Da schau her - Gerhard Polt - E-Book

Da schau her E-Book

Gerhard Polt

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Beschreibung

Hinter Gerhard Polts unvergleichlicher Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt, verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Gerhard Polts große Kunst ausmachen. Die aktualisierte Werkausgabe in vier chronologischen Bänden versammelt sein bis zum heutigen Tag geschaffenes Werk. Die Stücke, Dialoge und Monologe sind in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller entstanden.

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INHALT

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ÜBER DEN AUTOR

Gerhard Polt, geboren 1942 in München, aufgewachsen im Wallfahrtsort Altötting, studierte in Göteborg und München. Seit 1975 brilliert Polt als Kabarettist, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. 2001 wurde er mit dem Bayerischen Staatspreis für Literatur (»Jean-Paul-Preis«) ausgezeichnet, 2019 folgte der Kulturelle Ehrenpreis der Landeshauptstadt München. Polt lebt und schreibt in Schliersee, München und Terracina. Sein Gesamtwerk ist bei Kein & Aber erschienen.

ÜBER DAS BUCH

Hinter Gerhard Polts unvergleichlicher Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt, verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Gerhard Polts große Kunst ausmachen.

Die aktualisierte Werkausgabe in vier chronologischen Bänden versammelt sein bis zum heutigen Tag geschaffenes Werk. Die Stücke, Dialoge und Monologe sind in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller entstanden.

EINLEITUNG

Öha – Aha

Aha, so ist es also, haha, jaja, oder, besser gesagt: Öha. Nicht wahr, weil wenn ich, weil, es is ja doch, im Grunde is es ja gar nicht so erstaunlich. Zum Beispiel, ich gehe auf der Straße und dann überrumple ich ein Kind, also, ich stolpere über ein Kind, das Kind fällt hin, und dann sag ich ja auch nicht »Aha«, sondern dann sag ich: »Öha!« Weil es is ja ganz logisch. Weil das Kind, sozusagen, ah, das was passiert is, darüber wundere ich mich, im »Öha« liegt also doch mehr das Erstaunen, die Verwunderung darüber, was jetzt passiert ist, während, wenn ich sage: »Aha, ah, so ist das«, dann meine ich ja doch wahrscheinlich mehr sozusagen eine Art von »Heureka«, eine tiefe Erkenntnis, die hereinblitzt. Nicht, das »Öha« ist mehr ein körperliches Erstaunen, also ein schwerfällig … Ich sage: »Öha«, und dann ist es schon passiert, nicht, wobei der Weg, bis ich’s erkannt habe, also der Weg, die Distanz vom »Öha« zum »Aha« kann beträchtlich sein, verstehen Sie? Es kann also doch seine Zeit andauern, bis man wirklich von einem tiefen, bedauerlichen oder von einem bedauernswerten »Öha« zu »Aha« kommt. »Öha« – »Ahaa«, ja, das sind natürlich schon zwei Paar Stiefel, ich meine, es gibt sicherlich Leute, die sagen dann und wann: »Aha, ah, so ist das!« Ja, aber wenn sie sagen: »Ahaa, so ist das!«, hätten sie besser doch gesagt: »Öha. Da schau her«, oder vielmehr: »Da schau einer an, öhaha«. Verstehen Sie, wenn einer sagt: »Aha«, dann heißt das, jetzt weiß er das auch, während jemand, der sagt: »Öha«, nicht wahr, der gibt damit kund, dass er vorher überhaupt keine Ahnung gehabt hat, und das entspricht wahrscheinlich viel mehr der Wahrhaftigkeit.

IM ANGESICHT DER GESCHICHTE FRIEDENSPOLITIK UND ÖFFENTLICHER DIENST

Pförtnerloge

Heinz Heubl sitzt in seiner Pförtnerloge. Ein Auto passiert, Heubl grüßt, macht eine wärmende Handbewegung, schaut nach dem Wetter.

Es soll no kälter werdn. I hab ja koa Heizung herin, obwohl ich’s scho lang beantragt hab. Aber es dauert noch, hat’s gheißn. Frühestens nächsten Sommer soll’s so weit sein. Wissen Sie, der Mensch is ja klimaabhängig. Des hams seinerzeit 1943 auch gemerkt. Winter 42/43, Russland. Die deutschen Truppen waren ja scho kurz vor Moskau, wie dieser Kälteeinbruch kam. Demonstriert mit Streichholzschachtel und Zündhölzern die strategische Lage Der Aufmarschplan war ja perfekt. Da die deutsche Linie, Moskau in etwa hier, aber der Russe war ja viel wärmer gekleidet, und in puncto Winter macht ihm natürlich keiner was vor. Jetz schaun S’ her: Die deutsche Flanke etwa hier. Der Russe versucht eine Zangenbewegung, und um dieser Zange zu entgehen, san die Deutschen natürlich wieder zurück, gell, obwohl’s saukalt war. Scho no kälter wie da herin. Während der berühmte Korse, schaun Sie, ich darf verdeutlichen: Des is also Moskau. Da is der Franzose nei, und dann war’s genauso kalt. Der Franzose is ja kleidungsmäßig auch sehr leichtsinnig. Dann hams des Moskau anzündt, aber so a Stadt brennt aa net ewig, und wie dann des Feuer ausgangen ist, hams sich natürlich wieder zurückgezogen, weil, in Frankreich is’s ja bedeutend wärmer.

In Griechenland ham sie natürlich sehr viele Schlachten geschlagen. Weil’s ja bei dene gar keine Winter in unserem Sinne jetz gibt. Selbst wenn s’ im Winter an Krieg gführt ham, war des natürlich viel einfacher, weil’s net so kalt war. Schaun Sie, dieses Marathon. Beginnt Streichholzschachtelformation aufzubauen. De Perser san aufmarschiert, etwa so, es warn natürlich viel mehrer. Und de Griechen, de san auf’n Berg nauf, und dann sans in dieser neuen Formation, des hat Phalanx gheißn, sans neibrochn, de Perser san ausanandgspritzt, na hams es seitlich aufgrollt. – Sie, des hat fei schlecht ausgschaut für de Perser. Obwohl, der Läufer von de Griechen, der wo den Sieg verkündet hat, der is ja dann aa gstorbn, an am Herzinfarkt. Wahrscheinlich, weil’s so heiß war. In Griechenland kann’s manchmal bluatig heiß sein. Grad im Sommer.

Wissen Sie, der Dreißigjährige Krieg, da wurde dreißig Jahre lang durchgekämpft, Sommer wie Winter. Des liegt meiner Meinung nach nur daran, dass keiner nachgebn hat. Und es hat ja auch keiner nachgeben können, weil hätte er nachgegeben, hätte er den Krieg verloren. Aber, wissen Sie, dieser ganze Dreißigjährige Krieg war militärstrategisch betrachtet eine einzige Schlamperei. Da hat sich oft koa Mensch mehr auskennt, wer grad gwonnen hat oder verlorn. Auch finanziell war’s miserabel organisiert. Da sind ständig Gelder ausgeblieben. Sie müssen wissen, Soldat, des kimmt von Sold, net, also Geld. Am Schluss ham dann viele Truppenteile nur noch gegen Vorauskasse gekämpft, also bar, weil an Scheck hat eahna damals koana angenommen.

Ein Mann geht vorbei. Ah, grüß Sie Gott, Herr Süß. – Sie, des war fei der Kammersänger Reiner Süß. Der war im Krieg bei der Panzerabwehr. A Wunder, dass er’s überlebt hat, zur Zeit singt er grad an Wotan. Ich hab mir vorigen Herbst a Autogramm von ihm gebn lassn, des hab i jetzt grad die Tag für vierzig Mark verkauft. Jetz schaug i, dass ich wieder oans kriag, oder vielleicht krieg i sogar zwoa. Des wärn dann achtzig Mark.

Streicht ein Mettwurstbrot. Schaun Sie, was im Laufe der Geschichte Fehler gemacht wurden. Diese Ardennenoffensive war jetzt zum Beispiel scho wieder im Herbst. Jetz schaun S’ her, stelln S’ Eahna vor, des wäre Westeuropa – legt das Wurstbrot zurecht – und das da die Gegend von Malmedy – zeichnet M auf dem Streichwurstbelag. Der Alliierte möchte ja reinkommen. Jetz san de ganzen Panzerverbände im Nordwesten massiert wordn, also hier – zeichnet – ungefähr. Warn ja nur noch taktische Restbestände. Schaun Sie, da war der Frontverlauf – zeichnet –, etwa zwei Tage is in nordwestlicher Richtung ein gewisser Druck verbreitet worden – zeichnet –, aber dann is der Ami bös worn und hat mit seiner Luftwaffe alles beharkt. Zerstochert das Wurstbrot. Erst gab’s eine einfache Frontbegradigung – streicht alten Frontverlauf glatt, zieht neue Linie –, aber dann schwappte das überlegene alliierte Potential durch. Streicht das Mettwurstbrot wieder glatt. Aus, Sense. Der Russe auf der anderen Seite, und das war dann praktisch die Teilung Deutschlands. Schneidet das Brot in der Mitte durch.

Schaun Sie, ein anderes Kapitel: Rom. Da wurden ständig Schlachten geschlagen. Der einzige, der wo keine Auseinandersetzung angestrebt hat, des war dieser Kaiser Augustus. Weil, der hat ganz genau gewusst, feldherrnmäßig is er eine Niete. Weil sonst hams ja große Kriegsherrn hervorgebracht. Noch ein Sonderfall war natürlich die berühmte Schlappe von Cannae, des hat dieser Paullus versiebt. Also net der General von Stalingrad, den schreibt ma mit einem l, sondern der Konsul. So a Römer halt. Bis gschaut ham, warens überflügelt. Dann hams alle in’n Sumpf neimüssn, weil da der Elefant net neikimmt. Der Elefant, des war praktisch der Panzer der Antike. Aber der Hannibal hat dann de Vorteile von seim Sieg net genutzt, weil er is dann ins Winterlager gangen. Sie müssen wissen, diese Neger, de mögen den Winter net, obwohl er in Italien sehr mild is. Drum hams gwartet bis zum nächsten Frühjahr, und des war dann praktisch zu spät. Am Caesar waar des net passiert, weil, der gilt ja als der Erfinder des Blitzkrieges.

Was sagn jetz Sie nachert zum Wunder von Kunersdorf? Auch »Le miracle de Brandenbourg« genannt. Hier zwanzigfache Übermacht, Preußen am Boden, die Infantrie total erledigt, Kavallerie: a paar müde Häupter, sonst nur noch Kadaver, Artillerie keine Spur mehr. – Da der Russe, da der Österreicher, man hat den Preußen praktisch fest im Griff, und keiner greift zu. Nebel war aa koana. Jetz frag ich Sie, warum? Des Kunersdorf, wenn nausgangen waar, wia’s hätt nausgehen müssen, wer weiß, wie’s dann heut ausschaun dad in der Bundesrepublik.

Es gibt natürlich eine Menge Schlachten, wo’s geländemäßig und von der militärischen Potenz her scho von vornherein abzusehn war, wie’s nausgeht. De hätten gar net erst kämpfen brauchen. Ich bin ja eh gegen an Krieg, mich interessiern nur die Schlachten. Scharmützel interessiern mich höchstens am Rande, und auch so Massaker san vom militärischen Standpunkt her uninteressant. Aber leider gibt’s grad von vielen berühmten Schlachten keine exakten Aufmarschpläne, zum Beispiel de katalaunischen Felder, hochinteressant, aber da weiß ma praktisch nur, wie’s nausgangen is. Also zuungunsten der Hunnen.

Wer nicht wagt, gewinnt nicht. I woaß net, wer des amal gsagt hat, aber des gilt fei oft bei so Schlachten. Schaun Sie, eine Handvoll Spanier hat praktisch ganz Südamerika aufgrollt. Die Schlacht bei Cuzco oder so. Leert Streichholzschachtel. Da hat’s gewimmelt voller Inkatruppen, und dieser Fernandez Cortez, a schneidiger Mensch, der is da nei mit a paar Musketen, wie durch an Butterberg. Also, nach europäischem Strategieverständnis ham diese Inkas total versagt. Wahrscheinlich hams halt zu wenig Erfahrung ghabt beim Kriegführn. Einfach neihaun ohne ein Konzept, des hilft doch nix. Die Quittung hams dann auch prompt bekommen.

Schaun S’ her, ich hab mir die Mühe gemacht und hab diese ganzen Schlachten amal zusammengstellt, alphabetisch und nach Jahreszeiten, und da lässt sich eindeutig beweisen, dass die meisten Winterschlachten verloren worden sind, während im Sommer hams fast immer gwonnen. Jetz schaun S’ her – zieht Schlachtpläne aus seiner Aktentasche –, die Schlacht von Ampfing, global gesehen eher unbedeutend, aber hochinteressant, Schlacht von Aktium, so a Seeschlacht, Akroinon, da ham de Byzantiner gwonnen, auch Sommer, Bautzen, Bosporus, da ham mir glei vier Schlachten, Cannae, Cotrone, da ham jetz de Araber gwonnen, Dünkirchen, E – Erster Weltkrieg, des is natürlich a Haufn Zeug, dann F – Fehrbellin, Friedberg, Teutoburger Wald – öha, wie kimmt denn der ins F nei, der ghört doch untert T. Sortiert Teutoburger Wald in T ein. A Ordnung muss sein, weil sonst kennt ma sich nimmer aus. Aber wissen S’, eine Schlacht im klassischen Sinne, des gibt’s ja heutzutag gar nimmer, heut gibt’s ja nur noch mehr so Massaker in der ganzen Welt, und de sammel ich net. Schließt die Mappe.

Vom Kriege

Gaststube. Wirt Buzifal erzählt seinem Gast.

BUZIFAL    Ja, wie is jetz des, kriagn wir jetzt noch ein Bier? Zur Theke Ein Bier! Net, das lässt sich doch nicht bestreiten, dass im Krieg Fehler gemacht wurden, net. Das kann mir keiner sagen, dass da keine Fehler gemacht wurden. Beim Nachschub is es scho losgangen, da waren ja diese ganzen Nachschub … äh … verstopfungen, net. Waren Sie West- oder Ostfront?

GAST    Ich war an der Westfront.

BUZIFAL    Haha, an der Westfront, ja, mein Gott, na, haha, ja da haben Sie überhaupt nichts erlebt, da können Sie eigentlich ja gar nicht mitreden, net. Jetzt passen Sie mal auf, jetzt schauen Sie her. Ich war hier, jetzt passen Sie auf, der Dnjepr da, ich hier, und der Russe in etwa da, net. Jetzt hat man sich natürlich gefragt, wie hinüber, net. Kriegen Sie ein Schweinsbraten?

GAST    Ja, geben Sie mir bitte einen Schweinsbraten!

BUZIFAL    zur Theke Ein Schwein! Zum Gast Der Russe drängt und drängt, net wahr, also die Stalinorgeln haben ja nur so gepfiffen, net wahr. Da ist gestorben worden rings um einen herum. Kriegen Sie noch einen Kartoffelsalat?

GAST    Ja, geben Sie mir noch einen Kartoffelsalat.

BUZIFAL    zur Theke Ein Kartoffel extra für den Herrn. Zum Gast Nein, es war ja grauenhaft, man macht sich ja gar keine Vorstellungen, wie da die Menschen praktisch in den Gräben gelegen und eingegangen sind. Kriegen Sie ein Nachspeiserl?

GAST    Ja, wo ist denn bitte die Herrentoilette?

BUZIFAL    Ja, äh, Eisparfait hätten wir da oder ein Topfenstrudel, grad die Türe links. Ein Kamerad von mir, net, wir liegen im Schützengraben, wir schafkopfen, wir karteln quasi, auf einmal, huit!, ein Pfeifer, hat es ihm einmal den Kopf runtergerissen. Der sitzt ohne Kopf da, net. Ja, schade um den Mann, er hat ein ausgezeichnetes Blatt ghabt, er hätt das Spiel glatt gewonnen.

Die Bunkerführung

Ferdinand Weitel steht vor seinem fast fertigen Einfamilienhaus und erklärt:

Also, wenn’s heuer noch zum Atomkrieg kommen sollte, dann bin ich gefeit. Weil in drei Wochen is er fertig, mei Bunker. Ich mein, eigentlich hätt er ja scho im Mai oder Anfang Juni fertig sein sollen, aber des hat sich dann doch a bissl hinzogn wega dene Zuschüsse und wega de Extras. Der Bunker is auf siebzehn Jahre konzipiert für vier Erwachsene und zwei Kinder, des heißt, die Kinder san ja dann am Schluss aa scho erwachsen. Weil normalerweise planens es ja nur auf acht bis zwölf Jahre. Und mir ham des dann auch optimal kombiniert, Sicherheit und doch a bissl an Komfort. Schaugn Se sich’s an! Winkt und geht voran in die Kellerräume. Mir ham a Sauna drin, Gesellschaftsspiele, Brettspiele, so Mikado, Monopoly, is ja klar, weil in dieser langen Phase der Enthaltsamkeit, da muaßma ja was für die Psyche tun, sonst werst ja trübsinnig. Dann hamma so Musikkassetten, Stereo, an Heino hamma, d’ Vicky Leandros, für festliche Stunden, an Weihnachten sagn mir amal, an Mozart oder an Beethoven, für die Kinder dann an Frank Zappa. Ganz wichtig, die Lebensmittel. Mir ham vier Parzellen randvoll gestaffelt mit Grundnahrungsmitteln, Mehl, Trockenei, Milchpulver, gell, in meiner Familie sans alles leidenschaftliche Mehlspeisenesser, und ich mein, wichtig ist auch dieses Wasserumwälzgerät. Aber ein echter Kostenfaktor ist dieser Luftfilter. Der is hundert Prozent seuchensicher, ich mein, des muss er auch sein, weil sonst kann ich ja gleich draußn bleiben. Zeigt auf einen Umgebungsplan von München. Der Bunker is in Taufkirchen, also genau 18,3 Kilometer von meinem Arbeitsplatz entfernt. Und, ich hab auch an Schleichweg, mussma ja auch. Weil wenn der Ernstfall kimmt, irgendeine Panik, und na zerstrahlt’s es alle. Da kimmt zerscht amal diese Druckwelle, die haut se alle amal umanand, weil d’ Leut san ja so unvernünftig, und den Rest zerstrahlt ja dann der Pilz selber. Also, ich bin ein regelmäßiger Bayern-drei-Hörer. Bevor da überhaupt a Sirene pfeift, bin ich schon drunten. Des heißt, ich und meine Familie. Und zwar ausschließlich, es sei denn, es is jemand ganz stark blutsverwandt. Also, wenn da irgenda Bsuch kamad, na müaßtma sich grad verabschieden, gell? Wenn jetzt der Atomkrieg an am Wochenend stattfinden sollte, dann entfalladn natürlich diese Anfahrtswege, na gangad i glei abi in’n Bunker. Wie gsagt, mir allein, weil sie müssen nämlich bedenken, allein eine einzige Person, die haut uns ja gleich drei bis vier Jahre zruck, proviantmäßig, und na samma am Schluss alle mitanand hin. Zeigt eine Statistik. Nach diesen expertenstrategischen Sicherheitsüberlegungen platzt die Bombe im Münchner Norden, genauer: zwischen München-Nord und München-Mitte. Der Vernichtungskoeffizient hängt jetzt natürlich von der Großwetterlage ab. Ich mein, bei Föhn, da machad’s mir weniger aus, weil dass s’ nach Tirol eine neischmeißen, des halt ich für unwahrscheinlich, des waar ja direkt nausgschmissn. Nein, die Bombe kommt zwischen dem Raum Garching bis Ismaning zur Zündung, und zwar in einer Höhe von 800 bis 1200 Meter Höhe, weil das is ja der optimale Vernichtungsradius einer Wasserstoffbombe heute. Bei einer Steuerfunktionsstörung, kann sein, dass s’ nach Ottobrunn oder Landshut treffen, weil die wolln ja den Raum Ingolstadt aa no mitnehmen. Wenn s’ ins Erdinger Moos neitreffen, na müaßns glei no oane nachschickn. As einzige, wos, sagma mal, schlecht ausschaugad, is, wenn die Bombe direkt, also direkt über Taufkirchen, detoniert. Aber des halt i für sehr unwahrscheinlich, des is äußerst unwahrscheinlich. Also, davon geh ich net aus. Davon kann ich gar nicht ausgehn.

Katastrophenalarm

Eine Alarmsirene pfeift. Im Teppenhaus eines Schulgebäudes biegt eine Klasse um die Ecke ab, Antje Perwallner, die Lehrerin, voran.

FRAU PERWALLNER    Hier über den Hauptaufgang ist der kürzeste Weg, Kleinschmidt, das ist hier kein Volksfest, sondern Atomalarm, also bitte …

Herr Peter Schwertling, der Hausmeister, kommt der Schulklasse entgegen.

HERR SCHWERTLING    Wo wolln S’ denn hin, Frau Perwallner?

FRAU PERWALLNER    Gut, dass ich Sie hier treffe, Herr Schwertling, haben Sie alles aufgesperrt?

HERR SCHWERTLING    Was ’n, wieso?

FRAU PERWALLNER    Ja, ist der Keller offen? Atomalarm!

HERR SCHWERTLING    Ja, genau, Atomalarm, grad hab i zugsperrt.

FRAU PERWALLNER    Was? Sie haben den Keller zugesperrt? Wie kommen wir denn in den Keller?

HERR SCHWERTLING    Ja gar net, die Woch überhaupts net, strenge Anweisung vom Natusius, solang gweißelt wird, bleibt der Keller zua.

FRAU PERWALLNER    So geht das nicht, das ist ja der Sinn der Übung.

An die Schüler Bitte Ruhe, das haben wir gleich geklärt!

Wieder zu Schwertling Wenn wir nicht in den Keller können, brauchen wir ja gar keinen Atomalarm.

HERR SCHWERTLING    Ja, damit hab ich nix zum Dua, strengste Anweisung vom Natusius.

FRAU PERWALLNER    Aber Herr Schwertling, in drei Minuten könnten im Ernstfall die Raketen da sein, das is doch der Sinn des ganzen Alarms.

HERR SCHWERTLING    Des konn scho sei, aber i kriag dann hinterher vom Natusius wieder oans auf’n Deckel. In’n Keller kommt mia koana nei. Ja, i muaß die Brezn herrichten, d’ Pause geht glei o. Macha Sie’s wie S’ wolln. Geht.

FRAU PERWALLNER    schnauft, dann laut an die Schüler Also, alle mal herhörn: Wir begeben uns jetzt nicht in den Keller, sondern wir verlassen das Schulgebäude, gehen diszipliniert in den Schulhof und warten dort auf weitere Instruktionen …

EIN SCHÜLER    Was? Bei dem Regen? So a Sauwetter …

FRAU PERWALLNER    Ja, im Ernstfall könnt ihr euch das Wetter auch nicht aussuchen. Also los!

Frau Perwallner geht allein voran, die Schüler folgen nur zögernd.

EIN SCHÜLER    Sie, Frau Perwallner, was wäre jetzt gewesen, wenn des ein richtiger Atomalarm gewesen wäre?

FRAU PERWALLNER    Das ist eine gute Frage, Huber. In diesem Fall hätte Herr Schwertling den Keller aufgesperrt haben müssen, laut Schulordnung hätte ich ihn dazu zwingen können.

Das Gespenst des Pazifismus

Vitus Maria Deutelmoser entnimmt seiner Mappe einen Apfel, beißt hinein und räsoniert.

Jetzt werd ich doch A13, im Staatsdienst, gell. Da is überraschend eine Stelle frei worden, weil es hat sich herausgestellt, dass der ander a Pazifist gwesen waar. Der hat sich öffentlich dazu bekannt, ohne das geringste, ah, Schamgefühl, sagn mir mal. Ja, des hat doch keinen Sinn, dass ma so jemand hinlässt. A13, diese Position, und dann aso a Einstellung, des geht doch net, da is doch der Pazifismus fehl am Platz. Weil simma uns doch amal ganz ehrlich: Unsere Friedenssituation, des is doch eindeutig nur das Verdienst vom Militär. – Im Osten genauso. I will da gar nichts beschönigen. Da wird der Pazifist sogar – huit, Sie verstehen, de wissen genau, warum s’ ’n eisperrn, i muaß sagn, da kimmt er bei uns no direkt guat weg. Jetzt stelln Sie sich amal vor, mir hätten in der gesamten Welt lauter so Pazifisten, und nachert kimmt der Ernstfall: Dann stehen sich Ost und West einander praktisch wehrlos gegenüber, und dann bumst’s, dann hamma ’n Krieg. Denn diese Pazifisten haben ja noch nie an Krieg verhindert. Oder können Sie mir irgendeinen Krieg nennen, den wo die verhindert hätten? – Eben. Und im Krieg selber sans praktisch so gut wie ein Ausfall, direkt eine Schwächung, und hinterher schlau daherreden, net, des kann a jeder. I moan, was so einer privat macht, des is dem seine Privatsache, gut, Schwamm drüber. Aber im öffentlichen Dienst waar er annähernd ein Schädling, und des haben die im Verwaltungsgericht ihm auch prompt anerkannt. – Er soll ja gsagt habn, Ost und West waar net desselbe, aber er hat überhaupt nix Eindeutigs gegan Osten direkt gsagt, und des is doch eine gefährliche Tendenz, wenn ma so einen dann hilasst. Bitte, ich mein, als Entschuldigung hat er angführt, dass sei Vater a Pfarrer waar oder so, aber wenn die Kirche schon solche Gedanken aussprengt, na muaß ich ihm darauf verweisen, dass mir hier leben, hier, net in Wolkenkuckucksheim – Sie sehng ja, wer den Posten kriagt hat. Also, i muaß schon sagn, mit diesem Pazifismus kimmt er net weit, jedenfalls nicht zum Staat.

Im Staatsdienst

Vitus Maria Deutelmoser sucht in seiner Aktenmappe.

Herrgottsakrament, wo is denn das Dessert? Allwei vergissts mein Nachspeiserl. Wenn ich meinen Dienst so tätigen würde, wie meine Frau den Haushalt, wie die den Haushalt schmeißt, dann würde der Steuerzahler spitzen. Aber Gott sei Dank haben wir ein Pflichtgefühl. Für sich Ah, da hats es versteckt. Beißt in einen Apfel, kaut. Ah, was wir leisten, geht auf keine Kuhhaut, weil wenn mir net dawärn, müaßadn de ganzen Ausländer hier ohne eine Genehmigung, müaßadn die hier frei herumlaufen, net, einfach a so, und das wäre doch eine Schlamperei, die wo seinesgleichen sucht! Wenn man bedenkt, wie viele Ausländer es gibt. Genau genommen sind’s ja alles Ausländer, nur der Deutsche nicht, und sogar da gibt es Grenzfälle. Ja, Sie wern’s jetzt nicht für möglich halten, aber es gibt immer noch Ausländer, die wo … die wo kein fließendes Deutsch reden. Ja, ich … mir ham’s doch auch lernen müssen, und spreche ich heute noch ein fließendes Deutsch. Der deutsche Besinnungsaufsatz is schließlich weltberühmt. Weil ein gutes Deutsch, des wo einer heut, des is so, wie wenn ma, verstehn Sie, des is so, wie wenn ma amal sagad, net, des is quasi eine Rückendeckung für das ganze Leben. Und vor allem Grammatik, net. Da muss man Wert drauf legen, weil da, darin liegt die deutsche Präzision, net, von einem ausländischen Geist hat man ja noch nie was gehört. Weil wenn der Deutsche amal den Geldhahn zudreht, net, is das Ausland erledigt. Net? Aber dann kammadn ja noch mehr Ausländer, drum zahln mir ja, dass der Ausländer im Ausland bleibt. Net? Um das aber finanzieren zu können, müssen mir natürlich – ah – noch mehr, ah, Ausländer hereinnehmen, und darin liegt das Problem. – Sie sehn also, welch eine Verantwortung wir hier haben, net, da herin, und drum bin ich auch ein Spezialist von der Ausländerabteilung, net, des war schon immer mein Wunschtraum, net, und ein Jugendtraum aa. – Sie müaßn Eahna vorstelln, unser Amt, des war ja schon da, da hat’s überhaupt noch gar keinen Ausländer nicht gegeben. Net? Türklopfen, ein schneller Apfelbiss, dann leise Hoppla, jetzt moan i, kimmt oana. Laut Herein!

Der zuständige Mann

Lothar Fürst sitzt in seiner Pförtnerloge. Frau Wehrmann betritt den Amtsvorraum.

HERR FÜRST    Zu wem wollen Sie?

FRAU WEHRMANN    Ja, i brauch a Bestätigung vom Wasserwirtschaftsamt. I war schon amal da, des is so a Klärgruam, ich hab da gsprochen mit einem Herrn Schätzle oder so ähnlich.

HERR FÜRST    Der Herr Schätzle ist zu Tisch.

FRAU WEHRMANN    Ja, aber mir is gsagt worn, bis zwölf Uhr is Parteienverkehr.

HERR FÜRST    Ja, schon möglich, aber ab elf Uhr haben wir Mittagstisch.

FRAU WEHRMANN    Aber is da sonst kein Zuständiger da?

HERR FÜRST    Mei, gnä’ Frau, mir ham hier gleitende Arbeitszeit. Schaun S’ mich an, ich war schon beim Essen, da ham S’ a Glück ghabt, sonst war net amal ich da, wie gsagt, ab elf Uhr is hier Mittagstisch. Und zwar bis vierzehn Uhr.

FRAU WEHRMANN    Ja, aber ich komme jedesmal extra von Aschheim rein in die Stadt. Ich hab ja vorher angrufen, man hat mir gsagt, bis zwölf Uhr Parteienverkehr.

HERR FÜRST    Im Prinzip ja, bis zwölf Uhr Parteienverkehr, aber ab elf Uhr is Mittag.

FRAU WEHRMANN    Ja, aber ich komm doch nicht extra, ja, des is doch, es is, ja aber, des geht doch gar net, es muss doch hier irgendjemand zuständig sein.

HERR FÜRST    Ja, zuständig san viele hier, aber de san jetz net da.

FRAU WEHRMANN    Sie, des is fei allerhand, entschuldigen S’, da muss doch jemand zuständig sein.

HERR FÜRST    Gut, wenn S’ moana … Wählt eine Nummer.

Herr Krüger, ein Beamter, geht vorbei.

Mahlzeit, Herr Krüger.

HERR KRÜGER    Mahlzeit. Was gibt’s ’n heut?

HERR FÜRST    Sauerbraten.

HERR KRÜGER    Ah ja. Ab.

HERR FÜRST    Da, der Herr Krüger, der wär auch für Sie zuständig gwesen.

FRAU WEHRMANN    Aber warum ham S’ ’n dann bitte nicht aufghalten?

HERR FÜRST    Sie ham doch grad gsehn, dass er zum Essen geht. Ins Telefon Jaa, grüß Gott, Herr Deutelmoser, Fürst vom Empfang am Apparat. Sie, Herr Deutelmoser, da is eine Dame wegen irgend so aner Wwwawa …

FRAU WEHRMANN    Wegen Wasserwirtschaftsamt, Klärgrube.

HERR FÜRST    Wega, äh, irgend so a Wasserwirtschaftssache, gell, des is am Schätzle oder am Krüger, jaja, jaaja, haha, jaja, Sie ham da nix …

Zu Frau Wehrmann Er hat damit nix zum Dua, aber Sie können ja selber … Ins Telefon Moment … Übereicht Frau Wehrmann den Hörer.

FRAU WEHRMANN    Ja, guten Tag, Wehrmann. Ich war bereits zweimal hier, äh, und wollte, äh, einen Herrn Schätzle sprechen. Jedesmal war Ihr Herr Schätzle im Urlaub, das andere Mal in Kur, heute is er beim Essen, und nachmittags is er nicht zu sprechen. Ja, aber ich komm ja jedesmal extra von Aschheim hier rein in die Stadt, ich weiß also nicht, wie oft ich hier noch wegen so einer Bagatelle, äh, hier, äh, nachfragen soll. – Äh, das ist mir ganz egal, jaja, neinnein, ich geh erst wieder, wenn ich den zuständigen Herrn gesprochen habe. Das ist mir ganz egal! Knallt den Hörer auf.

Ein Subjekt betritt den Raum und bleibt stehen.

SUBJEKT    Guten Tag …

HERR FÜRST    Gell, i hab’s Eahna glei gsagt.

FRAU WEHRMANN    Das is mir jetz egal. Ich bleibe hier so lange, bis ich hier überhaupt jemand erwische, der hier zuständig ist.

HERR FÜRST    Da können S’ lang warten. Der Herr Schätzle is beim Essen, und der Herr Krüger is grad zu Tisch, des ham S’ selber gsehn, und der Herr Deutelmoser is net zuständig.

FRAU WEHRMANN    Ja, dann warte ich eben, bis dieser Herr Krüger zurückkommt.

HERR FÜRST    Des wird Eahna aber heit nimmer vui helfa, weil wenn er zruck is, is kein Parteienverkehr mehr. Da müssen S’ halt morgen zwischn acht Uhr dreißig und zwölf Uhr wieder vorbeischaun. Da ist Parteienverkehr.

FRAU WEHRMANN    Ja, aber jetz is es doch noch gar nich zwölf Uhr!

HERR FÜRST    Ja schon, aber mir ham gleitende Mittagszeit. Zum Subjekt Was wolln Sie?

FRAU WEHRMANN    Das ist, das ist, also so was, also das ist, das ist, also wirklich, also ich weiß nicht …

HERR FÜRST    Wiederschaun, gnä’ Frau. Zum Subjekt    Also, was wolln Sie?

SUBJEKT    Ja, ich hätte gern …

HERR FÜRST    Gehnga S’ amal her.

SUBJEKT    Ich hätte gern ein Antragsformular wegen einer Dachstuhlerneuerung.

HERR FÜRST    Gehnga S’ amal her. Können S’ lesen?

SUBJEKT    Ja, wieso?

HERR FÜRST    Gut, dann schaun S’ amal. Deutet auf eine Uhr, die Uhr schnappt von einer Minute vor zwölf auf Punkt zwölf Uhr. Da schaun S’ her, und des stimmt, kennan S’ vergleichen. Zeigt seine Digitalarmbanduhr; Subjekt schaut auf seine Uhr. Also, Wiederschaun.

Unser Mann in Bonn

Frau Wiesböck, Garderobenfrau, sinniert:

Mei, Sie, oana war jetz da, kürzlich, der hat mir ja guat gfalln, so a Parlamentarier, wie hat er jetz gheißn, warten S’, er is ganz berühmt wordn, wegan am Eid, den er gschworn hat, naa, halt, Eid is übertrieben, des war ja nur a Meineid, gell, Sie kennen ihn sicher, as Haar so gepflegt nach hintn, glattes dunkles Haar, so a Hornbrille, Schreiner hat er gheißn, naa, Schreiner aa net, aber es war was mit Holzverarbeitung. Mir fallt jetz eigentlich nur sein Künstlername ein, Old Schwurhand. Ja, as Gericht hat ihm extra bestätigt, dass er sich Old Schwurhand nennen darf, Meineidbruder derf er net sagn, aber Old Schwurhand klingt ja auch viel weltmännischer, wo er doch jetz Minister is … Pfeife raucht er gern, na hab ich zu ihm gsagt, bittschön, Herr Schwurhand, da herin darf nicht geraucht werdn, und des hat er durchaus eingsehn, also a sehr netter Herr war’s, a blütenweißes Hemd hat er anghabt, gell, also ganz sauber war er, gschwitzt hat er überhaupts net, aber sie san jetz immer so gehässig zu ihm, wo er doch öffentlich gsagt hat: »Politik ist ein schmutziges Geschäft«, und daran hält er sich ja auch. Er hat mir dann sein Leid geklagt, er hat gsagt, schaun S’, Frau Wiesböck, des is jetz scho so lang her, dass ich absent war, und es wird immer wieder hochgezupft. Wissen S’, und er hat des net verdient, weil er war ja amtlich beglaubigt unzurechnungsfähig, er hat ja immerhin as große Bundesverdienstkreuz kriegt, aber i glaub, des war net für den Eid, des war für a andere Sache. Und wissen S’, ich bin so froh, dass er jetz wieder in der Verfassung war, dass er auf die Verfassung schwörn hat können … Na ja, mir hat er jedenfalls gsagt, Frau Wiesböck, sagt er, wenn ich jetz Minister werd, dann schwör ich Ihnen … und i sag Eahna, auf den Schwur können Sie sich verlassn.

WELT DER WIRTSCHAFT

Das Interview

Am Eingang des Flughafenankunftgebäudes spielt eine uniformierte Blaskapelle die letzten Takte eines Marsches. Fünf Männer mit Sonnenbrillen und arabischer Kluft hören sich das Konzert an, daneben Empfangsdelegierte in europäischen Straßenanzügen. Ein Tonmann überprüft sein Mikrofon. Ein Simultandolmetscher und eine Reporterin in Wartestellung. Die Musik ist zu Ende. Dünner Applaus.

REPORTERIN    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben hier zu Gast bei uns Herrn Muhammed Aljussuf Ali Ben Bakr Abu Aljussuf Ben Schalim, der sich zur Zeit in Deutschland aufhält. Und nun zugleich die Frage: Herr Muhammed Ali Ben Bakr Ben Schalim, Sie sind in die Bundesrepublik Deutschland gekommen, um nicht nur private, sondern auch andere Interessen zu vertreten.

DOLMETSCHER    beginnt ab »Frage« simultan Mister Abu Bakr, do you have any other interests, more private invested, I mean money, in the Bundesrepublik Germany, or what do you think about it.

Mohammed Aljussuf Ali Ben Bakr Abu Aljussuf Ben Schalim legt in bestem Arabisch los, wobei er sich allmählich steigert.

DOLMETSCHER    So – aha – ah so, ja, er meint, also in dem Sinn, er sagt, im Grunde genommen – haha, ja – es ist doch so – weil andererseits – ja, genau – ah geh, na so – ja, was is des, er sagt, augenblicklich bei dieser Sachlage, also Öl. Ja, genau, Öl.

REPORTERIN    beginnt ab »in dem Sinn« simultan Herr Bakr meint – er spricht die internationalen Beziehungen an, hinsichtlich im Grunde genommen überregionaler Phänomene –, wobei andererseits durchaus Fragen offenstehen, die expressis verbis augenblicklich bei dieser Sachlage der Erläuterung bedürfen, durchaus oder besser gesagt, Öl. Mit anderen Worten: Öl. Hoffen wir also auf eine fruchtbare Erweiterung der Beziehungen zwischen Ihrem und unserem Lande, Herr Bakr. Wir bedanken uns für das Gespräch und geben zurück ins Studio.

DOLMETSCHER    Thank you, Mister Bakr, for that interesting speech.

BAKR    Nein, nein, du haben falsch iebersetz, gesagt will sagen, in Europa gehn die Lichter aus.

Die Blaskapelle setzt erneut ein.

Moslem-Man-Power

Hof einer Speditionsfirma. Heinz Brei, Unternehmer, steht am Büroeingang.

HERR BREI    Und dann schicken S’ noch amal a Mahnung an die Firma Fabian. Die solln jetz endlich zahln. Sonst kemman mir mit’m Rechtsanwalt. Ja, also, kommen S’ amal mit, ich zeig Ihnen alles. Also, ich hab meine Firma in den letzten Jahren vollkommen umstrukturieren müssen. Des war, also wegen des allgemeinen Kostendrucks, also war des nicht mehr anders möglich, und auch aus humanitären Gründen, weil welcher anständige Deutsche macht Eahna des heute noch … Ich beschäftige derzeit insgesamt siebenundzwanzig Personen, wovon allerdings eben, wie gesagt, außer mir nur noch vier Deutschstämmige personell zu Buche schlagen, gell, drei Fahrer und eine Sekretärin. Der Rest, des war bisher vorwiegend Personal aus der Türkei. Vor allem aus der östlichen Türkei, so Anatolien und so, aber zur Zeit is unser Betrieb dabei, auf Arbeitskräfte aus Fernost umzurüsten.

Zwei Türken beladen einen Lastwagen.

Da, des is der Herr Kemal und der Herr Öztürk, des san noch zwei Osmanen, aber de ham heut hier ihren letzten Arbeitstag. Ich habe also das Arbeitsverhältnis auflösen müssen, weil ich bemerkte einigen Tätigkeiten gegenüber eine gewisse Reserviertheit, da sans also unverschämt wordn, und dann hams auch noch gewerkschaftlich geliebäugelt, und so was kann ich mir als mittelständischer Betrieb nicht leisten. Wenn da jeder daherkemmad, na kanntn mir zammpackn.

Ein Pakistani taucht aus einem Gully auf.

No, Abdul, wie weit samma? Sind die Batzn weg? Ja, gut ausräumen alles. Da, wenn ich vorstelln darf, des is unser Herr Abdul, einer meiner neuen Mitarbeiter aus Fernost. Der Herr Abdul is aus Belutschistan, er wartet grade auf sein Asyl. Zieht Tablette aus der Hosentasche. Da, Abdul, für dich. Schön einnehmen. Im Munde zergehn lassn, lutschen. – I verabreich eahna oiwei a Vitamin C, dann is aa Kalzium drin, auch so Mineralstoffe und Spurenelemente und Antibiotika, des is a ausgewogene Dosierung, da hams dann ois, was sie brauchen. Weil sie sind keine großen Esser, aber in unserer Branche, also in ara Spedition, da müssens doch oft ganz schön hinlangen, grad beim Schleppen. Jetz zeig ich Ihnen amal die Unterkünfte. Freilich, wir sind hier kein Luxushotel. Deutet auf Lastwagengaragen. Aber die Herren sind ja einiges gewöhnt, daheim hams ja auch nix anders. Gell, also, wie man mit dem Nötigsten zurechtkommt, des wissen die eh, und es is ja auch nur a Zwischenlösung. Weil die meisten von dene san ja nur vierzehn Tag bis drei Wochen da, also, bis eahna Asylverfahren entschieden is, und, im Vertrauen unter uns gsagt, in dene zwei Wochen müssen se sich dann ja praktisch auch rentiert haben, Sie verstehn. Also, da, da sind dann alle dreiundzwanzig Herren einquartiert. Die sparen sich dadurch den Weg zum Arbeitsplatz, sie sind unter sich, also direkt fast wie daheim.

Zwei Pakistanis schleppen ein Schrankwandteil vorbei.

Obacht! Aufpassen! Das sind Möbel! Vorsicht! – Des kennen die net, Möbel … Sie, mei Transportversicherung dad fei für Transportschäden nicht aufkommen, wenn die wüsstn, dass ich nur noch Pakistani beschäftige. Da sieht ma halt, dass es doch immer noch Ressentiments, also Vorurteile, gibt in unserer Bevölkerung. Überhaupt, man wird heute mit enormen Problemen belastet, wenn man sich dieser Leute annimmt. Also, man muss findig sein, weil offiziell geht da heutzutage nicht mehr viel, de Behörden blockiern fast ois, obwohl die Nachfrage nach Beschäftigung gerade in diesen Kreisen außerordentlich groß ist. Also die Behörden san da stur. Ma muss es auf der anderen Seite auch amal so sehn: Deutschland spart sich dadurch eine Menge Sozialballast. Der Krankenstand is bei meinem Betrieb inzwischen auch praktisch bei Null, auf Sauberkeit wird bei uns sehr geachtet, scho wega der Seuchengefahr, und wenn wirklich amal einer krank wird, ich hab meine Bezugsquellen, ich hab da keinerlei Probleme, dass ich die betreffende Person austausch, aber des is sehr selten, weil diese jungen Leute, die wollen eben noch arbeiten. Mir ham auch gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen, also, die Fremdenpolizei, die is bei uns noch nie fündig geworden, es is halt alles eine Frage der Organisation. Jetz passen S’ amal auf.

Er bläst in Trillerpfeife, sämtliche Pakistanis verschwinden in diversen Löchern.

Sehn S’ as, die san unheimlich gut trainiert, sich zu verstecken, die wissen genau, es geht um ihren Arbeitsplatz.

Er pfeift dreimal, die Pakistanis tauchen wieder auf.

Weitermachen, gell! – Schön weitermachen.

Ein Lastwagen kommt auf den Hof gefahren.

FAHRER    Servus, Heinz, i hab wieder oa. Brauchst was?

BREI    Ja, oan kannt i no braucha. – Sie müssen entschuldigen, ich hab jetz zu tun …

FAHRER    klopft an große Werkzeugkiste Hallo, Sportsfreunde, mir san da. Zwei Pakistanis schälen sich aus der Kiste.

BREI    Naa, oana glangt ma daweil. Den andern bringst am Ismeier Winfried, der suacht verzweifelt oan, weil dem hams grad sei ganze Belegschaft ausgwiesn. Deutet. Da, den rechtn nimm i. – Ah, is der scho desinfiziert?

FAHRER    Naa, i hab ’n grad frisch neikriagt, aber de san guat beinand …

BREI    Na geht’s erst amal obi in’n Keller zum Desinfiziern, und dann weist eahm ei.

Der Fahrer zieht einen Pakistani aus der Kiste, drückt den anderen wieder in die Kiste, Deckel zu, nimmt den einen und geht mit ihm in Richtung Keller.

Achmed muss nach Hause

Achmed muss nach Hause,

Ausweisungsstempel is da.

Achmed muss nach Hause,

Rausschmiss aus Firma is nah.

Achmed muss nach Hause,

Muss zuruck nach Anatolia.

Achmed muss nach Hause,

hat nix Gluck in Alemania.

Alles Formular gebracht,

Auto, Arbeit – fort über Nacht,

nur gutt Freund, Achmed gedacht,

Ausländersalterfräulein hat gelacht.

gesprochen

»Weil ich sagen zu Seff,

Mensen geben immer nur Fußdritt.

Ich sagen, Seff, das ist

keine sosiale Klimaa!«

Achmed muss nach Hause,

kommen mit Seff nix mehr klar.

Achmed muss nach Hause,

Arbeit für Achmed is rar.

Achmed überhaupt nix slecht,

Ausländer nur Arbeit mecht,

Achmed sei nur arme Knecht,

Ausländersalterfräulein nix gerecht.

Achmed muss nach Hause,

Ausweisungsstempel is da.

Achmed muss nach Hause,

muss bald raus aus Alemania …

gesprochen

»Seff sagen, er sei Mitleid,

also so ohne Steuerkarte un so,

swarz ich son darf weiterarbeit,

weil Seff sozial …«

Warten auf Dillinger

Eine Kleinbaustelle mit einem abgesicherten Bauloch. Sepp Stößl steht da, seufzt, trinkt, schaut auf die Uhr.

SEPP    O mei, der is oiwei no net da. Oiwei desselbe mit dem Dillinger. – I sag S’ Eahna glei, wie’s is: Wenn da Dillinger net kimmt, dann geht hier gar nix mehr. Wei i hätt ja im Grunde scho heut früh um achte in St. Öd sei miaßn, aba bevor da Dillinger net da waar, hat des ja überhaupts koan Sinn. Wahrscheinlich hat der Dillinger net kemma kenna, weil um zehne, wo er in Griesbeckerszell hätt sei solln, da war er ja aa net. Mei, da Dillinger, der hat halt aa vui um die Ohrwaschl. Aber, da schaugn S’ her, es geht nix voran da, wei da Dillinger no net da war. I hätt ja nachert heut no dringend nach Ecknach nübermüaßn, aber i konn ja da net weg, wei sonst kimmt da Dillinger, und i bin net da, nachert geht wieda nix. Wei, ohne mi waar da Dillinger ja aufgschmissn, wei er – deutet auf Kanalloch – kennt si ja net aus.

DRAGAN    schaut aus dem Kanalloch Aah, Seff?!

SEPP    I hob koa Zeit jetza, i muaß auf’n Dillinger wartn, I wart jetz scho über drei Stundn ununterbrochn, nachert war Mittag, na hab i gmoant, dass er vielleicht zum Mittagessn kimmt, is er aber aa net kemman.

DRAGAN    Ah, Seff, du schauen!

SEPP    Ja, Dragan, was is ’n, ja sehr gut, jetz schaufelst nachert da den Dreck da no mehra auf d’ Seitn, weil wenn da Dillinger kommen, na muaß da de Muffn und des da ois frei sein. Schaufeln.

DRAGAN    Gutt. Taucht weg.

SEPP    Eigentlich is ja ganz guat, dass der Dillinger no net da war, wei bis jetz hätt er eh no nix macha könna, wei de Muffn no net frei war. Na hätt da Dillinger aa bloß wartn müssn, und bei dene Stundenlöhne heit, des geht dann fei ganz schön ins Geld. Aber er, der Dragan, duat sie halt a weng hart, wei sei Kollege, da Miroslav, heut net da is. – Ja, mei, wartma halt wieder …

Sepp wartet, trinkt Bier, ab und zu fliegt eine Schaufel Dreck vorbei.

SEPP    Wenn S’ mich um meine Meinung fragen, also, i glaab, der kimmt heit nimmer. Wei in Töging hätt er ja aa vorbeischaugn solln, beim Obermayr, da hab i aber angrufn, und da is er überhaupts net gwesn, und drum denk i mir, dass er, wenn er überhaupts no kimmt, zerscht beim Obermayr vorbeischaut, und na schafft er’s ja vor Feierabend nia mehr. Na müaßma’s wieder zuaschaufeln, wei morgen is scho Freitag. – Moment, i sag’s eahm. Ah, du, Dragan! He, Dragan! Dillinger wahrscheinlich heute nix mehr kommen. Also, eine halbe Stunde du noch aufschaufeln, und wenn Dillinger dann no net da sein, dann du wieder zuschaufeln, aber wahrscheinlich Dillinger heute nicht mehr kommen, oder was moanst du? – Sie, der Dragan meint aa, des wird heut nix mehr. – Ja, i glaab, des hat jetz koan Sinn mehr, wei dass da Dillinger heut no kimmt, des is äußerst unwahrscheinlich. I glaab, i sag’s eahm glei, wei mir müaßma ja heit no fertig wern. Ah, du, Dragan! He, halt, stopp! Nix mehr freischaufeln! Du jetz besser raufkommen und wieder zuschaufeln! Weil morgen ja schon Freitag!

DRAGAN    steigt mit Schaufel aus dem Kanalloch Gutt. Beginnt wieder einzuschaufeln.

SEPP    Jetz lass i eahm derweil wieder zuaschaufeln, wei wenn da Dillinger wirklich noch auftauchen sollte, na konn er’s ja oiwei no wieda freischaufeln. Mei, mit dem Dillinger, glauben S’ ma’s, des is oiwei desselbe …

Das Kalkül

Kioskbesitzer Karlheinz Pfeiffer kalkuliert.

Ja, es ist doch eine Zumutung, des ist ja des ganze Schlamassel, net, dann kommt er daher und sagt zu mir, wo ich zu ihm gsagt hab, Herr Wild, sag ich, des müssen Sie doch zugeben, net, weil Sie sind ja schließlich Großbäcker, und, sag ich, Sie können ja die Investitionen betätigen, aber unsereiner muss ja schließlich schaun, wo ich bleib, net, wo, wo das Ganze sich doch in eine Unrentabilität hineingesteigert hat, quasi … Das hat es ja damals auch schon geheißen mit dem neuen Sturmgewehr, net, na haben die Leute alle gsagt, ja, wenn’s zum Tragn kommt, net, dann