Dark Escort - Tyler - E.L. Todd - E-Book
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Dark Escort - Tyler E-Book

E.L. Todd

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Beschreibung

Niemals im Leben würde ich einen Escort anheuern. Aber ich bin absolut verzweifelt ...

Für Escort Tyler ist das Einhalten der Regeln seiner Agentur kein Problem:

1. Keine Küsse.
2. Keine Gefühle.
3. Kein Sex. Absolut keinen Sex.

Als sexy Playboy hat Tyler in seiner Freizeit genügend Spaß mit diversen Frauen. Das spielt er jedenfalls seinen Freunden vor. Keiner würde vermuten, dass er auch nach über einem Jahr noch so sehr unter der Trennung von seiner Exfreundin leidet, dass er mit keiner Frau schlafen kann. Liebe ist erst recht kein Thema mehr für ihn.

Doch dann tritt Harper in sein Leben und hypnotisiert ihn mit ihrer Schönheit, ihrem Witz und ihrer beeindruckenden Intelligenz. Wird er sich trotzdem an das halten, was er sich einst geschworen hatte?

Ein prickelndes Lesevergnügen! Band 2 der Liebesroman-Reihe DARK ESCORT von New York Times Bestsellerautorin E.L. Todd. Verlieb dich in die heißen Typen von »Beautiful Entourage«: einer Agentur, die weiß, was Frauen wollen. Alle Bände können unabhängig voneinander gelesen werden.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.





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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16

Dark Escort – Die Serie

Die Begleiter des Escort Services Beautiful Entourage sind ihr Geld absolut wert. Viele Frauen finden die gutaussehenden, durchtrainierten jungen Männer schlichtweg unwiderstehlich. Doch sie arbeiten hoch professionell und haben strenge Regeln aufgestellt, die nicht gebrochen werden dürfen. Niemals.

1. Keine Küsse.

2. Keine Gefühle.

3. Kein Sex. Absolut keinen Sex.

Über diese Folge

Für Tyler ist das Einhalten der Regeln kein Problem. Der sexy Playboy hat in seiner Freizeit genügend Spaß mit diversen Damen. Das spielt er jedenfalls seinen Freunden vor. Keiner würde vermuten, dass er auch nach über einem Jahr noch so sehr unter der Trennung von seiner Exfreundin leidet, dass er mit keiner Frau schlafen kann. Liebe ist erst recht kein Thema mehr für ihn.

Doch dann tritt Harper in sein Leben und hypnotisiert ihn mit ihrer Schönheit, ihrem Witz und ihrer beeindruckenden Intelligenz. Wird er sich trotzdem an das halten, was er sich einst geschworen hatte?

Über die Autorin

USA-Today-Bestsellerautorin E. L. Todd lebt im sonnigen Kalifornien und hat bereits über einhundert Bücher veröffentlicht. Sie schreibt Liebesromane in verschiedenen Genres über Contemporary Romance, New Adult Romance bis Romantic Fantasy.

Die Reihe um den Escortservice ist allerdings die erste, die ins Deutsche übersetzt wurde.

Neben Büchern liebt E. L. Todd Kaffee, Eis und eigentlich alles mit viel Zucker.

E. L. Todd

Dark Escort

Tyler

Aus dem Englischen von Sabine Neumann

beHEARTBEAT

Digitale Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2015 by E. L. Todd

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Gorgeous Consort

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Übersetzung: Sabine Neumann

Redaktion: Mona Gabriel

Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock/Happy MIA, © shutterstock/RoyStudioEU und © iStock.com/mustafagull

Datenkonvertierung eBook:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-3280-3

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Tyler

Einkaufen gehört für mich zu den nervigsten Dingen überhaupt. Schließlich habe ich nur zwei Arme, um alles zu tragen, was ich brauche. Ich muss mich also auf das Nötigste beschränken, sprich hauptsächlich Zutaten für meinen täglichen Protein-Shake nach dem Training im Fitnessstudio. Ich habe zwar ein Auto, aber in Manhattan einen Parkplatz zu finden ist so gut wie unmöglich, also gehe ich meistens lieber zu Fuß.

Mit einem Korb in der Hand lief ich durch die Gänge und scannte im Vorbeigehen die Regale. Ich griff nach einem Karton Lucky Charms, auch wenn sie viel zu viele Kohlenhydrate enthielten, packte mein Proteinpulver ein, dazu ein bisschen Obst und Gemüse, und erreichte dann den Gang mit den Hygieneartikeln. Ich streckte die Hand nach einer Shampooflasche aus und hielt inne, als ich die Kondompackungen im Regal entdeckte.

Ich stand einfach nur da und starrte die Packungen an. Ich wusste nicht, warum, aber ich fühlte mich bei dem Anblick nicht wohl in meiner Haut. Vielleicht aufgrund dessen, was sie repräsentierten: Sex. Ich hatte schon seit über einem Jahr keinen Sex mehr gehabt. Nach außen hin tat ich so, als wäre ich ein sexy Playboy, der sich ständig mit irgendwelchen Frauen traf und seinen Spaß hatte, und anscheinend fiel jeder, der mich kannte, darauf rein – oder wohl eher jeder, der glaubte, mich zu kennen.

In Wirklichkeit war ich einfach noch nicht so weit.

Wie festgewachsen stand ich vor dem Regal, wie ein Teenager, der zum ersten Mal Kondome kauft und sich aufgeregt und ein bisschen verschämt all die unterschiedlichen Möglichkeiten vor Augen führt. Mit Gleitgelbeschichtung, mit Geschmack, XXL … Es gab eine Riesenauswahl.

»Tyler?« Die Frauenstimme, die an mein Ohr drang, erinnerte mich an eine Sommerwiese voller Blumen. Alleine der Klang brachte Bilder zurück in meinen Kopf, an die ich lange nicht mehr gedacht hatte. Plötzlich spürte ich Panik in mir aufsteigen, den Drang abzuhauen. Aber wie ein in die Enge getriebenes Tier konnte ich nicht fliehen.

Ich drehte mich zu Alexia um, der Frau, der ich vor so langer Zeit mein Herz geschenkt hatte. Sie hat mich mehr verletzt, als ich es je in Worte fassen könnte. Selbst nach so langer Zeit war ich noch nicht wieder der Alte. Würde ich für immer so sehr leiden? Aber ich durfte keine Miene verziehen, musste so tun, als bedeutete sie mir überhaupt nichts, als hätte sie nicht buchstäblich mein Leben ruiniert. »Wie geht’s, Süße?«, fragte ich betont lässig. Ich nahm vier Packungen Kondome, übertrieben viel, und warf sie in meinen Korb. Sie begruben Milch, Brot und den Proteinmix unter sich.

Alexia warf einen flüchtigen Blick auf den Korb und sah genau, was ich gerade hinzugefügt hatte, aber sie kommentierte es nicht. Ihr braunes Haar sah aus wie gefärbt und hatte jetzt einen rötlichen Schimmer. Es war weich, das sah ich mit bloßem Auge, ohne es anfassen zu müssen. Ich erinnerte mich daran, wie es sich im Bett unter meinen Händen angefühlt hatte. Ihre Augen starrten mich an, blau und eisig, so kalt wie ihr Herz aus Stein. »Wie geht’s dir?«, fragte sie mit einem perfekten Lächeln, das ihre perfekten Zähne zeigte – das Resultat einer unsichtbaren Zahnspange in Kinderjahren. Es ärgerte mich, dass sie so glücklich wirkte. Genaugenommen machte es mich stinksauer.

»Mir geht’s gut. Decke mich gerade fürs Wochenende ein.« Ich zeigte auf den Korb mit den Kondomen. Nimm das, du kaltherzige Hexe! »Und wie geht’s dir, Süße?« Ich ließ meine Stimme herablassend klingen. Alexia war alles andere als süß, vielmehr ein richtiges Miststück. »Großartig, ich besorge nur schnell ein paar Sachen.«

Warum war sie herübergekommen und hatte mich angesprochen? Es war schließlich nicht so, als wären wir Freunde. Ich wollte nie mit ihr befreundet sein. Nachdem wir Schluss gemacht hatten, hatte ich sie nur ein einziges Mal gesehen. Und da hatte sie sich genauso verhalten wie jetzt, so als wären wir in Freundschaft auseinandergegangen. Hatte sie das Gedächtnis eines Waschbären? Die Schlauste war sie noch nie gewesen.

»Ich muss weiter«, sagte ich. Ich wollte diese Unterhaltung unbedingt beenden. Das Herz schlug mir bis zum Hals, und meine Hände waren so schweißnass, dass mir der Einkaufskorb wegzurutschen drohte. Ich hasste meinen Körper dafür, dass er so reagierte. Ich hasste ihn dafür, dass er immer so reagieren würde. Ich war in einen Strudel geraten, dazu verdammt, für immer in der Vergangenheit zu leben. Sosehr ich mich auch dagegen wehrte – ich konnte nicht anders, als auf ihren Ringfinger zu schauen. Da war kein Ring, was mich sehr erleichterte, aber für diese Erleichterung hasste ich mich noch mehr. Warum konnte es mir nicht einfach egal sein? »Ich muss jetzt echt los.« Ich ging um sie herum und versuchte, cool und gleichgültig zu wirken.

»Warte!«

Ich drehte mich um, was mich noch um ein Vielfaches wütender machte. Warum konnte ich nicht einfach weitergehen? Würde ich jemals in der Lage sein, einfach weiterzugehen? »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit«, sagte ich kühl. Ein Teil von mir wünschte, sie würde jetzt sagen, dass ich ihr fehle. Oder dass ich gut aussähe. Aber was ich mir wirklich wünschte, ob ich es mir selbst eingestand oder nicht, war, dass sie sagte, es sei ein Fehler gewesen, mich zu verlassen. Für diese Worte lebte ich.

»Arbeitest du noch als Escort?«

Eine Welle der Enttäuschung schwappte über mich hinweg, unmittelbar gefolgt von Wut. Das war es? Deswegen hatte sie mich noch einmal zurückgerufen? Warum wollte sie das wissen? »Was glaubst du denn?«

»Das heißt also ja?«

Ich zog eine Augenbraue hoch, gab mich betont unfreundlich. »Spielt das irgendeine Rolle, Alexia?« Es fühlte sich schrecklich an, ihren Namen zu sagen. Er ging mir schwer von der Zunge.

»Na ja, ich habe eine Freundin, die für den Hochzeitstag ihrer Eltern eine Begleitung braucht …«

Verdammter. Bullshit!

»Fick dich, Alexia!« Ich drehte mich um und ging. Ich bedeutete ihr ganz eindeutig gar nichts. Wenn sie mich ansah, sah sie keinen Exfreund. Sie sah nicht die drei Jahre, die wir gemeinsam verbracht hatten. Ich war einfach nur … da. Wann würde ich endlich akzeptieren, dass ich ihr egal war? Wann würde ich es akzeptieren, ohne dass es wehtat?

Jemals in meinem Leben?

***

Nachdem ich meine Einkäufe in der Küche verstaut hatte, legte ich mich auf die Couch und starrte an die Decke. Die Kondompackungen, die ich niemals öffnen würde, lagen auf dem Wohnzimmertisch. Ich hätte sie einfach zurückbringen können, aber das Geld war mir egal. Und ich hatte wirklich keine Lust, dieser herzlosen Hure noch einmal zu begegnen.

Na toll, jetzt musste ich mir einen neuen Supermarkt suchen. Das nervte mich kolossal, weil der alte praktisch um die Ecke lag. Zum nächsten würde ich fast einen Kilometer weiter laufen und mich dort auch erst wieder neu zurechtfinden müssen. Wie ich diese Schlampe hasste!

Mein Handy klingelte, und ich zog es aus der Tasche. Es war Danielle, wahrscheinlich hatte sie einen neuen Auftrag für mich. Ich stellte das Telefon auf lautlos und legte es auf den Tisch zu den ungeöffneten Kondompackungen. Das Letzte, worauf ich jetzt Lust hatte, war Arbeiten. Ich konnte jetzt einfach kein Lächeln aufsetzen und charmant sein. Ich würde mich wahrscheinlich wie ein Arschloch aufführen.

Das Display leuchtete wieder auf. Sie rief noch einmal an. Unfähig, auch nur einen einzigen Muskel zu bewegen, ließ ich meine Mailbox rangehen. Danach versuchte Danielle es nicht noch einmal, und ich blieb auf der Couch liegen. Ich war daran gewöhnt, dass depressive Stimmungen kamen und gingen, aber dieses Mal war es wirklich hart. Ich war enttäuscht von mir selbst, dass ich nicht stärker war. Ich verhielt mich wie ein Weichei, ließ zu, dass mich eine Frau so kleinkriegte. Die einfache Lösung wäre, endlich darüber hinwegzukommen. Glaubst du wirklich, das hätte ich noch nicht versucht? Meine Gedanken begleiteten mich in den Schlaf. Vor meinem Fenster ging die Sonne langsam unter. Eigentlich musste ich noch ins Fitnessstudio, aber irgendwie fehlte mir die Motivation. Also einfach schlafen statt Sport.

***

Was ich träumte, war schlimmer als die Wirklichkeit. Zusammenhanglose Bilder taten sich vor meinem inneren Auge auf, und ich war mir nicht sicher, was ich da erlebte. Doch dann wurde es mir schlagartig klar: Die Kulisse für meinen Traum war der Grand Canyon. Millionen von Jahren der Evolution waren in die Steine des Canyons eingeschlossen. Man konnte Fossilien an Stellen sehen, an die man nie drankäme, ohne die makellose Oberfläche zu zerstören – etwas so Schönes, das wirkte, als wäre es von Gott geschaffen und nicht durch bloße Erosion.

»Unglaublich, dass wir wirklich hier sind!« Alexia näherte sich dem Rand der Klippe. Sie trug Shorts und ein rückenfreies Shirt. Ihr langes Haar fiel ihr über die Schultern und bewegte sich im leichten Wind. Es war ein warmer Sommertag, aber auf den Grashalmen lag noch der Morgentau.

Ich starrte ihr auf den Rücken und lächelte, froh darüber, in ihr solche Glücksgefühle auslösen zu können. Meine Lebensaufgabe war es, sie glücklich zu machen. Und immer, wenn ich es geschafft hatte, fühlte ich mich wie high.

»Es ist fantastisch, oder?« Ich stellte mich neben sie und sah ihr ins Gesicht.

Sie ignorierte mich. Alles, was zählte, war der Canyon, der uns zu Füßen lag. Wir fühlten uns wie Götter, als gehörte uns die Welt, über die wir unsere Blicke schweifen ließen. Ich griff nach Alexias Hand. Ihre Handfläche war warm, und mir war jede Rille ihrer Fingerkuppen vertraut. Ich kannte sie in- und auswendig, jede einzelne Zelle ihres Körpers.

»Ich habe immer davon geträumt, das hier einmal zu sehen«, sagte sie. »Danke, dass du mit mir hergekommen bist.«

»Ich gehe mit dir, wohin auch immer du willst.« Ich sah sie von der Seite an, fasziniert davon, wie schön sie war. Der Grand Canyon war ein Kunstwerk, aber nichts im Vergleich mit ihrer Schönheit.

Endlich wandte sie sich mir zu, in ihren Augen spiegelte sich die Sonne. Sie funkelten, als leuchteten sie nur für mich. Immer wenn sie mich so ansah, war ich vollkommen mit mir und der Welt im Reinen. Womit hatte ich das Glück verdient, mit jemandem mein Leben zu teilen, der so perfekt war wie sie?

»Warum starrst du mich so an?«

»Weil ich dich liebe.« Eine andere Erklärung gab es nicht. Einfacher konnte ich die Gefühle in meinem Herzen nicht ausdrücken. Ihr Blick blieb an meinem hängen, und ihre Augen sahen mir tief in die Seele. Eine Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht, streifte ihre feuchten Lippen und wurde wieder weggeweht. Es war an der Zeit. Der Moment, auf den ich gewartet hatte, war da. Ich zog die Schachtel aus meiner Tasche und ging auf die Knie.

»Oh mein Gott …« Sie hielt sich die Hände vor den Mund und stieß einen kleinen Schrei aus. Ich öffnete die Schachtel und sah ihr ins Gesicht, ohne das Gefühl eines Zweifels oder Zögerns. Mein Leben mit ihr zu verbringen war die richtige Entscheidung, und sie würde mir nichts als Freude bringen. Sie war die Eine. »Willst du mich heiraten, Alexia?«

Sie ließ die Hände sinken und zeigte mir ein strahlendes Lächeln. Ihre Augen wurden feucht, so gerührt war sie von dem Ring und meinen Worten. Sie hatte schon immer davon geträumt, den Grand Canyon zu besuchen, und ich konnte mir keinen passenderen Ort vorstellen, um ihr meine ewige Liebe zu schwören. Die Freude in ihren Augen, die meine eigenen Gefühle widerspiegelte, zeigte mir, was für ein Glückspilz ich war.

Doch dann veränderte sich die Szene. Die Sonne verschwand hinter einem dicken Wolkenband, das den Himmel verdunkelte. Plötzlich wurde es kalt und windig. Es roch nach Regen. In der Nähe flogen Krähen vorbei und stießen nervtötende Schreie aus. Der Wind wurde stärker und wirbelte Alexias Haare auf, verdeckte ihr Gesicht komplett. Er war so heftig, dass er mich fast über die Klippe wehte.

Alexia wich vor mir zurück, als hätte ich sie irgendwie erschreckt. Auf ihrem Gesicht lag plötzlich ein Ausdruck von Abscheu. Die Freude, die ich noch vor Sekunden in ihren Augen gesehen hatte, war verflogen. Sie näherte sich einem großen Mann, dessen Gesicht ich nicht erkennen konnte. Sie berührte ihn, als bräuchte sie ihn, als bräuchte sie ihn mehr als mich.

»Alexia?«

Sie klammerte sich an ihn und sah mich an, als wünschte sie, ich würde verschwinden. Der Wind wurde stärker und drückte mich immer weiter dem Abgrund entgegen. Ich fiel nicht, aber durch die Bewegung erzitterte die Schachtel in meinen Händen, als würde sie nicht mehr lange dort bleiben.

»Nein.« Der Wind trug ihre Antwort zu mir, und das Echo hallte in meinen Ohren wider. Es gab keinen Zweifel, kein Missverständnis. Sie hatte Nein gesagt.

Eine Windböe erfasste mich und schleuderte mich über die Klippe. Doch ich konnte mich gerade noch am Felsvorsprung festhalten. Um einen sicheren Griff zu haben, stellte ich die Schachtel am Rand der Klippe ab.

»Alexia!«

Sie kam langsam herüber und sah zu mir herunter. Dabei starrte sie mich voller Abscheu an, als wollte sie, dass ich aus ihrem Leben verschwand – für immer. Ihr Fuß näherte sich der Schachtel und stieß sie sanft an, bis sie von der Klippe in den Abgrund fiel. Ich schaute der Schachtel hinterher und hoffte, mir würde dieser Weg erspart bleiben.

Alexia kniete sich hin und griff nach meinen Händen. Sie zog mich hoch. Ich würde nicht fallen. Aber dann blitzte etwas Böses in ihren Augen auf. Sie leuchteten rot und wahnsinnig. Plötzlich sah sie aus wie der Teufel persönlich, nicht wie die Frau, die ich liebte. Ein dämonisches Feuer loderte in ihren Augen, und es war klar, dass sie mir nicht wieder nach oben helfen würde. Sie löste meine linke Hand, die sich an den Felsvorsprung klammerte.

»Stopp!« Ich versuchte, mich wieder festzuhalten, aber sie ließ es nicht zu.

»Warum sollte ich mit dir zusammen sein wollen«, sagte sie mit rauer, tiefer Stimme, »wenn ich stattdessen ihn haben kann?«

»Stopp!« Ich versuchte erneut, mit der Hand Halt zu finden.

Sie wandte sich meiner rechten Hand zu, meiner letzten Verbindung zum Leben. »Warum sollte ich mit dir zusammen sein wollen?«, wiederholte sie.

»Alexia, hör auf!«

Sie griff mit beiden Händen nach meiner Hand und warf mir einen letzten Blick zu. Die Wut verschwand und wich einem nüchternen Ausdruck von Abschied, ganz ohne jeglichen Schmerz, als täte sie nur ihre Pflicht. Sie musste mich da runterstoßen, es gab keinen anderen Weg. Sie musste mich loswerden.

»Du bist ein Dummkopf.« Dann riss sie meine Hand los und sah zu, wie ich fiel. Ich schrie, während ich stürzte, und sah ihr Gesicht immer kleiner werden. Ich fiel weiter und immer weiter. Der Boden kam immer näher. Ich würde mit der Erde kollidieren und zu einem Fossil werden, so wie alles andere um mich herum auch.

Dann endlich wachte ich auf.

»Fuck!« Ich schreckte hoch, war schweißgebadet. Ich atmete schwer und bekam keine Luft. Lose Fäden aus dem Traum waberten noch durch meine Gedanken. Ich erinnerte mich deutlich an alles, auch daran, wie Alexia mich die Klippe hinuntergestoßen hatte. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und spürte, wie mir das T-Shirt am Rücken klebte. Würde dieser Traum mich jetzt für immer verfolgen?

War ich dazu verdammt, für den Rest meines Lebens zu leiden?

Kapitel 2

Harper

Ich war die Erste, die im Restaurant ankam, also entschied ich mich, noch schnell meiner besten Freundin Aspen eine SMS zu schreiben, meiner persönlichen Cheerleaderin.

Ich bin ganz kurz davor, einfach wieder zu gehen.

Du schaffst das, Süße.

Jede Sekunde kreuzt meine Schwester hier auf und knutscht mit ihrem Freund rum, und dann meine Mom, die sich fragt, warum ich keinen Freund habe. Ich werde meiner Mutter eine klatschen. Wirklich.

Harper, wo ist die Frau geblieben, die es einen Scheißdreck interessiert, was andere Leute denken?

Die ist noch da und es interessiert sie auch nicht. Aber das heißt nicht, dass es nicht trotzdem höllisch nerven würde.

Eigentlich hatte ich gehofft, Aspen würde mich beruhigen, aber irgendwie regte ich mich gerade nur noch mehr auf.

Du siehst sie doch höchstens zweimal im Monat – Aspens pragmatische Art kam wieder durch – und eines Tages findest du deinen Mister Right, und dann hören sie auf, dir auf den Wecker zu gehen.

Wann auch immer das passieren wird. Ich verfiel mal wieder in Sarkasmus. Sie kannte das.

Jetzt bring das einfach hinter dich. Ich spendier dir nachher einen Drink.

Mehrere. Ein einziger reicht da nicht.

So viele du willst.

Ich steckte mein Handy in die Handtasche und wartete auf das Eintreffen der Armee. Wir waren in einem vornehmen Restaurant verabredet, und ich kam mir mit meiner Perlenkette um den Hals einfach nur albern vor. Ich fühlte mich wie eine eingebildete Schnepfe. Meine Familie war ziemlich wohlhabend, und die Tatsache, dass ich mich nicht so versnobt verhielt wie der Rest des Clans, kam bei ihnen nicht gut an. Für sie war ich so etwas wie eine Heidin.

Meine Schwester betrat das Restaurant, groß, blond, schön, dahinter ihr Freund Sebastian. Sie hielten Händchen. Anscheinend konnten sie noch nicht mal eine Minute lang die Finger voneinander lassen. Ich liebte meine Schwester und freute mich, dass sie bis über beide Ohren verliebt war, aber mussten die beiden das wirklich immer und überall zeigen – nonstop?

»Schwesterherz!«, quietschte sie, als sie sich dem Tisch näherte. Ich legte mein Bitchface ab und machte gute Miene zum bösen Spiel.

»Kara!« Ich stand auf und umarmte sie.

»Du siehst toll aus«, rief sie mit mehr Energie, als ich je würde aufbringen können. Ihre gute Laune war manchmal echt anstrengend. Ich hasse Leute, die immer und überall gut drauf sind. Das ist einfach nicht realistisch. Oder vielleicht bin ich auch nur ein extrem negativer Mensch. Wie auch immer. »Dein Kleid ist toll. Du siehst so schlank aus.«

Es war schwierig, von ihr genervt zu sein, wenn sie ständig so nett zu mir war. Sie schenkte mir mehr Wärme als irgendjemand sonst in der Familie, und sie stellte sich immer auf meine Seite, wenn sich die anderen gegen mich verbündeten. Sie war nicht nur meine Schwester, sie war eine Freundin, und ich sollte sie nicht von mir stoßen, nur weil ihr Leben so nervtötend perfekt war.

»Du siehst auch super aus, wie immer.«

»Da kann ich nur zustimmen.« Sebastian rieb seine Nase an ihrer und sah ihr tief in die Augen. Dann wandte er sich mir zu und umarmte mich. »Aber du stehst ihr da kaum nach.« Seine Umarmung war genauso herzlich wie die meiner Schwester, und bevor er mich losließ, klopfte er mir sanft auf den Rücken. In seinen Augen lag Zuneigung, so als hätte er mich wirklich gern und würde nicht nur so tun, weil er mit meiner Schwester schlief.

Kara legte ihm einen Arm um die Taille und beugte sich zu ihm hinüber, als wäre sie jetzt lieber mit ihm alleine. Ich witterte den bevorstehenden Austausch unangemessener Zärtlichkeiten. Kara war groß, fast 1,75 m, und hatte wunderschöne blonde Haare und eine winzige Taille. Sie arbeitete als Bikinimodel für eine Nobelmarke und war schon immer die hübsche Schwester gewesen. Ich nahm ihr das nicht übel, denn sie konnte ja nichts dafür. Ich wünschte mir nur, alle anderen würden endlich mal aufhören, uns ständig miteinander zu vergleichen. In den Augen meiner Eltern war Kara unfehlbar und alles, was sie anpackte, ein voller Erfolg. Alles, was ich erreichte, wurde hingegen übersehen und spielte keine Rolle.

So nervtötend!

Wir setzten uns, und ich bemühte mich, keine traurigen Gefühle zuzulassen.

Sebastian hatte den Arm über Karas Stuhl gelegt, lehnte sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das nur für sie bestimmt war. In seinen Augen lag grenzenlose Liebe. Es war unübersehbar, dass er besessen von meiner Schwester war, sie vergötterte und von ganzem Herzen liebte. Kara schien es genauso zu gehen.

Die wahre Liebe so direkt vor Augen geführt zu bekommen tat weh, denn ich selbst war meilenweit von diesem Gefühl entfernt. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht auch gerne einen tollen Mann an meiner Seite hätte, der mich so ansah und auch noch nach einem Jahr Beziehung seine Finger einfach nicht von mir lassen konnte. Ich bemühte mich, nicht so verbittert und selbstsüchtig zu sein und mich stattdessen für meine Schwester zu freuen, aber manchmal war das verdammt schwierig.

Seine Lippen formten ein »Ich liebe dich«, und sie errötete, obwohl sie diese Worte schon hundertmal von ihm gehört hatte. »Ich liebe dich auch«, flüsterte sie ihm zu. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie so leidenschaftlich, dass es für die Öffentlichkeit schon fast unangebracht war.

»Okay, das reicht.« Meinetwegen konnten sie so verliebt sein, wie sie wollten, aber die Zungen konnten sie sich auch später zu Hause gegenseitig in den Hals stecken.

»Sorry«, Kara kicherte verlegen, »manchmal können wir uns einfach nicht beherrschen.«

Sebastian rieb seine Nase an ihrer. »Wir müssen lernen, uns zu bremsen.«

Ich verkniff mir ein angewidertes Augenrollen. »Was esst ihr?«

Das schien sie von ihrer Schmuserei abzulenken.

»Zitronenhähnchen klingt gut«, sagte sie, während sie in Sebastians Speisekarte schaute.

»Gute Wahl, Schatz, ich glaube, das nehme ich auch.«

Sie teilten sich nicht nur eine Karte, sondern aßen auch noch das Gleiche? Mein Gott, sie nerven so sehr. Bin ich eine Zicke, wenn ich das denke? Ist mir scheißegal.

Auftritt Mom und Dad. Er trug Hemd und Stoffhose, wie immer, auch wenn er nicht arbeitete, und sie sah in ihrem knielangen weißen Kleid aus wie die First Lady. Sie hatte die Haare elegant hochgesteckt und ging wie die Queen.

Warum konnte ich nicht eine ganz normale Familie haben, die zusammen Burger essen geht oder so?

»Darling, du siehst bezaubernd aus.« Mom umarmte Kara und drückte sie fest an sich.

Darling? Meine Mutter machte manchmal einen auf Britin und wirkte dabei reichlich lächerlich.

»Sebastian, schön, Sie zu sehen.« Dad umarmte ihn und schlug ihm väterlich auf die Schulter.

»Sie auch, Sir«, antwortete Sebastian. »Wir sollten unbedingt endlich mal zusammen golfen gehen.«

»Das ist die beste Idee, die ich heute gehört habe«, erwiderte Dad.

Ähm, hallo? Sehen sie mich überhaupt nicht?

»Was macht das Modeln, Liebes?« Mom klang wie eine eingebildete Trulla.

»Es macht riesig Spaß«, antwortete Kara. »Manchmal darf ich die Schuhe behalten. Dadurch spare ich so viel Geld.«

Mom kicherte und stieß dann ein schrilles, nervtötendes Lachen aus. »Jeder Job hat so seine Vorteile.«

Als ob sie davon irgendeine Ahnung hätte. Sie hat in ihrem ganzen Leben keinen einzigen Tag gearbeitet.

»Was macht das Krankenhaus?«, fragte Dad Sebastian.

»Alles bestens. Ein bisschen stressig mit zehn oder mehr Patienten auf einmal, aber ich kriege das hin.«

Sebastian ist Arzt, wie mein Vater. Mein Dad arbeitet zwar als Schönheitschirurg und Sebastian in der Notaufnahme, aber sie haben natürlich eine Menge gemeinsam. Selbstverständlich liebten meine Eltern ihn seit dem Moment, als er ihnen gesagt hatte, was er beruflich macht. Meine Schwester hatte also einen gut aussehenden Arzt zum Freund und wahrscheinlich bald auch zum Mann.

Für meinen Job interessiert sich mal wieder niemand.

Schließlich kam meine Mutter zu mir herüber. »Hallo, Harper.« Ihre Umarmung war ein kleines bisschen weniger herzlich als die, mit der sie Kara begrüßt hatte. Wie immer hatte ich das Gefühl, das weniger geliebte Kind zu sein. Ich versuchte, das nicht zu ernst zu nehmen, aber manchmal ging es mir eben doch an die Nieren.

»Hey, Mom, tolles Kleid.«

»Danke!« Sie erwiderte das Kompliment nicht.

Typisch.

»Hallo, Liebling!« Dad umarmte mich und schlug mir dabei ein wenig zu fest auf die Schulter.

Es ärgerte mich, dass keiner von ihnen fragte, wie es bei mir im Job lief. Ich war vielleicht kein Supermodel und auch keine Ärztin, aber ich fand meinen Beruf ziemlich cool. Als Innenarchitektin zu arbeiten, war kein Kinderspiel. Es gab viel Konkurrenz, und es war nicht einfach, sich durchzusetzen und damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber nein, niemand in meiner Familie war davon beeindruckt. Niemand außer Kara.

Wir setzten uns und schlugen die Speisekarten auf. Natürlich fragten meine Eltern Sebastian mal wieder tausend Dinge zu seinem Leben, bis hin zu seinem Strandhaus in den Hamptons.

Ich mochte Sebastian sehr. Er war gut aussehend und erfolgreich, aber was ich an ihm am meisten schätzte, war seine Bescheidenheit. Er verhielt sich, als wäre er sich seiner Qualitäten und seines Erfolgs gar nicht bewusst. Meine Schwester war genauso. Wahrscheinlich passten sie deshalb so perfekt zusammen.

Jetzt wandten sich meine Eltern Kara zu und bombardierten sie ebenfalls mit Fragen. Heiter und quirlig wie eh und je ließ sie sich von ihnen verhören, ohne auch nur ansatzweise genervt zu wirken. Danach ging das Gespräch zwischen Kara und Sebastian hin und her.

Ich hatte keine Lust auf ein elterliches Verhör, aber es ärgerte mich, übergangen zu werden.

»Was macht dein Job, Harper?«, wandte Kara sich mir schließlich zu. Sie war die Einzige, die sich wirklich dafür interessierte.

»Alles bestens«, antwortete ich. »Das Büro sieht jetzt richtig gut aus, und es kommen immer mehr Kunden.«

»Du musst dich demnächst mal um meine Wohnung kümmern«, sagte sie. »Ich bin so schlecht im Dekorieren und Einrichten. Ich kann mich noch nicht mal entscheiden, welche Farbe meine Tagesdecke haben soll. Ich habe dafür echt kein Händchen.«

»Hast du wohl, Schatz.« Sebastian tätschelte ihr die Schulter. »Ich liebe die Vorhänge, die du für mein Wohnzimmer ausgesucht hast.«

Wahrscheinlich log er, aber er wusste es gut zu verbergen. Meine Schwester war großartig, aber sie hatte wirklich überhaupt kein Gespür dafür, ob etwas zusammenpasste oder nicht. Ich erinnerte mich daran, dass sie einmal zu ihren Shorts eine Daunenweste getragen hatte.

Kein Wunder, dass sie Bikinimodel war.

Sebastian wandte sich mir zu. »Herzlichen Glückwunsch, Harper! Sich als Innenarchitektin in Manhattan durchzusetzen ist echt eine Leistung. Das ist wahrscheinlich die am heißesten umkämpfte Branche überhaupt.«

Danke! Ich widerstand der Versuchung, meinen Eltern einen triumphierenden Blick zuzuwerfen. »Vielen Dank! Es macht echt Spaß.«

»So cool. Nächstes Mal, wenn eine von meinen Model-Freundinnen ihre Wohnung renoviert, empfehle ich dich.«, versprach Kara.

»Danke dir.«

»Sehr schön«, sagte meine Mutter, aber es klang halbherzig.

Dad lenkte das Thema wieder auf Sebastian und das Krankenhaus, und ich wusste, dass meine Zeit vorbei war.

Ich nippte an meinem Wein und tat so, als würde ich nicht innerlich schäumen vor Wut.

Meine Mutter wandte sich mir zu, und an der Art, wie sie die Lippen aufeinanderpresste, erkannte ich, dass sie mich jetzt zu meinem Privatleben befragen würde – wie üblich. Das schien das einzige Thema zu sein, das ihr am Herzen lag. Wenn ich einen festen Freund hätte, würde sie mich dann endlich mögen? Oder nur, wenn er Arzt oder Anwalt war?

»Irgendein Mann in deinem Leben?«, fragte sie knapp, als würde sie die Antwort längst kennen.

»Nein.« Ich nippte wieder an meinem Wein.

Dad wandte sich mir zu, als hätte er plötzlich Interesse an dem Gespräch.

»Keine Dates oder etwas Ähnliches?«, fragte Mom.

»Nein«, antwortete ich. »Ich arbeite viel.«

Ihre Miene verriet mir, dass sie mit dieser Antwort alles andere als zufrieden war. »Dann musst du dir eben Zeit dafür nehmen, Harper.« An der Art, wie sie meinen Namen aussprach, erkannte ich, dass sie verärgert war. »Deine jüngere Schwester schafft das ja anscheinend auch.«

Du darfst sie nicht schlagen! Du darfst sie nicht schlagen!

»Mom«, mischte Kara sich ein, »Harper wird ihren Mister Right schon noch finden. Mach dir keine Sorgen.«

Dafür könnte ich sie knutschen.

»Hast du es mal mit Online-Dating versucht?«, wollte Mom wissen.

Männer kennenzulernen war nicht das Problem. Den richtigen Mann zu finden schon eher. Es war höchste Zeit für einen Themenwechsel. »Mom, wie läuft es mit der Wohltätigkeitsstiftung?«

Darüber ließ sie sich immer nur zu gerne aus. Wie einfach sie sich ablenken ließ. Man musste nur ihrem Ego schmeicheln. Als ich Kara ansah, zwinkerte sie mir zu.

Ich hatte die Krise abgewendet – zumindest für den Moment.

***

Nach dem Essen konnte ich es kaum erwarten, mich aus dem Staub zu machen. Ich konnte meine Eltern nur in kleinen Dosen ertragen. Im Vergleich zu ihnen waren Kara und Sebastian zwar echte Engel, aber auch sie nervten – auf eine unbewusste Art und Weise. Ich versuchte, mit dem Kellner Blickkontakt aufzunehmen, damit er uns die Rechnung brachte, aber er war zu beschäftigt mit den anderen Tischen.

Oh Mann!

Sebastian räusperte sich, rückte ein wenig von Kara weg und setzte sich auf seinem Stuhl zurecht. »Es gibt da noch etwas, das ich gerne sagen würde. Und ich glaube, jetzt ist der perfekte Zeitpunkt dafür.«

Was? Habe ich irgendwas verpasst?

Meine Eltern verstummten beide, und die Augen meiner Mutter füllten sich mit Tränen.

Heilige Scheiße! Sebastian wird ihr einen Heiratsantrag machen.

Er ging auf die Knie und zog eine winzige Schachtel aus seiner Tasche. »Kara, du bist mein Leben und meine Seelenverwandte. Wir kennen uns erst ein Jahr, aber mehr Zeit brauche ich nicht. Ich will dich für immer bei mir haben. Bitte sag Ja!«

Ihr wollt mich doch verarschen.

Kara kamen sofort die Tränen. »Oh mein Gott!« Sie fächelte sich Luft zu. »Oh mein Gott!« Sebastian lächelte über ihre Reaktion, aber seine Augen verrieten, dass ihn das Ganze genauso berührte. Er holte den Ring aus der Schachtel und steckte ihn ihr an den Finger, ohne ihre Antwort abzuwarten.

»Er ist wunderschön», stammelte sie unter Tränen. »Ich liebe ihn. Ich liebe dich.«

Verdammt noch mal, jetzt muss ich auch noch heulen. Die hoffnungslose Romantikerin in mir kommt durch.

»Ich liebe dich auch.« Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie, immer noch auf den Knien.

Die Gäste im Restaurant begannen zu klatschen und zu pfeifen.

Mom tupfte sich mit ihrer Serviette die Tränen vom Gesicht. »Ist das schön …«

Sogar Dad war sprachlos vor Rührung.

Sebastian setzte sich wieder auf seinen Stuhl und hielt Kara fest an sich gedrückt. »Danke, dass du Ja gesagt hast.«

»Danke, dass du mich gefragt hast«, schluchzte sie.

»Wir freuen uns, dich in unserer Familie zu haben, Sebastian«, verkündete Mom gefühlsduselig.

»Jetzt haben wir endlich einen Sohn«, sagte Dad.

Kara und Sebastian waren in ihrer eigenen Welt, sie strahlten förmlich vor Glück. Die unendliche Liebe in ihren Blicken zu sehen war wunderschön. Bei keinem von beiden war auch nur der Hauch eines Zweifels zu entdecken, und sie schienen wirklich füreinander bestimmt zu sein. Ich freute mich so sehr für meine Schwester. Sie war einer der wenigen Menschen, die nicht nur äußerlich, sondern auch im Inneren wunderschön sind. Sie hatte einen Mann wie Sebastian verdient. Ich vergaß meinen eigenen Schmerz und freute mich von ganzem Herzen für die beiden.

Als sie schließlich voneinander ließen, wandte Kara sich mir zu. »Willst du meine Trauzeugin sein?«

Die Glücksgefühle verschwanden augenblicklich aus meinem Körper. Es würde eine wunderschöne Hochzeit werden, aber gleichzeitig würden sich alle Gäste fragen, warum ich als ältere Schwester noch nicht mal einen Freund hatte. Man würde Mitleid mit mir haben, der älteren, weniger attraktiven Schwester. Und damit würde ich klarkommen müssen, jeden einzelnen Tag, bis die Hochzeit endlich vorbei war. Aber ich schob diesen Gedanken zur Seite, ich durfte jetzt nicht an mich denken. »Es wäre mir eine Ehre.«

***

Sobald ich draußen war, steuerte ich meine Lieblingsbar an und setzte mich an den Tresen. Ich trommelte auf die Theke, um den Barkeeper auf mich aufmerksam zu machen, und bestellte etwas Starkes. »Gin-Cola, einen doppelten.«

»Bitte schön, Lady.« Der Barkeeper schob mir den Drink rüber.

Ich kippte das halbe Glas hinunter, bis mir die Kehle brannte. Dann setzte ich es ab. Mein Magen füllte sich mit einer wohligen Wärme und fühlte sich nicht mehr ganz so verkrampft an. Doch wenn ich an die bevorstehende Hochzeit dachte, wurde mir bewusst, wie schmerzhaft das Ganze werden würde. Ich freute mich für meine Schwester, aber alle anderen würden mir ganz schön zusetzen.

»Du sitzt an einem Donnerstagabend alleine an der Bar und trinkst?«, hörte ich eine vertraute Stimme. »Ganz schön erbärmlich.«

Ich drehte mich um und sah Tyler auf dem Hocker neben mir sitzen. »So wie ich das sehe, bist du auch alleine hier.«

»Wirklich?« Er hob sein Bierglas. »Da muss ich widersprechen.«

»Dann bin ich auch nicht alleine.« Ich hob mein Glas. »Und meine Begleitung ist besser als deine.«

»Auf jeden Fall ist sie stärker, da hast du recht.« Er legte die Arme auf den Tresen, und ich konnte sogar in der Dunkelheit sehen, wie muskulös sie waren. Tyler war schlank, aber sehr durchtrainiert. Das war mir schon aufgefallen, als ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Aber darüber hinaus hatte er eigentlich nie besonders anziehend auf mich gewirkt.

»Also, warum bist du alleine hier?«, fragte ich.

»Du zuerst.«

Ich stellte mein Glas ab. »Woher weiß ich, dass du mir dann noch antwortest, wenn ich es dir erzählt habe?«

»Ich bin kein Arsch.«

Ich zog eine Augenbraue hoch.

»Okay, ich bin kein Riesenarsch.«

»Also nur ein kleiner Arsch? Na ja, solange das das Einzige ist, was klein ist …«, zog ich ihn auf.

Ein schwaches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Sag du’s mir. Sind zwanzig Zentimeter für dich klein?«

Ich nippte an meinem Drink, ohne ihn anzusehen. Ich wollte verbergen, dass ich rot geworden war. Zwanzig Zentimeter hörten sich ziemlich gut an. Ich hatte schon eine Weile keinen guten Sex mehr gehabt, und Tyler wirkte wie ein Kerl, der seine Sache ganz anständig machen würde.

»Ich bezweifle, dass du mit zwanzig Zentimetern klarkommen würdest, so winzig wie du bist.«

»Nur weil ich klein bin, heißt das nicht, dass ich nicht mit etwas Großem klarkomme.«

»Wirklich?« In seinem Blick lag eine arrogante Dreistigkeit. »Das musst du beweisen.«

Er beugte sich zu mir herüber, sein Aftershave lag in der Luft. Sein Arm berührte meinen, und ich spürte die Hitze, die von seiner Haut ausging.

Ich wandte mich ihm zu und sah ihm ins Gesicht. »Weißt du, was ich denke?«

»Dass wir auf die Toilette verschwinden sollten?« Er grinste noch immer, und ich ärgerte mich darüber, dass ich das anziehend fand.

»Ich denke, du bist nur ein Schwätzer.«

Er stieß ein sarkastisches Lachen aus. »Komm mit, und ich zeige dir, dass das mit der Größe nicht nur Gerede war.«

»Das meinte ich nicht.«

»Was meintest du dann, Süße?«

Ich hasste es, dass er mich so nannte. Das Wort selbst war nicht verletzend, es war die Art, wie er es gebrauchte. Sarkastisch und genervt. Es wirkte wie ein Ausdruck, den er benutzte, um jemanden unterschwellig zu beleidigen. »Ich bin nicht deine Süße, also nenn mich nicht so. Ich heiße Harper.«

»Ich mag Spitznamen. So wie ›Schiffe versenken‹.«

Schiffe versenken war sein Spitzname für Aspen. Und sie würde ihn nie wieder loswerden. »Dann denk dir einen für mich aus.«

»Okay.« Er rieb sich das Kinn und dachte einen Moment lang nach. »Vorher muss ich aber mehr von dir erfahren – am liebsten auf der Toilette.«

»Wie ich gesagt habe – du bist nur ein Schwätzer.« Mein Blick forderte ihn heraus, während ich einen weiteren Schluck aus meinem Glas nahm.

Er wurde plötzlich ernst. Das Grinsen, das ich liebte und gleichzeitig hasste, war von seinem Gesicht verschwunden, weggewischt wie von einer Kreidetafel. Seine Augen hatten ihren schelmischen Ausdruck verloren. »Ja? Wie kommst du darauf?«

»Ich sehe dich ständig irgendwo, Tyler. Aber ich habe dich noch nie mit einer Frau nach Hause gehen sehen.«

»Ich bin wählerisch.« Er trank sein Bier und sah mich dabei nicht an.

»Du bist so wählerisch, dass du niemals eine Frau aufreißt?«, fragte ich skeptisch.

»Wer sagt, dass ich nie Frauen aufreiße? Mädels sind für mich wie Kaugummistreifen. Sie schmecken fünf Minuten lang ganz gut, bevor sie fade und langweilig werden. Dann probiere ich einen neuen Geschmack und hoffe, dass es dieses Mal anders ist.«

Ich kannte Tyler nicht besonders gut, aber ich nahm ihm das nicht ab. Er tat so, als wäre er ein harter Kerl, aber ich wusste, dass er unter dieser Maske nur ein Weichei war.

Ich hatte keine Lust auf einen Streit, also bohrte ich nicht weiter nach.

»Beantwortest du mir jetzt meine Frage?«

»Welche?«, fragte er mit hörbarer Verärgerung in der Stimme. »Du stellst so viele.«

»Warum bist du hier?«

»Ich habe gesagt, du zuerst.«

»Warum muss ich zuerst?«

»Weil du mir sonst vielleicht nicht die Wahrheit sagst.«

»Ich bin kein Miststück.«

Er zog eine Augenbraue hoch.

»Okay, kein Riesen-Miststück.«

Er nahm einen großen Schluck von seinem Bier und stellte dann sein Glas ab. »Okay, bist du bereit?«

»Bereit.«

»Was wir uns jetzt erzählen, bleibt unser Geheimnis. Es bleibt unter uns beiden. Du erzählst es nicht Aspen, und ich erzähle es nicht Rhett. Abgemacht?«

Ich streckte die Hand aus und schüttelte seine. »Abgemacht.«

»Wir müssen es mit Blut besiegeln.«

»Tyler, ich bin doch kein Freak. Der Handschlag muss reichen.«

Er schmunzelte und nickte dann. »Okay, hör zu.«

Ich nippte an meinem Gin und schlug die Beine übereinander.

»Bis vor einem Jahr hatte ich eine Freundin. Wir waren lange zusammen, ungefähr drei Jahre. Lange Rede, kurzer Sinn: Sie hat mich verlassen. Es kam total unerwartet, und ich habe nie kapiert, was ich falsch gemacht habe. Etwa eine Woche später habe ich sie mit diesem Typen gesehen. Da wurde mir einiges klar. Egal. Jedenfalls habe ich sie vorhin zufällig im Supermarkt getroffen. Sie hat mit mir geredet als wären wir Freunde.« Er verdrehte die Augen und seufzte. »Sie hatte sogar noch die Dreistigkeit, mich um einen Gefallen zu bitten. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, ihr nicht eine zu knallen.«

Ich nickte. »Das wäre für jeden hart gewesen.«

»Ich bin so was von über sie hinweg, und ich empfinde nichts mehr für sie«, sagte er. »Aber ich hasse sie.«

»Wenn du sie hasst, empfindest du doch noch etwas für sie. Hass ist auch ein Gefühl.«

Er sah mich düster an. »Versuch nicht, mich zu analysieren, okay? Ich erkläre dir nur, warum ich hier bin.«

»Ich analysiere dich nicht, ich versuche nur, dir zu helfen.«

»Ich brauche deine Hilfe nicht«, stieß er hervor. »Jetzt bist du dran.«

Mein Grund klang total kindisch im Vergleich zu seinem, aber Deal ist Deal. »Meine jüngere, attraktivere Schwester heiratet. Ich war immer schon die ältere, weniger erfolgreiche Schwester, die in ihrem Schatten steht. Meine Familie nervt mich schon ewig damit, dass ich endlich einen Mann kennenlernen soll, und jetzt wird das alles noch schlimmer. Ich freue mich für meine Schwester, aber ich hätte mir gewünscht, sie würde erst heiraten, wenn ich in festen Händen bin.«

Er machte mich nicht nieder, wie ich geglaubt hatte. Da seine Situation schlimmer war als meine, hatte ich gedacht, er würde mich als jammernde Göre hinstellen und mir sagen, ich solle mich nicht so anstellen. Aber das tat er nicht. »Manchmal tut ihr Frauen mir echt leid«, sagte er und trank einen Schluck.

»Warum?« Diese Antwort hatte ich nicht erwartet.

»Wenn du als Frau nicht spätestens mit 22 mit jemandem fest zusammen bist, giltst du als Freak, mit dem offensichtlich irgendwas nicht stimmt. Wenn du mit 25 nicht verheiratest oder zumindest verlobt bist, dann stimmt ganz sicher irgendwas nicht mit dir. Das ist echt unfair. Warum darf eine Frau nicht Single sein, wenn sie will? Warum nehmen dann alle automatisch an, dass sie unglücklich ist? Ich könnte mit vierzig noch Single sein, und niemand würde es seltsam finden. Aber wäre ich eine Frau, sähe die Sache ganz anders aus.« Er trank sein Bier aus und stellte das Glas auf dem Tresen ab.

Seine Worte überraschten mich. Tyler benahm sich manchmal wie ein Arschloch, aber unter dieser Maske schien sich ein ganz anderer Mensch zu verbergen. Ironischerweise versuchte er diesen jedoch die meiste Zeit vor der Welt zu verstecken. »Das ist das erste Mal, dass ein Mann mein Problem versteht.«

»Na ja, Rhett und die anderen Jungs würden es auch verstehen. Vielleicht hast du vergessen, womit wir unseren Lebensunterhalt verdienen.« Er spielte mit seinem Bierdeckel. »Einige der Frauen, die ich als Escort begleite, werden von ihrer Familie wirklich übel behandelt. Nur weil eine Frau keinen Freund oder Mann hat, ist sie ja kein schlechter Mensch. Als würde ihr Beziehungsstatus irgendwas über ihren Charakter aussagen. Das ist einfach unfair.« Er schüttelte den Kopf.

Ich stützte die Ellenbogen auf den Tresen. »Danke für dein Verständnis.«

»Klar.«

»Sind deine Eltern auch so zu dir?«

»Nicht wirklich, aber wie ich schon sagte: An Männer und Frauen werden unterschiedliche Erwartungen gestellt.«

»Arbeitest du gerne als Escort?«, fragte ich ihn.