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Nach einem sonderbaren Juwelendiebstahl in Kolumbien bittet die leitende Beamtin Interpol um Hilfe. Das Team um Liz Croll und Michael Korn wird durch unangenehme Umstände in den Fall hineingezogen. Zusammen mit einer jungen Kommissarin und einem Kollegen aus Kolumbien übernehmen sie die Ermittlungen. Als nach einem weiteren Diebstahl und einem Mord in den Vereingten Staaten wird der Dieb gefasst. Der Direktor von Interpol entzieht dem Team überraschend den Fall und zwingt sie ihre Ermittlungen aufzugeben begeben sie sich zuhause in Streik. Bernand Roussel, der Verbindungsmann, versucht in Lyon zu vermitteln da es offensichtlich zwei weitere Diebstähle geben soll. Unter Mithilfe der Vorzimmerdame Rhonda Miller kann der Direktor der Beihilfe überführt werden. Das Team muss bei den weiteren Ermittlungen auf die Anführerin Liz Croll verzichten die in Nassau zurückbleibt. Die weiteren Diebstähle weisen auf einen alten Versuchsaufbau hin der es ermöglichen soll kristallines Wachs in jedes Element zu verwandeln. Ein Experte für Juwelen und deren Geschichte kann das Geheimnis für das Team erhellen. Zusammen mit der jungen Kommissarin aus Kolumbien und einer Gerichtsmedizinerin, die den Posten von Liz Croll übernimmt solange sie ausfällt, stöbern den Hintermann auf der sich in einer undurchsichtigen und mächtigen Stiftung versteckt. Doch das Experiment steht schon kurz vor der Vollendung. Zusammen müssen die Ermittler in einem Spiel auf Leben und Tod verhindern das die einmaligen Kunstwerke im kriminellen Untergrund verloren gehen.
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Seitenzahl: 669
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Das Ikarus Puzzle
Michael Korn & Liz Croll Band 2
Ein Thriller von
Matthias Boden
Copyright © 2021
Matthias Boden
Werrestraße 107b
32049 Herford
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Matthias Boden
Prolog
Kolumbien, Cartagena
1. Kapitel
Bahamas, Nassau
2. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
3. Kapitel
Bahamas, Nassau
4. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
5. Kapitel
Bahamas, Nassau
Kolumbien, Cartagena
El Salvador, vor der Küste von San Salvador
6. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
7. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
8. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
9. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
10. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
Kolumbien, Cartagena
11. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
12. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
13. Kapitel
Kolumbien, Cartagena
14. Kapitel
Luftraum über dem karibischen Meer
15. Kapitel
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
16. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
17. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
18. Kapitel
Costa Rica, San José
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
19. Kapitel
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
20. Kapitel
Vereinigte Staaten, Luftraum zwischen Los Angeles und San Diego (CA)
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
21. Kapitel
Vereinigte Staaten, San Diego (CA)
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
22. Kapitel
Großbritannien, London
Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)
Südamerika, Luftraum über Kuba
23. Kapitel
Frankreich, Lyon
Südamerika, Luftraum über Venezuela
24. Kapitel
Großbritannien, London
Bahamas, Nassau
25. Kapitel
Vereinigte Staaten, Detroit (MI)
Großbritannien, London
Frankreich, Lyon
26. Kapitel
Bahamas, Nassau
27. Kapitel
Frankreich, Lyon
Südafrika, Kapstadt
28. Kapitel
Frankreich, Lyon
29. Kapitel
Südafrika, Kapstadt
Bahamas, Nassau
30. Kapitel
Bahamas, Nassau
Großbritannien, London
31. Kapitel
Frankreich, Lyon
Südafrika, Kapstadt
32. Kapitel
Europa, Irgendwo über dem Atlantik
Frankreich, Lyon
33. Kapitel
Südafrika, Kapstadt
Großbritannien, London
34. Kapitel
Frankreich, Lyon
35. Kapitel
Großbritannien, Swansea
Bahamas, Nassau
36. Kapitel
Südafrika, Kapstadt
37. Kapitel
Bahamas, Nassau
Südafrika, Kapstadt
Großbritannien, London
38. Kapitel
Großbritannien, Swansea
Großbritannien, London
39. Kapitel
Großbritannien, London
40. Kapitel
Großbritannien, London
41. Kapitel
Großbritannien, Swansea
42. Kapitel
Großbritannien, Colchester
43. Kapitel
Großbritannien, Colchester
44. Kapitel
Großbritannien, Colchester
Epilog
Frankreich, Lyon
Danksagung
Es war kurz vor ein Uhr als die schlanke, schwarz maskierte Person das Flachdach des Museums erklommen hatte. Mit seinen Gummi besohlten Schuhen war er die weiß gekalkte Backsteinwand hinauf geklettert. Tagelang vorher war er jede Möglichkeit, in das Gebäude zu gelangen in seinen Gedanken durchgegangen. Er hatte genau die Zeit gewählt, in der die Wachmannschaft in der Nacht am unaufmerksamsten war. Wenige Minuten nach Mitternacht hatte er sich dem gut ausgeleuchteten Gebäude von hinten genähert. Um so wenig wie möglich aufzufallen, hatte er sich in einem weißen Overall der Wand gestellt. Seine Silhouette hob sich in dem gleißenden Scheinwerferlicht, das auf das Gebäude gerichtet war, so gut wie nicht ab. Als er endlich oben angekommen war, zog er das weiße Gewebe aus und versteckte es in seinem flachen Rucksack.
Jetzt ganz in Schwarz gekleidet lag er bäuchlings auf dem Dach und schob sein Teleskop langsam durch den kleinen Spalt zwischen dem Lüftungsschacht und der inneren Mauer. Die Bildübertragung auf seine ebenfalls schwarze Brille funktionierte perfekt. Dann sah er auch schon den grauen rautenförmigen Kasten an der Wand. Das Sicherheitssystem des Museums war nicht das beste. Zwar wurde es über die Jahre immer wieder angepasst und verbessert, trotzdem war es hoffnungslos veraltet. Die analoge Videotechnik war sehr leicht auszutricksen. Alles was er dafür benötigte, hatte er am Vorabend ständig aufs Neue kontrolliert. Die Männer in der Überwachungszentrale würden es kaum bemerken eine Videoschleife zu sehen. Vorsichtig schlitzte er die Isolierung des Kabels auf und schob das silberne Drahtgeflecht des Koaxialkabels zur Seite. Den inneren Plastikern schnitt er ebenfalls auf. Das Videobild würde nicht einmal flackern, wenn er seine Videoquelle anschloss. Hoch konzentriert schob er die beiden losen Drahtenden bis zu dem grauen Kasten. Eines verband er mit dem inneren Kupferkern und das andere mit dem silbernen Drahtgeflecht, dann startete er auf seinem digitalen Gerät die Aufnahme. Die Zeitschleife von einer halben Minute würde sich immer wiederholen und zusätzlich einen generierten Zeitstempel in das Bild einfügen. Dann stellte er auf Senden um und brachte den Seitenschneider an seinem Teleskop in Position. In Gedanken überprüfte er noch einmal, ob er keinen Schritt ausgelassen hatte. Als er sich sicher war nichts vergessen zu haben, atmete er noch einmal tief durch und kappte das originale Kabel hinter seiner Anschlussstelle.
Der Videomonitor in der Überwachungszentrale des Sicherheitsdienstes flackerte nur einmal kurz auf, doch dann zeigte er wieder genau das gleiche Bild.
Die schwarze Gestalt entfernte leise das Gitter vor dem Lüftungskanal, bevor er sich kopfüber in die glänzende Röhre gleiten ließ. Seine Hände presste er gegen das ihn umgebende Aluminium, um nicht zu schnell zu fallen. Die drei Stockwerke hinunter zu gelangen, war eine schweißtreibende Angelegenheit. Dann verließ er die senkrechte Röhre und bog in den waagerechten, rechts angeschlossenen Kanal ab. So leise wie möglich zog er sich auf dem Bauch liegend durch die Aluminiumhülle, bis er das Gitter vor dem Raum erreicht hatte. Als er die untere Schraube lösen wollte, begann sie zu quietschen. Er stoppte und holte aus seinem Rucksack ein Fläschchen Öl, was er vorsichtshalber auf alle Schrauben tröpfeln ließ. Er wartete einige Sekunden ab, bis das Schmiermittel in die Gewindegänge vorgedrungen war, bevor wieder anfing, sie herauszudrehen. Leicht schabend verließen sie ihre Position, bis das Gitter vollständig gelöst war. Er zog es durch die Öffnung in den Kanal und legte es weiter vorne ab. Die Öffnung war groß genug für ihn, um durchzuschlüpfen.
Er stand jetzt auf einem mit beigem Kunstleder bezogenen Sessel an der Wand. Etwas weiter links von ihm war das Kontrollpanel für die Laserüberwachung, mit der das Museum die einzelnen Räume überwachte. Eine kurze Unterbrechung des Lichtstrahls würde einen Alarm auslösen und das Museum verriegeln. Er löste die Abdeckung des Panels und sah sich die dünnen Drähte darin genauer an. Den Schaltplan hatte er sich genau eingeprägt. Ohne zu zögern, überbrückte er zwei der Anschlüsse und legte die Abdeckung auf die Lehne des Sessels, auf dem er stand.
Die Anlage war mit einem kleinen Handgriff überlistet. Auch wenn er die Lichtstrahlen unterbrechen würde, gäbe es keinen Alarm mehr. Er hatte den Sender einfach mit dem Empfänger gekoppelt. Das System glaubte weiterhin, das alles in Ordnung sei, weil der Kontakt nicht unterbrochen wurde. Die Gestalt konnte sich jetzt frei im Raum bewegen. Die Kamera zeigte eine Videoschleife und die Anlage, die durch die Laserstrahlen Alarm geben würde, war auch außer Betrieb gesetzt. Er blickte auf seine Uhr. Bis der Wachmann seinen Kontrollgang machen würde, blieben ihm mehr als eine halbe Stunde. Das war viel mehr Zeit, als er benötigen würde.
Zielsicher durchquerte er den Raum und blieb vor der Vitrine mit dem Schmuckstück stehen, auf das er es abgesehen hatte. Die Vitrine war nicht extra gesichert, dafür aber fest verschlossen. Aus seinem Rucksack zog er den mitgebrachten Glasschneider und legte ihn oben auf das Glas. Direkt darunter befand sich ein Opal in der Größe eines Hühnereis. Er drückte den Saugnapf auf das Glas und schnitt, durch mehrmaliges Kratzen mit der Diamantnadel ein Teller-großes kreisrundes Loch in die glatte Fläche. Die herausgetrennte Scheibe steckte er, zusammen mit seinem Schneidwerkzeug zurück in seinen Rucksack.
Dann steckte er seine Hand durch das Loch hindurch und griff sich das Mineral. Gern hätte er sich das Schmuckstück etwas genauer angeschaut, aber es fehlte das Sonnenlicht und er sollte besser wieder verschwinden. Das Hühnerei stopfte er in einen dunkelblauen Samtbeutel und verbarg es sicher in der Tasche seiner schwarzen Weste. Er kehrte zum Sessel zurück und stieg darauf. Mit zittrigen Fingern entfernte er den kleinen Draht, den er vorher eingesetzt hatte. Dann hob er die Abdeckung von der Lehne des Sitzmöbels und hakte es an den Plastikösen ein. Mit einem kurzen Druck auf das untere Ende rastete es leise klickend wieder ein.
Seine Hände streckte er nach oben zu der Röhre, aus der er gekommen war, hielt sich am Rand fest und zog sich dann hinauf. Mit kippelnden Bewegungen schwang er sich zurück in den Lüftungsschacht. Sorgfältig befestigte er das Gitter mit den geölten Schrauben an seinem Platz bevor er sich wieder auf den Rückweg machte. An der Abzweigung bei dem senkrechten Rohr glitt er weiter nach unten durch die Röhre. Es dauerte lange, bis er unten ankam, und das Blut drückte in seinem Schädel. Durch die mit dem Kopf nach unten hängende Position schaffte es sein Kreislauf nicht mehr die rote Flüssigkeit entgegen der Schwerkraft in seine Beine zu pumpen. Alles sammelte sich im Kopf, was ihm mit zunehmender Dauer dunkle Schatten vor seine Augen trieb.
Ganz unten angekommen zog er sich erschöpft wieder in eine waagerechte Röhre und verharrte einige Minuten darin, um sich zu erholen. Nachdem sich sein Kreislauf wieder stabilisiert hatte, robbte er weiter durch den Schacht. Unter ihm lagen die dunklen, leicht modrig riechenden Kellerräume. Dann sah er endlich seinen Ausgang näherkommen. Gerade als er das Gitter lösen wollte, wurde der Alarm ausgelöst. Erschrocken blickte er auf seine Uhr am Handgelenk. Dieser hirnlose Wachmann war sieben Minuten zu früh mit seiner Runde.
Er musste schneller handeln, als er das geplant hatte. So schnell er konnte, schraubte er das Gitter auf und sprang aus dem Lüftungsschacht. Mit schnellen Schritten rannte er durch den kleinen Verbindungsgang in den Raum mit dem Zugang zum Wasser unter der alten rostigen Abdeckung. In der Luft hing der unangenehme Geruch von durchnässten Beton, der langsam auseinanderfällt. Er zog den verschließbaren Plastikbeutel aus seiner Tasche, packte das eben mitgenommene Mineral mitsamt seiner Samthülle hinein und verschloss ihn. Dann riss er den rostigen Deckel auf und hüpfte über die kleine Kante in die trübe Flüssigkeit. Das Wasser war warm genug, um nicht frieren zu müssen. Noch einmal tauchte er auf und nahm einige tiefe Atemzüge, bevor er die Luft in seiner Lunge hielt. Nach dem Abtauchen schwamm er mit schnellen Armzügen zu dem kleinen Hohlraum im Gestein.
Er zog sich aus dem Wasser und atmete tief durch. Von Weitem hörte er noch immer das schrille Klingeln der Alarmanlage, die der Wachmann ausgelöst hatte. Noch einmal holte er tief Luft und versuchte aufzustehen. Da der Hohlraum nicht sehr hoch war, musste er die Knie gebeugt halten, um dann mit den Armen voraus wieder in das Wasser sprang. Tauchend wand er sich durch den gefluteten Steinkanal. Sein Körper verlangte nach frischem Sauerstoff. Er schluckte die Luft, die aus ihm herauspresste wieder hinunter und zwang sich, durchzuhalten. Dann sah er die hellen Lichter der Stadt durch die Wasseroberfläche scheinen. Nur noch wenige Sekunden. Sein Oberkörper schoss beinahe bis zur Hüfte aus dem Nass als er wild prustend frische Luft in seine Lunge sog. Vorsichtig, um nicht zu viel Wasser aufzuwühlen, was ihn erkennen ließ, schwamm er zu dem alten Holzsteg. Unter dem Holzsteg hatte er seine Pressluftflasche und die Taucherausrüstung versteckt. Im Schutz der morschen Holzbohlen zog er die Flossen über seine Schuhe und schnallte sich die Luftflasche über seinen Rucksack. Dann tauchte er ab und umrundete die Küste der kleinen Bucht. Direkt daneben lag der Jachthafen von Cartagena, wo seine kleine Jolle vor Anker lag.
Über die heruntergelassene Hängeleiter am Heck kletterte er nach oben an Deck. Er hatte es geschafft. Durch die kleine Tür neben dem Steuerrad ging er über die Treppe nach unten. Ohne Licht zu machen, legte er seine Klamotten ab und packte den verschlossenen Plastikbeutel in den kleinen Hohlraum neben seinem Bett. Er griff sich ein Handtuch, trocknete sich gründlich ab und schlüpfte unter die leichte Decke in seine Koje.
Als er wach wurde, war es bereits kurz vor Mittag. Nach der Morgentoilette kleidete er sich an, lichtete den Anker der Jolle und fuhr aus dem Jachthafen hinaus.
Der laue Westwind streichelte den fast weißen Sandstrand, an dem Michael Korn und Leonie Keller ihre Decke ausgebreitet hatten und ein kleines Picknick genossen. Ihr zweistöckiges Haus, das sie gebaut hatten, war endlich bereit, die beiden aufzunehmen. Die neue Küche, die sich Michael ausgesucht hatte, weil er das Kochen übernahm würde in knapp zwei Stunden geliefert werden. Er hatte sie in der Schweiz anfertigen lassen und dann, sauber in einem Container verpackt, mit dem Schiff anliefern lassen. Zusammen hatten sie dafür fast eine halbe Million bezahlt. Schon heute Abend könnten sie ihre erste Mahlzeit in ihrem neuen Heim zu sich nehmen.
Sie hatten sich an das Leben in Nassau gewöhnt, seit sie ihr Büro hier eingerichtet und Liz die Bahamas, als ihre Basis, ausgewählt hatte. Seit ihrem letzten Fall, der intern nur "Projekt Lucien" genannt wurde, waren erst einige Monate vergangen. Das gesamte Team hatte hier in Nassau eine neue Heimat gefunden. Leonie und Michael waren in den letzten Tagen kaum mehr im Büro gesehen worden. Liz, die Anführerin, hatte die beiden nahezu verbannt, um ihr gemeinsames Domizil bezugsfertig zu machen. Inzwischen waren die beiden kaum mehr voneinander zu trennen. Korn hatte sich seit er mit ihr zusammen war, ernsthaft bemüht freundlicher zu werden. Gegenüber dem Team gab es so gut wie keine Klagen mehr. Karyani, die Verlobte von Mike Banks, hatte dafür den Begriff "Leoniefiziert" erfunden. Sie hatte ihn gezähmt, zumindest gegenüber des Teams. Bei Außenstehenden war er immer noch wegen seiner Art gefürchtet. Allerdings wollte das keiner mehr ändern, auch Leonie nicht.
Sie biss gerade herzhaft in ein frisches Brötchen, als sie ihn kauend fragte »Was kochst du uns denn als Erstes heute Abend?«
»Deine heiß geliebten gefüllten Pfannkuchen, mein Herz«, lächelte er sie verliebt an.
»Jaaa«, freute sie sich, »Eine ganze Schüssel nur für mich!«
»Dann muss ich mindestens sieben Schüsseln machen«, grinste er, als er anfügte, »Für jede Person eine!«
Michael hatte seiner geliebten Freundin verschwiegen, dass er das ganze Team eingeladen hatte, um eine kleine Einweihungsfeier zu geben.
»Du hast alle eingeladen?«, fragte sie.
»Das gesamte Team plus Bernand und Jason werden da sein«, bestätigte er.
Sie warf spielerisch die Arme in die Luft und jubelte, wie wenn sie bei einem wichtigen Fußballspiel ein Tor erzielt hätte. Er liebte diese kindliche Freude an ihr und bereitete dafür immer wieder Überraschungen vor. Jeden Tag versuchte er aufs Neue ihr Herz zu erobern, was gar keine schwere Aufgabe war. Es war ihm wichtig, ihr immer wieder zu zeigen, dass er sie nicht als selbstverständlich betrachtete. Tief drin verspürte er noch die Angst, sie zu verlieren, wenn er sich nicht anstrengte. Leonie wusste das natürlich, obwohl sie ihm versuchte diese Furcht zu nehmen.
Im Büro des Interpolteams brüteten die beiden Verlobten Banks und ihre Chefin derweil über ihren Berichten. Der letzte Fall war ein Kinderspiel gewesen. Chi Park, der Nachfolger Bernands, hatte sie auf einen Drogenring angesetzt, der in Italien operierte. Sie benötigten nicht mal eine ganze Woche dafür. Liz war in Hochform und fand nicht nur die Verteiler, sondern noch die gesamten Drogenküchen. Es ärgerte sie, dass nach jeder kleinen Aufgabe dieser Papierkrieg stattfand.
»Park müsste uns eine Sekretärin schicken«, haderte Liz, »für die ganze Schreibarbeit, die wir hier erledigen sollen!«
»Unsere Hauptaufgabe ist es Papier zu verhaften!«, scherzte Karyani und lachte.
»Man kann eben nicht jeden Tag eine Bundeskanzlerin verhaften, Liz. Auch wenn es mal wieder an der Zeit wäre, einen dicken Fisch zu fangen!«, grinste Mike sie an.
Die Verhaftung im Deutschen Bundestag hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Alle Medien berichteten in Einzelheiten darüber, was Liz und ihr Team erledigt hatten. Allerdings mochte sie es nicht, dass man ihr die Lorbeeren dafür anheftete. Das ganze Team hatte hart daran gearbeitet diesen Fall abzuschließen. Deren Beteiligung verschwieg man in der Presse nahezu komplett. Liz fand das nicht fair, denn alleine hätte sie diesen Auftrag nicht erledigen können. Sie schätzte die Arbeit von Michael, Leonie, Mike und Karyani weit höher ein als ihre eigene. Korn war das egal gewesen, als sie mit ihm darüber gesprochen hatte. Seine Antwort war »Ich habe, neben der tollsten Frau der Welt, ein Leben bekommen Liz. Den Ruhm dürft ihr unter euch aufteilen!«
Bei dem Gedanken daran musste sie lachen. Michael hatte großartige Arbeit geleistet und dafür etwas bekommen, das man in seinen Augen mit nichts aufwiegen konnte. Außerdem hatte es dazu geführt, aus diesem Haufen eine Einheit zu machen. Wer hätte gedacht, dass man aus drei Verbrechern, einem verbitterten Bodyguard und einer kleinen Polizistin ein hervorragendes Team machen könnte.
Der Tag neigte sich langsam dem Ende entgegen. Die drei Agenten machten sich auf den Weg nach Hause, um sich für die anstehende Einweihungsparty bei Michael und Leonie fertig zu machen. Deren Küche war inzwischen angeliefert und aufgebaut worden. Michael hatte bereits begonnen das Essen zu bereiten, während Leonie den Tisch eingedeckt hatte und sich danach entspannt auf das Sofa zurückzog, um Sachbücher zu lesen, die sie von Francois Pierlot aus Lyon erhalten hatte. Der Waffenwart von Interpol in Frankreich war begeistert die junge Leonie auszubilden. Immer wieder flog sie zurück nach Lyon, um dort noch besser zu werden als sie ohnehin schon war. Selten wurde sie dabei von Michael begleitet, der in Nassau bleiben musste, während ihr gemeinsames Haus gebaut wurde.
Kurz vor 18 Uhr klingelte es an ihrer Tür. Leonie, die sich inzwischen von ihren Büchern getrennt hatte, öffnete den ersten Besuchern, die eingeladen waren. Liz stand zusammen mit ihrem Verlobten Jason am Eingang. Zur Begrüßung umarmten sie sich und auch Korn verließ die neue Küche, um die Gäste willkommen zu heißen. Er stand mitten im Raum und sah zum Schiessen aus mit seinen, natürlich schwarzen Klamotten, um die er sich eine beige Kochschürze gebunden hatte und Spuren von Mehl im Gesicht trug.
»Typisch, wenn es was zu fressen gibt, taucht als Erstes das britische Königspaar auf!«, lachte er und umarmte die kleine Chefin des Teams. Ihrem Verlobten reichte er die Hand und entschwand dann, mit einer leichten Verbeugung wieder in der Küche. Im ganzen Haus roch es bereits nach leckerem Essen, was die Mägen der anwesenden mit einem kurzen Knurren quittierten. Liz sah sich in dem neu gebauten Haus um und konnte ihr staunen nicht verbergen. Das Paar hatte sich ein schmuckes Heim erbaut. Direkt hinter der Eingangstür erstreckte sich ein offener Wohnraum, der über eine Schiebetür auf eine Terrasse aus hellen Holzbohlen führte. Rechts davon führte eine freischwebende Treppe aus dunkel eloxiertem Stahl in die obere Etage hinauf. Links war die Tür zur Küche, in der Michael an der Kochinsel hantierte, die in der Mitte des Raumes stand. Hinter ihm waren dunkle Schränke, die Kochutensilien verbargen, und weitere Geräte untergebracht, die zwischen der hellgrauen Granitarbeitsplatten einen großartigen Kontrast ergaben. Zum Wohnzimmer hin war die Wand offengelassen worden, auf der eine ebenfalls graue Granitplatte als Theke diente. Rechts stand ein Kaffeevollautomat darauf. Direkt daneben war ein Regal in die Wand integriert, indem sich Tassen und Löffel stapelten. Vor der Theke hatten vier höhere Barhocker aus Mahagoni Platz gefunden.
Das riesige Wohnzimmer bot der Tafel, die Leonie vorbereitet hatte, genügend Platz. Mit genügend Abstand davon fand sich das große weiße Sofa, vor dem ein Beistelltisch stand. Die Stirnwand des Raumes beherbergte den großen Flachbildschirmfernseher des Paares. Links davon, an den Fenstern angrenzend, lag das geräumige Badezimmer. Der gesamte Boden des unteren Bereiches war mit cremefarbenen Platten bedeckt, in der sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne spiegelten. Der Anblick war atemberaubend. Jason und Liz erkundeten zusammen mit Leonie das neue Heim und überhörten fast die Türklingel. Karyani und Mike waren eingetroffen die sich, nach der freudigen Begrüßung, ebenfalls alles anschauten. Als Letzter stand um kurz nach 18 Uhr Bernand Roussel in der Tür, der eine kleine Holzkiste unter dem Arm trug.
»Dürfte ich das britische Königspaar, die goldene orientalische Schönheit mit dem Ami, und den Froschschenkel an den Tisch bitten?«, rief Michael aus der Küche, »Meine bezaubernde Traumfrau freut sich bereits den ganzen Tag auf das Essen, was in diesem Moment serviert werden könnte!«
»Wir sind unterwegs Liebling!«, rief Leonie und ging mit den anderen zurück.
Als sich alle an der Tafel versammelt hatten, servierte Michael das Essen und nahm neben seiner Freundin Platz. Dann wandte er sich den Gästen zu und sagte »Danke für den Überfall ihr Lieben! Lasst es euch schmecken, das Beschwerdebuch lasse ich anschließend herumgehen. Lesen werde ich es natürlich nicht, ich benötige das Papier, um nach dem Dessert das Feuer auf der Terrasse anzuzünden.«
Alle lachten zusammen und genossen das Essen. Michael hatte immer noch die Spuren des Mehls im Gesicht, die Leonie während der Mahlzeit versuchte zu entfernen.
Liz fragte Leonie etwas schüchtern »Was habt ihr denn für das Haus bezahlt?«
»Nicht besonders viel«, wehrte sie ab, »Alles zusammen waren es vier Millionen, der Küchenchef war schon im Preis mit drin!«
»Das merkt man«, lachte Jason, »wahrscheinlich haben sie den aus einer üblen Hafenkneipe rekrutiert!«
Lachend merkte Michael an »Frau Königin, ihre Leibstandarte hat eine nette Art, um eine Tracht Prügel zu bitten!«
»Ich weiß«, bestätigte Liz und bedachte ihren Verlobten mit einem gespielt bösen Blick von der Seite, »Wenn ich nicht wüsste, dass ihr beiden euch gut versteht, hätte ich Angst, das er dir den Kopf einschlägt!«
»Ich mich mit dem verstehen?«, fragte Jason beleidigt, »Soweit kommts noch!«, lachte er und reichte Michael die Hand.
Korn drückte Jasons Hand kurz »Jason trainiert kleine englische Kräuterhexen«, grinste Michael, »Ich halte mich da eher an die zarten Elfen der Abteilung 7,62 mm!«, und küsste seine Leonie.
»Sind die vier nicht süß«, lachte Karyani laut auf.
Bernand Roussel, der das alles, ohne eine Miene zu verziehen erlebte, sagte in die Runde »Hätte vor einem halben Jahr noch jemand zu mir gesagt, ich würde mal mit meinem Team und einem britischen Kneipenbesitzer an einem Tisch sitzen, während Michael Korn Leonie küsst und Scherze macht, wäre er erschossen worden!«
»Bernand, fürs Schießen ist meine Liebste zuständig«, erinnerte ihn Korn, »Du würdest auf 3 m Entfernung nicht mal einen Elefanten treffen!«
Alle waren am Lachen, selbst Bernand konnte seine ernste Miene nicht mehr halten. Es war kein großes Geheimnis, dass sich der ehemalige Interpolchef beim Zielen nicht mit Ruhm bekleckerte. Roussel war eher der Schreibtischtäter, der seine Stärke im Delegieren hatte. Böse Zungen behaupteten sogar, die Waffe, die er bei sich getragen hatte, als er noch im Dienst war, bestand zu 97 % aus Latex, die mit Draht verstärkt war, damit sie nicht wie Wackelpudding zitterte, wenn er sie zog.
Michael brachte die leeren Teller zurück in die Küche und rief »Keiner verlässt den Raum! Das Dessert kommt sofort!«
Die Gäste staunten nicht schlecht, als er mit kleinen Tellern zurückkehrte, auf denen ein größerer hellgelber Muffin lag, der mit Puderzucker bestäubt war. Er verteilte den Nachtisch an die Gäste und erklärte »Das sind Lavacakes die gerade den Ausbruch vorbereiten, also gebt ihnen noch ein bisschen Zeit, bevor ihr sie verschlingt!«
Der Kuchen, der vor Mike auf dem Tisch stand, platze als erster oben auf und ein Strom aus flüssiger dampfender Schokolade ergoss sich über die Hülle. Nacheinander gaben auch die anderen ihren Inhalt frei. Als der Kuchen vor Leonie seinen flüssigen Kern nach oben hin auswarf, wurden ihre Augen immer größer. In ihrem war ein goldener Ring versteckt. Gerade als sie ihn vorsichtig mit der Kuchengabel herausfischen wollte, sank neben ihr Michael Korn auf die Knie, nahm ihre Hand und sprach mit verliebter Stimme »Lea Emanuelle Enis, beziehungsweise Lea Taylor, Laura Klausen oder jetzt Leonie Keller, in den letzten Monaten hast du einen völlig anderen Menschen aus dem Scheusal, was hier vor dir kniet, gemacht und mir so viel Leben geschenkt das ich dich hier und jetzt fragen möchte, ob du meine Frau werden willst!«
Einige Sekunden war es komplett still, sogar die Vögel hatten ihr Gezwitscher kurz eingestellt bis Leonie mit leiser krächzender Stimme ein sanftes »Ja« herausbrachte. Dann fiel sie ihrem Michael um den Hals und küsste ihn. Ihre Gäste spendeten heftigen Applaus. Als die beiden sich voneinander gelöst hatten, wurden sie mit Glückwünschen überhäuft. Liz war die Letzte, die vor Michael stand, um zu gratulieren, als sie ihn mit einem kurzen Blick zu Leonie in den Arm nahm und ihm sogar einen kleinen Kuss aufdrückte. Dann drückte sie Leonie an sich und flüsterte ihr ins Ohr »Lass den Arsch nie wieder los. Der gehört jetzt dir alleine!«
»Glaub mir, den behalte ich mein Leben lang!«, flüsterte sie leise.
Michael hatte den goldenen Ring für sie abgespült. Dann nahm er vorsichtig ihre Hand und sprach »Ein Ring sie zu lieben und zu verehren!«, als er das Schmuckstück auf ihren Finger schob.
Leonie antwortete scherzhaft »Ein Ring ihn zu knechten! Aber wo ist der Ring für dich Schatz?«
»Das habe ich ganz vergessen«, gab er zu, »Vor lauter Aufregung trage ich ihn immer noch in meiner Tasche mit mir herum.«
Er schob seine Hand in die Tasche und zog eine kleine schwarze Box heraus, die an den Rändern mit einem goldenen Band verziert war und reichte sie ihr. Leonie öffnete das Kästchen und nahm den Ring heraus, um ihn Michael an die Hand zu stecken.
Mike, der bis dahin noch nicht wirklich viel gesprochen hatte, wandte sich an Roussel, »Bernand, es wird Zeit, das du dich auch verlobst! Du bist der Einzige hier ohne Ring am Finger!«
»Ich bin mit meiner Arbeit verlobt, und das Letzte, was ich mir anschaffe, ist eine Frau. Mir reicht es, zu sehen, dass meine Leonie ihr Glück gefunden hat!«, reagierte er mit ruhiger Stimme auf die Provokation.
Zusammen feierten sie noch bis in die frühen Morgenstunden, bis sich alle auf den Heimweg machten.
Es war kurz nach halb drei Uhr am Morgen, als Anelisa Cortez vom lauten Klingeln ihres Handys geweckt wurde. Sie war Kommissarin der kolumbianischen Polizei für schweren Diebstahl. Die hochgewachsene Frau fischte auf dem Nachttisch nach ihrem Handy und nahm den Anruf entgegen. Schlaftrunken hielt sie sich das Gerät an ihr Ohr, ohne die Augen zu öffnen.
»Cortez«, murmelte sie verschlafen.
»Hernandez hier!«, brummte eine dunkle Männerstimme, »Das Auge des Südens wurde aus dem Museo del Oro Zenu gestohlen!«
Halb schlafend antwortete sie »Schreiben sie es auf, ich beschäftige mich später damit.«
»Hören sie mir überhaupt zu!«, schrie er harsch.
»Es ist mitten in der Nacht«, stöhnte sie, »Hat das nicht Zeit bis ich wach bin?«
»Kommen sie sofort her, oder muss ich einen Beamten schicken der ihren fetten Arsch herschleift?«, brüllte er.
Langsam kam Cortez zu sich »Was wollen sie von mir zu dieser Zeit?«
»OK, noch mal!«, brummte er, »Das Auge des Südens wurde entwendet, und sie sind dafür zuständig!«
»Bin ja unterwegs«, ärgerte sie sich und klickte das Gespräch weg.
Sie tastete nach dem Schalter ihrer Lampe und betätigte ihn. Vorsichtig schlug sie die Augen auf und blinzelte heftig, bis sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten. Ein kurzer Blick auf die Uhr bestätigte ihre Vermutung, dass sie nicht lange schlafen durfte. Gerade mal knapp drei Stunden lag sie in ihrem Bett, bevor sie unsanft geweckt wurde. Anelisa Cortez quälte sich aus ihrem warmen Bett und setzte sich auf. Mit einer Kurzwahltaste rief sie ihren Partner an.
»Moreira!«, meldete er sich.
»Felipe, im Museo del Oro Zenu wurde das Auge des Südens gestohlen«, jammerte sie.
»OK, gib mir 10 Minuten!«, sagte er und unterbrach die Verbindung.
Wie kann dieser Mensch um diese Zeit klingen, als wäre es früher Nachmittag? Egal, zu welcher Zeit sie ihn anrief, war er hellwach. Felipe Moreira war ihr Partner im Dezernat für schweren Raub. Schon seit zwei Jahren arbeiteten sie zusammen, nachdem er frisch von der Polizeischule gekommen war. Sie war zur Hauptkommissarin aufgestiegen, während er noch ein einfacher Kommissar war.
Schnell schlüpfte sie in ihre Klamotten und band die krausen schwarzen Haare zu einem kleinen Zopf zusammen. Dann tapste sie ins Badezimmer und warf sich einen Schwung kaltes Wasser ins Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben. Ihre Lebensgeister erwachten wieder. Kaltes Wasser half ihr immer beim Aufwachen. Sie knipste das Licht aus, griff sich ihre Schlüssel vom Haken und stieg in ihren silbergrauen SUV. Für die Fahrt zum Museo del Oro Zenu würde sie nur ein paar Minuten brauchen.
Als sie am Ort des Geschehens eingetroffen war, stand Felipe schon da. Immer noch müde stieg sie aus ihrem Wagen aus. Moreira kam mit leichten Schritten auf sie zu und hielt ihr einen Pappbecher mit Kaffee hin. Dankend nahm sie das Getränk entgegen.
»Weißt du schon was Felipe?«, fragte sie ihn.
»Nichts genaues«, gab er zu, »Hernandez hat das Kommando und will nur mit dir sprechen!«
»Warum muss ausgerechnet der an jedem verdammten Tatort zuerst auftauchen?«
»Frag ihn Anelisa!«, hüstelte er.
Das Heißgetränk gab ihr neue Kraft. Gemeinsam liefen sie auf Hernandez zu, der wild fuchtelnd Befehle bellte. Anelisa verdrehte die Augen. Seine Stimme alleine reichte aus, um ihr die Lust an ihrem Job zu nehmen.
»Hernandez!«, rief sie, »Hören sie auf hier herumzuschreien, die Leute wollen schlafen!«
»Na endlich, Cortez. Wurde auch Zeit, dass sie hier aufschlagen!«
»Sie gehen mir ehrlich auf den Geist! Was ist los?«, fragte sie etwas ungehalten.
»Um exakt 01.50 Uhr löste der Wachmann bei seinem Rundgang …«
»Kurzform, Hernandez!«, unterbrach sie ihn.
Erneut setzte er an »01.50 Uhr löste der Wachmann bei seinem Rundgang den Alarm aus.«
»Vergessen sie es, Hernandez! Ich besorg mir die Informationen selbst, und sie sind jetzt entweder leise oder ich lasse sie im Meer ertränken!«, blaffte sie ihn an als sie sich an ihm vorbeidrängte.
Moreira grinste ihn an und folgte Anelisa mit schnellen Schritten. Sie betraten das Museum und fragten nach dem Wachmann, der den Alarm gegeben hatte. Man schickte sie zu einem grauhaarigen Mann, der zusammengesunken auf einer Bank saß. In den letzten Minuten musste er seine Geschichte wahrscheinlich schon oft genug erzählen. Vor ihm stand ein Mann mittleren Alters in einem grauen Anzug und sprach mit Händen und Füßen auf ihn ein. Anelisa hielt auf ihn zu und rief »Wer sind sie und was wollen sie von unserem Zeugen?«
Der Mann im Anzug warf ihr nur einen kurzen Blick über die Schulter zu, während er weiter auf den Wachmann einredete. Sie klopfte ihm mit den Fingern auf die Schulter, aber er ignorierte sie. Noch mal, allerdings fester klopfte sie dem Mann im Anzug auf die Schulter, was er ebenfalls ignorierte. Dann hatte Anelisa genug davon. Sie zog ihre Marke aus der Tasche, stellte sich direkt vor ihn und schrie ihn an »Machen sie ihren Hals zu! Wer sind sie?«
»Ich bin der Direktor des Museums! Verschwinden sie!«, warf er ihr an den Kopf.
»Dann warten sie jetzt, bis sie dran sind Direktor. Ich verhöre den Zeugen!«, fauchte sie.
»Sie sollen verschwinden!«, rief er aufgebracht und setzte sein Gezeter über ihre Schulter fort.
Das war für sie der Auslöser seine Hand auf den Rücken zu drehen und ihn zu Boden zu bringen. Ihr Knie presste sie ihm auf die Wirbelsäule und schrie ihm ins Ohr »Sie gehen mir jetzt aus dem Weg und lassen mich meine Arbeit machen, oder ich sorge dafür, das sie heute Nacht noch standrechtlich erschossen werden! Ist das jetzt klar geworden?«
Wie ein auf dem Rücken liegender Käfer zuckten seine Arme und Beine heraus und tanzten auf den blanken Fliesen. Er wollte sich nicht beruhigen und begann mit lautem Fluchen den Versuch aufzustehen. Felipe griff ein und stellte seinen Fuß auf seinen Unterarm, während er einen Beamten um Handschellen bat. Zusammen legten sie ihm die Eisen an und Felipe zerrte ihn einige Meter weiter weg. Dort gab er drei Uniformierten den Befehl, ihn in Schach zu halten. Notfalls sollten sie ihn mit Gewalt nach draußen schaffen.
Anelisa setzte sich neben dem Zeugen auf die Bank und fragte ihn mit sanfter Stimme »Können sie mir ein paar Fragen beantworten, oder brauchen sie etwas?«
Mühsam erhob er seinen Kopf und krächzte »Was wollen sie Wissen?«
»Sie haben den Diebstahl bei ihrem Rundgang bemerkt. Ist ihnen vorher irgendwas aufgefallen?«, beruhigte sie ihn.
»Nein, alles war normal, bis ich das Loch in der Vitrine sah!«, sagte er leise.
»Ist ihnen an den Kameras etwas aufgefallen? Die haben sie ja vor ihrem Rundgang beobachtet.«
»Nein, da war absolut nichts Ungewöhnliches zu sehen. Alles wie immer!«, behauptete er.
»Was haben sie getan, nachdem sie den Alarm ausgelöst haben? Bitte so genau wie möglich!«, verlangte sie.
Felipe brachte ihm ein Glas Wasser, als er begann »Ich bin zum Bedienfeld der Alarmanlage gerannt. Da war alles in Ordnung. Dann habe ich den Raum abgeschlossen und die Gitter heruntergelassen, wie es in der Dienstanweisung steht. Der Alarm riegelt das Gebäude sofort ab. Also bin ich zurück in mein Büro, habe die Monitore beobachtet, bis die Polizei hier war!«
»Wann waren die Kollegen hier?«
»Ziemlich genau um 02.00 Uhr!«, sagte er und blickte sie an.
»Woher wissen sie das so genau?«
»In meinem Büro hängt eine Uhr, die jede volle Stunde einen Signalton ausgibt. Als ihre Kollegen vor dem Museum vorfuhren, piepste sie«, berichtete er.
Nickend fragte sie »Die Kollegen haben das Gebäude durchsucht. Wo waren sie?«
»In meinem Büro. Nach einem Alarm muss ich die Monitore im Auge behalten und über Funk melden, wenn ich was sehe!«, murmelte er.
»Gut. Nur noch eine Frage. Wie lange arbeiten sie schon hier?«, wollte sie wissen.
»Nächsten Monat sind es 27 Jahre!«
»Danke. Wir sind fertig. Gehen sie nach Hause und ruhen sie sich aus. Bitte halten sie sich zu unserer Verfügung«, riet sie ihm und stand auf. Anelisa warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu, als der Wachmann niedergeschlagen den Raum verließ.
»Der Opa kann uns nichts sagen, was ich nicht schon vermutet hätte. Frag du die Kollegen und den Direktor, ich seh mich mal um«, gab sie Anweisung. Felipe machte sich sofort auf den Weg. Der Tatort war großräumig mir rot-weißem Flatterband abgesperrt, hinter dem die Spurensicherung bereits am Arbeiten war. Sie stellte sich an das Band und wechselte ein paar Worte mit dem Kollegen. Sein Bericht fiel noch ziemlich mager aus. In der kurzen Zeit konnte er noch keine relevanten Spuren finden. Konzentriert schritt sie den Raum ab und suchte mit den Augen nach Ungewöhnlichem. Alles, was sie sehen konnte, war das kreisrunde Loch in der Vitrine, der Rest war unberührt. Dann stutzte sie. In der Vitrine, die geöffnet wurde, war nur ein Platz leer, die anderen Ausstellungsstücke waren alle noch da. Das ergibt keinen Sinn. Warum nimmt ein Täter nur ein Stück mit, wenn direkt daneben Stücke aus echtem Gold ausgestellt sind? Auch in den anderen Vitrinen lagerten Schätze aus Gold, doch sie waren unberührt. Aus einem Informationsständer in der Ecke nahm sie sich ein Infoblatt. Das Auge des Südens war bei Weitem nicht das wertvollste Stück in diesem Raum. Bewertet war es mit lächerlich wirkenden 250.000 US-Dollar. Hier gab es mehrere Stücke, die mit weit über einer Million bewertet waren. Selbst das Stück neben dem Auge brachte es auf einen Schätzwert von 900.000 US-Dollar. Wo liegt der Unterschied zwischen einem Opal in der Größe eines Eis und einer Götzenfigur aus purem Gold? Beide waren fast gleich groß. Die Figur war aufgrund des Materials bedeutend schwerer, aber auch so einfach zu transportieren. Zudem war sie viel wertiger als das gestohlene Mineral.
Das Auge des Südens war ein Opal, der um einen kleinen Rubin entstanden war. Der feuerrote Rubin in der Mitte gab dem Schmuckstück seinen Namen. Die äußere glatte Hülle schimmerte in unterschiedlichen Farben von Weiß, über Blau, bis hin zu zartem Gelb. Ich als Einbrecher mache mir doch nicht die Mühe, in ein Museum einzusteigen und dann nur einen Schmuckstein zu klauen, dachte sie bei sich. Ein Opal war nicht einmal besonders viel Wert. Ein paar Vitrinen weiter war ein Armreif ausgestellt. Dessen Wert war mit 1.250.000 US-Dollar angegeben. Anelisa ging zu dem Ausstellungsstück hin. Ein einfacher Armreif aus purem Gold, nicht besonders schwer und handlich. Perfekt für jeden Dieb. Die Vitrine war auch nicht extra gesichert und es wäre genauso einfach gewesen, dieses Stück mitzunehmen. Da kam Felipe zurück zu ihr.
»Anelisa, die Kollegen haben etwas gefunden! Ein Videosignal eines Bildschirms zeigt in diesem Raum nichts an, obwohl hier die Party steigt. Sie wissen noch nicht, wie es gemacht wurde. Der Direktor wusste nicht das Geringste zu berichten, hat sich dafür aber wunderbar aufgeregt. Hernandez hat ihn mitgenommen und steckt ihn in die Zelle, bis er wieder normal läuft. Weiter wurde noch nichts gefunden. Den Bericht der Spurensicherung bekommen wir morgen im Lauf des Tages!«, berichtete er.
»Die wissen noch nicht mal, wie er reingekommen ist?«, fragte sie fassungslos.
»Nein. Weder wie er reinkam, noch wie er verschwunden ist!«
»Hm«, grübelte sie, »Haben wir einen Zeitplan, wann der Wärter seine Runde macht?«
»Klar! Jeweils zur halben Stunde beginnt sie und endet 27 Minuten später hier!«, erklärte ihr Kollege.
»Unser Wärter hat aber den Alarm um exakt 01.50 Uhr ausgelöst, sagte Hernandez. Zehn Minuten später war er dann auch schon hier. Wird das irgendwie dokumentiert, wann er wo gewesen ist?«, fragte sie ihn.
»Finde ich raus!«, gab er zurück, als er sich schon zum Gehen wandte.
Anelisa blieb alleine zurück. Sie holte ihr Smartphone aus der Tasche und begann die Informationen zu notieren. Der Wachmann war sogar früher hier, als er den Diebstahl bemerkte, als es sein Zeitplan vorschreibt. Theoretisch blieb dem Täter ziemlich genau eine Stunde, das war viel mehr Zeit, als sie gehofft hatte.
Die Schreibtische im Büro waren noch verwaist, als Michael und Leonie den Raum betraten. Dieser Raum hier, den Interpol ihnen zur Verfügung stellte, war deutlich größer als der im Hauptgebäude von Lyon. Insgesamt waren fünf Schreibtische darin untergebracht. Sie standen ziemlich in der Mitte. Zwei nebeneinander zum Fenster hin zwei weitere direkt davor mit Blick zur Tür und rechts außen noch einer, der zu den vier anderen gestellt war. Sie hatten sie untereinander aufgeteilt. Karyani hatte direkt den ersten links vorne genommen, ihr Verlobter direkt den daneben. Liz, die Chefin des Teams, hatte sich den einzeln Stehenden rechts außen gesichert. Michael saß Mike gegenüber und Leonie rechts neben ihm hatte Karyani vor sich. Alle zusammen saßen wie in einer Runde an ihren Schreibtischen.
Der Boden war mit hellen Keramikfliesen bedeckt worden. Links an der Wand hatte der große Computer seinen Platz gefunden, vor dem meistens Mike arbeitete, wenn er seine Aufgaben nicht mit dem Laptop auf seinem Schreibtisch lösen konnte. Weiter Rechts neben dem Eingang führte eine Tür zu der eingebauten kleinen Küche und zu einer nebenan liegenden Toilette. Der hintere Bereich bot genug Platz für die gemütliche Sofalandschaft, die sie sich angeschafft hatten. Liz hatte, im Sinne des Teams, darauf bestanden, dass sie alle zusammen mittags am Tisch sitzen und sich stärken. Michael, dessen Hobby es war zu kochen, hatte sich bereit erklärt, für die Teammitglieder ein Mittagessen zuzubereiten, und kümmerte sich auch um die Erfrischungen. Die Atmosphäre glich eher einem zu Hause als einem Arbeitsplatz.
Heute Morgen waren die frisch Verlobten, die ersten die ihren Dienst antraten. Michael hatte sich in die Küche zurückgezogen und kochte Kaffee für die ganze Truppe. Leonie setzte sich an ihren Schreibtisch und drehte den Ring an ihrem Finger gedankenverloren hin und her. Der Ring, den er für sie besorgt hatte, machte sie schon glücklich, wenn sie ihn betrachtete. Es war etwas Besonderes. Auf der Außenseite des schmalen goldenen Streifens waren mehrere grüne Saphire und Diamanten eingefasst. Sein Ring war nur ganz schlicht aus Gold ohne Edelsteine gefertigt.
Der Abend gestern war wieder einmal typisch Michael gewesen. Um seine Leonie zu verzaubern, hatte er die Möglichkeit der Einweihungsparty ihres neuen Heims noch für eine Verlobung genutzt. Warum nur ein bisschen was Essen, wenn doch alle Freunde gleichzeitig da waren. Ihr gegenüber hatte er zugegeben, dass er diesen Tag schon seit Wochen geplant hatte. Die Ringe hatte er bei einem Juwelier besorgt, als Leonie gerade bei Francois Pierlot in Frankreich gewesen war, um ihre Scharfschützenausbildung weiter voranzutreiben. Schöner hätte sich Leonie diesen Tag nicht wünschen können.
Die Tür ging auf, und eine etwas mitgenommene Liz Croll betrat ihren Arbeitsplatz, der nach frisch gebrühtem Kaffee und Brötchen duftete. Überrascht schlug sie die Augen auf als sie »Guten Morgen ihr beiden« sagte.
»Ich hätte nicht geglaubt, das ihr heute vor mir hier seid«, gab sie zu.
»Guten Morgen Liz«, strahlte Leonie sie an, »Wir sind ausgeschlafen, im Gegensatz zu dir!«
»Das Gefühl habe ich auch«, sagte sie müde.
Als Michael kurz aus der Küche kam, hatte er schon zwei Tassen Kaffee in der Hand »Moin Chefin, das frühe Vögeln entspannt den Wurm. Oder so ähnlich!«, lachte er. Ohne ein weiteres Wort drückte er ihr eine Tasse in die Hand, die sie dankbar entgegennahm. Die andere stellte er seiner Leonie vor die Nase und drückte ihr einen sanften Kuss auf den Kopf, dann verschwand er wieder durch die Tür.
»Wie kommt es, dass ihr schon so früh fit seid?«, wollte sie wissen.
»Bei mir sind es vermutlich die Glückshormone«, vermutete Leonie und zeigte stolz auf ihren Ring.
»OK, das klingt logisch«, antwortete sie, »Gilt wohl auch für Micha!«
»Liz, ich brauche keine Hormone mehr. Seit ich mit Leonie zusammen sein darf, bestehe ich nur noch aus Glückshormonen. Mein Vorteil ist, das ich viele Jahrzehnte fast ohne Schlaf ausgekommen bin, da stört mich eine ziemlich kurze Nacht nicht mehr«, rief Micha fröhlich aus der Küche.
Gerade als er begann den Tisch der Sofaecke für ein gemeinsames Frühstück zu decken erreichten auch Karyani und Mike ihren Arbeitsplatz. Auch die beiden zeigten deutliche Anzeichen von Schlafmangel, wie Michael aus den tiefen Ringen unter ihren Augen lesen konnte. Lächelnd drückte er auch ihnen eine Tasse mit dem frischen Heißgetränk in die Hand und kümmerte sich dann weiter um den Tisch. Die frisch aufgebackenen Brötchen dampften noch, als Michael sie auf den Tisch stellte. Mit so einem gemütlichen Frühstück könnte jeder Tag beginnen. Zusammen fielen sie in das bequeme Sofa und stärkten sich.
Dann verrichteten sie die Arbeit an ihren Berichten. Liz hasste das wie die Pest. Sie war lieber an der frischen Luft und ging Spuren nach, als an einem Schreibtisch zu sitzen und Papier zu verschwenden. Michael war egal, was er machte, so lange Leonie in seiner Nähe war. Ihr ging es da ähnlich, auch wenn es ihr viel lieber war flach, auf dem Bauch zu liegen und durch die Zieloptik eines Gewehrs zu blicken. Karyani und Mike hingegen störte es nicht. Er verbrachte die meiste Zeit ohnehin vor einem Bildschirm, während Karyani an technischen Wunderwerken bastelte.
Nach dem gemeinsamen Frühstück standen Liz, Leonie und Michael vor der Tür, in der warmen Sonne der Karibik und rauchten eine Zigarette. Angeregt unterhielten sie sich, als plötzlich Mike nach draußen kam und ihr Gespräch unterbrach.
»In Kolumbien gab es heute Nacht einen Einbruch in einem Museum«, begann er, »Der Täter konnte entkommen. Allerdings sollte er leicht zu finden sein, wenn man sich die Idioten etwas genauer anschaut!«
»Wie kommst du darauf, dass der Täter zurückgeblieben ist?«, fragte Liz argwöhnisch.
»Ganz einfach, er hat nur das Auge des Südens geklaut, die ganzen anderen Sachen hat er da gelassen, obwohl sie deutlich wertvoller sind und offen vor ihm lagen!«, grinste er.
»Das ergibt doch keinen Sinn«, merkte Michael an, »Wenn ich irgendwo einsteige, greif ich mir so viel, wie ich nur kann, und nicht nur einen einzelnen Edelstein!«
»Streng genommen hat er nicht mal einen Edelstein gestohlen, sondern nur ein Mineral«, lachte Mike.
»Ein Mineral?«, fragte Liz.
»Ja! Das Auge des Südens ist ein Opal, also kein Edelstein, obwohl es einen enthält«, klärte Mike sie auf.
»Wir haben ein wasserdichtes Alibi!«, erklärte Leonie, »Wir haben umringt von Interpol Agenten Verlobung gefeiert!«
Michael drückte sie zärtlich an seine Brust und flüsterte »Du brauchst kein Alibi mehr mein Herz, du bist selbst eine Agentin von Interpol!«
»Wo ist jetzt der Unterschied zwischen einem Opal und einem Edelstein?«, wollte Liz wissen.
»Soweit ich weiß sind Opale ziemlich häufig zu finden und werden vorwiegend für Schmuck verwendet, den man für kleines Geld bekommt. Edelsteine hingegen sind ziemlich selten zu finden, was den Preis deutlich anhebt«, sinnierte Michael über Leonies Schulter hinweg die er immer noch im Arm hielt.
»Kommt rein, ich erklär es euch«, murmelte Mike und ging wieder in das Büro zurück. Die anderen löschten ihre Zigaretten und folgten ihm hinein. Der Hacker hatte in Windeseile alle möglichen Informationen aus dem Internet überflogen und erklärte den Anwesenden den Unterschied zwischen einem Opal und Edelsteinen, bevor er das Auge des Südens genauer erklärte.
»Das Auge des Südens ist der einzige Opal weltweit der einen Edelstein beinhaltet. In dessen Mitte befindet sich ein feuerroter Rubin, der durch das Mineral scheint. Das ganze Gebilde hat die Größe von einem einfachen Ei. Der Rubin innen ist gerade so groß wie eine 50-Cent-Münze. Insgesamt ist das Stück eine Viertelmillion wert und war ein Ausstellungsstück im Museo del Oro Zenu in Cartagena«, beendete er.
Alle sahen sich verwirrt an. Michael fand als Erster seine Sprache wieder »Museo del Oro Zenu? Oro ist Spanisch und heißt Gold und Zenu sind die Ureinwohner Kolumbiens. Frei übersetzt würde es also heißen "Museum des Goldes der Ureinwohner" was mich zu der Frage führt, was ein Opal um einen Rubin da drin zu suchen hat?«
Karyani nickte bedächtig »Für jemanden, der kein Spanisch kann, ist das beeindruckend Michael. Während meiner kriminellen Karriere hatte ich einige Bekannte aus der Kunstraubszene. Das Auge des Südens ist weltbekannt. Es ist der einzige Rubin, den die Zenu in Kolumbien gefunden haben. Sie waren ab ungefähr 4000 v. Ch. Berühmt für ihre Goldkunst und trieben regen Handel mit anderen indigenen Völkern. Laut Überlieferung wurde das Auge des Südens 2370 v.c h. von Einheimischen gefunden. Aufgrund seines Aussehens, der Rubin bildet wirklich ein Auge, und der vorherrschenden Religion zu der Zeit wurde es als Auge Gottes angesehen und verehrt. Ab 1540 wurde Kolumbien immer wieder von Piraten überfallen, die große Teile des Goldes raubten, allerdings das Auge zurückließen weil sie glaubten es sei ein wertloser Opal. Erst die spanischen Eroberer wollten das Auge des Südens zerstören, weil es in ihren Augen der Religion der Ureinwohner Macht gab. Diese Macht allerdings beanspruchte die katholische Kirche für sich alleine. Tausende Zenu wurden in den Goldminen der Eroberer von Krankheiten heimgesucht und starben. Der Rest wurde bei Kriegen von den Eroberern dahingeschlachtet. Das Auge hatte man aber sicher versteckt. Erst 1849 wurde es an das Museum übergeben und dort zusammen mit der Goldkunst ausgestellt«, berichtete Karyani.
Alle sahen sie staunend an. Lange Jahre lebte sie in Venezuela nahe der Grenze zu Kolumbien. Da sie großartig nichts tun konnte, weil sie überall gesucht wurde, interessierte sie sich unter anderem auch für Kunst und die Geschichte der Region, in der sie lebte. Cartagena war eine berühmte Hafenstadt nördlich vom Kolumbien und der Zugang zum Karibischen Meer. Immer wieder kam ihr dabei das Auge des Südens in Erzählungen unter. Sie hatte schon lange den Wunsch, sich diese Schätze der Weltgeschichte anzusehen. Erst seit sie die sauberen Papiere hatte, war ihr das möglich gewesen, aber bisher durch die Arbeit verwehrt geblieben.
»Kennst du zufällig jemanden, der es darauf abgesehen haben könnte?«, fragte Liz die Verlobte von Mike.
»Nein. Das Auge ist zwar berühmt, allerdings für Kunstdiebe uninteressant. Wenn dort jemand einbricht, dann wegen des Goldes. Wäre aber ziemlich sinnlos, weil man es nicht loswerden würde. Die Stücke der Zenu sind zu bekannt, als das sie jemand kaufen würde.«
»Das wäre zumindest mal ein Grund, das Gold zurückzulassen«, schloss Liz aus der Erklärung.
»Diese Tatsache sollte den Ermittlern in Kolumbien bekannt sein, denke ich«, gab Michael zu Protokoll.
»Was ich nicht verstehe«, sagte Leonie zögerlich, »Das Auge hat nur eine religiöse Bedeutung für die Zenu. Dessen Wert liegt allerdings weit, unter dem, was ein Dieb mitnehmen würde, was einen Einbruch rechtfertigt. Ein Käufer dürfte sich dann auch schwer finden lassen, wenn es so berühmt ist, womit wir wieder bei der Frage nach dem Sinn ankommen.«
»Mein Herz hat recht«, gab Michael zu, »Es gibt kein Motiv zu dem Einbruch. Selbst ein Kunstsammler müsste es auf ewig vor der Welt versteckt halten. Aber nehmen wir einmal an, es ginge nur um den Rubin, der darin enthalten ist. Von welchem Wert reden wir dann?«
»Ungefähr 34.000 $«, nannte Mike den ermittelten Preis des Edelsteins.
»Wegen eines Mittelklassewagens begibt man sich doch nicht in so eine Gefahr«, rief Liz.
»Womit wir wieder bei der religiösen Bedeutung wären«, konterte Karyani.
»Mike, gib bitte den Ermittlern in Cartagena weiter, das Interpol die Überprüfung aller noch lebenden Zenu empfiehlt. Nach intensiver Beratung konnten wir keine anderen Motive finden als religiöse Spinnerei«, warf Liz in die Runde und widmete sich dann wieder den vor ihr liegenden Berichten.
Mike tippte die nicht ganz ernst gemeinte Empfehlung in das Interpolsystem und ging dann wieder seinen Aufgaben nach.
Das Ermittlerteam Cortez und Moreira, denen der Einbruch im Museo del Oro Zenu zugeteilt worden war, rieben sich verwundert die Augen, als sie über ihr System die Antwort von Interpol bekamen.
»Wir sollen 30.000 Menschen überprüfen, weil das, die einzigen mit einem Motiv sind?«, schrie Anelisa Cortez ihren Bildschirm an, »Denen werd ich helfen! Intensive Beratung und religiöse Spinnerei! Was glauben diese Witzfiguren eigentlich, wer sie sind?«
»Ruhig Blut Lisa«, riet Felipe, »So wie ich das lese ist es nicht wirklich ernst gemeint, außerdem kommt es nicht von Interpol aus Frankreich, sondern von Interpol aus Nassau.«
»Nassau auf den Bahamas? Sitzt da irgend so ein Volldepp mit einem Sonnenstich?«, wütete sie.
»Unsinn«, meinte Moreira, »Ein Ermittlerteam von Interpol unter der Leitung von einer Liz Croll.«
»Croll? Sagtest du gerade Liz Croll?«, fragte sie immer noch aufgebracht.
»Ja Lisa. Liz Croll, die ein Ermittlerteam von Interpol leitet. Stationiert in Nassau«, bestätigte er.
»Die hat vor einigen Monaten in Deutschland die Bundeskanzlerin während einer Sitzung verhaftet. Hab ich in den Nachrichten gesehen«, stutze sie.
»Warte, ich sehe mir das mal etwas genauer an«, forderte Felipe und suchte weitere Informationen zusammen. Cortez beobachtete ihn, wie er immer andere Internetseiten aufrief und seine Augen immer größer wurden.
Dann begann er »Du hast recht Lisa! Diese Croll hat mit ihrem Team Forschungsdaten einer Aktiengesellschaft aus Deutschland beschafft, hinter denen die CIA und eine Energiegesellschaft her waren. Die Bundeskanzlerin spielte dabei den Amerikanern in die Hände und sie hat sie wegen Mordes dran gekriegt. Zusätzlich haben sie sieben Mörder aus dem Verkehr gezogen, Zeugen geschützt und die CIA ganz alt aussehen lassen. Ihr Team besteht aus fünf Agenten, die weltweit die Befugnisse von Bundesagenten haben. Namentlich aufgeführt sind das Liz Croll als Leiterin, Michael Korn, als Sicherheitschef und drei weitere deren Namen nicht genannt werden. Stationiert in Nassau unter dem direkten Kommando von Chi Park, dem Direktor von Interpol!«
»Haben die auch Telefon dort?«, wollte sie wissen.
»Ich denke schon, die Nummer steht hier aber nicht. Vermutlich erreicht man die nur über Interpol direkt«, vermutete Felipe.
Anelisa öffnete ihr Telefonverzeichnis auf dem Computer und suchte nach Telefonnummern von Interpol. Neben der allgemeinen Rufnummer des Informationsdienstes fand sie nur die Durchwahl der Zentrale. Ohne lange zu überlegen, tippte sie die angezeigte Nummer in ihr Telefon und hielt es sich ans Ohr.
»Interpolzentrale. Sie sprechen mit Miriam Deveraux«, meldete sich eine freundliche Stimme mit schwerem französischen Akzent.
»Anelisa Cortez. Hauptkommissarin der kolumbianischen Polizei. Ich hätte gerne die Durchwahl zum Ermittlerteam von Liz Croll in Nassau«, sprach sie etwas angegriffen in ihr Telefon.
»Tut mir leid Miss Cortez, ich darf diese Nummer aus Sicherheitsgründen nicht herausgeben. Ich werde das Team bitten, sich telefonisch bei ihnen zu melden. Kann ich sonst noch etwas für sie tun?«, fragte die Stimme nach einer gefühlten Ewigkeit.
»Nein. Sie soll sich nur schnellstens melden«, gab Cortez zurück und trennte die Verbindung.
Unruhig wartete sie eine Weile, doch ihr Telefon blieb stumm. Cortez widmete sich wieder ihren Ermittlungen. Der Bericht der Spurensicherung würde erst morgen früh auf ihrem Schreibtisch liegen. Seit sie in der Nacht aus dem Bett geholt wurde und am Tatort die Ermittlungen aufgenommen hatte, war sie noch keinen Schritt weiter gekommen. Die ganze Angelegenheit ergab keinen Sinn in ihren Augen und sie stellte eine Anfrage bei Interpol über Kunstdiebstähle, die offensichtlich nicht wegen des Wertes begangen wurden. Aber auch Interpol selbst konnte ihr in dieser Richtung nichts Konkretes nennen. Die einzige Hilfestellung war diese Nachricht aus Nassau, die für ihre Wut wie eine Triebfeder wirkte. Fast eine Stunde war vergangen, bis ihr Telefon sie aus ihren Überlegungen riss. An Interpol dachte sie schon überhaupt nicht mehr.
»Cortez«, meldete sie sich.
»Korn. Interpol. Sie baten um einen Anruf«, erklang eine dunkle Männerstimme.
Sie brauchte eine Sekunde, bis sie sich erinnerte. Dann flammte wieder ihre Wut auf »Ich wollte diese Croll sprechen«, blaffte sie.
»Miss Croll hat anderweitig zu tun. Ihr kleiner Arsch muss sich mit mir begnügen! Was kann ich gegen sie tun?«, fragte er.
»Sie halten sich wohl für sehr witzig«, stellte sie erbost fest, »Ihre Hilfestellung, wenn man das überhaupt so bezeichnen sollte, grenzt an Beleidigung und diese Croll hat nicht einmal den Mut sich persönlich zu melden, sondern schickt ihren Laufburschen.«
»Sperren sie die Lauscher auf Cortez! Ich bin weder der Laufbursche einer Miss Croll, noch einer ihrer Lutscher aus dem Ausbildungsprogramm, der mit dem Schwanz wedelt, weil eine dumme Pute aus dem Büro quengelt. Kommen sie zum Punkt, oder scheren sie sich zum Teufel!«, raunte er.
Cortez musste schlucken. Dieser Mann am Telefon drückte ihr harte Ansagen an den Kopf, anstatt sich professionell zu geben. Sie war fuchsteufelswild und er die Ruhe in Person. »Den Teufel hab ich hier am Telefon«, schrie sie, »Gibt es überhaupt irgendeinen schwachsinnigen Agenten bei ihrem Verein, der etwas von seinem Job versteht, oder nur Maulhelden am Telefon?«
»Falls ich nach Kolumbien kommen sollte, wird es mir eine Freude sein, ihr dämliches Gesicht einer kostenlosen Schönheitsoperation zu unterziehen«, drohte er mit ruhiger Stimme, bevor er unterbrochen wurde. Es meldete sich eine helle Frauenstimme »Miss Cortez, hier spricht Leonie Keller von Interpol. Bitte entschuldigen sie Mister Korns auftreten. Was können wir für sie tun?«
»Außer ihren Vorgänger auf eine Benimmschule schicken meinen sie? Wie wäre es denn zur Abwechslung mal mit professioneller Zusammenarbeit unter Ermittlungsbehörden?«, rief sie.
»Miss Cortez, Mister Korns Benehmen steht hier nicht zur Debatte. Er macht seinen Job sehr gut, nur die Kommunikation ist nicht sein bevorzugtes Betätigungsfeld. Seine Ausdrucksweise ist zugegeben mehr als ungewöhnlich, aber ihre Wut verkompliziert das Ganze unnötig. Was für Hilfe benötigen sie?«, führte sie aus.
»Wir wollen wissen, ob es bereits ähnliche Diebstähle auf der Welt gab, die mit dem Vorfall in Cartagena heute Nacht vergleichbar sind, und uns nicht durch ein Team, das sich auf den Bahamas sonnt, verspotten lassen«, forderte sie.
»Wir haben nicht die Zeit, uns in die Sonne zu legen Miss Cortez. Wir ersticken hier im Papierkrieg und ihre Anfrage haben wir heute Morgen unter die Lupe genommen. Unsere Einschätzung haben sie wohl erhalten. Wir denken, dass ein religiöses Motiv der Zenu dahintersteckt. Unser Computerspezialist hat sich übrigens die Mühe gemacht, alle Kunstdiebstähle der letzten 20 Jahre mit dem Vorfall heute Nacht zu vergleichen. Dabei gab es keine Gemeinsamkeiten«, erörterte die Frau am Telefon.
Cortez wurde etwas ruhiger, »Die Bevölkerungsgruppe der Zenu umfasst etwa 30.000 Menschen in Kolumbien, wir können nicht jeden einzelnen überprüfen nur, weil Interpol ein religiös motiviertes Verbrechen vermutet. Noch dazu, weil es nicht einmal von Interpol selbst kommt, sondern von einer Truppe Wochenendermittler aus der Karibik!«
»Diese Wochenendermittler Miss Cortez, wie sie uns nennen, sind ein Team von Spezialisten aus der ganzen Welt, die Fälle lösen und Ermittlungsbehörden hilft, wenn man uns dort anfordert, weil sie selbst nicht weiter wissen!«, belehrte sie.
»Verstehe«, nörgelte sie, »Diese Spezialisten trinken ihre Cocktails am Strand und ihre einzige Hilfe besteht aus dämlichen Einschätzungen die sie über das Internet verbreiten.«
»Ich würde gern mit Miss Crolls Einverständnis helfen, allerdings sollten sie sich, Miss Cortez beruhigen, und einer anderen Ausdrucksweise befleißigen, ansonsten laufen sie Gefahr von Miss Croll und Mister Korn vorzeitig aus dem Polizeidienst aufgrund ihres Todes auszuscheiden. Außerdem möchte ich noch anmerken, dass ich schon die ganze Zeit versuche, freundlich zu bleiben, was mir aufgrund ihrer Aussagen immer schwerer fällt«, gab sie mit gereizter Stimme zurück.
»Wissen sie was Miss Keller. Kommen sie mit ihrem Team doch hier vorbei, dann gebe ich ihnen gerne Nachhilfe. Vergessen sie aber Croll und Korn nicht, solche Kräuter rauch ich in der Pfeife!«, giftete sie.
»Ich werde ihr Anliegen bei Miss Croll vorbringen!«, versprach Leonie und legte dann auf.
Diese Truppe von Interpol macht wohl Witze? Spezialisten wollen das sein? Das sind eher ein paar Mitarbeiter die sich in die Hose machen, wenn man sie mit einem Bleistift bedroht. Sollen sie nur kommen, dann erleben sie eine echte Spezialistin bei der Arbeit und lernen vielleicht noch etwas dabei. Mittlerweile war es zu spät, um etwas zu erreichen. Vor morgen würde sie kaum noch Hinweise erhalten, die das dunkel erhellen.
»Felipe«, sprach sie ihren Kollegen an, »Heute können wir nichts mehr erreichen. Wir brauchen den Bericht der Spurensicherung. Das Museum bleibt bis auf Weiteres geschlossen, bis wir alles genau durchsucht haben. Wenn die nur mal etwas Schneller wären mit dem Suchen.«
»Du hast wie immer recht Anelisa. Lass uns nach Hause gehen und ein bisschen schlafen«, sagte er fröhlich.
»Ach, bevor ich es vergesse. Vielleicht kommen diese Pfeifen von Interpol dazu, die dürfen dann ein bisschen zusehen und lernen, wie man Verbrechen aufklärt«, grinste sie.
»Stell dir das nicht so einfach vor. So weit ich das gesehen habe, sind die alles andere als zu unterschätzen«, warnte er.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, das diese fünf Bleistiftjongleure irgendwas herausfinden«, lachte sie.
»Wenn sie wirklich hier vorbeikommen, bin ich mal gespannt, wie sie vorgehen. Allerdings glaube ich nicht das sie sich mit unserem Fall beschäftigen werden, die haben sicher Besseres zu tun«, gab er zu bedenken.
»Wenn diese Croll wirklich was taugt, und ich bin überzeugt davon, dass sie über sich selbst denkt, die beste zu sein, dann kommt sie mit ihren Speichelleckern vorbei. Und ich werde ihr und diesem Korn zeigen, was ich mit Versagern anstelle, wenn sie sich traut!«
»Anelisa, du bist eine gute Ermittlerin, nicht umsonst hast du zur Hauptkommissarin gebracht, aber dieses Team von Interpol wurde nicht aufgestellt, um Papiere zu sortieren, sondern einzugreifen, wenn die nationalen Ermittler Hilfe brauchen.«
»Ich wollte einfach nur von diesen Armleuchtern wissen, ob es so was in der Art schon gab. Das einzige, was sie konnten, waren bescheuerte Ratschläge zu geben«, klagte sie mit böser Stimme.