Damien und die Silbernadel - Matthias Boden - E-Book

Damien und die Silbernadel E-Book

Matthias Boden

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Beschreibung

Der junge Damien muss nach den Sommerferien auf eine neue Schule wechseln. Dort erfährt er durch eine Führung mit seinen Freunden, dass diese Schule eine lange zurückreichende Vergangenheit besitzt. Unter anderem gab es auch eine Geschichte eines alten Mannes, der vor vielen Jahren im Nebenhaus lebte. Der alte Jeremias, der erste Besitzer und Arbeiter, der das alte Gemäuer bauen ließ, versteckte dort lange vor dem Krieg einen wertvollen Schatz. Laut den Lehrern konnten die Reichtümer noch nicht gefunden werden. Zusammen mit seinen Freunden Laura und Ralf findet er auch eine erste Spur. Neben dem langweiligen Schulalltag beginnen die Drei der Spur zu folgen. Die drei beginnen bald schon daran zu zweifeln, ob es diesen Schatz auch wirklich gab, denn um ihn zu finden müssen sie viele Rätsel lösen.

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Seitenzahl: 272

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Damien und die Silbernadel

Roman

Matthias Boden

Copyright © 2022

Alle Rechte bei Matthias Boden

Werrestraße 107b

32049 Herford

E-Mail: [email protected]

9783754660928

Inhalt

Prolog

1. Kapitel

Erste Woche

2. Kapitel

Zweite Woche

3. Kapitel

Dritte Woche

4. Kapitel

Vierte Woche

5. Kapitel

Vierte Woche

Fünfte Woche

6. Kapitel

Fünfte Woche

7. Kapitel

Fünfte Woche

8. Kapitel

Sechste Woche

9. Kapitel

Sechste Woche

10. Kapitel

Siebte Woche

11. Kapitel

Siebte Woche

12. Kapitel

Siebte Woche

Achte Woche

13. Kapitel

Achte Woche

14. Kapitel

Achte Woche

15. Kapitel

Neunte Woche

16. Kapitel

Neunte Woche

Zwölfte Woche

17. Kapitel

Zwölfte Woche

18. Kapitel

Zwölfte Woche

19. Kapitel

Zwölfte Woche

20. Kapitel

Zwölfte Woche

Epilog

Siebzehnte Woche

Danksagung

Prolog

Es war noch früh am Mor­gen und die Son­ne war eben erst auf­ge­gan­gen, als sich die Tür zu Da­miens Kin­der­zim­mer öff­ne­te. Sei­ne Mutter weck­te ih­ren Sohn lie­be­voll an die­sem Tag. Die lan­gen Som­mer­fe­rien waren an die­sem Mon­tag zu En­de und Da­mien kam in die sieb­te Klas­se. Die er­sten vier Jah­re sei­ner Schul­zeit auf der Grund­schu­le waren vor­beige­gan­gen und die Ge­samt­schu­le, die er und sei­ne Freun­de da­nach be­such­ten, muss­te auf­grund von Bau­fäl­lig­keit ge­schlos­sen wer­den.

Sei­ne ehe­ma­li­ge Klas­sen­leh­re­rin war der Mei­nung, dass er das Zeug da­zu hat­te auf das Gym­na­si­um zu ge­hen. In sei­ner Heimat­stadt gab es ei­ni­ge Bil­dungs­ein­rich­tun­gen, die mehr oder we­ni­ger weit von sei­nem Wohn­ort ent­fernt waren. Am An­fang der Fe­rien setz­te sich Da­mien zu sei­ner ge­lieb­ten Ma­ma, die ent­schei­den soll­te, wel­che Schu­le für Da­mien die rich­ti­ge war. Na­tür­lich durf­te er selbst ent­schei­den, auf wel­ches Gym­na­si­um sei­ner Heimat­stadt er von nun an ge­hen woll­te.

Die vielen Freun­de sei­ner bis­he­ri­gen Schul­zeit ver­teil­ten sich auf un­ter­schied­li­che Ein­rich­tun­gen. Man­che soll­ten eher die Re­al­schu­le be­su­chen und ei­ni­ge we­ni­ge die Haupt­schu­le. Da­mien durf­te sich wie­der ein Gym­na­si­um aus­su­chen, an dem er die näch­sten Jah­re ver­brin­gen woll­te. Sei­ner Mutter war es nicht ent­gan­gen, dass Da­mien nicht glü­cklich da­rüber war, sei­nen hal­ben Freun­des­kreis zu ver­lie­ren. In sei­nem Al­ter kam dann auch lang­sam noch das In­te­res­se am an­de­ren Ge­schlecht hin­zu.

Na­tür­lich gab es auch in sei­ner Grund­schul­klas­se ei­ne Schü­le­rin, mit der er sich präch­tig ver­stand. Aller­dings lau­te­te ih­re Emp­feh­lung nur Re­al­schu­le und nicht wie bei ihm Gym­na­si­um. Sie war ihm wich­tig und die Aus­sicht da­rauf nicht mehr je­den Tag mit ihr zu­sam­men zu sein war für den Jun­gen nicht schön. Lau­ra, so hieß die jun­ge Da­me, kann­te er schon seit dem Kin­der­gar­ten. Sie war so alt wie er und wohn­te gar nicht weit ent­fernt. Da­nach waren bei­de auf die Ge­samt­schu­le ge­wech­selt, die jetzt ge­schlos­sen wur­de.

Selbst­ver­ständ­lich be­such­te sie auch die­sel­be Grund­schu­le des Stadt­vier­tels und sie be­ka­men weite­re Jah­re ge­schenkt. Jetzt soll­ten sie aber alle auf ei­ne an­de­re Ge­samt­schu­le wech­seln. Auch ein paar sei­ner Freun­de wech­sel­ten auf die­se Schu­le und Da­mien stand An­fang der Fe­rien noch vor der Ent­schei­dung, wel­che Bil­dungs­ein­rich­tung er denn aus dem schier gren­zen­lo­sen Fun­dus wäh­len soll­te. Letz­tend­lich ent­schied er sich, nicht zu­letzt we­gen Lau­ra, auch für die­se Ge­samt­schu­le.

Sei­ne Mutter war da­rüber nicht ganz so be­geis­tert. Immer­hin war die Schu­le ein gan­zes Stück ent­fernt und um sie zu er­rei­chen brauch­te Da­mien ei­ne Bus­fahr­kar­te. Wäh­rend er sei­ne Som­mer­fe­rien größ­ten­teils im Frei­bad des Vier­tels ver­brach­te, muss­te sich sei­ne Mutter um den Rest küm­mern. Kat­ha­ri­na kauf­te ih­rem Sohn ei­nen neu­en Schul­ran­zen samt Mäpp­chen und ei­ni­ge Hef­te. Schaden konn­te es ja nicht schon ein biss­chen was zu Hau­se im Schrank zu ha­ben.

Heu­te war der er­ste Schul­tag und sie soll­te ih­ren ein­zi­gen Sohn zum er­sten Tag be­glei­ten. Wie je­den Mor­gen war sie schon et­was län­ger wach und küm­mer­te sich um das Früh­stück. Sei­nen We­cker über­hör­te Da­mien noch et­was öf­ter. An man­chen Ta­gen ig­no­rier­te der jun­ge Mann das gräss­li­che Klin­geln auch ein­fach. Wer ging schon ger­ne je­den Mor­gen aus dem Haus, um sich in ei­nem gro­ßen Ge­bäu­de das, in sei­nen Augen un­nüt­ze Ge­re­de ei­ner Lehr­kraft an­zu­hö­ren.

In sei­nem Le­ben gab es deut­lich Schö­ne­res, an­statt sich täg­lich ei­ni­ge Stun­den um die Oh­ren zu schla­gen und nach­mit­tags dann auch noch in sei­nem Kin­der­zim­mer von Auf­ga­ben ver­folgt zu wer­den. Le­sen und Schrei­ben konn­te er ja schon. Rech­nen klapp­te auch oh­ne grö­ße­re Pro­ble­me und mehr brauch­te man ja auch nicht. Aller­dings hat­ten die Er­wachs­enen sich ei­nen per­fi­den Plan aus­ge­dacht. Da­mien soll­te noch mehr Un­sinn ler­nen, den er nicht brau­chen konn­te.

Wen in­te­res­sier­te es schon, wie ein Be­richt in ei­ner Zei­tung auf­ge­baut war oder wie viele Ge­dich­te es gab, die man ihn noch zwin­gen woll­te, aus­wen­dig zu ler­nen. An­fangs kö­der­te man ihn noch mit der Aus­sicht auf ei­ne hö­he­re Schu­le. Dass ihn dann aber noch ein­mal neun Jah­re Schu­le er­war­ten wür­de, ver­schwieg man aller­dings. Ler­nen, um noch mehr zu ler­nen. Auf so ei­ne be­scheu­er­te Idee konn­ten auch nur Er­wachs­ene kom­men.

Ihm er­klär­te man dann immer wie­der, dass je hö­her sei­ne Schul­bil­dung war, um­so mehr Geld konn­te er spä­ter bei der Ar­beit ver­die­nen. Das war na­tür­lich Un­sinn. Lio­nel Mes­si ver­dien­te je­des Jahr Mil­lio­nen auf dem Sport­platz. Der muss­te auch nicht vor ei­nem Tor­schuss ei­ne Mat­he­ma­ti­kauf­ga­be lö­sen. Wo­zu soll­te er über­haupt Rech­nen kön­nen? In der heu­ti­gen Zeit mach­ten so et­was klei­ne Taschen­rech­ner und Com­pu­ter schnel­ler und ge­nau­er. Selbst sein Han­dy konn­te das schon in ein paar Se­kun­den und ihn quäl­te man in der Schu­le mit Text­auf­ga­ben.

Die­se Text­auf­ga­ben in sei­nen Bü­chern waren für Da­mien der letz­te Mist. Für ihn hör­te sich das un­ge­fähr so an: Bau­er Hein­rich hat ei­nen Ap­fel­baum in sei­nem Gar­ten. Da­ran hän­gen 30 Kilo­gramm Oran­gen. Wie viele Bir­nen kann Bau­er Hein­rich bei Re­gen ern­ten?

In der gan­zen Stadt gab es kei­nen Bau­er Hein­rich, den Da­mien kann­te. Auch ei­ne Su­che im In­ter­net er­gab kei­nen Tref­fer für ei­nen Bau­ern mit die­sem Na­men in sei­ner Heimat­stadt. Lau­ra hat­te auch schon ge­sagt, dass sie die­sem Bau­er Hein­rich ei­ne Schau­fel auf das Schien­bein wirft, wenn sie ihn fin­det. Da­mien fühl­te sich nicht wohl an die­sem Mor­gen. Schon das frü­he Auf­ste­hen nach den lan­gen Fe­rien ge­fiel ihm ganz und gar nicht.

Lang­sam schäl­te er sich aus dem war­men Bett und mach­te sich auf den Weg ins Ba­de­zim­mer. Sei­ne Mutter han­tier­te immer noch in der Kü­che. Wie je­den Mor­gen roch es schon wie­der nach die­sem ekel­haf­ten Kaffee. Da­mien hat­te ei­nes Mor­gens mal ei­nen Schluck aus der Tas­se sei­ner Mutter pro­biert. Die­ses Ge­bräu, was sie je­den Mor­gen zu­be­rei­te­te, konn­te man eigent­lich nicht trin­ken. Sein Ka­kao war ihm da viel lie­ber. So­gar Tee schmeck­te ihm deut­lich bes­ser.

Statt sei­nen Frei­zeit­ho­sen muss­te er an die­sem Mor­gen wie­der ei­ne kur­ze Je­ans­ho­se an­zie­hen. Dann setz­te er sich an den Früh­stück­stisch. Dort war­te­te schon ein Glas Oran­gen­saft und die Tas­se hei­ßen Ka­ka­os auf ihn. Da­miens Ma­gen quit­tier­te den er­sten Schluck Oran­gen­saft mit ei­nem lau­ten Knur­ren. Sei­ne Mutter muss­te la­chen und reich­te ih­rem Sohn das Körb­chen mit den fri­schen Bröt­chen. Es war ziem­lich still am Tisch. Kat­ha­ri­na woll­te ih­ren Sohn nicht schon am frü­hen Mor­gen quä­len.

Das frü­he Auf­ste­hen tat ihm nicht gut und die Ge­dan­ken an die neue Schu­le freu­ten ihn auch nicht. Der ein­zi­ge schö­ne Ge­dan­ke an die­sem Mor­gen war, dass es nicht mehr lan­ge dau­er­te, bis er wie­der mit Lau­ra Zeit ver­brin­gen konn­te. Auch sein Freund Ralf wür­de an die­ser Schu­le sei­ne näch­sten Jah­re ver­brin­gen. Die­se bei­den kann­te er schon von Kin­des­bei­nen an. Sie waren be­freun­det und hat­ten die letz­ten Wo­chen fast täg­lich mit­ein­an­der ver­bracht.

Nach dem Früh­stück räum­te Kat­ha­ri­na den Tisch ab, wäh­rend Da­mien die Schul­sa­chen in sei­nen neu­en Ran­zen stopf­te. Als sie fer­tig war, frisch­te sie ihr Ma­ke-up noch ein­mal auf, be­vor sie sich auf den Weg zur Bus­hal­tes­tel­le mach­ten. Das wür­de in Zu­kunft Da­miens Schul­weg wer­den. Kat­ha­ri­na woll­te ihn je­den Mor­gen an die Hal­tes­tel­le brin­gen, aber Da­mien hat­te strikt et­was da­ge­gen. Er war kein klei­nes Kind mehr und woll­te auch nicht mehr so be­han­delt wer­den.

Der Über­gang ins Er­wachs­ene­nal­ter ge­stal­te­te sich nicht nur für Da­mien schwie­rig. In sei­nem Körper er­wach­ten lang­sam die Hor­mo­ne, die sei­nen ge­sam­ten Or­ga­nis­mus durch­ein­an­der­brach­ten. Wenn das Tes­tos­te­ron durch die Blut­bahn floss und sich der Körper lang­sam ver­än­der­te, ka­men auch die Eltern an ih­re Gren­zen. Die jun­gen Frau­en und Män­ner lehn­ten sich lang­sam auf und ver­such­ten, ih­ren ei­ge­nen Kopf durch­zu­set­zen.

An die­sem Mor­gen aller­dings, muss­te er sich die Be­glei­tung sei­ner Mutter ge­fal­len las­sen. Sie war eben­falls auf ei­nen Rund­gang durch die neue Schu­le ein­ge­laden. An der Hal­tes­tel­le war­te­te auch be­reits Ralf mit sei­ner Mutter. Da­miens Freund stand in ei­ni­ger Ent­fer­nung sei­ner Mutter. Auch Kat­ha­ri­na muss­te auf Ab­stand blei­ben, da­mit die Jun­gen ih­ren Frei­raum hat­ten. Allei­ne zähl­ten sie nicht mehr zu den Kin­dern, son­dern zu den jun­gen Er­wachs­enen und fühl­ten sich un­ab­hän­gig.

Die bei­den be­freun­de­ten Jungs be­grüß­ten sich mit ei­nem ein­fa­chen Hand­schlag. Kat­ha­ri­na und die Mutter von Ralf kann­ten sich schon län­ger und be­gan­nen ei­ne fröh­li­che Un­ter­hal­tung un­ter Müt­tern. Die Jungs spra­chen über die an­ge­sag­te Musik, die sie bei­nahe in Dau­er­schlei­fe hör­ten. Ei­ni­ge weite­re Fahr­gäs­te ka­men eben­falls hin­zu. Das klei­ne Häus­chen wür­de bei Re­gen schon nicht mehr aus­rei­chen, um allen Fahr­gäs­ten ein tro­cke­nes Plätz­chen zu bie­ten.

Als der Bus end­lich an­kam, dräng­ten sich die äl­te­ren Schüler um die Tür. Der kom­plet­te Bus war schon längst über­füllt. Auch die bei­den Müt­ter stie­gen ein und be­zahl­ten ih­re Fahr­kar­te. Sie alle muss­ten ste­hen und sich an den Sit­zen und Hal­test­an­gen fest­klam­mern. Um­fal­len war eher nicht mög­lich. Der gan­ze Fahr­gast­raum war der­ma­ßen von Men­schen be­setzt, die gar nicht mehr fal­len konn­ten. Ralf und Da­mien fühl­ten sich in dem Bus un­ter all den Men­schen nicht wohl. Für die bei­den jün­ge­ren Fahr­gäs­te war es kaum vor­stell­bar, das je­den Mor­gen mit­ma­chen zu müs­sen.

Ei­nen an­de­ren Weg zu der Ge­samt­schu­le gab es aber lei­der nicht. So­lan­ge Da­mien bei Kat­ha­ri­na war, wür­de er je­den Tag den Bus neh­men. Sei­ne Eltern waren zwar ein Paar, aber leb­ten in ver­schie­de­nen Woh­nun­gen. Zu­sam­men spar­ten sie auf ei­ne Eigen­tums­woh­nung, die sie kau­fen woll­ten. Erst dann wür­den sie zu­sam­men­zie­hen. Sein Vater ar­beit­ete in ei­ner Werk­zeug­ma­che­rei und ih­re Mutter in ei­nem Al­ten­heim. Von acht Uhr am Mor­gen bis zum Mit­tag küm­mer­te sie sich um die so­zia­le In­ter­ak­tion mit den al­ten Men­schen.

Wenn Da­mien bei sei­nem Vater über­nach­te­te, kam er in den Ge­nuss ei­nes kür­ze­ren Schul­wegs. Dann muss­te er mit ei­nem an­de­ren Bus fah­ren, der nicht so voll war. Von der Woh­nung sei­nes Vaters bis zu der neu­en Schu­le waren es nur we­ni­ge Mi­nu­ten. Das brach­te auch noch den Vor­teil, dass er nicht so früh auf­ste­hen muss­te. Die Eltern von Da­mien ei­nig­ten sich da­rauf, dass er bei sei­nem Vater blei­ben konn­te, wenn er erst zur Spät­schicht muss­te. Mor­gens wä­re dann sein Vater bei ihm und am Mit­tag kam dann Kat­ha­ri­na.

Die Fahrt dau­er­te gu­te 20 Mi­nu­ten, bis sie direkt vor dem gro­ßen Schul­ge­län­de aus­stei­gen konn­ten. Hier muss­ten sich die bei­den Jungs von ih­ren Müt­tern füh­ren las­sen, weil sie sich noch nicht aus­kann­ten. Die äl­te­ren Schüler ström­ten mit ih­ren Freun­den in die Klas­sen. Für die Neu­an­kömm­lin­ge gab es ei­ne Be­grü­ßungs­run­de in der Au­la der Schu­le. Vor dem Ein­gang zu dem gro­ßen Saal, in dem schon hun­der­te Stüh­le auf­ge­stellt waren, war­te­te auch schon Lau­ra mit ih­rer Mutter.

Da­mien und Ralf ge­sell­ten sich zu ih­rer Freun­din, wäh­rend die drei Müt­ter zu­sam­men­stan­den. Die neu­en Schüler wur­den lang­sam ner­vös, als es läu­te­te. Die er­ste Schul­stun­de be­gann ge­ra­de. Nur we­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter er­schien die Direkt­orin mit ei­ni­gen Lehr­kräf­ten in der Au­la und bat die neu­en Schüler und de­ren Eltern, auf den Stüh­len Platz zu neh­men. We­nig spä­ter fing die Direkt­orin an, ei­ne kur­ze Re­de zu hal­ten. Die neu­en Schüler muss­ten be­grüßt und auf die ein­zel­nen Klas­sen ver­teilt wer­den.

Zum neu­en Schul­jahr gab es ins­ge­samt sieben neue Klas­sen. Lau­ra und Ralf, die bei­de in ei­ne Re­al­schul­klas­se gin­gen, wür­den sich je­den Tag län­ger se­hen. Aber in den Pausen wä­ren sie trotz­dem noch immer zu­sam­men. Nach dem Un­ter­richt in der neu­en Schu­le wä­ren sie dann na­tür­lich wie­der ver­eint. Die Klas­sen­ver­bän­de wur­den in klein­ere Grup­pen ein­ge­teilt und dann über das Ge­län­de der Ge­samt­schu­le ge­führt. Es war ein rie­si­ges Are­al, auf dem viele Schul­ge­bäu­de stan­den. Zwi­schen den ein­zel­nen Ge­bäu­den auf ei­nem gro­ßen Hügel stand ei­ne al­te knor­ri­ge Ei­che.

Der Hügel mit dem al­ten Baum war hö­her als die ein­zel­nen Ge­bäu­de und war als klei­ner Park an­ge­legt. Über­all gab es Sitz­ge­le­gen­hei­ten und ver­schlun­ge­ne Pfa­de. Das äl­tes­te Ge­bäu­de wur­de als Ver­wal­tung und Stau­raum ge­nutzt. In den neue­ren waren die ein­zel­nen Un­ter­richts­räu­me un­ter­ge­bracht. Da­ne­ben gab es noch ei­ne mo­der­ne Sport­hal­le, die ne­ben dem Schul­be­trieb auch als Un­ter­kunft für ei­ni­ge Ver­ei­ne ge­dacht war.

Das Herz­stück war ei­ne na­gel­neue Ca­fe­te­ria für die Schüler, in der man auch für ei­nen klei­nen Bei­trag ein war­mes Mit­tages­sen be­kam. So­fort frag­ten die drei bei ih­ren Müt­tern nach, ob sie da­rin auch es­sen dürf­ten. Da es mit dem Schul­geld ver­rech­net wur­de, war es für die ein­zel­nen Schüler der Lehr­an­stalt zu­gäng­lich. Als Ein­tritts­kar­te zähl­te der Schüler­aus­weis, den sie alle be­ka­men. Das war ei­ne klei­ne Plas­tik­kar­te, die sie bei ih­rer Fahr­kar­te für den Bus auf­be­wah­ren konn­ten.

Nach dem Rund­gang über das Ge­län­de konn­ten die Eltern mit ih­ren Kin­dern dort noch ei­ne Tas­se Kaffee ge­nie­ßen, be­vor sie dann wie­der in die Au­la wan­der­ten. Der er­ste Tag an der neu­en Schu­le war straff or­ga­ni­siert und es war­te­ten noch ei­ni­ge Über­ra­schun­gen. Die gan­ze Schu­le hat­te erst im Jahr zu­vor, völ­lig un­ty­pisch für Deutsch­land, auf mo­der­ne Lehr­me­tho­den ge­setzt. Von der Stadt­ver­wal­tung wur­den sie da­für mit ei­ni­gem Geld un­ter­stützt. Auch die Ver­ei­ne und lo­ka­len Ge­schäf­te fi­nan­zier­ten die Schu­le.

Erst im Vor­jahr be­kam je­der Schüler ein Ta­blet mit Zu­gang zu ei­nem Schul­ser­ver, der die ein­zel­nen Auf­ga­ben als Dow­nlo­ad be­reits­tell­te. Die Ge­rä­te waren vor­kon­fi­gu­riert und be­sa­ßen so­gar ei­nen In­ter­netz­ugang. Aller­dings war der stark be­grenzt. Ein klei­nes Netz­werk er­laub­te es, sich un­ter­ein­an­der in ei­nem Chat zu un­ter­hal­ten. An­sons­ten waren da­rauf nur Bil­dungs­sei­ten oder Nach­schlag­ewer­ke frei­ge­ge­ben. Der Rest des In­ter­nets war ge­sperrt und konn­te nicht auf­ge­ru­fen wer­den. Dach­te zu­min­dest die Schu­le bis da­hin. Ei­ni­ge hö­he­re Schüler, die sich mit der Tech­nik be­deu­tend bes­ser aus­kann­ten als die Lehr­kräf­te, fan­den ziem­lich schnell ei­nen Weg, die ein­ge­rich­te­ten Sper­ren zu um­ge­hen.

Da­mien und sei­ne Freun­de be­ka­men ihr neu­es Ta­blet gleich am er­sten Tag. Für sie war das et­was ganz Be­son­de­res. Nicht nur die Schul­taschen wur­den deut­lich leich­ter, weil sie kei­ne teu­ren Bü­cher mehr mit­schlep­pen muss­ten. Die waren alle auf dem Schul­ser­ver hin­ter­legt und je­der Schüler konn­te je­der­zeit da­rauf zu­grei­fen. Das war im Ent­wi­cklungs­land Deutsch­land et­was völ­lig Neu­es. Was es in Tau­sen­den Schu­len in Euro­pa schon seit Jah­ren gab, zähl­te hier noch als Mo­dell­ver­such.

Kat­ha­ri­na er­kann­te das gro­ße Strah­len in den Augen ih­res Soh­nes. Zu Hau­se durf­te er zu ge­wis­sen Zeiten vor dem Com­pu­ter Platz neh­men und ein biss­chen spie­len. Nach dem Schul­wech­sel hat­te er jetzt ein Ta­blet bei sei­nen Schul­sa­chen und brauch­te kei­ne schwe­ren Bü­cher mehr durch die Ge­gend zu tra­gen. Der Vor­teil für die Eltern war auch, dass sie die teu­ren Bü­cher nicht mehr für viel Geld mie­ten muss­ten. Da­mien und sei­ne Freun­de brauch­ten nur noch ih­re Hef­te, die als Nach­schlag­ewer­ke dien­ten.

Die Haus­auf­ga­ben durf­ten sie dann auf dem Ta­blet schrei­ben und elek­tro­nisch ein­rei­chen. Da­für gab es auf dem Ta­blet ein Pro­gramm, in dem sie schrei­ben konn­ten und die fer­ti­ge Auf­ga­be dann ein­fach bei ih­rem Leh­rer hin­ter­le­gen. Nur die Tests wur­den noch auf Papier ge­schrie­ben. Ei­nen Taschen­rech­ner gab es na­tür­lich auf dem elek­tro­ni­schen Hel­fer auch. Aller­dings konn­te man ihn nicht auf­ru­fen, wenn man im Schul­pro­gramm ein­ge­loggt war. Sie muss­ten al­so noch selbst rech­nen und es nicht dem Com­pu­ter über­las­sen.

Kat­ha­ri­na und die an­de­ren Müt­ter be­ka­men ei­ne Lis­te mit Uten­si­lien, die sie für ih­re Schütz­lin­ge noch kau­fen muss­ten. Die er­ste Wo­che in der neu­en Schu­le dien­te noch zum Ein­ge­wöh­nen. Erst dann ging es rich­tig los mit dem Un­ter­richt. Bis da­hin wä­ren die Un­ter­lagen alle be­sorgt und die Schüler wur­den an­der­wei­tig be­schäf­tigt. Die Schu­le hat­te ei­ne eige­ne Ge­schich­te zu bie­ten, die man ih­nen in der er­sten Wo­che nä­her­brach­te.

* * *

1. Kapitel

Erste Woche

Die neu­en Schüler brauch­ten noch ei­ni­ge Ta­ge, um sich in dem Irr­gar­ten an Schu­le zu­recht­zu­fin­den. Na­tür­lich gab es Hin­weis­schil­der, aber sie brauch­ten noch immer ei­nen La­ge­plan. Da­miens Klas­se war in ei­nem re­la­tiv al­ten Ge­bäu­de un­ter­ge­bracht. Trotz des al­ten Ge­mäu­ers war es kom­plett mo­der­ni­siert wor­den. Die al­ten Tages­licht­pro­jekt­oren gab es nicht mehr. Sie waren durch neue Be­amer er­setzt, die in je­dem Klas­sen­raum fest an der De­cke mon­tiert waren.

Man muss­te die Klas­sen­räu­me auch nicht mehr ab­dun­keln, um ir­gend­et­was zu er­ken­nen. Das funk­tio­nier­te jetzt über die Be­amer bei je­dem Wet­ter oh­ne Pro­ble­me. Die meis­ten sei­ner Mit­schüler kann­te Da­mien noch nicht. Aller­dings bil­de­ten sich nach den er­sten bei­den Ta­gen schon ein­zel­ne Grüpp­chen, die sich fan­den. Da­mien hat­te kei­ne Pro­ble­me, neue Be­kannt­schaf­ten zu schlie­ßen. Sei­ne Mit­schüler ka­men aus den un­ter­schied­lich­sten Ge­bie­ten der Stadt.

Die er­sten Stun­den dien­ten noch zur Orien­tie­rung. Man brach­te ih­nen die Ab­läu­fe und die Haus­ord­nung nä­her, da­mit sie sich bes­ser zu­recht­fan­den. Nach Un­ter­richt­sen­de muss­te Da­mien mit sei­nen bei­den Freun­den noch ei­ne Drei­vier­tel­stun­de auf den näch­sten Bus war­ten, der sie nach Hau­se brach­te. Die­se Zeit nutz­ten sie zu­sam­men für ein ge­müt­li­ches Mit­tages­sen in der Ca­fe­te­ria der Schu­le. Be­reits am er­sten Tag hat­ten sie sich ei­nen Tisch ge­si­chert.

Der Um­gang mit dem Ta­blet war noch et­was un­ge­wohnt für die Neu­en. Trotz­dem waren sie stolz, ih­re Auf­ga­ben da­rauf er­le­di­gen zu kön­nen. Vor al­lem die feh­lenden Bü­cher mach­ten es ih­nen ein­fach, ih­re Schul­ta­sche zu tra­gen. Was sie be­nö­tig­ten, waren ei­ni­ge Stif­te, ei­nen Schreib­block und ih­re ein­zel­nen Hef­te. Alles zu­sam­men wog fast nichts. Das Schwers­te in ih­rer Schul­ta­sche war tat­säch­lich das Ta­blet in sei­ner Hül­le, die auch als Stän­der ver­wen­det wer­den konn­te.

Mit dem elek­tro­ni­schen Hel­fer konn­ten sie je­des ein­zel­ne Buch in ein paar Se­kun­den auf­ru­fen. Nur der In­ter­netz­ugang ge­fiel ih­nen über­haupt nicht. Alle Sei­ten, die für sie in­te­res­sant waren, die nichts mit dem Lern­stoff zu tun hat­ten, waren ge­sperrt. Spei­cher­platz gab es ge­nug da­rauf, der aller­dings nicht mit ih­ren Un­ter­lagen ge­füllt wer­den konn­te. Die Ta­blets be­sa­ßen zwar ei­nen Brow­ser, um das In­ter­net zu öff­nen, aber ein­zel­ne Sei­ten auf­zu­ru­fen funk­tio­nier­te nicht. So­gar die Tages­zei­tun­gen waren da­rauf ge­sperrt.

Sei­ne Klas­sen­leh­re­rin war eben­falls et­was, was Da­mien nicht pass­te. Die­se Frau dusch­te schein­bar mit Par­fum und re­de­te wie ei­ne Schlaf­ta­blet­te. Ein Vor­trag von ihr war so ein­schlä­fernd wie ein Kon­zert an klas­si­scher Musik. So­gar der Na­me er­in­ner­te an die Musik aus den ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­ten. Sie hieß Kirs­ten Mo­nart, wur­de un­ter den Schülern aller­dings nur Mo­zart ge­nannt. Schein­bar muss­te sie in ih­rer Schul­zeit das ge­sam­te Kö­chel­ver­zeich­nis aus­wen­dig ge­lernt ha­ben. Die ge­sam­te Klas­se emp­fand die­se Leh­re­rin als Zu­mu­tung.

Ein ein­zi­ger Mo­no­log von ihr könn­te ganz ein­fach den hal­ben Tag dau­ern. Es hör­te sich alles mo­no­ton und ex­trem lang­sam an, was sie er­zähl­te. Zum Glück muss­ten sie Frau Mo­nart aber nur fünf Stun­den in der Wo­che er­tra­gen. Sie un­ter­rich­te­te Deutsch und, wie es sich für ih­ren Spitz­na­men ge­hör­te, Musik. Zum Aus­gleich gab es direkt da­nach dann gleich Sport­un­ter­richt. Da wur­den die Schüler dann auch wie­der wach.

In der er­sten Wo­che gab es auch noch kei­nen rich­ti­gen Stun­den­plan. Das meis­te muss­te sich erst fin­den und war or­ga­ni­sa­to­ri­scher Natur. Den Rest der Zeit füll­te man mit der Ge­schich­te der Schu­le. Das war für die Neu­en sehr in­te­res­sant. So­gar Da­mien, der Ge­schich­te eigent­lich nicht moch­te, war ganz heiß da­rauf mehr da­rüber zu er­fah­ren. Wie man den Kin­dern er­klär­te, ent­stand die gan­ze Schu­le erst im Jahr 1997. Nur das Haupt­ge­bäu­de mit der Ver­wal­tung da­rin war schon Hun­der­te Jah­re äl­ter.

In grau­er Vor­zeit war das gan­ze Ge­län­de ein Wäld­chen, was Holz für den Haus­bau in der Stadt lie­fer­te. An­ge­fan­gen hat­te alles be­reits im 17. Jahr­hun­dert. Viele der al­ten Eichen lie­fer­ten die Bal­ken für die Kons­truk­tion der er­sten Häu­ser, die von Pfer­den bis in die Stadt ge­zo­gen wur­den. Der er­ste Be­sit­zer hieß Je­re­mi­as und grün­de­te am Ran­de des Hügels die Grund­mau­ern des äl­tes­ten Ge­bäu­des. Es dien­te ihm als Wohn­haus und wur­de im Lau­fe der Zeit immer weiter aus­ge­baut.

Die al­te knor­ri­ge Ei­che an der Spit­ze des Hügels war der ein­zi­ge Baum, der dort ste­hen blieb. Erst als die Stadt grö­ßer wur­de und kaum noch Holz brauch­te, gab der al­te Je­re­mi­as sein Ge­schäft auf. Aller­dings be­wohn­te er das Haus noch bis ans En­de sei­ner Ta­ge. Der al­te Baum und das er­ste Haus stan­den schon seit vielen Jah­ren dort. Nach dem Tod des al­ten Je­re­mi­as im Jahr 1743 stand das Ge­bäu­de leer.

Erst kurz vor dem Ver­fall des Hau­ses sie­del­ten sich da­rin ei­ni­ge Vieh­züch­ter an, die das um­lie­gen­de Ge­län­de als Wei­de­flä­che nutz­ten. Dort, wo jetzt die neu­en Ge­bäu­de stan­den, hat­ten sie Stäl­le er­rich­tet. Aber auch die­se Ar­bei­ter ver­lie­ßen ir­gend­wann das Haus und zo­gen weiter. Die ge­bau­ten Stäl­le ließ man ab­rei­ßen, bis nur noch das al­te Haus von Je­re­mi­as dort stand. Im Jahr 1995 als die Bau­flä­chen in der Stadt aus­gin­gen, ent­schloss man sich da­zu, dort ei­ne neue Schu­le ein­zu­rich­ten.

Da­raus ent­stand dann die­se Ge­samt­schu­le und das äl­tes­te Haus stand schon lan­ge un­ter Denk­mal­schutz. Man durf­te es nicht ein­fach ab­rei­ßen. Die Stadt muss­te al­so da­für sor­gen, dass es in gu­tem Zu­stand ge­hal­ten wur­de. Das war ih­nen aller­dings ir­gend­wann zu teu­er. Da die­se Flä­che et­was außer­halb aber ir­gend­wie ge­nutzt wer­den muss­te, ent­schied man sich dann für die Schu­le. Das äl­tes­te Ge­bäu­de konn­te na­tür­lich nicht um­ge­baut wer­den und soll­te dann der Schul­ver­wal­tung ih­ren Platz bie­ten.

Die an­de­ren Ge­bäu­de wur­den dann rund um den Hügel ver­teilt, des­sen Ei­che an der Spit­ze schon von Wei­tem zu se­hen war. Die neu­en Schüler fas­zi­nier­ten aber die al­ten Ge­schich­ten des er­sten Be­sitz­ers. Der al­te Je­re­mi­as war ein son­der­ba­rer Mann. Er war mit den Bäu­men zu ei­ni­gem Reich­tum ge­kom­men, leb­te aber in eher ärm­li­chen Ver­hält­nis­sen. Als er allei­ne hier drau­ßen, fer­nab der Stadt leb­te, trie­ben immer wie­der Diebes­ban­den ihr Un­we­sen und ver­such­ten, die Reich­tü­mer für sich zu ha­ben.

Je­re­mi­as aller­dings ver­steck­te sein Geld an­ge­blich ir­gend­wo auf dem Ge­län­de. Bis heu­te konn­te, nie­mand den Ort fin­den, an dem das üb­ri­ge Geld ver­bor­gen war. Es gab auch nur ei­nen Hin­weis da­rauf. An der west­li­chen Mau­er des er­sten Ge­bäu­des, wo man die ster­bli­chen Über­res­te des Je­re­mi­as ver­grub, gab es noch heu­te ei­ne In­schrift. Sie soll­te der ein­zi­ge Hin­weis auf den Ver­bleib der Reich­tü­mer sein.

Laut der Ge­schich­te han­del­te es sich da­bei um viele Gold­mün­zen und ei­ne Silber­na­del, die eigent­lich für die Hoch­zeit sei­ner ein­zi­gen Tochter ge­dacht war. Aller­dings starb sei­ne Tochter noch vor der Hoch­zeit und die ex­tra für sie an­ge­fer­tig­te Na­del blieb bis heu­te un­auf­find­bar. Die Na­del muss­te al­so noch immer Be­stand­teil des Schat­zes von Je­re­mi­as sein. Nur wo wür­de man den fin­den? Viele Schüler ver­such­ten sich schon seit der Schul­er­öff­nung da­ran, nur bis­her konn­te ihn nie­mand fin­den.

Am drit­ten Tag als die Freun­de beim Mit­tages­sen in der Ca­fe­te­ria auf ih­ren Bus war­te­ten und ihr Mit­tages­sen aßen, be­rich­te­te Lau­ra von ei­nem Be­such in der Biblio­thek. Sie blät­ter­te ger­ne in al­ten Bü­chern und war bei ei­nem ih­rer Streif­zü­ge in ei­nem Buch über die Ge­schich­te des al­ten Je­re­mi­as ge­stol­pert. Dort gab es zu dem Schatz des al­ten nicht nur den ge­schätz­ten Wert von knapp ei­ner Mil­li­on Eu­ro, son­dern gleich noch ein Bild der Silber­na­del. Sie mach­te mit ih­rem Ta­blet ein Bild da­von und leg­te es vor ih­nen auf den Tisch.

Auf dem hel­len Bild­schirm war ei­ne Ab­bil­dung zu se­hen, wie die Na­del aus­sah. Der ört­li­che Gold­schmied, bei dem Je­re­mi­as die Na­del für die Hoch­zeit kauf­te, ver­erb­te in sei­nen Un­ter­lagen ei­ne Zeich­nung, die er ex­tra da­für an­fer­tig­te. Sie war di­gi­tal auf­be­rei­tet wor­den und in dem Buch der Biblio­thek ab­ge­druckt. Da­mien sah sich das Foto an und sah die­se Zeich­nung da­rauf.

Wie ei­ne Na­del sah die­ses Ge­bil­de nun wirk­lich nicht aus. Er stell­te sich die gan­ze Zeit schon ei­ne ganz or­di­nä­re Näh­na­del vor, mit der sei­ne Mutter klein­ere Lö­cher stopf­te. Aber das war eher et­was wie ei­ne Bro­sche oder ei­ne Na­del zum An­ste­cken. Bei­nahe wie ein Ab­zeichen und kei­ne ein­fa­che Näh­na­del, wie sie in je­dem Haus­halt zu fin­den war. Die drei jun­gen Freun­de staun­ten über die­ses fili­gra­ne Ge­bil­de, was im Ori­gi­nal noch ir­gend­wo auf dem Schul­ge­län­de lie­gen soll­te.

Sie waren sich da­rüber ei­nig, dass sie ver­su­chen wür­den, die Rät­sel zu lö­sen und die Reich­tü­mer ir­gend­wie auf­zu­spü­ren. Na­tür­lich wuss­ten sie, dass auch viele an­de­re neue Schüler sich da­ran ver­su­chen wür­den. Alle In­for­ma­tio­nen, die sie fan­den, muss­ten al­so un­ter ih­nen blei­ben und durf­ten nicht mit an­de­ren ge­teilt wer­den. Direkt am näch­sten Tag soll­te die Su­che mit dem er­sten Hin­weis auf dem al­ten Grab­mal be­gin­nen. Ralf und sei­ne bei­den Freun­de woll­ten sich in der Früh­stück­spau­se zu­sam­men­fin­den und dann den Hin­weis ent­schlüs­seln. Beim Mit­tages­sen wür­den sie dann be­ra­ten, was rich­tig war.

* * *

Am näch­sten Mor­gen er­wach­te Da­mien in sei­nem Bett und war be­reit für den Tag. Meis­tens war er viel zu mü­de, um so früh am Mor­gen viel Ener­gie auf­zu­brin­gen. Heu­te war das aller­dings et­was an­de­res. Er konn­te es kaum er­war­ten, in die Schu­le zu kom­men und mit der Su­che zu be­gin­nen. In der er­sten gro­ßen Pau­se woll­ten sich die drei den al­ten Grab­stein an­se­hen, auf dem der er­ste Hin­weis ver­steckt sein soll­te. Die Uhr in der Kü­che zeig­te kurz nach sieben an, als er schon fix und fer­tig an­ge­zo­gen sei­ne Corn­fla­kes ge­noss.

Sei­ne Mutter hat­te kei­ne Ah­nung, was heu­te mit ih­rem Sohn los war. Eigent­lich war er mor­gens kaum in die Schu­le zu be­kom­men. An die­sem Tag war das aber et­was an­de­res. Stän­dig wan­der­te sein Blick auf die Di­gi­ta­lan­zei­ge am Back­ofen, ob er schon zur Bus­hal­tes­tel­le ge­hen muss­te. Sein Trans­port­mittel hielt dort an je­dem Schul­tag um halb acht. Die Fahrt zur Schu­le dau­er­te rund 20 Mi­nu­ten, was ihm noch zehn Mi­nu­ten mit sei­nen Freun­den ließ, be­vor der Un­ter­richt be­gann.

Der Weg zur Hal­tes­tel­le be­nö­tig­te nur fünf Mi­nu­ten. Kat­ha­ri­na, die eben­falls zur Ar­beit muss­te, fuhr von der glei­chen Hal­tes­tel­le weg, nahm da­für aber ei­nen an­de­ren Bus. Sie muss­te in die Stadt­mit­te und Da­mien aus der Stadt raus. Wie je­den Mor­gen ver­lie­ßen Mutter und Sohn die Woh­nung um 20 Mi­nu­ten nach sieben. Das war ge­nug Zeit für den kur­zen Fuß­weg zur Hal­tes­tel­le. Da­mien konn­te es kaum er­war­ten. Zum er­sten Mal war er noch vor Kat­ha­ri­na an der Tür und war­te­te un­ge­dul­dig.

Der Jun­ge war kaum zu brem­sen und Kat­ha­ri­na ver­mu­te­te, er hät­te in sei­ner Klas­se ein Mäd­chen ken­nen­ge­lernt, das ihn in­te­res­sier­te. Sie wuss­te nicht, dass die drei Freun­de heu­te ei­ne be­son­de­re Auf­ga­be be­gin­nen woll­ten. Für Da­mien war ei­ne Mil­li­on, der ge­schätz­te Wert der Hin­ter­las­sen­schaf­ten von Je­re­mi­as, ei­ne wahn­sin­nig star­ke Trieb­fe­der. Am Vor­abend rech­ne­te er sich mit dem Taschen­rech­ner sei­nes Ta­blets aus, dass er 333.000 Eu­ro be­kom­men wür­de. Das war der ge­rech­te An­teil für alle.

Das war die glei­che An­zahl an gu­ten Grün­den heu­te gu­te Lau­ne zu ha­ben. Da konn­te ir­gend­ein Mäd­chen, außer Lau­ra, gar nicht mit­hal­ten. Das Tes­tos­te­ron nahm da erst lang­sam sei­ne Ar­beit auf und brach­te ihn noch nicht durch­ein­an­der. Das wür­de auch noch un­ge­fähr ein oder zwei Jah­re dau­ern, bis da et­was zu mer­ken war. Der Über­gang vom Jun­gen zum Mann hielt noch ei­ni­ge Über­ra­schun­gen be­reit, von de­nen er jetzt noch nichts wuss­te.

Die Ver­ab­schie­dung von sei­ner Mutter fiel heu­te kür­zer als sonst aus. Als er an der Hal­tes­tel­le der Schu­le an­kam, war­te­te Lau­ra schon auf ih­re Freun­de, die mit dem glei­chen Bus ka­men. Die drei be­grüß­ten sich wie je­den Mor­gen. Alle waren ein biss­chen auf­ge­kratzt an die­sem Mor­gen. Die er­sten bei­den Schul­stun­den bis zur gro­ßen Pau­se zo­gen sich aller­dings wie Kau­gum­mi. Da­mien hör­te gar nicht rich­tig hin, was die Leh­re­rin er­zähl­te. Es ging so­wie­so nur um ir­gend­ei­nen Blöd­sinn, den ihn nicht in­te­res­sier­te.

Als es dann end­lich zur Pau­se klin­gel­te, war Da­mien nicht mehr zu hal­ten. So schnell er konn­te, rann­te er aus der Klas­se nach drau­ßen zum Treff­punkt mit sei­nen bei­den Freun­den. Das Grab­mal des al­ten Je­re­mi­as an der Außen­sei­te des Ver­wal­tungs­ge­bäu­des war nicht mehr als ein über­dach­ter Grab­stein. Ne­ben dem Ge­burts- und Ster­be­jahr stand da­rauf nur noch ein Spruch, der kaum ei­nen Sinn er­gab. Zu­sam­men la­sen sie:

Atem­los und oh­ne Atem­not lebt es kalt doch wie der Tod.

Trinkt, ob­wohl es Durst nicht spürt.

Trägt ei­nen Panzer, der nicht klirrt.

Das soll­te ein Hin­weis sein? Nichts da­ran er­gab ei­nen Sinn. Es war nur ein, in ih­ren Augen, däm­li­ches Ge­dicht. Ei­nen Hin­weis stell­ten sich die drei ganz an­ders vor. Ralf und Lau­ra stan­den wie vom Blitz ge­trof­fen vor dem an­ge­bli­chen er­sten Hin­weis. Da­mien hin­ge­gen no­tier­te sich je­des ein­zel­ne Wort auf dem Grab­stein auf ei­nem Stück Papier. Kurz vor En­de der Pau­se mach­te er sich auf den Weg zurück in sei­ne Klas­se.

Er hat­te jetzt noch gan­ze vier Schul­stun­den Zeit, sich zu über­le­gen, was der Hin­weis be­deu­ten soll­te. Der Un­ter­richt lief kom­plett an ihm vor­bei. Da­mien hör­te gar nicht hin, was er­zählt wur­de. Er grü­bel­te über den Zeilen auf sei­nem Blatt. Hät­te sein Ta­blet ei­nen ver­nünf­ti­gen In­ter­netz­ugang, könn­te er dort nach wei­te­ren Hil­fen su­chen. Aber der Schul­ser­ver ließ ein­fach nicht mehr zu als ein­zel­ne Sei­ten mit Lehr­ma­te­ri­al.

Trotz, dass er sich die rest­li­che Zeit da­mit be­schäf­tig­te, kam er auf kein Er­geb­nis. Er konn­te nur hof­fen, dass die an­de­ren bei­den ei­ne Idee hat­ten, de­nen sie fol­gen konn­ten. Erst zum Mit­tages­sen mit Ralf und Lau­ra gab es viel­leicht ei­nen neu­en Hin­weis auf den Schatz. Falls je­mand von ih­nen ei­ne plau­si­ble Idee vor­wei­sen konn­te, wä­ren sie ei­nen Schritt weiter. Nach den sechs Stun­den Schu­le traf er sich mit sei­nen Freun­den zum Mit­tages­sen.

Ralf hat­te sich wie Da­mien den Kopf zer­bro­chen und konn­te auch kei­ne Idee vor­wei­sen. Nur Lau­ra ver­mu­te­te als Lö­sung ei­nen Fisch. Im Was­ser war es kalt und die Tie­re at­me­ten nicht, oh­ne Atem­not zu lei­den. Da ein Fisch im Was­ser leb­te, gab es ge­nug zu trin­ken. Die Schup­pen waren dann wohl sein Panzer, der nicht klirrt. Aber wie soll­te ih­nen ein Fisch weiter­hel­fen? Viel­leicht im Bio­lo­gie­saal, aber der war viel zu neu, um ei­nen al­ten Schatz zu ent­hal­ten.

Ei­nen Teich gab es auf dem Schul­ge­län­de nicht. Zu­min­dest konn­ten sie auf ih­rem Rund­gang über das Ge­län­de kei­nen se­hen. Aber was man nicht un­be­dingt se­hen konn­te, muss­te man eben su­chen. Die drei Freun­de ver­stän­dig­ten sich da­rauf, in den näch­sten Ta­gen das Schul­ge­län­de nach ei­nem Fisch ab­zu­su­chen. Auf je­den Fall muss­te er deut­lich äl­ter sein, sonst konn­te Je­re­mi­as kei­nen Hin­weis da­rauf hin­ter­las­sen.

* * *

2. Kapitel

Zweite Woche

Kurz nach Un­ter­richts­be­ginn am Mon­tag freu­te sich Da­mien. Sei­ne Klas­se be­kam die Nach­richt, dass ih­re Klas­sen­leh­re­rin krank war. Kurz­fri­stig konn­te kein Er­satz für sie be­sorgt wer­den. Das hieß, er hät­te nur ei­ne Stun­de Schu­le und dann zwei Frei­stun­den. Das mach­te die Su­che nach ei­nem Fisch auf dem Schul­ge­län­de ein­fa­cher. Ne­ga­tiv war nur, dass er von sei­nen Mit­schülern er­fuhr, dass sie selbst nach dem Schatz such­ten.

Aller­dings ver­mied es Da­mien, ih­re Er­kennt­nis­se preis­zu­ge­ben. Soll­ten die an­de­ren Schüler selbst auf die Lö­sung mit dem Fisch kom­men. Das brach­te für ihn und sei­ne bei­den Freun­de nur Vor­tei­le. Sie waren den an­de­ren um ei­nen Schritt vor­aus und nach sei­ner Mei­nung soll­te das auch so blei­ben. Ko­misch fand er nur, dass nach die­ser lan­gen Zeit noch nie­mand auf den Fisch als Lö­sung kam. Es muss­te doch schon Klas­sen vor ihm ge­ge­ben ha­ben, die den Hin­weis ent­schlüs­seln konn­ten.

Wäh­rend der er­sten Un­ter­richtss­tun­de such­te er mit sei­nem Ta­blet un­ter den Auf­zeich­nun­gen äl­te­rer Schüler. Er hat­te auf dem Schul­ser­ver ei­nen Be­reich ent­deckt, an dem an­de­re Schüler von ih­ren Er­leb­nis­sen be­rich­te­ten. Das meis­te waren Klas­sen­ar­bei­ten, die spä­ter viel­leicht mal in­te­res­sant waren. Aber es gab auch ei­nen Be­reich, der sich mit dem Schatz be­schäf­tig­te. Doch je län­ger er auch such­te, fand er kei­nen Hin­weis auf ei­nen Fisch.

Schein­bar ver­mie­den es alle Grup­pen, ih­re Er­kennt­nis­se mit an­de­ren zu tei­len. Es war wohl ver­lo­re­ne Zeit. Die er­ste Stun­de an die­sem Mor­gen war Re­li­gi­on, al­so für je­den Schüler ab­so­lut unin­te­res­sant. Nie­mand in sei­ner Klas­se glaub­te an die­sen Un­sinn. Dem­ent­spre­chend be­schäf­tig­ten sich die meis­ten auch mit et­was an­de­rem. Sein Bank­nach­bar, der auf den Na­men Ke­vin hör­te, hat­te sich ei­ni­ge Bü­cher auf sei­nem Ta­blet ab­ge­spei­chert.

Schon seit Be­ginn der Stun­de las er ei­ne Sei­te nach der an­de­ren. Die Schüler hin­ter ihm spiel­ten Kar­ten und ei­nes der Mäd­chen ver­län­ger­te ih­re Nacht. Sie schlief seelen­ru­hig mit dem Kopf auf dem Tisch. Der Pfar­rer an der Tafel hat­te es nicht ein­fach. Nie­mand schenk­te ihm ein biss­chen Auf­merk­sam­keit. Alle war­te­ten wohl nur auf die Klin­gel der er­sten Stun­de. Auch Da­mien sehn­te sich den schril­len Ton her­bei.