschaft und Einsamkeit zu tun gehabt hatte, nagte der Neid sofort mit scharfen Zähnen an mir. Eifersucht zählte zu meinen schlimmsten Fehlern. »Weil ich blond bin?«

»Weil du … ihr nicht ähnelst.«

Mir stockte der Atem. Mir war nicht bewusst gewesen, dass Corinne für ihn das Maß aller Dinge darstellte. Tatsächlich hatte selbst Magdalene Perez – eine von Gideons vielen Bekannten, die gerne mehr wäre – gesagt, sie würde ihr dunkles Haar nur lang tragen, um Corinne nachzueifern. Aber die Bedeutung dieser Bemerkung war mir damals entgangen. Mein Gott … wenn es stimmte, besaß Corinne enormen Einfluss auf Gideon, unerträglichen Einfluss. Mein Puls begann zu rasen, mein Magen brodelte. Ich hasste sie wider alle Vernunft. Ich hasste es, dass sie auch nur einen winzigen Teil von ihm besessen hatte, hasste jede Frau, die jemals von ihm berührt, jemals von ihm begehrt, jemals von seinem herrlichen Körper geliebt worden war.

Ich wollte von seinem Schoß rutschen.

»Eva.« Er packte meine Schenkel fester und ließ es nicht zu. »Keine Ahnung, ob sie recht hat.«

Ich sah auf die Hände, die mich hielten, und der Anblick meines Freundschaftsrings – des Zeichens meiner Besitzrechte – am Finger seiner rechten Hand besänftigte mich. Der verlegene Ausdruck auf seinem Gesicht, als ich ihn ansah, tat ein Übriges. »Du hast keine Ahnung?«

»Wenn es der Fall gewesen war, geschah es ganz sicher ohne Absicht. Ich habe nie in anderen Frauen nach ihr gesucht. Ich wusste ja nicht einmal, dass ich suche, bis ich dir begegnet bin.«

Erleichtert strich ich mit den Händen über sein Revers. Er mochte nicht bewusst nach ihrem Ebenbild gesucht haben, aber selbst wenn, hätten die Unterschiede zwischen mir und Corinne in Aussehen wie Temperament nicht größer ausfallen können. Ich war die Ausnahme für ihn, wich in jeder Hinsicht ab von seinen anderen Frauen. Ich wünschte bloß, dieses Wissen würde genügen, meine Eifersucht zu ersticken.

»Wahrscheinlich handelte es sich weniger um eine Vorliebe als um eine Gewohnheit.« Ich glättete mit einer Fingerspitze die Sorgenfalte auf seiner Stirn. »Frag doch Dr. Petersen, wenn wir ihn heute Abend treffen. Nach all den Jahren der Therapie sollte ich eigentlich mehr Antworten haben, aber so ist es nicht. So vieles zwischen uns ist so schwer zu erklären, findest du nicht? Ich weiß zum Beispiel noch immer nicht, was es ist, das du in mir siehst und das dich derart fasziniert.«

»Es geht darum, was du in mir siehst, mein Engel«, sagte er leise, und seine Züge entspannten sich. »Du kannst in mein Innerstes sehen und begehrst mich dennoch so sehr wie ich dich. Nachts schlafe ich ein mit der Angst, du könntest fort sein, wenn ich aufwache … oder ich hätte dich verschreckt und verjagt … oder du wärst nur ein Traum gewesen.«

»Nicht, Gideon.« Herrgott, jeden Tag brach er mir aufs Neue das Herz. Brachte meine Welt ins Wanken.

»Ich weiß, ich äußere meine Gefühle für dich nicht so, wie du es tust. Aber du hast mich, so viel ist sicher.«

»Ja, ich weiß, dass du mich liebst, Gideon.« Wahnsinnig. Maßlos. Besessen. Genau wie ich dich.

»Von dir werde ich nicht mehr loskommen, Eva.« Gideon legte den Kopf zurück, zog mich zu sich herab und küsste mich mit unfassbarer Zärtlichkeit. Behutsam liebkosten seine festen Lippen meinen Mund. »Für dich würde ich töten«, flüsterte er. »Ich würde all meinen Besitz für dich aufgeben … aber dich werde ich niemals aufgeben. Zwei Tage, mehr nicht. Bitte mich nicht um eine Verlängerung, denn die kann ich dir nicht gewähren.«

Die Worte waren nicht einfach nur so dahingesagt, das wusste ich. Sein Reichtum schützte ihn, verlieh ihm jene Macht und Kontrolle, die ihm an einem Punkt in seinem Leben geraubt worden war. Er hatte Grausamkeiten und Misshandlungen erlitten, genau wie ich. Die Vorstellung, dass er bereit wäre, all diese persönlichen Sicherheiten aufs Spiel zu setzen, nur um mich zu halten, bedeutete mir mehr als die Worte Ich liebe dich.

»Ich brauch nur die beiden Tage, Ace, und ich werde mich dafür erkenntlich zeigen.«

Der Unmut in seinem Blick verflüchtigte sich und machte einem lüsternen Funkeln Platz. »Ach? Du hast doch nicht etwa vor, mich mit Sex zu entschädigen, mein Engel?«

»Doch«, gab ich offen zu. »Stundenlang. Schließlich wendest du diese Taktik doch selbst auch immer sehr erfolgreich an.«

Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, doch er sah mich mit einer solchen Intensität an, dass mein Atem sich beschleunigte. Der durchdringende Blick, den er mir schenkte, erinnerte mich – vollkommen unnötigerweise – daran, dass Gideon kein Mensch war, den man lenken oder zähmen konnte.

»Ach, Eva«, knurrte er und rekelte sich in seinem Sitz mit der raubtierhaften Gelassenheit eines geschmeidigen Pumas, der in seiner Höhle eine Maus in die Enge getrieben hat.

Ein köstliches Prickeln durchlief meinen Körper. Wenn es um Gideon ging, war ich nur allzu willig, mich verschlingen zu lassen.

2

Kurz bevor ich im zwanzigsten Stock bei der Werbeagentur Waters Field & Leaman, für die ich arbeitete, aus dem Fahrstuhl ausstieg, hauchte Gideon mir ins Ohr: »Denk an mich, den ganzen Tag.«

Ich drückte in der voll besetzten Kabine verstohlen seine Hand. »Mach ich doch immer.«

Er fuhr weiter bis in die oberste Etage, in der die Zentrale von Cross Industries residierte. Das Crossfire Building gehörte ihm, ebenso wie diverse andere Immobilien in der Stadt, darunter auch der Apartmentblock, in dem ich wohnte.

Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken. Meine Mutter hatte sich für die Laufbahn Trophäengattin reicher Männer entschieden. Ein luxuriöser Lebensstil war ihr wichtiger gewesen als die Liebe meines Vaters, was ich überhaupt nicht begreifen konnte. Ich würde Liebe jederzeit bloßem Reichtum vorziehen, aber vermutlich hatte ich in dieser Hinsicht leicht reden, da ich über eigene Rücklagen in Form eines beträchtlichen Anlagendepots verfügte. Allerdings hatte ich das Geld noch nie angerührt – und würde es auch nicht tun. Der Preis, den ich dafür bezahlt hatte, war viel zu hoch, und nichts konnte ihn aufwiegen.

Megumi saß am Empfang, drückte den Öffner für die gläserne Sicherheitstür und begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln. Sie war eine hübsche junge Frau in meinem Alter, deren bildschöne asiatische Züge von einem modischen Bob unterstrichen wurden.

»Hey«, sagte ich und blieb an ihrem Pult stehen. »Irgendwelche Pläne fürs Mittagessen?«

»Jetzt schon.«

»Prima.« Mein Grinsen war breit und aufrichtig. So sehr ich Cary mochte und so gern ich Zeit mit ihm verbrachte, ich brauchte auch ein paar Freundinnen. Cary hatte bereits damit begonnen, sich an unserem neuen Wohnort einen Kreis von Bekannten und Freunden aufzubauen, während ich gleich zu Beginn in den übermächtigen Sog von Gideon Cross geraten war. Am liebsten würde ich zwar jede freie Sekunde mit ihm verbringen, aber das täte unserer Beziehung sicherlich nicht gut. Freundinnen würden mich, falls nötig, mit ein paar unverblümten Worten wieder auf die Spur bringen, und wenn ich solche Freundschaften haben wollte, musste ich mich um sie bemühen.

Ich lief den langen Gang zu meinem Arbeitsplatz hinunter. An meinem Schreibtisch verstaute ich die Tasche in der untersten Schublade und nahm nur mein Smartphone heraus, um es stumm zu schalten. Eine Nachricht von Cary war eingegangen: Es tut mir leid, Baby.

»Cary Taylor«, seufzte ich. »Ich mag dich … selbst wenn du mir auf den Keks gehst.«

Und er ging mir gehörig auf den Keks. Keine Frau kommt gern nach Hause, um in ihrem Wohnzimmer über eine wilde Orgie zu stolpern. Vor allem nicht, wenn sie gerade Streit mit ihrem neuen Freund hat.

Ich schrieb zurück: Halt das Wochenende frei für mich.

Eine lange Pause trat ein, und ich stellte mir vor, wie er über meinen Wunsch nachdachte.

Scheiße, antwortete er schließlich. Riesentracht Prügel geplant, wie?

»Eine kleine vielleicht«, murmelte ich und dachte mit Schaudern an die … Orgie, in die ich hineingeplatzt war. In erster Linie jedoch wollte ich mich mal ganz in Ruhe mit Cary aussprechen. Wir wohnten noch nicht lange in Manhattan. Alles war neu für uns: neue Stadt, neue Wohnung, neue Jobs und Erfahrungen und neue Männer an unserer Seite, für ihn wie für mich. Wir hatten unser gewohntes Leben zurückgelassen und mussten uns durchkämpfen, und da wir beide heftige Altlasten mit uns herumschleppten, taten wir uns mit dem Durchkämpfen schwer. Gewöhnlich stützte einer den anderen, sodass keiner aus dem Gleichgewicht geriet, aber in den letzten Wochen hatten wir nur selten Zeit dafür gefunden. Das musste sich unbedingt ändern.

Lust auf einen Trip nach Vegas? Nur du + ich?

Aber klar doch!

O.k. … später mehr.

Während ich mein Handy stumm stellte und weglegte, huschte mein Blick über die beiden Rahmen mit Fotocollagen neben meinem Bildschirm. In einem steckten Bilder von meinen Eltern sowie eins von Cary, in dem anderen waren nur Fotos von Gideon und mir. Die zweite Collage hatte Gideon selbst zusammengestellt. Sie sollte mich auf die gleiche Weise an ihn erinnern wie ihn die Sammlung auf seinem Schreibtisch an mich erinnerte. Als ob ich das gebraucht hätte …

Mir gefiel es, Bilder geliebter Menschen um mich zu haben. Da war meine Mom mit ihrer goldenen Lockenpracht und ihrem Glamourlächeln, der kurvenreiche Körper nur leicht bedeckt von einem winzigen Bikini, auf der Yacht meines Stiefvaters an der französischen Riviera. Daneben stand mit nobler, distinguierter Miene mein Stiefvater, Richard Stanton, dessen silbergraues Haar das Aussehen seiner sehr viel jüngeren Frau auf eigenartige Weise ergänzte. Und schließlich Cary in all seiner fotogenen Herrlichkeit: braun schimmernde Haare, grün funkelnde Augen und ein breites, schelmisches Lächeln auf den Lippen. Dieses unbezahlbare Schwerenötergesicht tauchte derzeit in allen möglichen Zeitschriften auf und würde demnächst Reklamewände und Bushaltestellen schmücken, um für Kleidung von Grey Isles zu werben.

Ich sah durch die Scheibe auf der anderen Gangseite, hinter der sich Mark Garritys winziges Büro befand. Über der Rückenlehne seines Aeron-Drehstuhls hing ein Sakko, obwohl er selbst nirgends zu entdecken war. Da unsere Kaffeesucht ähnlich ausgeprägt war, überraschte es mich nicht, ihn im Pausenraum anzutreffen, wo er missmutig in seinen Kaffeebecher starrte.

»Ich dachte, du hättest den Dreh jetzt raus«, sagte ich in Anspielung auf seine Probleme mit dem Kaffeeautomat.

»Hab ich auch, dank deiner Hilfe.« Mark hob den Kopf und schenkte mir ein charmantes schiefes Lächeln. Er hatte glänzende dunkle Haut, einen kurz geschorenen Spitzbart und sanfte braune Augen. Abgesehen von seinem angenehmen Äußeren war er nicht nur ein freundlicher Zeitgenosse, sondern auch ein großartiger Chef und stets bereit, mir alles Nötige über die Abläufe in der Werbebranche zu erklären. Er hatte schnell darauf vertraut, mir Dinge nicht zweimal zeigen zu müssen, und kürzlich waren wir zum Du übergegangen. Wir arbeiteten gut zusammen, und ich hoffte, dass dies noch lange Zeit so bleiben würde.

»Versuch den mal«, sagte er und griff nach einem zweiten dampfenden Becher. Ich nahm ihn dankend entgegen und stellte zu meiner Freude fest, dass er ganz nach meinem Geschmack an Sahne und Süßstoff gedacht hatte.

Da der Kaffee sehr heiß war, trank ich vorsichtig einen kleinen Schluck, und musste sofort wegen des unerwarteten – und unerwünschten – Beigeschmacks husten. »Was ist denn das?«

»Kaffee mit Heidelbeeraroma.«

Plötzlich war ich diejenige mit dem missmutigen Gesichtsausdruck. »Wer zum Teufel sollte so etwas trinken wollen?«

»Ah, gute Frage … unser Job besteht nämlich darin, genau das herauszufinden und die Zielgruppe anschließend dazu zu bringen, das Zeug auch zu kaufen.« Er hob den Becher zu einem Trinkspruch. »Auf das Wohl unseres neuesten Auftraggebers.«

Ich zog eine gequälte Grimasse, straffte dann mutig die Schultern und probierte erneut.

Zwei Stunden später war ich den widerlich süßen Geschmack von künstlicher Heidelbeere auf meiner Zunge noch immer nicht losgeworden. Es wurde Zeit für eine kurze Pause, daher erlaubte ich mir, im Internet nach Dr. Terrence Lucas zu suchen, jenem Mann, der Gideons Ärger erregt hatte, als die beiden sich am Abend zuvor beim Dinner begegnet waren. Ich hatte eben den Namen des Arztes in das Suchfeld eingetragen, da klingelte das Telefon auf meinem Schreibtisch.

»Büro von Mark Garrity«, meldete ich mich. »Eva Tramell am Apparat.«

»Meinst du das ernst mit Vegas?«, fragte Cary ohne lange Vorrede.

»Todernst.«

Es folgte ein kurzes Schweigen. »Ist das jetzt der Punkt, an dem du mir erklärst, dass du bei deinem milliardenschweren Freund einziehst und ich mich gefälligst verkrümeln soll?«

»Was? Nein. Bist du verrückt geworden?« Ich kniff die Augen zusammen. Auch wenn ich Carys Verunsicherung verstehen konnte, fand ich doch, dass in unserer langen Freundschaft für derartige Zweifel kein Platz sein sollte. »Du wirst mich in diesem Leben nicht mehr los, das weißt du doch.«

»Und da hast du dir gedacht, wir sollten mal eben nach Vegas?«

»So ungefähr. Ich dachte, wir schlürfen zwei Tage Mojitos am Pool und lassen uns vom Zimmerservice verwöhnen.«

»Ich weiß nicht, ob ich meinen Anteil dafür aufbringen kann.«

»Keine Bange. Gideon lädt uns ein. Sein Flugzeug, sein Hotel. Wir zahlen bloß Essen und Getränke.« Das war eine Lüge, da ich die Absicht hatte, für alles außer den Flug zu zahlen. Aber das musste Cary nicht wissen.

»Und er kommt nicht mit?«

Ich lehnte mich in meinen Stuhl zurück und betrachtete die Fotos von Gideon. Ich vermisste ihn schon jetzt, und wir waren doch erst zwei, drei Stunden getrennt. »Er muss geschäftlich nach Arizona. Also fliegen wir zusammen hin und zurück, aber in Vegas werden wir beide allein sein. Ich denke, das brauchen wir mal.«

»Yeah.« Er atmete tief aus. »Ein kleiner Tapetenwechsel und ein wenig Zeit mit meinem Lieblingsmädchen, das könnte mir gefallen.«

»Also abgemacht. Er möchte morgen Abend um acht losfliegen.«

»Dann fang ich schon mal mit dem Packen an. Soll ich deine Tasche auch fertig machen?«

»Würdest du das tun? Das wäre toll!« Cary hätte auch als Stylist oder persönlicher Einkäufer arbeiten können. Sein Gespür für Mode war erstklassig.

»Eva?«

»Ja?«

Er seufzte. »Danke, dass du meinen ganzen Scheiß erträgst.«

»Kein Wort mehr.«

Nachdem wir aufgelegt hatten, starrte ich noch lange das Telefon an. Es gefiel mir gar nicht, dass Cary derart unglücklich wirkte, obwohl doch alles in seinem Leben so gut lief. Er war ein Meister der Selbstzerstörung und glaubte nicht daran, dass auch er es verdiente, glücklich zu sein.

Ich wollte meine Aufmerksamkeit gerade wieder auf die Arbeit richten, da erinnerte mich Google auf meinem Bildschirm an die Suchergebnisse für Dr. Terry Lucas. Im Netz standen einige Artikel von ihm, bebildert mit Porträts, die mir bestätigten, dass ich den Richtigen gefunden hatte.

Kinderarzt, Alter fünfundvierzig, seit zwanzig Jahren verheiratet. Aufgeregt suchte ich nach »Dr. Terrence Lucas und Gattin«. Die Vorstellung, gleich eine langhaarige Brünette mit goldbronzenem Teint vor Augen zu haben, verursachte mir für einen Moment Magenschmerzen. Ich seufzte erleichtert, als ich sah, dass es sich bei Mrs. Lucas um eine Frau mit blassem Teint und kurzem roten Haar handelte.

Doch daraus ergaben sich nur neue Fragen. Ich hatte angenommen, dass eine Frau die Ursache der Spannungen zwischen den beiden Männern war.

Im Grunde wussten Gideon und ich herzlich wenig über den jeweils anderen. Wir kannten die hässlichen Geschichten – wenigstens kannte er meine, und ich hatte aufgrund eindeutiger Anzeichen eine vage Ahnung von seinen. Außerdem waren wir nach so vielen Nächten in beiden Wohnungen grob mit den jeweiligen Alltagsmacken des anderen vertraut. Er hatte die Hälfte meiner Familie kennen gelernt und ich seine gesamte. Aber wir waren noch nicht lange genug zusammen, um allgemeine Dinge aus dem persönlichen Umfeld ausgiebiger zu besprechen. Vermutlich legten wir aber auch nicht die dafür nötige Offenheit und Neugier an den Tag. Es schien, als fürchteten wir beide, einer schon jetzt wackligen Beziehung zu viel zusätzlichen Mist aufzuhalsen.

Wir waren zusammen, weil wir süchtig nach einander waren. Wenn wir gemeinsam glücklich waren, verspürte ich einen Rausch wie noch nie in meinem Leben, und ich wusste, dass er genauso empfand. Für diese perfekten Momente strampelten wir uns ab, und sie blieben dennoch so rar gesät, dass wir nur aus Trotz, Entschlossenheit und Liebe den Kampf um sie nicht aufgaben.

Hör jetzt auf, dich verrückt zu machen!

Ich sah in meine Mails und stieß auf die tägliche Meldung meines Google-Alerts zu »Gideon Cross«. Heute führten die angegebenen Links meist zu Fotos von Gideon in schwarzem Anzug ohne Krawatte, wie er mit mir zusammen am Vorabend das Wohltätigkeitsdinner im Waldorf-Astoria besucht hatte.

»O Gott.« Als ich die Bilder von mir in dem champagnerfarbenen Cocktailkleid von Vera Wang sah, musste ich unwillkürlich an meine Mutter denken. Nicht nur wegen der äußeren Ähnlichkeiten – mal abgesehen davon, dass mein Haar lang und glatt war –, sondern auch wegen des Firmenmoguls, an dessen Arm ich hing.

Monica Tramell Barker Mitchell Stanton war eine absolute Meisterin darin, die schmückende Gattin zu spielen. Sie wusste genau, was von ihr erwartet wurde, und entsprach allen Erwartungen, ohne sich den kleinsten Patzer zu leisten. Sie mochte zweimal geschieden sein, aber beide Trennungen waren ihre freie Entscheidung gewesen, und beide Exmänner trauerten ihr bis heute nach. Ich verurteilte das Verhalten meiner Mutter keineswegs, denn sie bemühte sich stets nach Kräften und betrachtete keine Beziehung als Selbstläufer, aber ich war mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit aufgewachsen. Die Möglichkeit, Neinsagen zu können, war mir unbeschreiblich wichtig.

Ich verkleinerte mein E-Mail-Fenster, verdrängte mein Privatleben für eine Weile und machte mich wieder auf die Suche nach Konkurrenzprodukten im Segment Fruchtkaffee. Ich koordinierte erste Treffen zwischen den Marketingleitern und Mark und unterstützte Mark bei der Entwicklung einer Werbekampagne für ein glutenfreies Restaurant. Gegen Mittag machte sich gerade mein Hunger ernsthaft bemerkbar, als das Telefon klingelte. Ich meldete mich wie üblich.

»Eva?«, fragte eine Frauenstimme akzentuiert. »Hier ist Magdalene. Haben Sie eine Minute Zeit?«

Wachsam lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Als Corinne unvermittelt und unerwünscht wieder in Gideons Leben aufgetaucht war, hatten Magdalene und ich uns zwar für einen Moment gut verstanden, aber ich hatte nie vergessen, wie gemein sie bei unserer ersten Begegnung zu mir gewesen war. »Eine Minute, ja. Was gibt’s?«

Sie seufzte und dann brach es aus ihr heraus: »Ich habe gestern an dem Tisch hinter Corinne gesessen und einen Teil des Gesprächs gehört, das sie mit Gideon während des Essens geführt hat.«

Meine Bauchmuskeln spannten sich an, um sich auf den zu erwartenden emotionalen Schlag vorzubereiten. Magdalene verstand sich darauf, die Unsicherheit auszunutzen, die ich in Bezug auf Gideon empfand. »Das ist ein neuer Tiefpunkt, mir bei der Arbeit Schauergeschichten auftischen zu wollen«, sagte ich kühl. »Ich habe kein …«

»Er hat Sie gar nicht links liegen gelassen, Eva.«

Mein Mund blieb eine Sekunde lang offen stehen, und sie beeilte sich weiterzusprechen.

»Er hat Corinne ins Leere laufen lassen. Sie fing damit an, ihm Vorschläge zu machen, was er Ihnen in New York zeigen könnte, da Sie doch neu in der Stadt sind, und dabei zog sie voll die alte Weißt-du-noch-als-wir-beide-da-waren-Nummer ab.«

»Gemeinsame Erinnerungen«, murmelte ich und war froh, nicht viel von Gideons leisem Gespräch mit ihr verstanden zu haben.

»Genau.« Magdalene atmete tief ein. »Sie sind gegangen, weil Sie dachten, er würde Sie ihretwegen vernachlässigen. Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass er vielmehr Ihr Bestes im Sinn zu haben schien und nur dafür sorgen wollte, dass Corinne Sie nicht aus der Fassung bringen konnte.«

»Und woher rührt Ihre plötzliche Sorge um mich?«

»Wer hat etwas von Sorge gesagt? Ich war Ihnen bloß etwas schuldig, Eva, für die Art, wie ich mich bei unserem ersten Treffen aufgeführt habe.«

Ich dachte darüber nach. Es stimmte, sie hatte etwas wiedergutzumachen für die gehässigen Eifersüchteleien, mit denen sie mich in der Damentoilette überschüttet hatte. Allerdings hielt ich das nicht für ihr einziges Motiv. Wahrscheinlich war ich lediglich das kleinere von zwei Übeln, und zudem behielt sie ihre Gegnerinnen gerne genau im Auge. »In Ordnung. Danke.«

Es ließ sich nicht leugnen. Ich fühlte mich besser. Eine Last, die ich überhaupt nicht bemerkt hatte, war von mir abgefallen.

»Noch etwas«, fuhr Magdalene fort. »Er ist Ihnen nachgegangen.«

Ich packte den Hörer fester. Gideon kam ständig hinter mir her … weil ich ständig davonlief. Ich war immer noch so anfällig, dass ich alles tat, um eine gewisse Stabilität zu wahren. Wenn etwas mein inneres Gleichgewicht bedrohte, schaffte ich es mir vom Hals.

»Es hat schon andere Frauen in seinem Leben gegeben, die ihn so unter Druck setzen wollten, Eva. Entweder war ihnen langweilig, oder sie wollten seine Aufmerksamkeit erregen, oder sie erhofften sich irgendeine ganz außergewöhnliche Geste … Also gingen sie weg in der Erwartung, dass er ihnen folgen würde. Wissen Sie, was er tat?«

»Nichts«, sagte ich leise, da ich ihn gut genug kannte. Sein Credo lautete, nie gesellschaftlich mit Frauen zu verkehren, mit denen er schlief, und nie mit Frauen zu schlafen, mit denen er gesellschaftlich verkehrte. Corinne und ich bildeten die einzigen Ausnahmen dieser Regel. Ein weiterer Grund, weshalb mich seine Ex bisweilen wahnsinnig machte vor Eifersucht.

»Er tat jedenfalls nicht mehr, als Angus aufzutragen, sie sicher nach Hause zu bringen«, bestätigte sie, und ich wurde die Vermutung nicht los, dass sie diese Taktik bereits selbst erfolglos ausprobiert hatte. »Aber als Sie gingen, konnte er Ihnen gar nicht schnell genug folgen. Er verabschiedete sich Hals über Kopf und wirkte richtig … von der Rolle.«

Weil er Angst bekommen hatte. Ich schloss meine Augen und trat mir im Geiste selbst in den Hintern. Mit aller Kraft.

Mehr als einmal hatte Gideon mir von der Panik erzählt, die mein ständiges Weglaufen bei ihm auslöste, weil ihm die Vorstellung unerträglich war, ich könnte nicht mehr zurückkommen. Welchen Sinn machte es, ihm zu versichern, dass mir ein Leben ohne ihn undenkbar schien, wenn ich ihm mit meinen Aktionen dauernd das Gegenteil bewies? War es da ein Wunder, dass er mir seine Vergangenheit nicht rückhaltlos offenbarte?

Ich musste aufhören, vor ihm wegzulaufen. Gideon und ich mussten gemeinsam für diese Sache kämpfen, für uns, wenn wir nicht alle Hoffnungen auf eine dauerhafte Beziehung begraben wollten.

»Bin ich Ihnen jetzt was schuldig?«, fragte ich in neutralem Tonfall und winkte Mark, der zum Essen ging.

Magdalene seufzte. »Gideon und ich kennen uns schon ewig. Unsere Mütter sind eng befreundet. Wir werden uns also zwangsläufig häufiger begegnen, Eva, und es würde mich freuen, wenn sich dabei unangenehme Spannungen vermeiden ließen.«

Diese Frau war mir gegenübergetreten und hatte mir gesagt, dass ich »erledigt« sei, sobald Gideon mir »seinen Schwanz reingesteckt« habe. Und den Spruch hatte sie mir absichtlich in einem Moment an den Kopf geworfen, als ich bereits völlig verunsichert gewesen war.

»Hören Sie, Magdalene. Wenn Sie kein Theater veranstalten, werden wir schon miteinander auskommen.« Und da sie so offen mir gegenüber gewesen war, fügte ich hinzu: »Meine Beziehung zu Gideon kann ich auch ganz alleine vermasseln, glauben Sie mir. Dafür brauch ich keine Hilfe.«

Sie lachte leise. »Da lag vermutlich mein Fehler … Ich war immer zu vorsichtig und zu entgegenkommend mit Gideon. Bei Ihnen muss er dran arbeiten. Wie auch immer … meine Minute ist vorbei. Ich werde Sie nicht länger aufhalten.«

»Schönes Wochenende«, sagte ich anstelle eines Dankeschöns. Ich traute ihren Beweggründen noch immer nicht.

»Ihnen auch.«

Ich legte auf. Mein Blick fiel auf die Fotos von Gideon und mir. Sofort überkam mich das Gefühl, meinen Besitz verteidigen zu müssen. Er gehörte mir, aber ich war mir nie sicher, ob dies auch morgen noch der Fall sein würde. Und die Vorstellung, eine andere Frau könnte ihn bekommen, machte mich verrückt.

Ich öffnete die unterste Schreibtischschublade und kramte das Smartphone aus meiner Handtasche. Ich wollte unbedingt, dass er mit derselben Besessenheit an mich dachte, daher packte ich meine plötzlich übermächtige Gier, ihn ganz besitzen zu wollen, in eine SMS: Ich würde alles dafür geben, jetzt deinen Schwanz zu lutschen.

Wenn ich nur an Gideons Gesichtsausdruck dachte, wenn ich ihn zwischen die Lippen nahm … die animalischen Laute, die er ausstieß, kurz bevor er kam …

Ich stand auf, löschte den Text, sobald die Sendebestätigung erschien, und verstaute das Handy wieder in meiner Handtasche. Da es mittlerweile Mittag war, schloss ich alle Fenster auf meinem Bildschirm und ging zum Empfang, um Megumi abzuholen.

»Hast du auf irgendetwas Spezielles Lust?«, fragte sie und stand auf, was mir Gelegenheit gab, ihr ärmelloses lavendelfarbenes Kleid zu bewundern.

Ich räusperte mich, da ich bei ihrer Frage unwillkürlich an meine SMS denken musste. »Nein. Entscheide du. Ich bin nicht wählerisch.«

Wir drückten die Glastüren auf und traten zu den Fahrstühlen.

»Ich bin dermaßen reif fürs Wochenende«, stöhnte Megumi, während sie mit ihrem Acrylnagel auf den Rufknopf einstach. »Noch anderthalb Tage.«

»Hast du was Besonderes vor?«

»Das wird sich zeigen.« Sie seufzte und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Blind Date«, erklärte sie zerknirscht.

»Ach so. Vertraust du denn der Person, die den Kontakt hergestellt hat?«

»Meine Mitbewohnerin. Der Typ dürfte also zumindest gut aussehen, schließlich weiß ich, wo sie nachts schläft, und ich würde mich sonst empfindlich an ihr rächen.«

Ich lächelte. Eine Kabine erreichte unser Stockwerk, und wir stiegen ein. »Tja, damit steigen deine Chancen auf einen erfolgreichen Abend natürlich.«

»Nicht wirklich, denn sie hat ihn selbst gerade erst bei einem Blind Date kennengelernt. Sie schwört, er sei super, bloß eben mehr mein Typ als ihrer.«

»Hmm.«

»Genau, oder?« Megumi schüttelte den Kopf und sah zu der dekorativen altmodischen Nadel hoch, die über den Fahrstuhltüren die Etagen anzeigte.

»Du musst mir unbedingt erzählen, wie es gelaufen ist.«

»Oh, ja. Drück mir die Daumen.«

»Auf jeden Fall.« Wir traten gerade in die Eingangshalle hinaus, als es in der Handtasche unter meinem Arm zu vibrieren begann. Ich kramte nach meinem Handy, während wir uns durch die Drehkreuze schoben, und erschrak bei Gideons Namen auf dem Display. Er textete nicht zurück, er rief direkt an.

»Entschuldige mich«, sagte ich zu Megumi, bevor ich das Gespräch annahm.

Sie winkte nur lässig ab. »Mach ruhig.«

»Na, du«, begrüßte ich ihn neckisch.

»Eva.«

Das Knurren, mit dem er meinen Namen ausstieß, brachte mich aus dem Takt. In diesem Reibeisenton lag die Verheißung unbeschreiblicher Wonnen.

Ich verlangsamte meinen Schritt und bekam keinen Ton mehr heraus, nur weil er meinen Namen mit dieser erregenden Vibration aussprach. Ich wusste ganz genau, dass er sich in diesem Moment nichts auf der Welt sehnlicher wünschte, als in mir zu sein.

Menschen, die das Gebäude verließen oder betraten, strömten an mir vorbei, während mich das prickelnde Schweigen am anderen Ende in seinen Bann schlug. Dieses stumme, fast unwiderstehliche Verlangen. Gideon gab nicht den kleinsten Laut von sich. Nicht einmal sein Atem war zu hören, und dennoch spürte ich seine Begierde. Ohne Megumi, die geduldig auf mich wartete, wäre ich jetzt schon im Fahrstuhl auf dem Weg in die oberste Etage gewesen, um seinem wortlosen Befehl nachzukommen und mein Versprechen einzulösen.

Ich erinnerte mich daran, wie ich ihm schon einmal in seinem Büro einen geblasen hatte, und die Bilder machten mir den Mund wässrig. Ich schluckte heftig. »Gideon …«

»Du wolltest meine Aufmerksamkeit erregen – das ist dir gelungen. Jetzt möchte ich hören, wie du es laut aussprichst.«

Ich spürte, wie ich errötete. »Das kann ich nicht. Nicht hier. Ich ruf dich später zurück.«

»Geh zu den Säulen rüber, raus aus dem Trubel.«

Verwirrt sah ich mich nach ihm um. Dann fiel mir ein, dass im Display sein Büroanschluss angezeigt worden war. Ich sah hoch und suchte nach Überwachungskameras. Sofort fühlte ich seinen Blick auf mir – glühend und fordernd. Seine ungehemmte Lust heizte meine Erregung weiter an.

»Beeil dich, mein Engel. Deine Freundin wartet.«

Ich trat an die Säule. Mein Atem ging schnell und hörbar.

»Und jetzt erzähl mal. Deine Nachricht hat ihn steif und hart gemacht, Eva. Was genau willst du jetzt tun?«

Meine Hand wanderte zu meinem Hals, während ich Megumi, die mich fragend ansah, einen hilflosen Blick zuwarf. Ich streckte einen Finger in die Luft, um ihr eine weitere Minute Zeit abzubitten, wandte ihr dann meinen Rücken zu und flüsterte: »Ich will dich in meinem Mund haben.«

»Warum? Um mit mir deine Spielchen zu treiben? Um mich zum Narren zu halten, wie du es jetzt tust?« Sein Tonfall war keineswegs hitzig, sondern ruhig und streng.

Sobald Gideon ernst über Sex sprach, war höchste Vorsicht geboten, das wusste ich mittlerweile.

»Nein.« Ich sah zu der kleinen runden Metallkappe an der Decke hinauf, in dem die nächste Überwachungskamera steckte. »Um dich zum Höhepunkt zu bringen. Ich liebe es, wenn du kommst, Gideon.«

Er atmete tief aus. »Also ein Geschenk.«

Nur ich verstand, welch große Bedeutung es für Gideon hatte, einen sexuellen Akt als Geschenk zu betrachten. Für ihn hatte Sex früher nur aus Schmerz und Erniedrigung oder aus Zwang und Geilheit bestanden. Erst jetzt mit mir ging es dabei um Freude und Liebe. »Auf jeden Fall.«

»Schön. Denn du bist mir sehr wichtig, Eva, ebenso wie unsere Beziehung. Selbst unser unstillbares Verlangen, einander ständig vögeln zu wollen, ist wertvoll für mich, da eine Bedeutung dahintersteckt.«

Ich sackte gegen die Säule, weil mir auf einmal klar wurde, dass ich wieder in eine alte destruktive Gewohnheit zurückgefallen war. Ich nutzte sexuelle Anziehung, um meine eigenen Unsicherheiten zu überspielen. Solange Gideon mich begehrte, konnte er niemand anders begehren. Woher wusste er bloß immer, was in meinem Kopf vorging?

»Ja«, hauchte ich und schloss die Augen. »Es bedeutet etwas.«

Es hatte eine Zeit gegeben, in der ich Sex dazu benutzt habe, Zuwendung zu spüren, und dabei vorübergehende Lust mit aufrichtiger Zuneigung verwechselte. Aus diesem Grund musste nun für mich erst eine gewisse freundschaftliche Basis herrschen, bevor ich mit einem Mann ins Bett steigen konnte. Nie wieder wollte ich aus dem Bett eines Liebhabers kriechen und mich billig und schmutzig fühlen.

Und ganz sicher wollte ich nicht entwerten, was mich mit Gideon verband, nur weil ich diese unsinnige Angst verspürte, ihn zu verlieren.

In diesem Moment erkannte ich mit Schrecken, wie sehr ich aus dem Gleichgewicht geraten war. Ich schwamm, und ein ungutes Gefühl im Magen sagte mir, dass etwas Schreckliches geschehen würde.

»Nach der Arbeit werde ich dir all deine Wünsche erfüllen, mein Engel.« Seine Stimme wurde wieder tiefer und rauer. »Bis dahin, viel Vergnügen beim Mittagessen mit deiner Kollegin. Ich denke an dich – und an deinen Mund.«

»Ich liebe dich, Gideon.«

Nachdem ich aufgelegt hatte, atmete ich ein paarmal tief durch, um mich zu sammeln, bevor ich zu Megumi zurückging. »Entschuldige bitte.«

»Alles in Ordnung?«

»Ja. Alles bestens.«

»Es brodelt wohl noch immer gewaltig zwischen dir und Gideon Cross, was?« Sie musterte mich mit einem leichten Lächeln.

»Mhm.« Und wie. »Auch hier ist alles bestens.« Ich hätte so gern darüber gesprochen. Ich hätte so gern einfach das Ventil geöffnet und frei heraus von meinen überwältigenden Gefühlen für ihn geschwärmt. Wie mich die Gedanken an ihn beherrschten, in welche Ekstase es mich versetzte, seine Haut unter meinen Händen zu spüren, wie sich die Leidenschaft seiner gemarterten Seele wie eine messerscharfe Klinge tief in mein Innerstes bohrte.

Aber ich konnte nicht. Niemals. Er war viel zu prominent, stand viel zu sehr im Licht der Öffentlichkeit. Exklusive Häppchen aus seinem Privatleben waren ein kleines Vermögen wert. Ich durfte es nicht riskieren.

»Das glaube ich gern, dass mit ihm alles bestens ist«, stimmte Megumi zu. »Kanntest du ihn eigentlich schon, bevor du hier angefangen hast?«

»Nein. Obwohl wir uns vermutlich auch so irgendwann begegnet wären.« Der Grund war unsere Vergangenheit. Meine Mutter spendete große Summen an diverse Hilfsgruppen für misshandelte Kinder, und Gideon tat dies ebenfalls. Zu irgendeinem Zeitpunkt wären Gideon und ich uns also bei einer der Wohltätigkeitsveranstaltungen unweigerlich über den Weg gelaufen. Ich fragte mich, wie diese Begegnung wohl ausgesehen hätte: er mit einer bezaubernden Brünetten am Arm und ich mit Cary. Hätten unsere Körper über größere Distanz hinweg mit ähnlicher Vehemenz reagiert wie an dem Tag, als wir uns in der Lobby des Crossfire Buildings gegenübergestanden hatten?

Er wollte mich schon, als er mich auf der Straße erblickte.

»Ich dachte bloß.« Megumi schob sich durch die Drehtüren nach draußen. »Irgendwo stand, dass es richtig ernst ist zwischen euch beiden«, fuhr sie fort, als ich auf dem Bürgersteig neben ihr stand. »Da dachte ich, dass du ihn wahrscheinlich schon vorher kanntest.«

»Glaub bloß nicht alles, was auf diesen Klatschseiten steht.«

»Also ist es nicht ernst?«

»Das habe ich nicht gesagt.« Bisweilen war es viel zuernst – schmerzhaft und brutal.