Das Ikarus Puzzle - Matthias Boden - E-Book

Das Ikarus Puzzle E-Book

Matthias Boden

0,0

Beschreibung

Nach einem sonderbaren Juwelendiebstahl in Kolumbien bittet die leitende Beamtin Interpol um Hilfe. Das Team um Liz Croll und Michael Korn wird durch unangenehme Umstände in den Fall hineingezogen. Zusammen mit einer jungen Kommissarin und einem Kollegen aus Kolumbien übernehmen sie die Ermittlungen. Als nach einem weiteren Diebstahl und einem Mord in den Vereingten Staaten wird der Dieb gefasst. Der Direktor von Interpol entzieht dem Team überraschend den Fall und zwingt sie ihre Ermittlungen aufzugeben begeben sie sich zuhause in Streik. Bernand Roussel, der Verbindungsmann, versucht in Lyon zu vermitteln da es offensichtlich zwei weitere Diebstähle geben soll. Unter Mithilfe der Vorzimmerdame Rhonda Miller kann der Direktor der Beihilfe überführt werden. Das Team muss bei den weiteren Ermittlungen auf die Anführerin Liz Croll verzichten die in Nassau zurückbleibt. Die weiteren Diebstähle weisen auf einen alten Versuchsaufbau hin der es ermöglichen soll kristallines Wachs in jedes Element zu verwandeln. Ein Experte für Juwelen und deren Geschichte kann das Geheimnis für das Team erhellen. Zusammen mit der jungen Kommissarin aus Kolumbien und einer Gerichtsmedizinerin, die den Posten von Liz Croll übernimmt solange sie ausfällt, stöbern den Hintermann auf der sich in einer undurchsichtigen und mächtigen Stiftung versteckt. Doch das Experiment steht schon kurz vor der Vollendung. Zusammen müssen die Ermittler in einem Spiel auf Leben und Tod verhindern das die einmaligen Kunstwerke im kriminellen Untergrund verloren gehen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 669

Veröffentlichungsjahr: 2021

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Ikarus Puzzle

Michael Korn & Liz Croll Band 2

Ein Thriller von

Matthias Boden

Copyright © 2021

Matthias Boden

Werrestraße 107b

32049 Herford

 Alle Rechte vorbehalten

 Covergestaltung: Matthias Boden

Inhalt

Prolog

Kolumbien, Cartagena

1. Kapitel

Bahamas, Nassau

2. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

3. Kapitel

Bahamas, Nassau

4. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

5. Kapitel

Bahamas, Nassau

Kolumbien, Cartagena

El Salvador, vor der Küste von San Salvador

6. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

7. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

8. Kapitel

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

9. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

10. Kapitel

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

Kolumbien, Cartagena

11. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

12. Kapitel

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

13. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

14. Kapitel

Luftraum über dem karibischen Meer

15. Kapitel

Vereinigte Staaten, San Diego (CA)

16. Kapitel

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

17. Kapitel

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

18. Kapitel

Costa Rica, San José

Vereinigte Staaten, San Diego (CA)

19. Kapitel

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

20. Kapitel

Vereinigte Staaten, Luftraum zwischen Los Angeles und San Diego (CA)

Vereinigte Staaten, San Diego (CA)

21. Kapitel

Vereinigte Staaten, San Diego (CA)

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

22. Kapitel

Großbritannien, London

Vereinigte Staaten, Los Angeles (CA)

Südamerika, Luftraum über Kuba

23. Kapitel

Frankreich, Lyon

Südamerika, Luftraum über Venezuela

24. Kapitel

Großbritannien, London

Bahamas, Nassau

25. Kapitel

Vereinigte Staaten, Detroit (MI)

Großbritannien, London

Frankreich, Lyon

26. Kapitel

Bahamas, Nassau

27. Kapitel

Frankreich, Lyon

Südafrika, Kapstadt

28. Kapitel

Frankreich, Lyon

29. Kapitel

Südafrika, Kapstadt

Bahamas, Nassau

30. Kapitel

Bahamas, Nassau

Großbritannien, London

31. Kapitel

Frankreich, Lyon

Südafrika, Kapstadt

32. Kapitel

Europa, Irgendwo über dem Atlantik

Frankreich, Lyon

33. Kapitel

Südafrika, Kapstadt

Großbritannien, London

34. Kapitel

Frankreich, Lyon

35. Kapitel

Großbritannien, Swansea

Bahamas, Nassau

36. Kapitel

Südafrika, Kapstadt

37. Kapitel

Bahamas, Nassau

Südafrika, Kapstadt

Großbritannien, London

38. Kapitel

Großbritannien, Swansea

Großbritannien, London

39. Kapitel

Großbritannien, London

40. Kapitel

Großbritannien, London

41. Kapitel

Großbritannien, Swansea

42. Kapitel

Großbritannien, Colchester

43. Kapitel

Großbritannien, Colchester

44. Kapitel

Großbritannien, Colchester

Epilog

Frankreich, Lyon

Danksagung

Prolog

Kolumbien, Cartagena

Es war kurz vor ein Uhr als die schlan­ke, schwarz mas­kier­te Per­son das Flach­dach des Mu­se­ums er­klom­men hat­te. Mit sei­nen Gum­mi be­sohl­ten Schu­hen war er die weiß ge­kalk­te Back­stein­wand hin­auf ge­klet­tert. Ta­ge­lang vor­her war er je­de Mög­lich­keit, in das Ge­bäu­de zu ge­lan­gen in sei­nen Ge­dan­ken durch­ge­gan­gen. Er hat­te ge­nau die Zeit ge­wählt, in der die Wach­mann­schaft in der Nacht am un­auf­merk­sams­ten war. We­ni­ge Mi­nu­ten nach Mit­ter­nacht hat­te er sich dem gut aus­ge­leuch­te­ten Ge­bäu­de von hin­ten ge­nä­hert. Um so we­nig wie mög­lich auf­zu­fal­len, hat­te er sich in ei­nem wei­ßen Over­all der Wand ge­stellt. Sei­ne Sil­hou­et­te hob sich in dem glei­ßen­den Schein­wer­fer­licht, das auf das Ge­bäu­de ge­rich­tet war, so gut wie nicht ab. Als er end­lich oben an­ge­kom­men war, zog er das wei­ße Ge­we­be aus und ver­steck­te es in sei­nem fla­chen Ruck­sack.

Jetzt ganz in Schwarz ge­klei­det lag er bäuch­lings auf dem Dach und schob sein Te­le­skop lang­sam durch den klei­nen Spalt zwi­schen dem Lüf­tungs­schacht und der in­ne­ren Mau­er. Die Bild­über­tra­gung auf sei­ne eben­falls schwar­ze Bril­le funk­tio­nier­te per­fekt. Dann sah er auch schon den grau­en rau­ten­för­mi­gen Kas­ten an der Wand. Das Si­cher­heits­sys­tem des Mu­se­ums war nicht das bes­te. Zwar wur­de es über die Jah­re im­mer wie­der an­ge­passt und ver­bes­sert, trotz­dem war es hoff­nungs­los ver­al­tet. Die ana­lo­ge Vi­deo­tech­nik war sehr leicht aus­zu­trick­sen. Al­les was er da­für be­nö­tig­te, hat­te er am Vora­bend stän­dig aufs Neue kon­trol­liert. Die Män­ner in der Über­wa­chungs­zen­tra­le wür­den es kaum be­mer­ken ei­ne Vi­deoschlei­fe zu se­hen. Vor­sich­tig schlitz­te er die Iso­lie­rung des Ka­bels auf und schob das sil­ber­ne Draht­ge­flecht des Koaxi­al­ka­bels zur Sei­te. Den in­ne­ren Plas­ti­kern schnitt er eben­falls auf. Das Vi­deo­bild wür­de nicht ein­mal fla­ckern, wenn er sei­ne Vi­deo­quel­le an­schloss. Hoch kon­zen­triert schob er die bei­den lo­sen Drah­ten­den bis zu dem grau­en Kas­ten. Ei­nes ver­band er mit dem in­ne­ren Kup­fer­kern und das an­de­re mit dem sil­ber­nen Draht­ge­flecht, dann star­te­te er auf sei­nem di­gi­ta­len Gerät die Auf­nah­me. Die Zeit­schlei­fe von ei­ner hal­b­en Mi­nu­te wür­de sich im­mer wie­der­ho­len und zu­sätz­lich einen ge­ne­rier­ten Zeit­stem­pel in das Bild ein­fü­gen. Dann stell­te er auf Sen­den um und brach­te den Sei­ten­schnei­der an sei­nem Te­le­skop in Po­si­ti­on. In Ge­dan­ken über­prüf­te er noch ein­mal, ob er kei­nen Schritt aus­ge­las­sen hat­te. Als er sich si­cher war nichts ver­ges­sen zu ha­ben, at­me­te er noch ein­mal tief durch und kapp­te das ori­gi­na­le Ka­bel hin­ter sei­ner An­schluss­stel­le.

Der Vi­deo­mo­ni­tor in der Über­wa­chungs­zen­tra­le des Si­cher­heits­diens­tes fla­cker­te nur ein­mal kurz auf, doch dann zeig­te er wie­der ge­nau das glei­che Bild.

Die schwar­ze Ge­stalt ent­fern­te lei­se das Git­ter vor dem Lüf­tungs­ka­nal, be­vor er sich kopf­über in die glän­zen­de Röh­re glei­ten ließ. Sei­ne Hän­de press­te er ge­gen das ihn um­ge­ben­de Alu­mi­ni­um, um nicht zu schnell zu fal­len. Die drei Stock­wer­ke hin­un­ter zu ge­lan­gen, war ei­ne schweiß­trei­ben­de An­ge­le­gen­heit. Dann ver­ließ er die senk­rech­te Röh­re und bog in den waa­ge­rech­ten, rechts an­ge­schlos­se­nen Kanal ab. So lei­se wie mög­lich zog er sich auf dem Bauch lie­gend durch die Alu­mi­ni­um­hül­le, bis er das Git­ter vor dem Raum er­reicht hat­te. Als er die un­te­re Schrau­be lö­sen woll­te, be­gann sie zu quiet­schen. Er stopp­te und hol­te aus sei­nem Ruck­sack ein Fläsch­chen Öl, was er vor­sichts­hal­ber auf al­le Schrau­ben tröp­feln ließ. Er war­te­te ei­ni­ge Se­kun­den ab, bis das Schmier­mit­tel in die Ge­win­de­gän­ge vor­ge­drun­gen war, be­vor wie­der an­fing, sie her­aus­zu­dre­hen. Leicht scha­bend ver­lie­ßen sie ih­re Po­si­ti­on, bis das Git­ter voll­stän­dig ge­löst war. Er zog es durch die Öff­nung in den Kanal und leg­te es wei­ter vor­ne ab. Die Öff­nung war groß ge­nug für ihn, um durch­zu­schlüp­fen.

Er stand jetzt auf ei­nem mit bei­gem Kunst­le­der be­zo­ge­nen Ses­sel an der Wand. Et­was wei­ter links von ihm war das Kon­troll­pa­nel für die La­ser­über­wa­chung, mit der das Mu­se­um die ein­zel­nen Räu­me über­wach­te. Ei­ne kur­ze Un­ter­bre­chung des Licht­strahls wür­de einen Alarm aus­lö­sen und das Mu­se­um ver­rie­geln. Er lös­te die Ab­de­ckung des Pa­nels und sah sich die dün­nen Dräh­te dar­in ge­nau­er an. Den Schalt­plan hat­te er sich ge­nau ein­ge­prägt. Oh­ne zu zö­gern, über­brück­te er zwei der An­schlüs­se und leg­te die Ab­de­ckung auf die Leh­ne des Ses­sels, auf dem er stand.

Die An­la­ge war mit ei­nem klei­nen Hand­griff über­lis­tet. Auch wenn er die Licht­strah­len un­ter­bre­chen wür­de, gä­be es kei­nen Alarm mehr. Er hat­te den Sen­der ein­fach mit dem Emp­fän­ger ge­kop­pelt. Das Sys­tem glaub­te wei­ter­hin, das al­les in Ord­nung sei, weil der Kon­takt nicht un­ter­bro­chen wur­de. Die Ge­stalt konn­te sich jetzt frei im Raum be­we­gen. Die Ka­me­ra zeig­te ei­ne Vi­deoschlei­fe und die An­la­ge, die durch die La­ser­strah­len Alarm ge­ben wür­de, war auch au­ßer Be­trieb ge­setzt. Er blick­te auf sei­ne Uhr. Bis der Wach­mann sei­nen Kon­troll­gang ma­chen wür­de, blie­ben ihm mehr als ei­ne hal­be Stun­de. Das war viel mehr Zeit, als er be­nö­ti­gen wür­de.

Ziel­si­cher durch­quer­te er den Raum und blieb vor der Vi­tri­ne mit dem Schmuck­stück ste­hen, auf das er es ab­ge­se­hen hat­te. Die Vi­tri­ne war nicht ex­tra ge­si­chert, da­für aber fest ver­schlos­sen. Aus sei­nem Ruck­sack zog er den mit­ge­brach­ten Glas­schnei­der und leg­te ihn oben auf das Glas. Di­rekt dar­un­ter be­fand sich ein Opal in der Grö­ße ei­nes Hüh­ne­reis. Er drück­te den Saug­napf auf das Glas und schnitt, durch mehr­ma­li­ges Krat­zen mit der Dia­mant­na­del ein Tel­ler-großes kreis­run­des Loch in die glat­te Flä­che. Die her­aus­ge­trenn­te Schei­be steck­te er, zu­sam­men mit sei­nem Schneid­werk­zeug zu­rück in sei­nen Ruck­sack.

Dann steck­te er sei­ne Hand durch das Loch hin­durch und griff sich das Mi­ne­ral. Gern hät­te er sich das Schmuck­stück et­was ge­nau­er an­ge­schaut, aber es fehl­te das Son­nen­licht und er soll­te bes­ser wie­der ver­schwin­den. Das Hüh­ne­rei stopf­te er in einen dun­kelblau­en Samt­beu­tel und ver­barg es si­cher in der Ta­sche sei­ner schwar­zen Wes­te. Er kehr­te zum Ses­sel zu­rück und stieg dar­auf. Mit zitt­ri­gen Fin­gern ent­fern­te er den klei­nen Draht, den er vor­her ein­ge­setzt hat­te. Dann hob er die Ab­de­ckung von der Leh­ne des Sitz­mö­bels und hak­te es an den Plas­ti­kö­sen ein. Mit ei­nem kur­z­en Druck auf das un­te­re En­de ras­te­te es lei­se kli­ckend wie­der ein.

Sei­ne Hän­de streck­te er nach oben zu der Röh­re, aus der er ge­kom­men war, hielt sich am Rand fest und zog sich dann hin­auf. Mit kip­peln­den Be­we­gun­gen schwang er sich zu­rück in den Lüf­tungs­schacht. Sorg­fäl­tig be­fes­tig­te er das Git­ter mit den ge­öl­ten Schrau­ben an sei­nem Platz be­vor er sich wie­der auf den Rück­weg mach­te. An der Ab­zwei­gung bei dem senk­rech­ten Rohr glitt er wei­ter nach un­ten durch die Röh­re. Es dau­er­te lan­ge, bis er un­ten an­kam, und das Blut drück­te in sei­nem Schä­del. Durch die mit dem Kopf nach un­ten hän­gen­de Po­si­ti­on schaff­te es sein Kreis­lauf nicht mehr die ro­te Flüs­sig­keit ent­ge­gen der Schwer­kraft in sei­ne Bei­ne zu pum­pen. Al­les sam­mel­te sich im Kopf, was ihm mit zu­neh­men­der Dau­er dunkle Schat­ten vor sei­ne Au­gen trieb.

Ganz un­ten an­ge­kom­men zog er sich er­schöpft wie­der in ei­ne waa­ge­rech­te Röh­re und ver­harr­te ei­ni­ge Mi­nu­ten dar­in, um sich zu er­ho­len. Nach­dem sich sein Kreis­lauf wie­der sta­bi­li­siert hat­te, robb­te er wei­ter durch den Schacht. Un­ter ihm la­gen die dunklen, leicht mod­rig rie­chen­den Kel­ler­räu­me. Dann sah er end­lich sei­nen Aus­gang nä­her­kom­men. Gera­de als er das Git­ter lö­sen woll­te, wur­de der Alarm aus­ge­löst. Er­schro­cken blick­te er auf sei­ne Uhr am Hand­ge­lenk. Die­ser hirn­lo­se Wach­mann war sie­ben Mi­nu­ten zu früh mit sei­ner Run­de.

Er muss­te schnel­ler han­deln, als er das ge­plant hat­te. So schnell er konn­te, schraub­te er das Git­ter auf und sprang aus dem Lüf­tungs­schacht. Mit schnel­len Schrit­ten rann­te er durch den klei­nen Ver­bin­dungs­gang in den Raum mit dem Zu­gang zum Was­ser un­ter der al­ten ros­ti­gen Ab­de­ckung. In der Luft hing der un­an­ge­neh­me Ge­ruch von durch­näss­ten Be­ton, der lang­sam aus­ein­an­der­fällt. Er zog den ver­schließ­ba­ren Plas­tik­beu­tel aus sei­ner Ta­sche, pack­te das eben mit­ge­nom­me­ne Mi­ne­ral mit­samt sei­ner Samt­hül­le hin­ein und ver­schloss ihn. Dann riss er den ros­ti­gen De­ckel auf und hüpf­te über die klei­ne Kan­te in die trü­be Flüs­sig­keit. Das Was­ser war warm ge­nug, um nicht frie­ren zu müs­sen. Noch ein­mal tauch­te er auf und nahm ei­ni­ge tie­fe Atem­zü­ge, be­vor er die Luft in sei­ner Lun­ge hielt. Nach dem Ab­tau­chen schwamm er mit schnel­len Arm­zü­gen zu dem klei­nen Hohl­raum im Ge­stein.

Er zog sich aus dem Was­ser und at­me­te tief durch. Von Wei­tem hör­te er noch im­mer das schril­le Klin­geln der Alarm­an­la­ge, die der Wach­mann aus­ge­löst hat­te. Noch ein­mal hol­te er tief Luft und ver­such­te auf­zu­ste­hen. Da der Hohl­raum nicht sehr hoch war, muss­te er die Knie ge­beugt hal­ten, um dann mit den Ar­men vor­aus wie­der in das Was­ser sprang. Tau­chend wand er sich durch den ge­flu­te­ten Stein­ka­nal. Sein Kör­per ver­lang­te nach fri­schem Sau­er­stoff. Er schluck­te die Luft, die aus ihm her­aus­press­te wie­der hin­un­ter und zwang sich, durch­zu­hal­ten. Dann sah er die hel­len Lich­ter der Stadt durch die Was­sero­ber­flä­che schei­nen. Nur noch we­ni­ge Se­kun­den. Sein Ober­kör­per schoss bei­na­he bis zur Hüf­te aus dem Nass als er wild prus­tend fri­sche Luft in sei­ne Lun­ge sog. Vor­sich­tig, um nicht zu viel Was­ser auf­zu­wüh­len, was ihn er­ken­nen ließ, schwamm er zu dem al­ten Holz­steg. Un­ter dem Holz­steg hat­te er sei­ne Press­luft­fla­sche und die Tau­cher­aus­rüs­tung ver­steckt. Im Schutz der mor­schen Holz­boh­len zog er die Flos­sen über sei­ne Schu­he und schnall­te sich die Luft­fla­sche über sei­nen Ruck­sack. Dann tauch­te er ab und um­run­de­te die Küs­te der klei­nen Bucht. Di­rekt da­ne­ben lag der Jacht­ha­fen von Car­ta­ge­na, wo sei­ne klei­ne Jol­le vor An­ker lag.

Über die her­un­ter­ge­las­se­ne Hän­ge­lei­ter am Heck klet­ter­te er nach oben an Deck. Er hat­te es ge­schafft. Durch die klei­ne Tür ne­ben dem Steu­er­rad ging er über die Trep­pe nach un­ten. Oh­ne Licht zu ma­chen, leg­te er sei­ne Kla­mot­ten ab und pack­te den ver­schlos­se­nen Plas­tik­beu­tel in den klei­nen Hohl­raum ne­ben sei­nem Bett. Er griff sich ein Hand­tuch, trock­ne­te sich gründ­lich ab und schlüpf­te un­ter die leich­te De­cke in sei­ne Ko­je.

Als er wach wur­de, war es be­reits kurz vor Mit­tag. Nach der Mor­gen­toi­let­te klei­de­te er sich an, lich­te­te den An­ker der Jol­le und fuhr aus dem Jacht­ha­fen hin­aus.

1. Kapitel

Bahamas, Nassau

Der laue West­wind strei­chel­te den fast wei­ßen Sand­strand, an dem Mi­cha­el Korn und Leo­nie Kel­ler ih­re De­cke aus­ge­brei­tet hat­ten und ein klei­nes Pick­nick ge­nos­sen. Ihr zwei­stö­cki­ges Haus, das sie ge­baut hat­ten, war end­lich be­reit, die bei­den auf­zu­neh­men. Die neue Kü­che, die sich Mi­cha­el aus­ge­sucht hat­te, weil er das Ko­chen über­nahm wür­de in knapp zwei Stun­den ge­lie­fert wer­den. Er hat­te sie in der Schweiz an­fer­ti­gen las­sen und dann, sau­ber in ei­nem Con­tai­ner ver­packt, mit dem Schiff an­lie­fern las­sen. Zu­sam­men hat­ten sie da­für fast ei­ne hal­be Mil­li­on be­zahlt. Schon heu­te Abend könn­ten sie ih­re ers­te Mahl­zeit in ih­rem neu­en Heim zu sich neh­men.

Sie hat­ten sich an das Le­ben in Nassau ge­wöhnt, seit sie ihr Bü­ro hier ein­ge­rich­tet und Liz die Ba­ha­mas, als ih­re Ba­sis, aus­ge­wählt hat­te. Seit ih­rem letz­ten Fall, der in­tern nur "Pro­jekt Lu­ci­en" ge­nannt wur­de, wa­ren erst ei­ni­ge Mo­na­te ver­gan­gen. Das ge­sam­te Te­am hat­te hier in Nassau ei­ne neue Hei­mat ge­fun­den. Leo­nie und Mi­cha­el wa­ren in den letz­ten Ta­gen kaum mehr im Bü­ro ge­se­hen wor­den. Liz, die An­füh­re­rin, hat­te die bei­den na­he­zu ver­bannt, um ihr ge­mein­sa­mes Do­mi­zil be­zugs­fer­tig zu ma­chen. In­zwi­schen wa­ren die bei­den kaum mehr von­ein­an­der zu tren­nen. Korn hat­te sich seit er mit ihr zu­sam­men war, ernst­haft be­müht freund­li­cher zu wer­den. Ge­gen­über dem Te­am gab es so gut wie kei­ne Kla­gen mehr. Ka­rya­ni, die Ver­lob­te von Mi­ke Banks, hat­te da­für den Be­griff "Leo­nie­fi­ziert" er­fun­den. Sie hat­te ihn ge­zähmt, zu­min­dest ge­gen­über des Te­ams. Bei Au­ßen­ste­hen­den war er im­mer noch we­gen sei­ner Art ge­fürch­tet. Al­ler­dings woll­te das kei­ner mehr än­dern, auch Leo­nie nicht.

Sie biss ge­ra­de herz­haft in ein fri­sches Bröt­chen, als sie ihn kau­end frag­te »Was kochst du uns denn als Ers­tes heu­te Abend?«

»Dei­ne heiß ge­lieb­ten ge­füll­ten Pfann­ku­chen, mein Herz«, lä­chel­te er sie ver­liebt an.

»Jaaa«, freu­te sie sich, »Ei­ne gan­ze Schüs­sel nur für mich!«

»Dann muss ich min­des­tens sie­ben Schüs­seln ma­chen«, grins­te er, als er an­füg­te, »Für je­de Per­son ei­ne!«

Mi­cha­el hat­te sei­ner ge­lieb­ten Freun­din ver­schwie­gen, dass er das gan­ze Te­am ein­ge­la­den hat­te, um ei­ne klei­ne Ein­wei­hungs­fei­er zu ge­ben.

»Du hast al­le ein­ge­la­den?«, frag­te sie.

»Das ge­sam­te Te­am plus Ber­nand und Ja­son wer­den da sein«, be­stä­tig­te er.

Sie warf spie­le­risch die Ar­me in die Luft und ju­bel­te, wie wenn sie bei ei­nem wich­ti­gen Fuß­ball­spiel ein Tor er­zielt hät­te. Er lieb­te die­se kind­li­che Freu­de an ihr und be­rei­te­te da­für im­mer wie­der Über­ra­schun­gen vor. Je­den Tag ver­such­te er aufs Neue ihr Herz zu er­obern, was gar kei­ne schwe­re Auf­ga­be war. Es war ihm wich­tig, ihr im­mer wie­der zu zei­gen, dass er sie nicht als selbst­ver­ständ­lich be­trach­te­te. Tief drin ver­spür­te er noch die Angst, sie zu ver­lie­ren, wenn er sich nicht an­streng­te. Leo­nie wuss­te das na­tür­lich, ob­wohl sie ihm ver­such­te die­se Furcht zu neh­men.

Im Bü­ro des In­ter­pol­teams brü­te­ten die bei­den Ver­lob­ten Banks und ih­re Che­fin der­weil über ih­ren Be­rich­ten. Der letz­te Fall war ein Kin­der­spiel ge­we­sen. Chi Park, der Nach­fol­ger Ber­n­ands, hat­te sie auf einen Dro­gen­ring an­ge­setzt, der in Ita­li­en ope­rier­te. Sie be­nö­tig­ten nicht mal ei­ne gan­ze Wo­che da­für. Liz war in Hoch­form und fand nicht nur die Ver­tei­ler, son­dern noch die ge­sam­ten Dro­gen­kü­chen. Es är­ger­te sie, dass nach je­der klei­nen Auf­ga­be die­ser Pa­pier­krieg statt­fand.

»Park müss­te uns ei­ne Se­kre­tä­rin schi­cken«, ha­der­te Liz, »für die gan­ze Schreib­ar­beit, die wir hier er­le­di­gen sol­len!«

»Un­se­re Haupt­auf­ga­be ist es Pa­pier zu ver­haf­ten!«, scherz­te Ka­rya­ni und lach­te.

»Man kann eben nicht je­den Tag ei­ne Bun­des­kanz­le­rin ver­haf­ten, Liz. Auch wenn es mal wie­der an der Zeit wä­re, einen di­cken Fisch zu fan­gen!«, grins­te Mi­ke sie an.

Die Ver­haf­tung im Deut­schen Bun­des­tag hat­te welt­weit für Auf­se­hen ge­sorgt. Al­le Me­di­en be­rich­te­ten in Ein­zel­hei­ten dar­über, was Liz und ihr Te­am er­le­digt hat­ten. Al­ler­dings moch­te sie es nicht, dass man ihr die Lor­bee­ren da­für an­hef­te­te. Das gan­ze Te­am hat­te hart dar­an ge­ar­bei­tet die­sen Fall ab­zu­schlie­ßen. De­ren Be­tei­li­gung ver­schwieg man in der Pres­se na­he­zu kom­plett. Liz fand das nicht fair, denn al­lei­ne hät­te sie die­sen Auf­trag nicht er­le­di­gen kön­nen. Sie schätz­te die Ar­beit von Mi­cha­el, Leo­nie, Mi­ke und Ka­rya­ni weit hö­her ein als ih­re ei­ge­ne. Korn war das egal ge­we­sen, als sie mit ihm dar­über ge­spro­chen hat­te. Sei­ne Ant­wort war »Ich ha­be, ne­ben der tolls­ten Frau der Welt, ein Le­ben be­kom­men Liz. Den Ruhm dürft ihr un­ter euch auf­tei­len!«

Bei dem Ge­dan­ken dar­an muss­te sie la­chen. Mi­cha­el hat­te groß­ar­ti­ge Ar­beit ge­leis­tet und da­für et­was be­kom­men, das man in sei­nen Au­gen mit nichts auf­wie­gen konn­te. Au­ßer­dem hat­te es da­zu ge­führt, aus die­sem Hau­fen ei­ne Ein­heit zu ma­chen. Wer hät­te ge­dacht, dass man aus drei Ver­bre­chern, ei­nem ver­bit­ter­ten Bo­dy­guard und ei­ner klei­nen Po­li­zis­tin ein her­vor­ra­gen­des Te­am ma­chen könn­te.

Der Tag neig­te sich lang­sam dem En­de ent­ge­gen. Die drei Agen­ten mach­ten sich auf den Weg nach Hau­se, um sich für die an­ste­hen­de Ein­wei­hungs­par­ty bei Mi­cha­el und Leo­nie fer­tig zu ma­chen. De­ren Kü­che war in­zwi­schen an­ge­lie­fert und auf­ge­baut wor­den. Mi­cha­el hat­te be­reits be­gon­nen das Es­sen zu be­rei­ten, wäh­rend Leo­nie den Tisch ein­ge­deckt hat­te und sich da­nach ent­spannt auf das So­fa zu­rück­zog, um Sach­bü­cher zu le­sen, die sie von Fran­cois Pier­lot aus Ly­on er­hal­ten hat­te. Der Waf­fen­wart von In­ter­pol in Frank­reich war be­geis­tert die jun­ge Leo­nie aus­zu­bil­den. Im­mer wie­der flog sie zu­rück nach Ly­on, um dort noch bes­ser zu wer­den als sie oh­ne­hin schon war. Sel­ten wur­de sie da­bei von Mi­cha­el be­glei­tet, der in Nassau blei­ben muss­te, wäh­rend ihr ge­mein­sa­mes Haus ge­baut wur­de.

Kurz vor 18 Uhr klin­gel­te es an ih­rer Tür. Leo­nie, die sich in­zwi­schen von ih­ren Bü­chern ge­trennt hat­te, öff­ne­te den ers­ten Be­su­chern, die ein­ge­la­den wa­ren. Liz stand zu­sam­men mit ih­rem Ver­lob­ten Ja­son am Ein­gang. Zur Be­grü­ßung um­arm­ten sie sich und auch Korn ver­ließ die neue Kü­che, um die Gäs­te will­kom­men zu hei­ßen. Er stand mit­ten im Raum und sah zum Schies­sen aus mit sei­nen, na­tür­lich schwar­zen Kla­mot­ten, um die er sich ei­ne bei­ge Koch­schür­ze ge­bun­den hat­te und Spu­ren von Mehl im Ge­sicht trug.

»Ty­pisch, wenn es was zu fres­sen gibt, taucht als Ers­tes das bri­ti­sche Kö­nigs­paar auf!«, lach­te er und um­arm­te die klei­ne Che­fin des Te­ams. Ihrem Ver­lob­ten reich­te er die Hand und ent­schwand dann, mit ei­ner leich­ten Ver­beu­gung wie­der in der Kü­che. Im gan­zen Haus roch es be­reits nach le­cke­rem Es­sen, was die Mä­gen der an­we­sen­den mit ei­nem kur­z­en Knur­ren quit­tier­ten. Liz sah sich in dem neu ge­bau­ten Haus um und konn­te ihr stau­nen nicht ver­ber­gen. Das Paar hat­te sich ein schmuckes Heim er­baut. Di­rekt hin­ter der Ein­gangs­tür er­streck­te sich ein of­fe­ner Wohn­raum, der über ei­ne Schie­be­tür auf ei­ne Ter­ras­se aus hel­len Holz­boh­len führ­te. Rechts da­von führ­te ei­ne frei­schwe­ben­de Trep­pe aus dun­kel elo­xier­tem Stahl in die obe­re Eta­ge hin­auf. Links war die Tür zur Kü­che, in der Mi­cha­el an der Kochin­sel han­tier­te, die in der Mit­te des Rau­mes stand. Hin­ter ihm wa­ren dunkle Schrän­ke, die Ko­chu­ten­si­li­en ver­bar­gen, und wei­te­re Gerä­te un­ter­ge­bracht, die zwi­schen der hell­grau­en Gra­nit­ar­beits­plat­ten einen groß­ar­ti­gen Kon­trast er­ga­ben. Zum Wohn­zim­mer hin war die Wand of­fen­ge­las­sen wor­den, auf der ei­ne eben­falls graue Gra­nit­plat­te als The­ke diente. Rechts stand ein Kaf­fee­voll­au­to­mat dar­auf. Di­rekt da­ne­ben war ein Re­gal in die Wand in­te­griert, in­dem sich Tas­sen und Löf­fel sta­pel­ten. Vor der The­ke hat­ten vier hö­he­re Bar­ho­cker aus Ma­ha­go­ni Platz ge­fun­den.

Das rie­si­ge Wohn­zim­mer bot der Ta­fel, die Leo­nie vor­be­rei­tet hat­te, ge­nü­gend Platz. Mit ge­nü­gend Ab­stand da­von fand sich das große wei­ße So­fa, vor dem ein Bei­stell­tisch stand. Die Stirn­wand des Rau­mes be­her­berg­te den großen Flach­bild­schirm­fern­se­her des Paa­res. Links da­von, an den Fens­tern an­gren­zend, lag das ge­räu­mi­ge Ba­de­zim­mer. Der ge­sam­te Bo­den des un­te­ren Be­rei­ches war mit cre­me­far­be­nen Plat­ten be­deckt, in der sich die letz­ten Strah­len der un­ter­ge­hen­den Son­ne spie­gel­ten. Der An­blick war atem­be­rau­bend. Ja­son und Liz er­kun­de­ten zu­sam­men mit Leo­nie das neue Heim und über­hör­ten fast die Tür­klin­gel. Ka­rya­ni und Mi­ke wa­ren ein­ge­trof­fen die sich, nach der freu­di­gen Be­grü­ßung, eben­falls al­les an­schau­ten. Als Letz­ter stand um kurz nach 18 Uhr Ber­nand Rous­sel in der Tür, der ei­ne klei­ne Holz­kis­te un­ter dem Arm trug.

»Dürf­te ich das bri­ti­sche Kö­nigs­paar, die gol­de­ne ori­en­ta­li­sche Schön­heit mit dem Ami, und den Frosch­schen­kel an den Tisch bit­ten?«, rief Mi­cha­el aus der Kü­che, »Mei­ne be­zau­bern­de Traum­frau freut sich be­reits den gan­zen Tag auf das Es­sen, was in die­sem Mo­ment ser­viert wer­den könn­te!«

»Wir sind un­ter­wegs Lieb­ling!«, rief Leo­nie und ging mit den an­de­ren zu­rück.

Als sich al­le an der Ta­fel ver­sam­melt hat­ten, ser­vier­te Mi­cha­el das Es­sen und nahm ne­ben sei­ner Freun­din Platz. Dann wand­te er sich den Gäs­ten zu und sag­te »Dan­ke für den Über­fall ihr Lie­ben! Lasst es euch schme­cken, das Be­schwer­de­buch las­se ich an­schlie­ßend her­um­ge­hen. Le­sen wer­de ich es na­tür­lich nicht, ich be­nö­ti­ge das Pa­pier, um nach dem Des­sert das Feu­er auf der Ter­ras­se an­zu­zün­den.«

Al­le lach­ten zu­sam­men und ge­nos­sen das Es­sen. Mi­cha­el hat­te im­mer noch die Spu­ren des Mehls im Ge­sicht, die Leo­nie wäh­rend der Mahl­zeit ver­such­te zu ent­fer­nen.

Liz frag­te Leo­nie et­was schüch­tern »Was habt ihr denn für das Haus be­zahlt?«

»Nicht be­son­ders viel«, wehr­te sie ab, »Al­les zu­sam­men wa­ren es vier Mil­lio­nen, der Kü­chen­chef war schon im Preis mit drin!«

»Das merkt man«, lach­te Ja­son, »wahr­schein­lich ha­ben sie den aus ei­ner üb­len Ha­fen­knei­pe re­kru­tiert!«

La­chend merk­te Mi­cha­el an »Frau Kö­ni­gin, ih­re Leib­stan­dar­te hat ei­ne net­te Art, um ei­ne Tracht Prü­gel zu bit­ten!«

»Ich weiß«, be­stä­tig­te Liz und be­dach­te ih­ren Ver­lob­ten mit ei­nem ge­spielt bö­sen Blick von der Sei­te, »Wenn ich nicht wüss­te, dass ihr bei­den euch gut ver­steht, hät­te ich Angst, das er dir den Kopf ein­schlägt!«

»Ich mich mit dem ver­ste­hen?«, frag­te Ja­son be­lei­digt, »So­weit kommts noch!«, lach­te er und reich­te Mi­cha­el die Hand.

Korn drück­te Ja­sons Hand kurz »Ja­son trai­niert klei­ne eng­li­sche Kräu­ter­he­xen«, grins­te Mi­cha­el, »Ich hal­te mich da eher an die zar­ten El­fen der Ab­tei­lung 7,62 mm!«, und küss­te sei­ne Leo­nie.

»Sind die vier nicht süß«, lach­te Ka­rya­ni laut auf.

Ber­nand Rous­sel, der das al­les, oh­ne ei­ne Mie­ne zu ver­zie­hen er­leb­te, sag­te in die Run­de »Hät­te vor ei­nem hal­b­en Jahr noch je­mand zu mir ge­sagt, ich wür­de mal mit mei­nem Te­am und ei­nem bri­ti­schen Knei­pen­be­sit­zer an ei­nem Tisch sit­zen, wäh­rend Mi­cha­el Korn Leo­nie küsst und Scher­ze macht, wä­re er er­schos­sen wor­den!«

»Ber­nand, fürs Schie­ßen ist mei­ne Liebs­te zu­stän­dig«, er­in­ner­te ihn Korn, »Du wür­dest auf 3 m Ent­fer­nung nicht mal einen Ele­fan­ten tref­fen!«

Al­le wa­ren am La­chen, selbst Ber­nand konn­te sei­ne erns­te Mie­ne nicht mehr hal­ten. Es war kein großes Ge­heim­nis, dass sich der ehe­ma­li­ge In­ter­pol­chef beim Zie­len nicht mit Ruhm be­kle­cker­te. Rous­sel war eher der Schreib­tischtä­ter, der sei­ne Stär­ke im De­le­gie­ren hat­te. Bö­se Zun­gen be­haup­te­ten so­gar, die Waf­fe, die er bei sich ge­tra­gen hat­te, als er noch im Dienst war, be­stand zu 97 % aus La­tex, die mit Draht ver­stärkt war, da­mit sie nicht wie Wa­ckel­pud­ding zit­ter­te, wenn er sie zog.

Mi­cha­el brach­te die lee­ren Tel­ler zu­rück in die Kü­che und rief »Kei­ner ver­lässt den Raum! Das Des­sert kommt so­fort!«

Die Gäs­te staun­ten nicht schlecht, als er mit klei­nen Tel­lern zu­rück­kehr­te, auf de­nen ein grö­ße­rer hell­gel­ber Muf­fin lag, der mit Pu­der­zu­cker be­stäubt war. Er ver­teil­te den Nach­tisch an die Gäs­te und er­klär­te »Das sind La­va­ca­kes die ge­ra­de den Aus­bruch vor­be­rei­ten, al­so gebt ih­nen noch ein biss­chen Zeit, be­vor ihr sie ver­schlingt!«

Der Ku­chen, der vor Mi­ke auf dem Tisch stand, plat­ze als ers­ter oben auf und ein Strom aus flüs­si­ger damp­fen­der Scho­ko­la­de er­goss sich über die Hül­le. Nachein­an­der ga­ben auch die an­de­ren ih­ren In­halt frei. Als der Ku­chen vor Leo­nie sei­nen flüs­si­gen Kern nach oben hin aus­warf, wur­den ih­re Au­gen im­mer grö­ßer. In ih­rem war ein gol­de­ner Ring ver­steckt. Gera­de als sie ihn vor­sich­tig mit der Ku­chen­ga­bel her­aus­fi­schen woll­te, sank ne­ben ihr Mi­cha­el Korn auf die Knie, nahm ih­re Hand und sprach mit ver­lieb­ter Stim­me »Lea Ema­nu­el­le Enis, be­zie­hungs­wei­se Lea Tay­lor, Lau­ra Klau­sen oder jetzt Leo­nie Kel­ler, in den letz­ten Mo­na­ten hast du einen völ­lig an­de­ren Men­schen aus dem Scheu­sal, was hier vor dir kniet, ge­macht und mir so viel Le­ben ge­schenkt das ich dich hier und jetzt fra­gen möch­te, ob du mei­ne Frau wer­den willst!«

Ei­ni­ge Se­kun­den war es kom­plett still, so­gar die Vö­gel hat­ten ihr Ge­zwit­scher kurz ein­ge­stellt bis Leo­nie mit lei­ser kräch­zen­der Stim­me ein sanf­tes »Ja« her­aus­brach­te. Dann fiel sie ih­rem Mi­cha­el um den Hals und küss­te ihn. Ih­re Gäs­te spen­de­ten hef­ti­gen Ap­plaus. Als die bei­den sich von­ein­an­der ge­löst hat­ten, wur­den sie mit Glück­wün­schen über­häuft. Liz war die Letz­te, die vor Mi­cha­el stand, um zu gra­tu­lie­ren, als sie ihn mit ei­nem kur­z­en Blick zu Leo­nie in den Arm nahm und ihm so­gar einen klei­nen Kuss auf­drück­te. Dann drück­te sie Leo­nie an sich und flüs­ter­te ihr ins Ohr »Lass den Arsch nie wie­der los. Der ge­hört jetzt dir al­lei­ne!«

»Glaub mir, den be­hal­te ich mein Le­ben lang!«, flüs­ter­te sie lei­se.

Mi­cha­el hat­te den gol­de­nen Ring für sie ab­ge­spült. Dann nahm er vor­sich­tig ih­re Hand und sprach »Ein Ring sie zu lie­ben und zu ver­eh­ren!«, als er das Schmuck­stück auf ih­ren Fin­ger schob.

Leo­nie ant­wor­te­te scherz­haft »Ein Ring ihn zu knech­ten! Aber wo ist der Ring für dich Schatz?«

»Das ha­be ich ganz ver­ges­sen«, gab er zu, »Vor lau­ter Auf­re­gung tra­ge ich ihn im­mer noch in mei­ner Ta­sche mit mir her­um.«

Er schob sei­ne Hand in die Ta­sche und zog ei­ne klei­ne schwar­ze Box her­aus, die an den Rän­dern mit ei­nem gol­de­nen Band ver­ziert war und reich­te sie ihr. Leo­nie öff­ne­te das Käst­chen und nahm den Ring her­aus, um ihn Mi­cha­el an die Hand zu ste­cken.

Mi­ke, der bis da­hin noch nicht wirk­lich viel ge­spro­chen hat­te, wand­te sich an Rous­sel, »Ber­nand, es wird Zeit, das du dich auch ver­l­obst! Du bist der Ein­zi­ge hier oh­ne Ring am Fin­ger!«

»Ich bin mit mei­ner Ar­beit ver­lobt, und das Letz­te, was ich mir an­schaf­fe, ist ei­ne Frau. Mir reicht es, zu se­hen, dass mei­ne Leo­nie ihr Glück ge­fun­den hat!«, rea­gier­te er mit ru­hi­ger Stim­me auf die Pro­vo­ka­ti­on.

Zu­sam­men fei­er­ten sie noch bis in die frü­hen Mor­gen­stun­den, bis sich al­le auf den Heim­weg mach­ten.

2. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

Es war kurz nach halb drei Uhr am Mor­gen, als Ane­li­sa Cor­tez vom lau­ten Klin­geln ih­res Han­dys ge­weckt wur­de. Sie war Kom­missa­rin der ko­lum­bia­ni­schen Po­li­zei für schwe­ren Dieb­stahl. Die hoch­ge­wach­se­ne Frau fisch­te auf dem Nacht­tisch nach ih­rem Han­dy und nahm den An­ruf ent­ge­gen. Schlaf­trun­ken hielt sie sich das Gerät an ihr Ohr, oh­ne die Au­gen zu öff­nen.

»Cor­tez«, mur­mel­te sie ver­schla­fen.

»Her­n­an­dez hier!«, brumm­te ei­ne dunkle Män­ner­stim­me, »Das Au­ge des Sü­dens wur­de aus dem Mu­seo del Oro Ze­nu ge­stoh­len!«

Halb schla­fend ant­wor­te­te sie »Schrei­ben sie es auf, ich be­schäf­ti­ge mich spä­ter da­mit.«

»Hö­ren sie mir über­haupt zu!«, schrie er harsch.

»Es ist mit­ten in der Nacht«, stöhn­te sie, »Hat das nicht Zeit bis ich wach bin?«

»Kom­men sie so­fort her, oder muss ich einen Be­am­ten schi­cken der ih­ren fet­ten Arsch her­schleift?«, brüll­te er.

Lang­sam kam Cor­tez zu sich »Was wol­len sie von mir zu die­ser Zeit?«

»OK, noch mal!«, brumm­te er, »Das Au­ge des Sü­dens wur­de ent­wen­det, und sie sind da­für zu­stän­dig!«

»Bin ja un­ter­wegs«, är­ger­te sie sich und klick­te das Ge­spräch weg.

Sie tas­te­te nach dem Schal­ter ih­rer Lam­pe und be­tä­tig­te ihn. Vor­sich­tig schlug sie die Au­gen auf und blin­zel­te hef­tig, bis sich ih­re Au­gen an das Licht ge­wöhnt hat­ten. Ein kur­z­er Blick auf die Uhr be­stä­tig­te ih­re Ver­mu­tung, dass sie nicht lan­ge schla­fen durf­te. Gera­de mal knapp drei Stun­den lag sie in ih­rem Bett, be­vor sie un­sanft ge­weckt wur­de. Ane­li­sa Cor­tez quäl­te sich aus ih­rem war­men Bett und setz­te sich auf. Mit ei­ner Kurz­wahl­tas­te rief sie ih­ren Part­ner an.

»Mo­rei­ra!«, mel­de­te er sich.

»Fe­li­pe, im Mu­seo del Oro Ze­nu wur­de das Au­ge des Sü­dens ge­stoh­len«, jam­mer­te sie.

»OK, gib mir 10 Mi­nu­ten!«, sag­te er und un­ter­brach die Ver­bin­dung.

Wie kann die­ser Mensch um die­se Zeit klin­gen, als wä­re es frü­her Nach­mit­tag? Egal, zu wel­cher Zeit sie ihn an­rief, war er hell­wach. Fe­li­pe Mo­rei­ra war ihr Part­ner im De­zer­nat für schwe­ren Raub. Schon seit zwei Jah­ren ar­bei­te­ten sie zu­sam­men, nach­dem er frisch von der Po­li­zei­schu­le ge­kom­men war. Sie war zur Haupt­kom­missa­rin auf­ge­stie­gen, wäh­rend er noch ein ein­fa­cher Kom­missar war.

Schnell schlüpf­te sie in ih­re Kla­mot­ten und band die krau­sen schwar­zen Haa­re zu ei­nem klei­nen Zopf zu­sam­men. Dann taps­te sie ins Ba­de­zim­mer und warf sich einen Schwung kal­tes Was­ser ins Ge­sicht, um die Mü­dig­keit zu ver­trei­ben. Ih­re Le­bens­geis­ter er­wach­ten wie­der. Kal­tes Was­ser half ihr im­mer beim Auf­wa­chen. Sie knips­te das Licht aus, griff sich ih­re Schlüs­sel vom Ha­ken und stieg in ih­ren sil­ber­grau­en SUV. Für die Fahrt zum Mu­seo del Oro Ze­nu wür­de sie nur ein paar Mi­nu­ten brau­chen.

Als sie am Ort des Ge­sche­hens ein­ge­trof­fen war, stand Fe­li­pe schon da. Im­mer noch mü­de stieg sie aus ih­rem Wa­gen aus. Mo­rei­ra kam mit leich­ten Schrit­ten auf sie zu und hielt ihr einen Papp­be­cher mit Kaf­fee hin. Dan­kend nahm sie das Ge­tränk ent­ge­gen.

»Weißt du schon was Fe­li­pe?«, frag­te sie ihn.

»Nichts ge­nau­es«, gab er zu, »Her­n­an­dez hat das Kom­man­do und will nur mit dir spre­chen!«

»Wa­rum muss aus­ge­rech­net der an je­dem ver­damm­ten Tat­ort zu­erst auf­tau­chen?«

»Frag ihn Ane­li­sa!«, hüs­tel­te er.

Das Heiß­ge­tränk gab ihr neue Kraft. Ge­mein­sam lie­fen sie auf Her­n­an­dez zu, der wild fuch­telnd Be­feh­le bell­te. Ane­li­sa ver­dreh­te die Au­gen. Sei­ne Stim­me al­lei­ne reich­te aus, um ihr die Lust an ih­rem Job zu neh­men.

»Her­n­an­dez!«, rief sie, »Hö­ren sie auf hier her­um­zu­schrei­en, die Leu­te wol­len schla­fen!«

»Na end­lich, Cor­tez. Wur­de auch Zeit, dass sie hier auf­schla­gen!«

»Sie ge­hen mir ehr­lich auf den Geist! Was ist los?«, frag­te sie et­was un­ge­hal­ten.

»Um ex­akt 01.50 Uhr lös­te der Wach­mann bei sei­nem Rund­gang …«

»Kurz­form, Her­n­an­dez!«, un­ter­brach sie ihn.

Er­neut setz­te er an »01.50 Uhr lös­te der Wach­mann bei sei­nem Rund­gang den Alarm aus.«

»Ver­ges­sen sie es, Her­n­an­dez! Ich be­sorg mir die In­for­ma­tio­nen selbst, und sie sind jetzt ent­we­der lei­se oder ich las­se sie im Meer er­trän­ken!«, blaff­te sie ihn an als sie sich an ihm vor­bei­dräng­te.

Mo­rei­ra grins­te ihn an und folg­te Ane­li­sa mit schnel­len Schrit­ten. Sie be­tra­ten das Mu­se­um und frag­ten nach dem Wach­mann, der den Alarm ge­ge­ben hat­te. Man schick­te sie zu ei­nem grau­haa­ri­gen Mann, der zu­sam­men­ge­sun­ken auf ei­ner Bank saß. In den letz­ten Mi­nu­ten muss­te er sei­ne Ge­schich­te wahr­schein­lich schon oft ge­nug er­zäh­len. Vor ihm stand ein Mann mitt­le­ren Al­ters in ei­nem grau­en An­zug und sprach mit Hän­den und Fü­ßen auf ihn ein. Ane­li­sa hielt auf ihn zu und rief »Wer sind sie und was wol­len sie von un­se­rem Zeu­gen?«

Der Mann im An­zug warf ihr nur einen kur­z­en Blick über die Schul­ter zu, wäh­rend er wei­ter auf den Wach­mann ein­re­de­te. Sie klopf­te ihm mit den Fin­gern auf die Schul­ter, aber er igno­rier­te sie. Noch mal, al­ler­dings fes­ter klopf­te sie dem Mann im An­zug auf die Schul­ter, was er eben­falls igno­rier­te. Dann hat­te Ane­li­sa ge­nug da­von. Sie zog ih­re Mar­ke aus der Ta­sche, stell­te sich di­rekt vor ihn und schrie ihn an »Ma­chen sie ih­ren Hals zu! Wer sind sie?«

»Ich bin der Di­rek­tor des Mu­se­ums! Ver­schwin­den sie!«, warf er ihr an den Kopf.

»Dann war­ten sie jetzt, bis sie dran sind Di­rek­tor. Ich ver­hö­re den Zeu­gen!«, fauch­te sie.

»Sie sol­len ver­schwin­den!«, rief er auf­ge­bracht und setz­te sein Ge­ze­ter über ih­re Schul­ter fort.

Das war für sie der Aus­lö­ser sei­ne Hand auf den Rücken zu dre­hen und ihn zu Bo­den zu brin­gen. Ihr Knie press­te sie ihm auf die Wir­bel­säu­le und schrie ihm ins Ohr »Sie ge­hen mir jetzt aus dem Weg und las­sen mich mei­ne Ar­beit ma­chen, oder ich sor­ge da­für, das sie heu­te Nacht noch stand­recht­lich er­schos­sen wer­den! Ist das jetzt klar ge­wor­den?«

Wie ein auf dem Rücken lie­gen­der Kä­fer zuck­ten sei­ne Ar­me und Bei­ne her­aus und tanz­ten auf den blan­ken Flie­sen. Er woll­te sich nicht be­ru­hi­gen und be­gann mit lau­tem Flu­chen den Ver­such auf­zu­ste­hen. Fe­li­pe griff ein und stell­te sei­nen Fuß auf sei­nen Un­ter­arm, wäh­rend er einen Be­am­ten um Hand­schel­len bat. Zu­sam­men leg­ten sie ihm die Ei­sen an und Fe­li­pe zerr­te ihn ei­ni­ge Me­ter wei­ter weg. Dort gab er drei Uni­for­mier­ten den Be­fehl, ihn in Schach zu hal­ten. Not­falls soll­ten sie ihn mit Ge­walt nach drau­ßen schaf­fen.

Ane­li­sa setz­te sich ne­ben dem Zeu­gen auf die Bank und frag­te ihn mit sanf­ter Stim­me »Kön­nen sie mir ein paar Fra­gen be­ant­wor­ten, oder brau­chen sie et­was?«

Müh­sam er­hob er sei­nen Kopf und krächz­te »Was wol­len sie Wis­sen?«

»Sie ha­ben den Dieb­stahl bei ih­rem Rund­gang be­merkt. Ist ih­nen vor­her ir­gend­was auf­ge­fal­len?«, be­ru­hig­te sie ihn.

»Nein, al­les war nor­mal, bis ich das Loch in der Vi­tri­ne sah!«, sag­te er lei­se.

»Ist ih­nen an den Ka­me­ras et­was auf­ge­fal­len? Die ha­ben sie ja vor ih­rem Rund­gang be­ob­ach­tet.«

»Nein, da war ab­so­lut nichts Un­ge­wöhn­li­ches zu se­hen. Al­les wie im­mer!«, be­haup­te­te er.

»Was ha­ben sie ge­tan, nach­dem sie den Alarm aus­ge­löst ha­ben? Bit­te so ge­nau wie mög­lich!«, ver­lang­te sie.

Fe­li­pe brach­te ihm ein Glas Was­ser, als er be­gann »Ich bin zum Be­di­en­feld der Alarm­an­la­ge ge­rannt. Da war al­les in Ord­nung. Dann ha­be ich den Raum ab­ge­schlos­sen und die Git­ter her­un­ter­ge­las­sen, wie es in der Dienst­an­wei­sung steht. Der Alarm rie­gelt das Ge­bäu­de so­fort ab. Al­so bin ich zu­rück in mein Bü­ro, ha­be die Mo­ni­to­re be­ob­ach­tet, bis die Po­li­zei hier war!«

»Wann wa­ren die Kol­le­gen hier?«

»Ziem­lich ge­nau um 02.00 Uhr!«, sag­te er und blick­te sie an.

»Wo­her wis­sen sie das so ge­nau?«

»In mei­nem Bü­ro hängt ei­ne Uhr, die je­de vol­le Stun­de einen Si­gnal­ton aus­gibt. Als ih­re Kol­le­gen vor dem Mu­se­um vor­fuh­ren, pieps­te sie«, be­rich­te­te er.

Ni­ckend frag­te sie »Die Kol­le­gen ha­ben das Ge­bäu­de durch­sucht. Wo wa­ren sie?«

»In mei­nem Bü­ro. Nach ei­nem Alarm muss ich die Mo­ni­to­re im Au­ge be­hal­ten und über Funk mel­den, wenn ich was se­he!«, mur­mel­te er.

»Gut. Nur noch ei­ne Fra­ge. Wie lan­ge ar­bei­ten sie schon hier?«, woll­te sie wis­sen.

»Nächs­ten Mo­nat sind es 27 Jah­re!«

»Dan­ke. Wir sind fer­tig. Ge­hen sie nach Hau­se und ru­hen sie sich aus. Bit­te hal­ten sie sich zu un­se­rer Ver­fü­gung«, riet sie ihm und stand auf. Ane­li­sa warf ih­rem Kol­le­gen einen viel­sa­gen­den Blick zu, als der Wach­mann nie­der­ge­schla­gen den Raum ver­ließ.

»Der Opa kann uns nichts sa­gen, was ich nicht schon ver­mu­tet hät­te. Frag du die Kol­le­gen und den Di­rek­tor, ich seh mich mal um«, gab sie An­wei­sung. Fe­li­pe mach­te sich so­fort auf den Weg. Der Tat­ort war groß­räu­mig mir rot-weißem Flat­ter­band ab­ge­sperrt, hin­ter dem die Spu­ren­si­che­rung be­reits am Ar­bei­ten war. Sie stell­te sich an das Band und wech­sel­te ein paar Wor­te mit dem Kol­le­gen. Sein Be­richt fiel noch ziem­lich ma­ger aus. In der kur­z­en Zeit konn­te er noch kei­ne re­le­van­ten Spu­ren fin­den. Kon­zen­triert schritt sie den Raum ab und such­te mit den Au­gen nach Un­ge­wöhn­li­chem. Al­les, was sie se­hen konn­te, war das kreis­run­de Loch in der Vi­tri­ne, der Rest war un­be­rührt. Dann stutz­te sie. In der Vi­tri­ne, die ge­öff­net wur­de, war nur ein Platz leer, die an­de­ren Aus­s­tel­lungs­stücke wa­ren al­le noch da. Das er­gibt kei­nen Sinn. Wa­rum nimmt ein Tä­ter nur ein Stück mit, wenn di­rekt da­ne­ben Stücke aus ech­tem Gold aus­ge­stellt sind? Auch in den an­de­ren Vi­tri­nen la­ger­ten Schät­ze aus Gold, doch sie wa­ren un­be­rührt. Aus ei­nem In­for­ma­ti­ons­stän­der in der Ecke nahm sie sich ein In­fo­blatt. Das Au­ge des Sü­dens war bei Wei­tem nicht das wert­volls­te Stück in die­sem Raum. Be­wer­tet war es mit lä­cher­lich wir­ken­den 250.000 US-Dol­lar. Hier gab es meh­re­re Stücke, die mit weit über ei­ner Mil­li­on be­wer­tet wa­ren. Selbst das Stück ne­ben dem Au­ge brach­te es auf einen Schätz­wert von 900.000 US-Dol­lar. Wo liegt der Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Opal in der Grö­ße ei­nes Eis und ei­ner Göt­zen­fi­gur aus pu­rem Gold? Bei­de wa­ren fast gleich groß. Die Fi­gur war auf­grund des Ma­te­ri­als be­deu­tend schwe­rer, aber auch so ein­fach zu trans­por­tie­ren. Zu­dem war sie viel wer­ti­ger als das ge­stoh­le­ne Mi­ne­ral.

Das Au­ge des Sü­dens war ein Opal, der um einen klei­nen Ru­bin ent­stan­den war. Der feu­er­ro­te Ru­bin in der Mit­te gab dem Schmuck­stück sei­nen Na­men. Die äu­ße­re glat­te Hül­le schim­mer­te in un­ter­schied­li­chen Far­ben von Weiß, über Blau, bis hin zu zar­tem Gelb. Ich als Ein­bre­cher ma­che mir doch nicht die Mü­he, in ein Mu­se­um ein­zu­stei­gen und dann nur einen Schmuck­stein zu klau­en, dach­te sie bei sich. Ein Opal war nicht ein­mal be­son­ders viel Wert. Ein paar Vi­tri­nen wei­ter war ein Arm­reif aus­ge­stellt. Des­sen Wert war mit 1.250.000 US-Dol­lar an­ge­ge­ben. Ane­li­sa ging zu dem Aus­s­tel­lungs­stück hin. Ein ein­fa­cher Arm­reif aus pu­rem Gold, nicht be­son­ders schwer und hand­lich. Per­fekt für je­den Dieb. Die Vi­tri­ne war auch nicht ex­tra ge­si­chert und es wä­re ge­nau­so ein­fach ge­we­sen, die­ses Stück mit­zu­neh­men. Da kam Fe­li­pe zu­rück zu ihr.

»Ane­li­sa, die Kol­le­gen ha­ben et­was ge­fun­den! Ein Vi­deo­si­gnal ei­nes Bild­schirms zeigt in die­sem Raum nichts an, ob­wohl hier die Par­ty steigt. Sie wis­sen noch nicht, wie es ge­macht wur­de. Der Di­rek­tor wuss­te nicht das Ge­rings­te zu be­rich­ten, hat sich da­für aber wun­der­bar auf­ge­regt. Her­n­an­dez hat ihn mit­ge­nom­men und steckt ihn in die Zel­le, bis er wie­der nor­mal läuft. Wei­ter wur­de noch nichts ge­fun­den. Den Be­richt der Spu­ren­si­che­rung be­kom­men wir mor­gen im Lauf des Ta­ges!«, be­rich­te­te er.

»Die wis­sen noch nicht mal, wie er rein­ge­kom­men ist?«, frag­te sie fas­sungs­los.

»Nein. We­der wie er rein­kam, noch wie er ver­schwun­den ist!«

»Hm«, grü­bel­te sie, »Ha­ben wir einen Zeit­plan, wann der Wär­ter sei­ne Run­de macht?«

»Klar! Je­weils zur hal­b­en Stun­de be­ginnt sie und en­det 27 Mi­nu­ten spä­ter hier!«, er­klär­te ihr Kol­le­ge.

»Un­ser Wär­ter hat aber den Alarm um ex­akt 01.50 Uhr aus­ge­löst, sag­te Her­n­an­dez. Zehn Mi­nu­ten spä­ter war er dann auch schon hier. Wird das ir­gend­wie do­ku­men­tiert, wann er wo ge­we­sen ist?«, frag­te sie ihn.

»Fin­de ich raus!«, gab er zu­rück, als er sich schon zum Ge­hen wand­te.

Ane­li­sa blieb al­lei­ne zu­rück. Sie hol­te ihr Smart­pho­ne aus der Ta­sche und be­gann die In­for­ma­tio­nen zu no­tie­ren. Der Wach­mann war so­gar frü­her hier, als er den Dieb­stahl be­merk­te, als es sein Zeit­plan vor­schreibt. Theo­re­tisch blieb dem Tä­ter ziem­lich ge­nau ei­ne Stun­de, das war viel mehr Zeit, als sie ge­hofft hat­te.

3. Kapitel

Bahamas, Nassau

Die Schreib­ti­sche im Bü­ro wa­ren noch ver­waist, als Mi­cha­el und Leo­nie den Raum be­tra­ten. Die­ser Raum hier, den In­ter­pol ih­nen zur Ver­fü­gung stell­te, war deut­lich grö­ßer als der im Haupt­ge­bäu­de von Ly­on. Ins­ge­samt wa­ren fünf Schreib­ti­sche dar­in un­ter­ge­bracht. Sie stan­den ziem­lich in der Mit­te. Zwei ne­ben­ein­an­der zum Fens­ter hin zwei wei­te­re di­rekt da­vor mit Blick zur Tür und rechts au­ßen noch ei­ner, der zu den vier an­de­ren ge­stellt war. Sie hat­ten sie un­ter­ein­an­der auf­ge­teilt. Ka­rya­ni hat­te di­rekt den ers­ten links vor­ne ge­nom­men, ihr Ver­lob­ter di­rekt den da­ne­ben. Liz, die Che­fin des Te­ams, hat­te sich den ein­zeln Ste­hen­den rechts au­ßen ge­si­chert. Mi­cha­el saß Mi­ke ge­gen­über und Leo­nie rechts ne­ben ihm hat­te Ka­rya­ni vor sich. Al­le zu­sam­men sa­ßen wie in ei­ner Run­de an ih­ren Schreib­ti­schen.

Der Bo­den war mit hel­len Kera­mik­flie­sen be­deckt wor­den. Links an der Wand hat­te der große Com­pu­ter sei­nen Platz ge­fun­den, vor dem meis­tens Mi­ke ar­bei­te­te, wenn er sei­ne Auf­ga­ben nicht mit dem Lap­top auf sei­nem Schreib­tisch lö­sen konn­te. Wei­ter Rechts ne­ben dem Ein­gang führ­te ei­ne Tür zu der ein­ge­bau­ten klei­nen Kü­che und zu ei­ner ne­ben­an lie­gen­den Toi­let­te. Der hin­te­re Be­reich bot ge­nug Platz für die ge­müt­li­che So­fa­land­schaft, die sie sich an­ge­schafft hat­ten. Liz hat­te, im Sin­ne des Te­ams, dar­auf be­stan­den, dass sie al­le zu­sam­men mit­tags am Tisch sit­zen und sich stär­ken. Mi­cha­el, des­sen Hob­by es war zu ko­chen, hat­te sich be­reit er­klärt, für die Te­am­mit­glie­der ein Mit­ta­ges­sen zu­zu­be­rei­ten, und küm­mer­te sich auch um die Er­fri­schun­gen. Die At­mo­sphä­re glich eher ei­nem zu Hau­se als ei­nem Ar­beits­platz.

Heu­te Mor­gen wa­ren die frisch Ver­lob­ten, die ers­ten die ih­ren Dienst an­tra­ten. Mi­cha­el hat­te sich in die Kü­che zu­rück­ge­zo­gen und koch­te Kaf­fee für die gan­ze Trup­pe. Leo­nie setz­te sich an ih­ren Schreib­tisch und dreh­te den Ring an ih­rem Fin­ger ge­dan­ken­ver­lo­ren hin und her. Der Ring, den er für sie be­sorgt hat­te, mach­te sie schon glück­lich, wenn sie ihn be­trach­te­te. Es war et­was Be­son­de­res. Auf der Au­ßen­sei­te des schma­len gol­de­nen Strei­fens wa­ren meh­re­re grü­ne Sa­phi­re und Dia­man­ten ein­ge­fasst. Sein Ring war nur ganz schlicht aus Gold oh­ne Edel­stei­ne ge­fer­tigt.

Der Abend ges­tern war wie­der ein­mal ty­pisch Mi­cha­el ge­we­sen. Um sei­ne Leo­nie zu ver­zau­bern, hat­te er die Mög­lich­keit der Ein­wei­hungs­par­ty ih­res neu­en Heims noch für ei­ne Ver­lo­bung ge­nutzt. Wa­rum nur ein biss­chen was Es­sen, wenn doch al­le Freun­de gleich­zei­tig da wa­ren. Ihr ge­gen­über hat­te er zu­ge­ge­ben, dass er die­sen Tag schon seit Wo­chen ge­plant hat­te. Die Rin­ge hat­te er bei ei­nem Ju­we­lier be­sorgt, als Leo­nie ge­ra­de bei Fran­cois Pier­lot in Frank­reich ge­we­sen war, um ih­re Scharf­schüt­zen­aus­bil­dung wei­ter vor­an­zu­trei­ben. Schö­ner hät­te sich Leo­nie die­sen Tag nicht wün­schen kön­nen.

Die Tür ging auf, und ei­ne et­was mit­ge­nom­me­ne Liz Croll be­trat ih­ren Ar­beits­platz, der nach frisch ge­brüh­tem Kaf­fee und Bröt­chen duf­te­te. Über­rascht schlug sie die Au­gen auf als sie »Gu­ten Mor­gen ihr bei­den« sag­te.

»Ich hät­te nicht ge­glaubt, das ihr heu­te vor mir hier seid«, gab sie zu.

»Gu­ten Mor­gen Liz«, strahl­te Leo­nie sie an, »Wir sind aus­ge­schla­fen, im Ge­gen­satz zu dir!«

»Das Ge­fühl ha­be ich auch«, sag­te sie mü­de.

Als Mi­cha­el kurz aus der Kü­che kam, hat­te er schon zwei Tas­sen Kaf­fee in der Hand »Moin Che­fin, das frü­he Vö­geln ent­spannt den Wurm. Oder so ähn­lich!«, lach­te er. Oh­ne ein wei­te­res Wort drück­te er ihr ei­ne Tas­se in die Hand, die sie dank­bar ent­ge­gen­nahm. Die an­de­re stell­te er sei­ner Leo­nie vor die Na­se und drück­te ihr einen sanf­ten Kuss auf den Kopf, dann ver­schwand er wie­der durch die Tür.

»Wie kommt es, dass ihr schon so früh fit seid?«, woll­te sie wis­sen.

»Bei mir sind es ver­mut­lich die Glücks­hor­mo­ne«, ver­mu­te­te Leo­nie und zeig­te stolz auf ih­ren Ring.

»OK, das klingt lo­gisch«, ant­wor­te­te sie, »Gilt wohl auch für Micha!«

»Liz, ich brau­che kei­ne Hor­mo­ne mehr. Seit ich mit Leo­nie zu­sam­men sein darf, be­ste­he ich nur noch aus Glücks­hor­mo­nen. Mein Vor­teil ist, das ich vie­le Jahr­zehn­te fast oh­ne Schlaf aus­ge­kom­men bin, da stört mich ei­ne ziem­lich kur­ze Nacht nicht mehr«, rief Micha fröh­lich aus der Kü­che.

Gera­de als er be­gann den Tisch der So­fae­cke für ein ge­mein­sa­mes Früh­stück zu de­cken er­reich­ten auch Ka­rya­ni und Mi­ke ih­ren Ar­beits­platz. Auch die bei­den zeig­ten deut­li­che An­zei­chen von Schlaf­man­gel, wie Mi­cha­el aus den tie­fen Rin­gen un­ter ih­ren Au­gen le­sen konn­te. Lä­chelnd drück­te er auch ih­nen ei­ne Tas­se mit dem fri­schen Heiß­ge­tränk in die Hand und küm­mer­te sich dann wei­ter um den Tisch. Die frisch auf­ge­ba­cke­nen Bröt­chen dampf­ten noch, als Mi­cha­el sie auf den Tisch stell­te. Mit so ei­nem ge­müt­li­chen Früh­stück könn­te je­der Tag be­gin­nen. Zu­sam­men fie­len sie in das be­que­me So­fa und stärk­ten sich.

Dann ver­rich­te­ten sie die Ar­beit an ih­ren Be­rich­ten. Liz hass­te das wie die Pest. Sie war lie­ber an der fri­schen Luft und ging Spu­ren nach, als an ei­nem Schreib­tisch zu sit­zen und Pa­pier zu ver­schwen­den. Mi­cha­el war egal, was er mach­te, so lan­ge Leo­nie in sei­ner Nä­he war. Ihr ging es da ähn­lich, auch wenn es ihr viel lie­ber war flach, auf dem Bauch zu lie­gen und durch die Zie­l­op­tik ei­nes Ge­wehrs zu bli­cken. Ka­rya­ni und Mi­ke hin­ge­gen stör­te es nicht. Er ver­brach­te die meis­te Zeit oh­ne­hin vor ei­nem Bild­schirm, wäh­rend Ka­rya­ni an tech­ni­schen Wun­der­wer­ken bas­tel­te.

Nach dem ge­mein­sa­men Früh­stück stan­den Liz, Leo­nie und Mi­cha­el vor der Tür, in der war­men Son­ne der Ka­ri­bik und rauch­ten ei­ne Zi­ga­ret­te. An­ge­regt un­ter­hiel­ten sie sich, als plötz­lich Mi­ke nach drau­ßen kam und ihr Ge­spräch un­ter­brach.

»In Ko­lum­bi­en gab es heu­te Nacht einen Ein­bruch in ei­nem Mu­se­um«, be­gann er, »Der Tä­ter konn­te ent­kom­men. Al­ler­dings soll­te er leicht zu fin­den sein, wenn man sich die Idio­ten et­was ge­nau­er an­schaut!«

»Wie kommst du dar­auf, dass der Tä­ter zu­rück­ge­blie­ben ist?«, frag­te Liz arg­wöh­nisch.

»Ganz ein­fach, er hat nur das Au­ge des Sü­dens ge­klaut, die gan­zen an­de­ren Sa­chen hat er da ge­las­sen, ob­wohl sie deut­lich wert­vol­ler sind und of­fen vor ihm la­gen!«, grins­te er.

»Das er­gibt doch kei­nen Sinn«, merk­te Mi­cha­el an, »Wenn ich ir­gend­wo ein­stei­ge, greif ich mir so viel, wie ich nur kann, und nicht nur einen ein­zel­nen Edel­stein!«

»Streng ge­nom­men hat er nicht mal einen Edel­stein ge­stoh­len, son­dern nur ein Mi­ne­ral«, lach­te Mi­ke.

»Ein Mi­ne­ral?«, frag­te Liz.

»Ja! Das Au­ge des Sü­dens ist ein Opal, al­so kein Edel­stein, ob­wohl es einen ent­hält«, klär­te Mi­ke sie auf.

»Wir ha­ben ein was­ser­dich­tes Ali­bi!«, er­klär­te Leo­nie, »Wir ha­ben um­ringt von In­ter­pol Agen­ten Ver­lo­bung ge­fei­ert!«

Mi­cha­el drück­te sie zärt­lich an sei­ne Brust und flüs­ter­te »Du brauchst kein Ali­bi mehr mein Herz, du bist selbst ei­ne Agen­tin von In­ter­pol!«

»Wo ist jetzt der Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Opal und ei­nem Edel­stein?«, woll­te Liz wis­sen.

»So­weit ich weiß sind Opa­le ziem­lich häu­fig zu fin­den und wer­den vor­wie­gend für Schmuck ver­wen­det, den man für klei­nes Geld be­kommt. Edel­stei­ne hin­ge­gen sind ziem­lich sel­ten zu fin­den, was den Preis deut­lich an­hebt«, sin­nier­te Mi­cha­el über Leo­nies Schul­ter hin­weg die er im­mer noch im Arm hielt.

»Kommt rein, ich er­klär es euch«, mur­mel­te Mi­ke und ging wie­der in das Bü­ro zu­rück. Die an­de­ren lösch­ten ih­re Zi­ga­ret­ten und folg­ten ihm hin­ein. Der Ha­cker hat­te in Win­desei­le al­le mög­li­chen In­for­ma­tio­nen aus dem In­ter­net über­flo­gen und er­klär­te den An­we­sen­den den Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Opal und Edel­stei­nen, be­vor er das Au­ge des Sü­dens ge­nau­er er­klär­te.

»Das Au­ge des Sü­dens ist der ein­zi­ge Opal welt­weit der einen Edel­stein bein­hal­tet. In des­sen Mit­te be­fin­det sich ein feu­er­ro­ter Ru­bin, der durch das Mi­ne­ral scheint. Das gan­ze Ge­bil­de hat die Grö­ße von ei­nem ein­fa­chen Ei. Der Ru­bin in­nen ist ge­ra­de so groß wie ei­ne 50-Cent-Mün­ze. Ins­ge­samt ist das Stück ei­ne Vier­tel­mil­li­on wert und war ein Aus­s­tel­lungs­stück im Mu­seo del Oro Ze­nu in Car­ta­ge­na«, be­en­de­te er.

Al­le sa­hen sich ver­wirrt an. Mi­cha­el fand als Ers­ter sei­ne Spra­che wie­der »Mu­seo del Oro Ze­nu? Oro ist Spa­nisch und heißt Gold und Ze­nu sind die Urein­woh­ner Ko­lum­biens. Frei über­setzt wür­de es al­so hei­ßen "Mu­se­um des Gol­des der Urein­woh­ner" was mich zu der Fra­ge führt, was ein Opal um einen Ru­bin da drin zu su­chen hat?«

Ka­rya­ni nick­te be­däch­tig »Für je­man­den, der kein Spa­nisch kann, ist das be­ein­dru­ckend Mi­cha­el. Wäh­rend mei­ner kri­mi­nel­len Kar­rie­re hat­te ich ei­ni­ge Be­kann­te aus der Kun­straub­sze­ne. Das Au­ge des Sü­dens ist welt­be­kannt. Es ist der ein­zi­ge Ru­bin, den die Ze­nu in Ko­lum­bi­en ge­fun­den ha­ben. Sie wa­ren ab un­ge­fähr 4000 v. Ch. Berühmt für ih­re Gold­kunst und trie­ben re­gen Han­del mit an­de­ren in­di­ge­nen Völ­kern. Laut Über­lie­fe­rung wur­de das Au­ge des Sü­dens 2370 v.c h. von Ein­hei­mi­schen ge­fun­den. Auf­grund sei­nes Aus­se­hens, der Ru­bin bil­det wirk­lich ein Au­ge, und der vor­herr­schen­den Re­li­gi­on zu der Zeit wur­de es als Au­ge Got­tes an­ge­se­hen und ver­ehrt. Ab 1540 wur­de Ko­lum­bi­en im­mer wie­der von Pi­ra­ten über­fal­len, die große Tei­le des Gol­des raub­ten, al­ler­dings das Au­ge zu­rück­lie­ßen weil sie glaub­ten es sei ein wert­lo­ser Opal. Erst die spa­ni­schen Ero­be­rer woll­ten das Au­ge des Sü­dens zer­stö­ren, weil es in ih­ren Au­gen der Re­li­gi­on der Urein­woh­ner Macht gab. Die­se Macht al­ler­dings be­an­spruch­te die ka­tho­li­sche Kir­che für sich al­lei­ne. Tau­sen­de Ze­nu wur­den in den Gold­mi­nen der Ero­be­rer von Krank­hei­ten heim­ge­sucht und star­ben. Der Rest wur­de bei Krie­gen von den Ero­be­rern da­hin­ge­schlach­tet. Das Au­ge hat­te man aber si­cher ver­steckt. Erst 1849 wur­de es an das Mu­se­um über­ge­ben und dort zu­sam­men mit der Gold­kunst aus­ge­stellt«, be­rich­te­te Ka­rya­ni.

Al­le sa­hen sie stau­nend an. Lan­ge Jah­re leb­te sie in Ve­ne­zue­la na­he der Gren­ze zu Ko­lum­bi­en. Da sie groß­ar­tig nichts tun konn­te, weil sie über­all ge­sucht wur­de, in­ter­es­sier­te sie sich un­ter an­de­rem auch für Kunst und die Ge­schich­te der Re­gi­on, in der sie leb­te. Car­ta­ge­na war ei­ne be­rühm­te Ha­fen­stadt nörd­lich vom Ko­lum­bi­en und der Zu­gang zum Ka­ri­bi­schen Meer. Im­mer wie­der kam ihr da­bei das Au­ge des Sü­dens in Er­zäh­lun­gen un­ter. Sie hat­te schon lan­ge den Wunsch, sich die­se Schät­ze der Welt­ge­schich­te an­zu­se­hen. Erst seit sie die sau­be­ren Pa­pie­re hat­te, war ihr das mög­lich ge­we­sen, aber bis­her durch die Ar­beit ver­wehrt ge­blie­ben.

»Kennst du zu­fäl­lig je­man­den, der es dar­auf ab­ge­se­hen ha­ben könn­te?«, frag­te Liz die Ver­lob­te von Mi­ke.

»Nein. Das Au­ge ist zwar be­rühmt, al­ler­dings für Kunst­die­be un­in­ter­essant. Wenn dort je­mand ein­bricht, dann we­gen des Gol­des. Wä­re aber ziem­lich sinn­los, weil man es nicht los­wer­den wür­de. Die Stücke der Ze­nu sind zu be­kannt, als das sie je­mand kau­fen wür­de.«

»Das wä­re zu­min­dest mal ein Grund, das Gold zu­rück­zu­las­sen«, schloss Liz aus der Er­klä­rung.

»Die­se Tat­sa­che soll­te den Er­mitt­lern in Ko­lum­bi­en be­kannt sein, den­ke ich«, gab Mi­cha­el zu Pro­to­koll.

»Was ich nicht ver­ste­he«, sag­te Leo­nie zö­ger­lich, »Das Au­ge hat nur ei­ne re­li­gi­öse Be­deu­tung für die Ze­nu. Des­sen Wert liegt al­ler­dings weit, un­ter dem, was ein Dieb mit­neh­men wür­de, was einen Ein­bruch recht­fer­tigt. Ein Käu­fer dürf­te sich dann auch schwer fin­den las­sen, wenn es so be­rühmt ist, wo­mit wir wie­der bei der Fra­ge nach dem Sinn an­kom­men.«

»Mein Herz hat recht«, gab Mi­cha­el zu, »Es gibt kein Mo­tiv zu dem Ein­bruch. Selbst ein Kunst­samm­ler müss­te es auf ewig vor der Welt ver­steckt hal­ten. Aber neh­men wir ein­mal an, es gin­ge nur um den Ru­bin, der dar­in ent­hal­ten ist. Von wel­chem Wert re­den wir dann?«

»Un­ge­fähr 34.000 $«, nann­te Mi­ke den er­mit­tel­ten Preis des Edel­steins.

»We­gen ei­nes Mit­tel­klas­se­wa­gens be­gibt man sich doch nicht in so ei­ne Ge­fahr«, rief Liz.

»Wo­mit wir wie­der bei der re­li­gi­ösen Be­deu­tung wä­ren«, kon­ter­te Ka­rya­ni.

»Mi­ke, gib bit­te den Er­mitt­lern in Car­ta­ge­na wei­ter, das In­ter­pol die Über­prü­fung al­ler noch le­ben­den Ze­nu emp­fiehlt. Nach in­ten­si­ver Be­ra­tung konn­ten wir kei­ne an­de­ren Mo­ti­ve fin­den als re­li­gi­öse Spin­ne­rei«, warf Liz in die Run­de und wid­me­te sich dann wie­der den vor ihr lie­gen­den Be­rich­ten.

Mi­ke tipp­te die nicht ganz ernst ge­mein­te Emp­feh­lung in das In­ter­pol­sys­tem und ging dann wie­der sei­nen Auf­ga­ben nach.

4. Kapitel

Kolumbien, Cartagena

Das Er­mitt­ler­team Cor­tez und Mo­rei­ra, de­nen der Ein­bruch im Mu­seo del Oro Ze­nu zu­ge­teilt wor­den war, rie­ben sich ver­wun­dert die Au­gen, als sie über ihr Sys­tem die Ant­wort von In­ter­pol be­ka­men.

»Wir sol­len 30.000 Men­schen über­prü­fen, weil das, die ein­zi­gen mit ei­nem Mo­tiv sind?«, schrie Ane­li­sa Cor­tez ih­ren Bild­schirm an, »De­nen werd ich hel­fen! In­ten­si­ve Be­ra­tung und re­li­gi­öse Spin­ne­rei! Was glau­ben die­se Witz­fi­gu­ren ei­gent­lich, wer sie sind?«

»Ru­hig Blut Li­sa«, riet Fe­li­pe, »So wie ich das le­se ist es nicht wirk­lich ernst ge­meint, au­ßer­dem kommt es nicht von In­ter­pol aus Frank­reich, son­dern von In­ter­pol aus Nassau.«

»Nassau auf den Ba­ha­mas? Sitzt da ir­gend so ein Voll­depp mit ei­nem Son­nen­stich?«, wü­te­te sie.

»Un­sinn«, mein­te Mo­rei­ra, »Ein Er­mitt­ler­team von In­ter­pol un­ter der Lei­tung von ei­ner Liz Croll.«

»Croll? Sag­test du ge­ra­de Liz Croll?«, frag­te sie im­mer noch auf­ge­bracht.

»Ja Li­sa. Liz Croll, die ein Er­mitt­ler­team von In­ter­pol lei­tet. Sta­tio­niert in Nassau«, be­stä­tig­te er.

»Die hat vor ei­ni­gen Mo­na­ten in Deutsch­land die Bun­des­kanz­le­rin wäh­rend ei­ner Sit­zung ver­haf­tet. Hab ich in den Nach­rich­ten ge­se­hen«, stut­ze sie.

»War­te, ich se­he mir das mal et­was ge­nau­er an«, for­der­te Fe­li­pe und such­te wei­te­re In­for­ma­tio­nen zu­sam­men. Cor­tez be­ob­ach­te­te ihn, wie er im­mer an­de­re In­ter­netsei­ten auf­rief und sei­ne Au­gen im­mer grö­ßer wur­den.

Dann be­gann er »Du hast recht Li­sa! Die­se Croll hat mit ih­rem Te­am For­schungs­da­ten ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft aus Deutsch­land be­schafft, hin­ter de­nen die CIA und ei­ne Ener­gie­ge­sell­schaft her wa­ren. Die Bun­des­kanz­le­rin spiel­te da­bei den Ame­ri­ka­nern in die Hän­de und sie hat sie we­gen Mor­des dran ge­kriegt. Zu­sätz­lich ha­ben sie sie­ben Mör­der aus dem Ver­kehr ge­zo­gen, Zeu­gen ge­schützt und die CIA ganz alt aus­se­hen las­sen. Ihr Te­am be­steht aus fünf Agen­ten, die welt­weit die Be­fug­nis­se von Bun­de­s­agen­ten ha­ben. Na­ment­lich auf­ge­führt sind das Liz Croll als Lei­te­rin, Mi­cha­el Korn, als Si­cher­heits­chef und drei wei­te­re de­ren Na­men nicht ge­nannt wer­den. Sta­tio­niert in Nassau un­ter dem di­rek­ten Kom­man­do von Chi Park, dem Di­rek­tor von In­ter­pol!«

»Ha­ben die auch Te­le­fon dort?«, woll­te sie wis­sen.

»Ich den­ke schon, die Num­mer steht hier aber nicht. Ver­mut­lich er­reicht man die nur über In­ter­pol di­rekt«, ver­mu­te­te Fe­li­pe.

Ane­li­sa öff­ne­te ihr Te­le­fon­ver­zeich­nis auf dem Com­pu­ter und such­te nach Te­le­fon­num­mern von In­ter­pol. Ne­ben der all­ge­mei­nen Ruf­num­mer des In­for­ma­ti­ons­diens­tes fand sie nur die Durch­wahl der Zen­tra­le. Oh­ne lan­ge zu über­le­gen, tipp­te sie die an­ge­zeig­te Num­mer in ihr Te­le­fon und hielt es sich ans Ohr.

»In­ter­pol­zen­tra­le. Sie spre­chen mit Mi­riam De­ver­aux«, mel­de­te sich ei­ne freund­li­che Stim­me mit schwe­rem fran­zö­si­schen Ak­zent.

»Ane­li­sa Cor­tez. Haupt­kom­missa­rin der ko­lum­bia­ni­schen Po­li­zei. Ich hät­te ger­ne die Durch­wahl zum Er­mitt­ler­team von Liz Croll in Nassau«, sprach sie et­was an­ge­grif­fen in ihr Te­le­fon.

»Tut mir leid Miss Cor­tez, ich darf die­se Num­mer aus Si­cher­heits­grün­den nicht her­aus­ge­ben. Ich wer­de das Te­am bit­ten, sich te­le­fo­nisch bei ih­nen zu mel­den. Kann ich sonst noch et­was für sie tun?«, frag­te die Stim­me nach ei­ner ge­fühl­ten Ewig­keit.

»Nein. Sie soll sich nur schnells­tens mel­den«, gab Cor­tez zu­rück und trenn­te die Ver­bin­dung.

Un­ru­hig war­te­te sie ei­ne Wei­le, doch ihr Te­le­fon blieb stumm. Cor­tez wid­me­te sich wie­der ih­ren Er­mitt­lun­gen. Der Be­richt der Spu­ren­si­che­rung wür­de erst mor­gen früh auf ih­rem Schreib­tisch lie­gen. Seit sie in der Nacht aus dem Bett ge­holt wur­de und am Tat­ort die Er­mitt­lun­gen auf­ge­nom­men hat­te, war sie noch kei­nen Schritt wei­ter ge­kom­men. Die gan­ze An­ge­le­gen­heit er­gab kei­nen Sinn in ih­ren Au­gen und sie stell­te ei­ne An­fra­ge bei In­ter­pol über Kunst­dieb­stäh­le, die of­fen­sicht­lich nicht we­gen des Wer­tes be­gan­gen wur­den. Aber auch In­ter­pol selbst konn­te ihr in die­ser Rich­tung nichts Kon­kre­tes nen­nen. Die ein­zi­ge Hil­fe­stel­lung war die­se Nach­richt aus Nassau, die für ih­re Wut wie ei­ne Trieb­fe­der wirk­te. Fast ei­ne Stun­de war ver­gan­gen, bis ihr Te­le­fon sie aus ih­ren Über­le­gun­gen riss. An In­ter­pol dach­te sie schon über­haupt nicht mehr.

»Cor­tez«, mel­de­te sie sich.

»Korn. In­ter­pol. Sie ba­ten um einen An­ruf«, er­klang ei­ne dunkle Män­ner­stim­me.

Sie brauch­te ei­ne Se­kun­de, bis sie sich er­in­ner­te. Dann flamm­te wie­der ih­re Wut auf »Ich woll­te die­se Croll spre­chen«, blaff­te sie.

»Miss Croll hat an­der­wei­tig zu tun. Ihr klei­ner Arsch muss sich mit mir be­gnü­gen! Was kann ich ge­gen sie tun?«, frag­te er.

»Sie hal­ten sich wohl für sehr wit­zig«, stell­te sie er­bost fest, »Ih­re Hil­fe­stel­lung, wenn man das über­haupt so be­zeich­nen soll­te, grenzt an Be­lei­di­gung und die­se Croll hat nicht ein­mal den Mut sich per­sön­lich zu mel­den, son­dern schickt ih­ren Lauf­bur­schen.«

»Sper­ren sie die Lau­scher auf Cor­tez! Ich bin we­der der Lauf­bur­sche ei­ner Miss Croll, noch ei­ner ih­rer Lut­scher aus dem Aus­bil­dungs­pro­gramm, der mit dem Schwanz we­delt, weil ei­ne dum­me Pu­te aus dem Bü­ro quen­gelt. Kom­men sie zum Punkt, oder sche­ren sie sich zum Teu­fel!«, raun­te er.

Cor­tez muss­te schlu­cken. Die­ser Mann am Te­le­fon drück­te ihr har­te An­sa­gen an den Kopf, an­statt sich pro­fes­sio­nell zu ge­ben. Sie war fuchs­teu­fels­wild und er die Ru­he in Per­son. »Den Teu­fel hab ich hier am Te­le­fon«, schrie sie, »Gibt es über­haupt ir­gend­ei­nen schwach­sin­ni­gen Agen­ten bei ih­rem Ve­rein, der et­was von sei­nem Job ver­steht, oder nur Maul­hel­den am Te­le­fon?«

»Falls ich nach Ko­lum­bi­en kom­men soll­te, wird es mir ei­ne Freu­de sein, ihr däm­li­ches Ge­sicht ei­ner kos­ten­lo­sen Schön­heits­ope­ra­ti­on zu un­ter­zie­hen«, droh­te er mit ru­hi­ger Stim­me, be­vor er un­ter­bro­chen wur­de. Es mel­de­te sich ei­ne hel­le Frau­en­stim­me »Miss Cor­tez, hier spricht Leo­nie Kel­ler von In­ter­pol. Bit­te ent­schul­di­gen sie Mis­ter Korns auf­tre­ten. Was kön­nen wir für sie tun?«

»Au­ßer ih­ren Vor­gän­ger auf ei­ne Be­nimm­schu­le schi­cken mei­nen sie? Wie wä­re es denn zur Ab­wechs­lung mal mit pro­fes­sio­nel­ler Zu­sam­men­ar­beit un­ter Er­mitt­lungs­be­hör­den?«, rief sie.

»Miss Cor­tez, Mis­ter Korns Be­neh­men steht hier nicht zur De­bat­te. Er macht sei­nen Job sehr gut, nur die Kom­mu­ni­ka­ti­on ist nicht sein be­vor­zug­tes Be­tä­ti­gungs­feld. Sei­ne Aus­drucks­wei­se ist zu­ge­ge­ben mehr als un­ge­wöhn­lich, aber ih­re Wut ver­kom­pli­ziert das Gan­ze un­nö­tig. Was für Hil­fe be­nö­ti­gen sie?«, führ­te sie aus.

»Wir wol­len wis­sen, ob es be­reits ähn­li­che Dieb­stäh­le auf der Welt gab, die mit dem Vor­fall in Car­ta­ge­na heu­te Nacht ver­gleich­bar sind, und uns nicht durch ein Te­am, das sich auf den Ba­ha­mas sonnt, ver­spot­ten las­sen«, for­der­te sie.

»Wir ha­ben nicht die Zeit, uns in die Son­ne zu le­gen Miss Cor­tez. Wir er­sti­cken hier im Pa­pier­krieg und ih­re An­fra­ge ha­ben wir heu­te Mor­gen un­ter die Lu­pe ge­nom­men. Un­se­re Ein­schät­zung ha­ben sie wohl er­hal­ten. Wir den­ken, dass ein re­li­gi­öses Mo­tiv der Ze­nu da­hin­ter­steckt. Un­ser Com­pu­ter­spe­zia­list hat sich üb­ri­gens die Mü­he ge­macht, al­le Kunst­dieb­stäh­le der letz­ten 20 Jah­re mit dem Vor­fall heu­te Nacht zu ver­glei­chen. Da­bei gab es kei­ne Ge­mein­sam­kei­ten«, er­ör­ter­te die Frau am Te­le­fon.

Cor­tez wur­de et­was ru­hi­ger, »Die Be­völ­ke­rungs­grup­pe der Ze­nu um­fasst et­wa 30.000 Men­schen in Ko­lum­bi­en, wir kön­nen nicht je­den ein­zel­nen über­prü­fen nur, weil In­ter­pol ein re­li­gi­ös mo­ti­vier­tes Ver­bre­chen ver­mu­tet. Noch da­zu, weil es nicht ein­mal von In­ter­pol selbst kommt, son­dern von ei­ner Trup­pe Wo­che­n­en­der­mitt­ler aus der Ka­ri­bik!«

»Die­se Wo­che­n­en­der­mitt­ler Miss Cor­tez, wie sie uns nen­nen, sind ein Te­am von Spe­zia­lis­ten aus der gan­zen Welt, die Fäl­le lö­sen und Er­mitt­lungs­be­hör­den hilft, wenn man uns dort an­for­dert, weil sie selbst nicht wei­ter wis­sen!«, be­lehr­te sie.

»Ver­ste­he«, nör­gel­te sie, »Die­se Spe­zia­lis­ten trin­ken ih­re Cock­tails am Strand und ih­re ein­zi­ge Hil­fe be­steht aus däm­li­chen Ein­schät­zun­gen die sie über das In­ter­net ver­brei­ten.«

»Ich wür­de gern mit Miss Crolls Ein­ver­ständ­nis hel­fen, al­ler­dings soll­ten sie sich, Miss Cor­tez be­ru­hi­gen, und ei­ner an­de­ren Aus­drucks­wei­se be­flei­ßi­gen, an­sons­ten lau­fen sie Ge­fahr von Miss Croll und Mis­ter Korn vor­zei­tig aus dem Po­li­zei­dienst auf­grund ih­res To­des aus­zu­schei­den. Au­ßer­dem möch­te ich noch an­mer­ken, dass ich schon die gan­ze Zeit ver­su­che, freund­lich zu blei­ben, was mir auf­grund ih­rer Aus­sa­gen im­mer schwe­rer fällt«, gab sie mit ge­reiz­ter Stim­me zu­rück.

»Wis­sen sie was Miss Kel­ler. Kom­men sie mit ih­rem Te­am doch hier vor­bei, dann ge­be ich ih­nen ger­ne Nach­hil­fe. Ver­ges­sen sie aber Croll und Korn nicht, sol­che Kräu­ter rauch ich in der Pfei­fe!«, gif­te­te sie.

»Ich wer­de ihr An­lie­gen bei Miss Croll vor­brin­gen!«, ver­sprach Leo­nie und leg­te dann auf.

Die­se Trup­pe von In­ter­pol macht wohl Wit­ze? Spe­zia­lis­ten wol­len das sein? Das sind eher ein paar Mit­ar­bei­ter die sich in die Ho­se ma­chen, wenn man sie mit ei­nem Blei­stift be­droht. Sol­len sie nur kom­men, dann er­le­ben sie ei­ne ech­te Spe­zia­lis­tin bei der Ar­beit und ler­nen viel­leicht noch et­was da­bei. Mitt­ler­wei­le war es zu spät, um et­was zu er­rei­chen. Vor mor­gen wür­de sie kaum noch Hin­wei­se er­hal­ten, die das dun­kel er­hel­len.

»Fe­li­pe«, sprach sie ih­ren Kol­le­gen an, »Heu­te kön­nen wir nichts mehr er­rei­chen. Wir brau­chen den Be­richt der Spu­ren­si­che­rung. Das Mu­se­um bleibt bis auf Wei­te­res ge­schlos­sen, bis wir al­les ge­nau durch­sucht ha­ben. Wenn die nur mal et­was Schnel­ler wä­ren mit dem Su­chen.«

»Du hast wie im­mer recht Ane­li­sa. Lass uns nach Hau­se ge­hen und ein biss­chen schla­fen«, sag­te er fröh­lich.

»Ach, be­vor ich es ver­ges­se. Vi­el­leicht kom­men die­se Pfei­fen von In­ter­pol da­zu, die dür­fen dann ein biss­chen zu­se­hen und ler­nen, wie man Ver­bre­chen auf­klärt«, grins­te sie.

»Stell dir das nicht so ein­fach vor. So weit ich das ge­se­hen ha­be, sind die al­les an­de­re als zu un­ter­schät­zen«, warn­te er.

»Du glaubst doch nicht im Ernst, das die­se fünf Blei­stift­jong­leu­re ir­gend­was her­aus­fin­den«, lach­te sie.

»Wenn sie wirk­lich hier vor­bei­kom­men, bin ich mal ge­spannt, wie sie vor­ge­hen. Al­ler­dings glau­be ich nicht das sie sich mit un­se­rem Fall be­schäf­ti­gen wer­den, die ha­ben si­cher Bes­se­res zu tun«, gab er zu be­den­ken.

»Wenn die­se Croll wirk­lich was taugt, und ich bin über­zeugt da­von, dass sie über sich selbst denkt, die bes­te zu sein, dann kommt sie mit ih­ren Spei­chel­le­ckern vor­bei. Und ich wer­de ihr und die­sem Korn zei­gen, was ich mit Ver­sa­gern an­stel­le, wenn sie sich traut!«

»Ane­li­sa, du bist ei­ne gu­te Er­mitt­le­rin, nicht um­sonst hast du zur Haupt­kom­missa­rin ge­bracht, aber die­ses Te­am von In­ter­pol wur­de nicht auf­ge­stellt, um Pa­pie­re zu sor­tie­ren, son­dern ein­zu­grei­fen, wenn die na­tio­na­len Er­mitt­ler Hil­fe brau­chen.«

»Ich woll­te ein­fach nur von die­sen Arm­leuch­tern wis­sen, ob es so was in der Art schon gab. Das ein­zi­ge, was sie konn­ten, wa­ren be­scheu­er­te Ratschlä­ge zu ge­ben«, klag­te sie mit bö­ser Stim­me.