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Aufgefordert von ihren Oberen verfaßte die heilige Teresa von Avila zwischen 1562 und 1565 eine Beschreibung ihres Lebens. Sie schildert darin ausführlich ihren Werdegang von frühester Kindheit an, ihre Bekehrung, den Eintritt ins Kloster und schließlich der Spendung göttlicher Gnadengaben, derer sie sich zeitlebens für unwert hielt. Ein weiterer Teil ihres Buches ist der Kontemplation gewidmet und dem Bericht über die Gründung des Klosters St. Joseph zu Avila. Dieses Werk der großen Heiligen wurde von vielen Gelehrten den berühmten "Bekenntnissen" des heiligen Augustinus gleichgesetzt und ist von seinem spirituellen Wert ein unübertroffenes Zeugnis christlicher Mystik. "Man hat mir befohlen, die Gebetsweise und die Gnaden, die mir der Herr verliehen, zu beschreiben, und es wurde mir dazu eine große Freiheit eingeräumt. (...) Er, der so lange meiner geharrt, sei in Ewigkeit gepriesen! Es ist, wie ich weiß, schon seit langer Zeit sein Wille, daß ich mein Leben beschreibe, doch habe ich bisher nicht den Mut dazu gehabt. Jetzt aber, nachdem mir auch meine Beichtväter den Auftrag dazu gegeben, bitte ich von ganzem Herzen den Herrn, er wolle mir die Gnade verleihen, diesen Bericht mit aller Klarheit und Wahrheit zu verfassen. Möge er zu seinem Ruhme und Lobe gereichen und dazu dienen, daß meine Beichtväter, die mich daraus besser kennenlernen, fortan meiner Schwachheit aufhelfen, damit ich so dem Herrn durch Eifer in seinem Dienste wenigstens etwas von dem abtragen kann, was ich ihm schulde! Ihn sollen alle Geschöpfe preisen in Ewigkeit! Amen." Teresa von Avila - Aus dem Vorwort zum "Leben".
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Seitenzahl: 710
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Schätze der christlichen Literatur
Band 44
Einleitung zum Leben der heiligen Teresa.
Vorwort der heiligen Verfasserin.
1. Hauptstück.
2. Hauptstück.
3. Hauptstück.
4. Hauptstück.
5. Hauptstück.
6. Hauptstück.
7. Hauptstück.
8. Hauptstück.
9. Hauptstück.
10. Hauptstück.
11. Hauptstück.
12. Hauptstück.
13. Hauptstück.
14. Hauptstück.
15. Hauptstück.
16. Hauptstück.
17. Hauptstück.
18. Hauptstück.
19. Hauptstück.
20. Hauptstück.
21. Hauptstück.
22. Hauptstück.
23. Hauptstück.
24. Hauptstück.
25. Hauptstück.
26. Hauptstück.
27. Hauptstück.
28. Hauptstück.
29. Hauptstück.
30. Hauptstück.
31. Hauptstück.
32. Hauptstück.
33. Hauptstück.
34. Hauptstück.
35. Hauptstück.
36. Hauptstück.
37. Hauptstück.
38. Hauptstück.
39. Hauptstück.
40. Hauptstück.
Zu dieser Ausgabe.
Einleitung zum Leben der heiligen Teresa.
ES war im Jahre 1556. Teresa von Ahumada, wie sich damals noch nannte, im Menschwerdungskloster der Karmelitinnen zu Avila, hatte sich seit einem Jahre für immer von aller Lauheit frei gemacht, hatte sich endgültig und mit der ganzen Kraft und Glut ihrer Seele der Liebe und dem Dienste Gottes ergeben. Gott hatte sie dafür seit jener Zeit mit außerordentlichen Gnaden förmlich überschüttet. Darob große Beängstigung bei Teresa, die sich einerseits in ihrer tiefen Demut solcher Gnadenerweise für unwert hält, andererseits fürchtet, sie möchte auch, wie verschiedene andere Klosterfrauen, von denen man ihr erzählt, ein Spielball des Teufels sein. In ihrer Seelennot wendet sie sich durch die Vermittlung eines heiligmäßigen Edelmannes, Don Francisco de Salcedo, an einen im geistlichen Leben erfahrenen Priester von Avila, Gaspar Daza, dem sie ihr Inneres aufdeckt. Da Teresa bei all dem Neuen und Außerordentlichen, das in ihr vorgeht, sich damals noch nicht hinreichend auszudrücken vermag, um es anderen, die solch geheimnisvolle Erscheinungen des Innenlebens an sich erfahren haben, verständlich zu machen, greift sie zu einem Buch des Franziskaners Francisco de Laredo: „Subida del Monte Sion“, in dem sie vieles von dem, was in ihr selbst vorgeht, zumal hinsichtlich des Gebetes der Vereinigung, beschrieben findet. In diesem Buche streicht sie alle jene Stellen an, die von diesen Gebetsgnaden handeln. Zugleich übergibt sie Daza einen kurzen Bericht über ihr Leben und über ihre Sünden, wie sie selber erzählt. Dieses ist der erste Bericht der Heiligen über ihr Leben, der jedoch wahrscheinlich bald darauf vernichtet wurde.
Die beiden Männer, Gaspar Daza und Salcedo, kamen nach gemeinsamer Prüfung dieses Dokumentes zu dem Schluß, Teresa sei wirklich ein Opfer teuflischen Truges, und rieten ihr, sich in dieser Angelegenheit an den zwar noch sehr jungen, aber auf diesem Gebiet sehr erfahrenen Jesuiten P. Juan de Pradanos zu wenden. „Ich begann nun“, so berichtet die Heilige selbst (Leben, Kap. 23), „mich auf eine Generalbeichte vorzubereiten und so klar wie möglich meinen Lebenslauf, alles Gute und alles Böse, was mir einfiel, aufzuschreiben, ohne irgend etwas auszulassen.“
Dieses der zweite Bericht der hl. Teresa über ihr Leben, den sie dem P. Juan de Pradanos S. J. zur Begutachtung ihrer Seelenzustände übergab, der uns in der Urschrift gleichfalls nicht mehr erhalten, wahrscheinlich aber in der Hauptsache nach identisch ist mit den ersten 10 Kapiteln ihrer Autobiographie. Das Schriftstück blieb natürlich nicht ausschließlich in den Händen des genannten Jesuiten, sondern wurde auch von anderen gelesen. Nach dessen Prüfung kam nicht nur P. Juan de Pradanos zu dem Ergebnis, daß „bei Teresa tatsächlich der Geist Gottes wirkt“; es zog auch die Aufmerksamkeit der Seelenführer Teresas auf sich. Diese erkannten in dem Berichte ein hochwertiges Dokument für das geistliche Leben. Darum ermutigten sie Teresa, einen ausführlichen Bericht über ihr Leben und über die ihr zuteil gewordenen Gnaden zu schreiben. Sie folgt der Mahnung, zumal des P. Ibañez O. Pr., und beginnt in Avila, wahrscheinlich 1561, einen eingehenden Bericht über ihr Leben zu verfassen; in Toledo, bei ihrer Freundin Luisa de la Cerda, setzt sie die Arbeit fort und vollendet sie im Juni 1562. Gegen Ende 1562 befahl ihr P. Garcia de Toledo S. J., den bisherigen Aufzeichnungen auch noch die Erzählung der Gründung des ersten Karmelitinnenklosters (St. Joseph zu Avila) sowie den Bericht über die letzten bis dahin ihr zuteil gewordenen Gnaden hinzuzufügen. Auch die Urschrift dieses Berichtes ging in dieser Fassung später verloren.
Um dieselbe Zeit veranlaßte der Inquisitor von Toledo, Don Francisco Soto y Salazar, an sich Teresa gewandt hatte, alles aufzuschreiben, was ihr Gebetsleben betreffe, und einen ausführlichen Bericht über ihr Leben niederzuschreiben und das Ganze an den im geistlichen Leben sehr erfahrenen Magister Juan de Avila zu schicken. Teresa unterzog sich neuerdings der Arbeit. Sie sah den bisherigen Bericht noch einmal durch, gestaltete ihn an verschiedenen Stellen um, fügte Neues hinzu und teilte die Schrift in 40 Kapitel ein. Sie begann diese zweite Überarbeitung ihres Lebensberichtes wahrscheinlich Ende 1562 oder Anfang 1563, und schloß sie ab gegen Ende 1565. Diese endgültige Fassung ist nun das, was uns in dem uns überkommenen „Leben“ vorliegt. Das Original dieser Handschrift ist aufbewahrt in der königlichen Bibliothek des Escorial (bei Madrid).
Dieses in großen Zügen die Entstehungsgeschichte der einzigartigen Autobiographie der hl. Teresa („Vida“, auch „el libro de la vida“, oder von der Heiligen selbst: „el libro grande“ oder „el libro de las misericordias de Dios“ genannt). Das Buch zerfällt in vier deutlich voneinander unterscheidbare Teile:
1. Der erste Abschnitt ihres Lebens bis zu ihrer endgültigen Bekehrung zum vollkommenen Leben (Kap. I-X).
2. Ein Einschiebsel über das Gebet (Kap. XI-XXII).
3. Ihr inneres Leben, Gnaden und Versuchungen seit ihrer Bekehrung (Kap. XXIII-XXXII).
4. Der Bericht über die Gründung des St-Josephs-Klosters und letzte Gnaden (Kap. XXXIII-XL).
In Anbetracht der ungezwungen Natürlichkeit, mit der dieses Buch geschrieben ist, sowie der tiefen und psychologischen Analyse des eigenen Seelenlebens, ferner ob der erhabenen Geheimnisse, die darin aufgedeckt sind, wurde das Buch mit Recht den unsterblichen „Bekenntnissen“ des hl. Augustinus an die Seite gestellt. Wie alle großen Seelen, die eine weit klarere Erkenntnis vom Wesen und den unendlichen Vorzügen Gottes haben als die gewöhnlichen Sterblichen und infolgedessen auch einen dementsprechenden Begriff von der Kleinheit und Armseligkeit des Menschen, erkennt auch Teresa in diesem Lichte der Gottesschau das Wesen der Sünde in ganz anderer Weise als die übrigen Menschen und bekennt infolgedessen ihre jugendlichen Verirrungen und ihre vermeintlichen Sünden mit unerbittlicher Strenge gegen sich selbst als schwere Verfehlungen, während sie doch in Wirklichkeit nie in ihrem Leben eine schwere Sünde begangen hat.
Um das Jahr 1574 wurde das „Buch des Lebens“ von einer gewissen Prinzessin Doña Maria Eboli de Mendoza – diese war nach dem Tode ihres Mannes Karmelitin geworden, wollte jedoch im Kloster wie in ihrem Palaste leben –, weil sich Teresa ihren Launen nicht fügte, dem Inquisitionsgerichte angezeigt, weil „Gesichte, Offenbarungen und gefährliche Lehren enthaltend.“ Jedoch P. Bañes legte sich sofort, wie er von dieser Anzeige hörte, mit dem ganzen Gewichte seiner bedeutenden Autorität für das Buch beim Inquisitionsgerichte ein. Das Urteil der Inquisitoren fiel nicht nur günstig für das Buch aus, die Schrift wurde auch freigegeben und gutgeheißen, ja sogar ob der darin vorgetragenen Lehre mit hohem Lobe ausgezeichnet, mit anderen Worten, alle Hindernisse zur Veröffentlichung des Buches wurden aus dem Wege geräumt.
Die Originalhandschrift dieser Autobiographie wird, wie schon erwähnt, in der königlichen Bibliothek des Escorial aufbewahrt. Laut der bibliothekarischen Beschreibung „ist sie 295:205 mm groß; die Schrift ist deutlich und leicht leserlich ohne jede Interpunktion und Einteilung in Paragraphen; mit einigen Korrekturen. Am Schluß ist die eigenhändige Approbation des Buches durch P. Bañes angefügt. Der Text umfaßt 201 Folio-Seiten mit Paginierung in romanischen Buchstaben, die, wenn auch erst später hinzugefügt, gleichwohl von der Hand der Heiligen sein können. Die Handschrift ist kräftig und gleichmäßig; selten verbessert sich die Verfasserin, ein Beweis, wie leicht sie sich im Schreiben tat.“
Alles Abschriften des „Lebens“, die zumeist im Auftrag des P. Hieronymus Gracian hergestellt worden waren, gingen bis auf einige wenige verloren. Eine dieser uns erhaltenen Abschriften befindet sich in der Nationalbibliothek zu Madrid und wurde seinerzeit von de la Fuente seiner Ausgabe (1861) zugrundegelegt. Eine andere, und zwar die älteste nach dem Original hergestellte, die wir der Nichte der Heiligen verdanken, ist im Escorial aufbewahrt und wurde zur Erstlingsausgabe des Luis des Leon benützt (1588). Eine dritte Abschrift, und zwar nach dem Urteil des P. Silverio die bedeutendste (aus dem Jahre 1585), wird von den Karmelitinnen in Salamanca verwahrt.
Im spanischen Originaltext wurde das „Leben“ gesondert herausgegeben vom Inselverlag Leipzig, 1910, in der Sammlung der „Biblioteca Mundi“, leider jedoch mit einigen Kürzungen.
P. Ambrosius C. D.
Vorwort der heiligen Verfasserin.
MAN hat mir befohlen, die Gebetsweise und die Gnaden, die mir der Herr verliehen, zu beschreiben, und es wurde mir dazu eine große Freiheit eingeräumt. Ich wünschte aber, man hätte mir die nämliche Freiheit auch dazu gestattet, um recht ausführlich und klar meine großen Sünden und mein böses Leben zu schildern; dies wäre mir ein großer Trost gewesen. Allein man hat es nicht gewollt, sondern in diesem Stücke mich sehr gebunden. Deshalb bitte ich um der Liebe des Herrn willen jeden, der diese Beschreibung meines Lebens liest, nicht außer acht zu lassen, wie böse es gewesen ist, so daß ich unter allen Heiligen, die zu Gott sich bekehrt, keinen gefunden habe, an dem ich mich trösten könnte. Denn ich sehe, wie diese, nachdem der Herr sie einmal gerufen, ihn fernerhin nicht mehr beleidigten. Ich aber wurde nicht nur wieder schlimmer, sondern schien mich sogar geflissentlich den mir von der göttlichen Majestät erwiesenen Gnaden zu widersetzen; denn einerseits sah ich ein, daß mir aus dem Empfange dieser Gnaden die Verpflichtung erwüchse, dem Herrn vollkommener zu dienen, anderseits aber war ich überzeugt, ihm auch nicht im geringsten einen Entgelt dafür bieten zu können.
Er, der so lange meiner geharrt, sei in Ewigkeit gepriesen! Es ist, wie ich weiß, schon seit langer Zeit sein Wille, daß ich mein Leben beschreibe, doch habe ich bisher nicht den Mut dazu gehabt. Jetzt aber, nachdem mir auch meine Beichtväter den Auftrag dazu gegeben, bitte ich von ganzem Herzen den Herrn, er wolle mir die Gnade verleihen, diesen Bericht mit aller Klarheit und Wahrheit zu verfassen. Möge er zu seinem Ruhme und Lobe gereichen und dazu dienen, daß meine Beichtväter, die mich daraus besser kennenlernen, fortan meiner Schwachheit aufhelfen, damit ich so dem Herrn durch Eifer in seinem Dienste wenigstens etwas von dem abtragen kann, was ich ihm schulde! Ihn sollen alle Geschöpfe preisen in Ewigkeit! Amen.
1. Hauptstück.
Wie der Herr diese Seele in ihrer Kindheit zur Übung der Tugenden zu erwecken begann. Es ist dabei von großer Bedeutung, wenn die Eltern selbst der Tugend ergeben sind.
1. Der Besitz tugendhafter und gottesfürchtiger Eltern sowie die besonderen Gaben und Gnaden, die der Herr mir verliehen, wären für mich hinreichende Mittel gewesen, um auch ein tugendhaftes Leben zu führen, wenn ich nicht so böse gewesen wäre. Mein Vater las mit Vorliebe gute Bücher; er hatte deren einige in spanischer Sprache, die auch seine Kinder lesen sollten. Diese Bücher sowohl wie nicht minder die Sorgfalt unserer Mutter, mit der sie uns zum Beten anhielt und zur Andacht zu Unserer Lieben Frau und einigen anderen Heiligen ermunterte, waren mir, wie ich meine, im Alter von sechs oder sieben Jahren die erste Anregung zum Guten. Dazu trug noch die Wahrnehmung bei, daß meine Eltern nur der Tugend ihre Gunst zuwandten. Sie selbst waren reich an Tugenden. So hatte mein Vater eine besondere Liebe zu den Armen und großes Mitleid mit den Kranken und den Dienstboten. Gegen letztere ging sein Mitleid so weit, daß man ihn nie dazu bringen konnte, sich Sklaven zu halten; denn diese erbarmten ihn gar sehr. Eine Sklavin eines seiner Brüder, die sich einmal in unserem Hause aufhielt, behandelte er so gut wie seine eigenen Kinder; und er sagte, er könne es vor Betrübnis nicht ertragen, daß sie nicht frei sei. Er war ferner sehr wahrheitsliebend; niemand hörte ihn je fluchen oder anderen übel nachreden; der Zucht und Ehrbarkeit war er in besonderer Weise ergeben. Auch meine Mutter besaß viele Tugenden; ihr Leben floß unter schweren Leiden dahin. Sie liebte Züchtigkeit im höchsten Grade; und wiewohl sie von ausnehmender Schönheit war, so konnte man doch nie an ihr bemerken, daß sie einen Wert darauf legte. Als sie starb, war sie erst dreiunddreißig Jahre alt, und doch trug sie sich in der Kleidung immer so einfach wie eine betagte Matrone. Sie war sehr sanften Charakters und hatte einen scharfen Verstand. Zeitlebens hatte sie große Trübsale erduldet und ist sehr christlich gestorben.
2. Wir waren drei Schwestern und neun Brüder. Alle glichen durch Gottes Gnade in der Tugend ihren Eltern, nur ich nicht. Dennoch war ich meinem Vater die liebste, und mir scheint, ehe ich anfing, Gott zu beleidigen, nicht ohne einigen Grund; denn mit Wehmut denke ich daran, welch gute Neigungen mir der Herr verliehen hatte, und wie schlecht ich es verstanden, diese zu meinem Heile anzuwenden. Meine Geschwister aber hinderten mich durchaus nicht, Gott zu dienen.
3. Obschon ich zu allen, wie sie zu mir, eine große Liebe trug, so liebte ich doch einen Bruder, der fast gleichen Alters wie ich war, mehr als die übrigen. Wir beide lasen miteinander die Lebensgeschichten der Heiligen. Wenn ich nun die Martern betrachtete, die die Heiligen meines Geschlechtes um Gottes willen erduldet hatten, so schien es mir, sie hätten den Hingang zum Genusse Gottes sehr wohlfeil erkauft, und ich wünschte sehnlich, auch so zu sterben; jedoch geschah dies nicht so fast aus Liebe zu Gott, die ich in mir empfunden hätte, als vielmehr, um auf so kurzem Wege zum Genusse jener großen Güter zu gelangen, die, wie ich las, im Himmel aufbewahrt sind. Ich besprach mich deshalb mit diesem meinem Bruder darüber, welches Mittel auch uns dahin führen könnte. Wir kamen miteinander überein, daß wir um der Liebe Gottes willen Almosen bettelnd in das Land der Mauren ziehen wollten, damit uns dort das Haupt abgeschlagen würde. Ich glaube auch, der Herr hätte uns in einem noch so zarten Alter Mut genug verliehen, unseren Entschluß auszuführen, hätten wir nur irgendwie eine Möglichkeit dazu gefunden. Das größte Hindernis schien uns der Umstand zu sein, daß wir unsere Eltern noch hatten. Wir verwunderten uns auch sehr darüber, als wir lasen, daß jenseits Pein und Glorie ewig dauern. Gar oft war dies der Gegenstand unserer Unterhaltung, wobei es uns ein Vergnügen machte, oft die Worte zu wiederholen: „ewig, ewig, ewig!“ Durch das häufige Aussprechen dieser Worte gefiel es dem Herrn, daß mir in jenem kindlichen Alter der Weg der Wahrheit eingeprägt blieb. Da ich nun die Unmöglichkeit einsah, dahin zu gelangen, wo wir für Gott den Tod erleiden könnten, so beschlossen wir, Einsiedler zu werden. Wir suchten also in einem Garten, der beim Hause war, so gut wir es vermochten, Einsiedeleien zu bauen, indem wir kleine Steine aufeinanderlegten. Da aber diese immer gleich wieder zusammenfielen, so fanden wir auch hier kein Mittel mehr, unser Verlangen ins Werk zu setzen.
4. Noch jetzt stimmt es mich zur Andacht, wenn ich erwäge, wie Gott mir das so frühe schon verliehen hatte, was ich in der Folge durch meine Schuld verlor. Ich gab Almosen, soviel ich konnte, wiewohl dies nur wenig war. Um meine vielen mündlichen Gebete zu verrichten, suchte ich die Einsamkeit auf. Besonders gern betete ich den Rosenkranz, zu dem meine Mutter eine große Andacht trug, die sie auch uns Kindern eingeflößt hatte. Wenn ich mit anderen Mädchen spielte, machte es mir ein großes Vergnügen, Klöster aufzurichten und mit ihnen die Nonnen nachzuahmen. Ich glaube auch, daß ich damals gern eine Nonne hätte werden mögen, wenngleich dieses Verlangen nicht so groß war wie jenes (nach dem Martyrium und dem Einsiedlerleben).
5. Ich erinnere mich auch noch des Folgenden: Ich war nicht ganz zwölf Jahre alt, als meine Mutter starb. Kaum hatte ich erkannt, was ich an ihr verloren, so ging ich in meiner Betrübnis zu einem Bilde Unserer Lieben Frau und bat sie unter vielen Tränen, sie möchte von nun an meine Mutter sein. Zwar tat ich dies, wie ich meine, nur so in kindlicher Einfalt, aber doch scheint es mir genützt zu haben; denn augenscheinlich habe ich den Beistand dieser erhabenen Jungfrau erfahren, in was immer für einem Anliegen ich mich ihr empfahl, und schließlich hat sie mich auch wieder an sich gezogen. Jetzt schmerzt es mich, wenn ich sehe und bedenke, was die Ursache gewesen, daß ich in den anfänglich guten Begierden nicht beharrlich geblieben bin.
6. O mein Herr! Du scheinst wohl bei dir beschlossen zu haben, daß ich selig werde; o so lasse es Deiner Majestät gefallen, daß es wirklich geschehe! Da du mir aber so viele Gnaden erweisen wolltest, wie du sie mir in Wirklichkeit erwiesen, warum gefiel es dir nicht auch, zwar nicht wegen meines eigenen Vorteiles, sondern um deiner Ehre willen, zu verhüten, daß die Wohnung in der du so beständig weiten solltest, so sehr verunreinigt würde? Doch auch dies zu sagen, schmerzt mich, o Herr, da ich weiß, daß die ganze Schuld an mir allein lag. Denn ich glaube nicht, daß du mehr noch hättest tun können, als du getan hast, damit ich von jenem Alter an ganz dein geblieben wäre. Ebensowenig kann ich mich über meine Eltern beklagen; denn an ihnen sah ich nur Gutes und nur Sorgfalt für mein Heil. Ich aber habe, sobald ich nach meinen Kinderjahren die natürlichen Gaben erkennen konnte, womit der Herr, wie man sagte, mit reichlich ausgestattet hatte, auch schon begonnen, all diese Gaben zu seiner Beleidigung zu mißbrauchen, anstatt ihm dafür dankbar zu sein. Davon werde ich nun weiter erzählen.
2. Hauptstück.
Wie sie die erwähnten Tugenden allmählich wieder verlor und wieviel daran gelegen ist, daß man in der Jugend nur mit tugendhaften Personen umgehe.
1. Folgendes scheint für mich der Anfang großen Schadens gewesen zu sein. Ich denke öfters darüber nach wie übel die Eltern handeln, wenn sie nicht dafür sorgen, daß ihre Kinder immer und überall nur Tugendbeispiele vor Augen haben. Meine Mutter war, wie gesagt, sehr tugendhaft, und doch habe ich, nachdem ich den Gebrauch der Vernunft erlangt, von dem Guten, das ich an ihr wahrgenommen, nicht sonderlich viel, ja fast gar nichts angenommen; das Fehlerhafteste aber, das sie an sich hatte, schadete mir sehr. Sie las nämlich gern Rittergeschichten, machte jedoch von diesem Zeitvertreib keinen so üblen Gebrauch wie ich, weil sie dadurch ihre Geschäfte nicht vernachlässigte. Wir Kinder aber trachteten nur mit unseren Arbeiten bald fertig zu werden, um auch in solchen Büchern zu lesen. Sie selbst tat dieses vielleicht nur deshalb, um ihre Gedanken von den schweren Leiden, die sie zu erdulden hatte, abzulenken; ihren Kindern aber mochte sie es darum gestattet haben, damit sie nicht auf andere Dinge verfielen, wodurch sie hätten zugrunde gehen können. Meinen Vater indes verdroß diese Beschäftigung sehr; deshalb mußten wir achthaben, daß er nichts davon wahrnahm. Ich ließ mir die Lesung dergleichen Bücher allmählich zur Gewohnheit werden; so war denn der geringe Fehler, den ich an meiner Mutter bemerkte, Ursache, daß ich in meinen guten Begierden zu erkalten und auch im übrigen nachlässig zu werden begann. Es schien mir nicht unrecht zu sein, ohne Wissen meines Vaters viele Stunden des Tages und der Nacht in dieser eitlen Beschäftigung zuzubringen; ja so sehr war ich in diese Neigung verstrickt, daß ich mich unzufrieden zeigte, wenn ich nicht immer wieder ein neues Buch hatte.
2. Nunmehr fing ich auch an, schön gekleidet zu erscheinen und durch ein wohlgepflegtes Äußere mich der Gefallsucht hinzugeben. Zu diesem Zwecke pflegte ich mit besonderer Sorgfalt Hände und Haupthaar und bediente mich wohlriechender sowie aller möglichen eitlen Dinge, die ich mir verschaffen konnte; diese waren nicht wenige, da ich sehr putzsüchtig war. Doch hatte ich keine böse Absicht dabei; denn ich hätte nie gewollt, daß irgendjemand meinetwegen Gott beleidigen würde. Von da an blieb mir viele Jahre lang eine große Sorgfalt für übertriebene Reinlichkeit und für Dinge, die mir nie als Sünde erschienen. Jetzt freilich sehe ich ein, wie unrecht dies alles gewesen sein mußte.
3. Außer einigen Anverwandten, die Geschwisterkinder zu mir waren, hatte im Hause meines Vaters niemand Zutritt; denn er war in dieser Beziehung sehr vorsichtig. Wollte Gott, er wäre es auch diesen Verwandten gegenüber gewesen! Denn jetzt sehe ich ein, wie gefährlich es ist, wenn man in einem Alter, in dem man anfangen sollte, Tugenden zu pflanzen, mit Personen umgeht, die, anstatt die Eitelkeit der Welt zu erkennen, dazu anreizen, sich ihr in die Arme zu werfen. Diese Verwandten, die fast in gleichem Alter mit mir standen und nur wenig älter waren als ich, hatten eine große Liebe zu mir und waren meine beständigen Gesellschafter. Ich meinerseits unterhielt sie in allem, was ihnen Freude machte, und hörte ihnen zu, wenn sie mir von ihren Liebeleien und Kindereien, die keineswegs zu loben waren, erzählten. Das schlimmste aber war, daß sich dadurch meine Seele an etwas gewöhnte, das für sie die Ursache alles Unheils wurde.
4. Hätte ich den Eltern einen Rat zu geben, so würde ich ihnen sagen, sie sollten ja recht achthaben, mit welchen Personen ihre Kinder in diesem Alter umgehen; denn da unsere Natur mehr zum Bösen als zum Guten geneigt ist, so kann dieser Umgang großen Schaden bringen. So ist es auch mir widerfahren. Von der großen Sittsamkeit und Tugendhaftigkeit einer Schwester, die bedeutend älter war als ich, nahm ich nichts an. Dagegen gereichte mir eine Base, die häufig in unserem Hause verkehrte, zu großem Verderben. Diese war so leichtfertig in ihrem Betragen, daß schon meine Mutter, die geahnt zu haben schien, welches Unheil durch sie über mich kommen würde, sich viele Mühe gegeben hatte, ihren Eintritt in unser Haus zu verhindern. Sie fand aber so viele Gelegenheit, immer wieder zu kommen, daß das Bemühen der Mutter fruchtlos blieb. Ich verkehrte sehr gerne mit dieser Base und hatte immer mit ihr zu reden und zu tun, denn sie verhalf mir zu jedem Zeitvertreib, den ich wünschte; ja sie selbst veranlaßte mich dazu und teilte mir ihre eigenen Unterhaltungen und Eitelkeiten mit. Als dieser freundschaftliche und vertraute Verkehr mit jener Person stattfand, war ich, soviel ich glaube, vierzehn Jahre alt oder etwas darüber. Bis dahin hatte ich meines Erachtens durch keine Todsünde Gott verlassen noch die Furcht vor ihm verloren. Mehr jedoch war ich für meine Ehre besorgt, und diese Sorge bewirkte, daß ich sie nicht ganz verlor. Ja, ich hielt so viel auf meine Ehre, daß ich glaube, nichts in der Welt hätte diese Gesinnung in mir ändern können; und so wäre denn auch nie die Liebe zu einer Person in der Welt imstande gewesen, mich zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Hätte ich doch die nämliche Standhaftigkeit bewahrt, um nie gegen Gottes Ehre zu handeln, wie sie mir von Natur aus in der Befolgung dessen eigen war, worin nach meiner Meinung die Ehre vor der Welt bestand! Dabei merkte ich aber nicht, wie ich diese Ehre einfach in anderer Weise verlor. In eitlem Sinne liebte ich sie aufs äußerste; von den Mitteln aber, die zu ihrer Bewahrung notwendig gewesen wären, wendete ich keines an. Nur darauf gab ich sorgsam acht, daß ich mich nie gänzlich ins Verderben stürzte.
5. Meinem Vater und meiner Schwester mißfiel jene Freundschaft sehr, und sie wiesen mich oftmals darüber zurecht. Da sie aber für jene Person die Gelegenheit zum Betreten unteres Hauses nicht aufheben konnten – ich war nämlich zu allem Schlimmen sehr geschickt –, so blieben ihre Bemühungen fruchtlos. Wenn ich zuweilen bedenke, welchen Schaden eine schlechte Gesellschaft mit sich bringt, so erschrecke ich darüber; ja, ich könnte es gar nie glauben, hätte ich nie selbst diese Erfahrung gemacht. In der Jugendzeit insbesondere muß das ärgste Unheil daraus entstehen. Möchten doch die Eltern, durch meinen Schaden belehrt, es sich angelegen sein lassen, in dieser Hinsicht ja recht auf der Hut zu sein! Denn der Umgang mit jener Verwandten veränderte mich wirklich so sehr, daß von meiner natürlichen Anlage zur Tugend fast nichts mehr in meiner Seele blieb; ja es schien, als hätte ich durch den Verkehr mit dieser und noch einer anderen Verwandten, die ebenso der Eitelkeit ergeben war, deren schlimme Gesinnung angenommen.
6. Daraus schließe ich zugleich auf den großen Nutzen, den eine gute Gesellschaft mit sich bringt. Ja, ich bin überzeugt, daß ich auf gutem Wege geblieben wäre, wenn ich in jenem Alter mit tugendhaften Personen Umgang gepflogen hätte. Wäre mir damals jemand zur Seite gestanden, der mich zur Furcht Gottes angeleitet hätte, so würde meine Seele Kraft gewonnen haben, um nicht zu fallen. Nachdem aber diese Furcht später ganz in mir geschwunden war, blieb mir nur noch die Besorgnis für meine Ehre, die mich bei allem quälte, was ich tat. Indessen wagte ich vieles zu tun, was sowohl wider diese Ehre als auch wider Gott verstieß, weil ich dachte, es werde verborgen bleiben.
7. In dem bisher Gesagten glaube ich die ersten Ursachen des Schadens finden zu müssen, den ich an meiner Seele genommen habe. Indessen dürfte die Schuld nicht so fast den erwähnten Personen als mir selbst beizumessen sein; denn in der Folge genügte allein schon mein verkehrter Sinn zur Verübung des Bösen, zumal wir auch Mägde hatten, an denen ich gefügige Werkzeuge zu allem Bösen fand. Wäre unter diesen nur eine gewesen, die mir heilsamen Rat gegeben hätte, so würde ich mir diesen vielleicht zunutze gemacht haben. Aber der Eigennutz hatte sie geblendet, wie mich meine ungeordnete Neigung. Zu etwas sehr Bösem war ich jedoch niemals geneigt; denn unehrbare Dinge verabscheute ich von Natur aus. Was ich suchte, war nur Zeitvertreib durch angenehme Unterhaltung. Weil ich mich aber hier in der Gelegenheit befand, so lag die Gefahr für mich sehr nahe, und ich gefährdete dadurch auch die Ehre meines Vaters und meiner Geschwister. Doch Gott errettete mich aus diesen Gefahren, und zwar in einer Weise, daß deutlich zu erkennen war, er habe selbst gegen meinen Willen dafür gesorgt, daß ich nie ganz zugrunde ging. Immerhin aber konnte mein Verhalten nicht so geheim bleiben, daß ich dadurch nicht Schaden genug an meiner Ehre gelitten und Argwohn bei meinem Vater erweckt hätte. Denn ich glaube nicht drei Monate in jenen Eitelkeiten verlebt zu haben, als man mich in ein Kloster der Stadt brachte, wo Personen meines Alters und Standes, nur keine so bösgesitteten wie ich, erzogen wurden. Dies geschah mit so geschickter Verheimlichung des wahren Grundes, daß außer mir und einem Verwandten niemand um diesen wußte. Man hatte nämlich, um kein Aufsehen zu erregen, eine günstige Gelegenheit abgewartet, die sich in der Verehelichung meiner Schwester darbot; da ich keine Mutter mehr hatte, wäre es ohnehin nicht ratsam gewesen, mich allein im Hause zu lassen.
8. Indes verlor ich ob des Geschehenen doch nicht die Gunst meines Vaters. Da dieser eine so außerordentliche Liebe gegen mich hegte und ich auch alles so gut vor ihm zu verbergen wußte, konnte er so Schlimmes nicht von mir glauben. Zudem hatte ich nur kurze Zeit in jenen Eitelkeiten verlebt, und sollte man auch etwas davon bemerkt haben, so dürfte ihm dies doch nicht mit Gewißheit hinterbracht worden sein; denn äußerst besorgt für meine Ehre, wie ich war, hatte ich jede Vorsicht gebraucht, damit ja alles geheim bliebe, und bedachte nicht, daß vor dem, der alles sieht, nichts verbergen konnte. O mein Gott! Welchen Schaden bringt doch die Geringachtung dieser Wahrheit sowie der Gedanke in der Welt hervor, es werde verborgen bleiben, was wider dich geschieht! Ich halte für gewiß, daß große Übel vermieden werden würden, wenn wir einsähen, wie es nicht darauf ankommt, uns vor den Menschen in acht zu nehmen, sondern uns vor dem zu hüten, was dir mißfällt.
9. Die ersten acht Tage meines Aufenthaltes im Kloster waren sehr qualvoll für mich, mehr jedoch wegen der Besorgnis, es möchte mein bisheriges eitles Betragen ruchbar geworden sein, als weil ich hier eingeschlossen war. Denn der Eitelkeiten, denen ich nachging, war ich bereits müde, und ich hatte nun beständig eine große Furcht vor Gott wegen der Zeit, in der ich ihn beleidigte; deshalb suchte ich auch bald zu beichten. Es war eine große Unruhe in mir, bis ich mich nach Verlauf von acht Tagen, oder vielleicht schon eher, weit glücklicher fühlte als daheim bei meinem Vater. Alle Bewohnerinnen des Klosters waren zufrieden mit mir; denn diese Gnade hatte mir der Herr verliehen, daß ich überall, wo ich hinkam, gern gesehen und darum sehr beliebt war. Obwohl dem Berufe zum Ordensstande damals äußerst abhold, freute ich mich doch, in diesem Kloster so tugendhafte Nonnen zu sehen; sie waren es auch in hohem Grade und zeichneten sich besonders durch große Ehrbarkeit, klösterliche Zucht und Eingezogenheit aus. Doch bei dem allem unterließ es der böse Feind auch hier nicht, mich anzufechten, indem er mich mit Aufträgen auswärtiger Personen zu beunruhigen suchte. Weil aber diese keine Erwiderung fanden, so hatte das Treiben bald ein Ende. Meine Seele begann nunmehr sich wieder dem Guten zuzuwenden, wie es meiner Kindheit eigen war, und ich erkannte, welch große Gnade Gott denen erweist, die er in die Gesellschaft tugendhafter Menschen versetzt. Mir scheint, Seine Majestät habe kein Mittel unversucht gelassen, um mich wieder an sich zu ziehen. Gepriesen seist du, o Herr, daß du mich so lange ertragen hast. Amen.
10. Ein Punkt hätte nach meinem Dafürhalten einigermaßen als Entschuldigungsgrund für mich gelten können, wären nicht so viele andere Fehler dabei unterlaufen. Ich meine jenen freundschaftlichen Verkehr, von dem ich weiter oben gesprochen. Dieser hätte nämlich dem Anscheine nach mittels einer Heirat ein glückliches Ende finden können. Auch hatte ich über verschiedene Punkte meines Verhaltens meinen Beichtvater und andere Personen befragt und von ihnen zur Antwort erhalten, daß ich hierin Gott nicht beleidigte.
11. Bei uns Zöglingen hatte eine Nonne die Aufsicht im Schlafzimmer, und durch diese wollte der Herr anscheinend sein Werk beginnen, mich zu erleuchten, wie ich nun erzählen werde.
3. Hauptstück.
Wie die gute Gesellschaft, in die sie kam, dazu beitrug, daß wieder gute Begierden in ihr erwachten, und wie der Herr ihr in ihrer Täuschung einiges Licht zu verleihen begann.
1. An der guten und heiligen Gesellschaft jener Nonne fand ich bald Gefallen. Da sie sehr geistreich und heilig war, verstand sie es so vortrefflich von Gott zu reden, daß ich ihr mit inniger Freude zuhörte. Übrigens hatte mir, soviel ich meine, das Anhören solcher Gespräche noch zu jeder Zeit große Freude gemacht. Die fromme Dienerin Gottes erzählte mir, wie sie dazu gekommen sei, Nonne zu werden, nämlich durch das bloße Lesen der Worte des Evangeliums: „Viele sind berufen, aber wenige auserwählt.“1 Auch sprach sie von dem Lohne, den der Herr jenen verleiht, die aus Liebe zu ihm alles verlassen. Diese gute Gesellschaft bewirkte, daß die schlimmen Gewohnheiten, die ich im Umgange mit weltlich gesinnten Personen angenommen hatte, allmählich verschwanden. Das Verlangen nach den ewigen Gütern kehrte wieder in meine Seele zurück und auch meine Abneigung gegen den Ordensberuf, die bisher sehr stark gewesen war, verminderte sich allmählich. Bemerkte ich damals, daß eine der Nonnen unter dem Gebete Tränen vergoß, oder gewahrte ich andere Tugenden an ihr, so beneidete ich sie darob sehr; denn mein Herz war in dieser Hinsicht so hart, daß ich die ganze Leidensgeschichte des Herrn hätte lesen können, ohne auch nur eine einige Träne zu vergießen. Dies schmerzte mich sehr.
2. Anderthalb Jahre verweilte ich in diesem Kloster und wurde dadurch um vieles gebessert. Ich fing an, viele mündliche Gebete zu verrichten, und ersuchte alle, mich Gott zu empfehlen, damit er mich jenem Stande zuführe, in dem ich ihm dienen solle. Doch hatte ich kein Verlangen, Nonne zu werden; vielmehr hegte ich den Wunsch in mir, Gott möge mich nicht zu diesem Stande berufen. Gleichwohl schreckte ich auch vor einer Heirat zurück. Als jedoch mein Aufenthalt im Kloster zu Ende ging, war ich schon mehr geneigt, Nonne zu werden, aber nicht in diesem Hause, und zwar wegen gewisser Tugendübungen, die man, wie ich in der Folge vernahm, hier beobachtete und die mir äußerst übertrieben vorkamen. Einige der jüngeren Nonnen bestärkten mich in meiner Ansicht. Wären sie alle einer Meinung gewesen, so hätte mir dies viel genützt. Auch hatte ich in einem anderen Kloster eine sehr innige Freundin; deshalb wollte ich, wenn ich je Nonne werden sollte, nur ihr Kloster wählen. Ich sah also mehr auf das, was meiner Sinnlichkeit und Eitelkeit zusagte, als was zum Heile meiner Seele gewesen wäre. Diese guten Gedanken, mich dem Ordensstande zu widmen, kamen mir zuweilen, verließen mich aber bald wieder, ohne daß ich einen festen Entschluß hätte fassen können.
3. Obwohl ich in jener Zeit für mein Heil nicht sorglos war, so wendete doch der Herr noch weit größere Sorgfalt an, mich zu dem mir heilsamsten Stande vorzubereiten. Er schickte mir eine schwere Krankheit, die mich veranlaßte, in mein väterliches Haus zurückzukehren. Als ich wieder genesen war, brachte man mich zu meiner Schwester, die in einem Dorfe wohnte, und die ich dort besuchen wollte; denn sie hatte mich über die Maßen lieb, und wäre es nach ihrem Wunsche gegangen, so hätte ich sie wohl nie mehr verlassen. Auch ihr Mann war mir sehr zugetan, wenigstens erwies er mir alles Liebe und Gute. Dafür bin ich nämlich dem Herrn gleichsam zum Danke verpflichtet, daß ich überall geliebt war, aber leider habe ich mich gegen ihn, wie es meine Art ist, nur wenig erkenntlich gezeigt.
4. Der Weg zu meiner Schwester führte mich durch den Wohnort eines Bruders meines Vaters, der ein sehr verständiger und tugendhafter Mann und Witwer war. Auch diesen bereitete der Herr allmählich für seinen Dienst. Noch in seinem hohen Alter verließ er alles, was er besaß, wurde Ordensmann und endete so heilig, daß ich glaube, er befinde sich nunmehr im Genusse Gottes. Dieser Oheim wollte, daß ich einige Tage bei ihm bliebe. Seine Beschäftigung bestand im Lesen guter Bücher in spanischer Sprache; seine Gespräche handelten meist von Gott und von der Eitelkeit der Welt. Er ließ sich von mir aus seinen Büchern vorlesen. Diese waren zwar nicht nach meinem Geschmacke, aber ich zeigte doch Interesse daran, sowie ich denn überhaupt jederzeit aufs höchste beflissen war, mich anderen gefällig zu erweisen, seit dann, wenn ich etwas nicht gern tat. Bei anderen wäre dies Tugend gewesen, bei mir aber war es ein großer Fehler, weil ich dabei oftmals viel zu weit ging. O guter Gott! Welche Wege hat doch Seine Majestät eingeschlagen, um mich zu dem Stande zu bereiten, in dem sie sich meiner bedienen wollte; denn ob ich auch keine Neigung dazu hatte, so nötigte mich der Herr doch, daß ich mir Gewalt antat. Er sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.
5. Nur wenige Tage brachte ich bei meinem Oheim zu; aber die göttlichen Worte, die ich da gelesen und gehört, und die gute Gesellschaft, in der ich mich befand, wirkten mit einer solchen Kraft in meinem Herzen, daß ich die Wahrheit, die ich schon in meiner Kindheit erkannt hatte, mehr und mehr wieder erfaßte, die Wahrheit nämlich, wie alles so nichtig und wie eitel die Welt sei und wie alles in kurzer Zeit ein Ende nehme. Zugleich ergriff Schrecken meine Seele bei dem Gedanken, daß ich auf dem Wege zur Hölle gewesen wäre, wenn mich der Tod überrascht hätte. Ich sah jetzt ein, daß der Ordensstand der beste und sicherste für mich sei; wenn auch mein Wille noch nicht ganz dazu geneigt war, so kam ich auf solche Weise doch allmählich zu dem Entschlusse, mir selbst Gewalt anzutun, um diesen Stand zu ergreifen und Nonne zu werden.
6. Drei Monate dauerte der Kampf, den ich in meinem Innern zu bestehen hatte. In diesem Kampfe ermunterte ich mich durch die Betrachtung, daß die Beschwerden und die Pein, die ich als Nonne auszustehen haben würde, ja doch nicht größer sein könnten als die Pein des Fegfeuers, indes ich mit Recht schon die Hölle verdient hätte; darum, so dachte ich mir, wäre es gewiß nicht zu viel, wenn ich jetzt wie im Fegfeuer lebte, um dann, wie ich ja wünschte, geraden Wegs in den Himmel einzugehen. Jedoch scheint mich bei dieser Anregung zum Eintritt in den Ordensstand mehr knechtische Furcht als Liebe geleitet zu haben. Der böse Feind dagegen gab mir ein, ich würde, weil so sehr an Wohlstand und Bequemlichkeit gewöhnt, die Beschwerlichkeiten des Ordensstandes nicht ertragen können. Dieser Einflüsterung stellte ich die Leiden entgegen, die Christus erduldet, indem ich mir dachte, es wäre nicht zu viel, wenn auch ich aus Liebe zu ihm etwas leiden würde. Er selbst, mochte ich mir auch gedacht haben, werde mir alle Beschwerden tragen helfen; doch kann ich mich des letzteren nicht mehr erinnern. Zu den vielen Anfechtungen in jenen Tagen kamen auch noch häufig Fieberanfälle, die mit schweren Ohnmachten verbunden waren; denn ich hatte von jeher eine sehr schwächliche Gesundheit. Ich gewann nun Vorliebe zu guten Büchern, und dadurch erhielt ich Mut und Kraft. Insbesondere waren es die Briefe des hl. Hieronymus, die mich in einer Weise ermutigten, daß ich mich entschied, den von mir gefaßten Entschluß meinem Vater mitzuteilen. Dies war bei mir fast ebensoviel, als wenn ich schon das Ordenskleid angenommen hätte; denn ich hielt so sehr auf meine Ehre, daß ich meines Erachtens eine Erklärung, die ich einmal abgegeben, um keinen Preis mehr zurückgenommen haben würde. Mein Vater aber liebte mich so sehr, daß ich auf keine Weise seine Einwilligung erhalten konnte, und auch die Bitten anderer, die ich um Vermittlung ansprach, halfen nichts. Nur das eine war von ihm zu erreichen, daß er sagte, ich könnte nach seinem Tode tun, was ich wollte. Weil ich jedoch mir selbst nicht viel zutraute und meiner Schwachheit wegen fürchtete, ich möchte wieder zurückgehen, so hielt ich einen solchen Aufschub nicht für ratsam. Ich suchte darum auf andere Weise mein Ziel zu erreichen, wie ich es im folgenden erzählen werde.
1 Mt. 20, 16 und 22, 14.
4. Hauptstück.
Wie der Herr ihr Kraft verlieh, sich selbst Gewalt anzutun, das geistliche Ordenskleid zu nehmen, und wie Seine Majestät sie mit vielen Krankheiten heimzusuchen begann.
1. Während ich in jenen Tagen mich mit solchen Gedanken beschäftigte, hatte ich auch einen meiner Brüder, dem ich die Eitelkeit der Welt vor Augen stellte, zum Eintritt in den geistlichen Ordensstand beredet. Wir beide kamen demnach miteinander überein, an einem bestimmten Tage in aller Frühe uns zu dem Kloster zu begeben, in dem die bereits erwähnte Freundin sich befand, zu der ich so große Zuneigung trug. Doch wäre ich jetzt auch bereit gewesen, in jedes andere Kloster zu treten, wenn ich erkannt hätte, daß ich dort Gott besser würde dienen können, oder wenn es mein Vater gewünscht hätte; denn ich sah jetzt nur noch auf das Heil meiner Seele und nicht mehr auf die Befriedigung meiner Eigenliebe. Der Augenblick, in dem ich das väterliche Haus verließ, schwebt noch meinem Gedächtnisse vor. Es war mir damals nach meinem ganzen Dafürhalten und in Wahrheit so zumute, daß ich glaube, der Tod könnte nie furchtbarer für mich sein; denn es kam mir vor, als würden mir alle Gebeine aus den Gelenken gerissen. Weil nämlich meine Liebe zu Gott noch nicht stark genug war, um die Liebe zu Vater und Verwandten in mir zu ersticken, so stürmte jetzt die ganze Macht dieser Liebe mit solcher Gewalt auf mich ein, daß alle meine Vorstellungen nicht vermocht hätten, mich weiterzubringen, wenn der Herr mir nicht beigestanden wäre. Aber er verlieh mir einen solchen Mut, mich selbst zu überwinden, daß ich meinen Entschluß ausführte.
2. Sobald ich das Ordenskleid genommen hatte, ließ mich der Herr auch schon innewerden, mit welchen Gnaden er jene überhäuft, die sich Gewalt antun in seinem Dienste. Niemand sah es mir an, welch harten Kampf ich zu bestehen hatte, vielmehr gewahrten alle die höchste Wonne an mir. Von dieser Stunde an empfand ich die innigste Freude an meinem neuen Stande, die mich bis heute nie mehr verlassen hat. Gott verwandelte die Trokkenheit meiner Seele in die süßeste Wonne. Alle im Orden gebräuchlichen Übungen freuten mich, sogar das Kehren des Hauses nicht ausgenommen. Zuweilen traf es sich, daß ich dieser Beschäftigung gerade in jenen Stunden oblag, die ich sonst auf die Pflege und den Schmuck meines Leibes verwendet hatte. Bei dem Gedanken daß ich jetzt von einer solchen Eitelfeit frei sei, überkam mich in Wahrheit eine neue Freude, so daß ich darüber staunte und gar nicht begreifen konnte, woher dies wohl kommen möge.
3. Denke ich an das Gesagte zurück, so gibt es für mich keine Schwierigkeit, wie groß sie auch immer sei, die ich gegebenen Falls nicht auf mich zu nehmen wagte, ohne irgendein Bedenken dagegen zu tragen. Denn wenn ich gleich anfangs mutvoll mich entschließe, eine Sache, die rein für Gott ist, zu unternehmen, so weiß ich schon in vielen Fällen durch die Erfahrung, daß der Erfolg nicht minder gedeihlich für mich ist wie damals, als ich in das Kloster trat. Gott will zwar, daß die Seele zur Vermehrung ihrer Verdienste so lange, bis sie einmal den Anfang gemacht hat, ein gewisses Gefühl des Entsetzens in sich verspüre; überwindet sie aber, so wird das Werk mit um so größerer Freudigkeit von ihr vollbracht werden und ihr Lohn um so höher sein, je größer ihr Entsetzen vorher gewesen. Ja, schon in diesem Leben belohnt die göttliche Majestät eine solche Überwindung in einer Weise, daß nur der es begreift, dem dieser Lohn zuteil wird. Ich weiß das, wie gesagt, aus der Erfahrung in vielen und sehr schwierigen Dingen. Wenn ich daher eine Meinung sagen dürfte, so würde ich niemals raten, eine oftmals wiederkehrende gute Einsprechung aus Furcht vor Schwierigkeiten zurückzuweisen; denn unternimmt man etwas rein nur um Gottes willen, so hat man keinen Grund zu fürchten, daß es schlimmer ausfallen werde, da ja Gott mächtig ist, uns in allem zu helfen. Er sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.
4. O du mein höchstes Gut und meine Ruhe, die Gnaden, die du mir bis dahin erwiesen hattest, wären schon genug gewesen! Führte mich doch deine Güte und Macht durch so viele Umwege zu einem so sicheren Stande und an eine Stätte, wo so viele Dienerinnen deiner Majestät waren, von denen ich hätte lernen können, in deinem Dienste stetig zuzunehmen. Wenn ich an die Seelenstimmung denke, mit der ich meine Ordensgelübde ablegte, an die große Entschlossenheit und Freude, die mich dabei beseelten, und an die geistige Verlobung, die ich mit dir einging, so weiß ich nicht, wie ich weiter fortfahren soll. Ich kann dies nicht ohne Tränen aussprechen. Ja, blutige Tränen sollte ich weinen, und das Herz sollte mir zerspringen; denn ob der Beleidigungen, die ich dir nachmals zufügte, wäre kein Reueschmerz zu groß. Nun scheint es mir, ich habe guten Grund gehabt, mir eine zu hohe Würde nicht zu wünschen, weit es leider geschehen sollte, daß ich ihr so schlecht entsprach. Du aber, o Herr, wolltest beinahe zwanzig Jahre lang, während derer ich deine Gnade mißbrauchte, diese Unbill ertragen, damit ich noch gebessert würde. O mein Gott! Es hat den Anschein, als ob ich versprochen hätte, nichts von dem zu halten, was ich dir gelobte. Zwar hatte ich damals diese Absicht nicht, aber wenn ich auf meine nachmaligen Werke sehe, so weiß ich nicht, mit welcher Gesinnung ich meine Gelübde abgelegt habe. Dies sollte indessen dazu dienen, damit um so offenbarer würde, wer du bist, o mein Bräutigam, und wer ich bin. Ich kann darum mit voller Wahrheit sagen: Was meinen Schmerz über meine großen Verschuldungen oftmals lindert, ist der Trost, den mir der Gedanke einflößt, daß man daraus die Menge deiner Erbarmungen erkennen kann. Denn an wem, o Herr, könnte wohl deine Barmherzigkeit so strahlend erglänzen wie an mir, die ich mit meinen bösen Werken die großen Gnaden, die du mir zu erweisen begonnen, so sehr verdunkelte? Ach, mein Schöpfer! Wollte ich eine Entschuldigung vorbringen, so weiß ich keine; niemand trägt die Schuld als ich allein. Denn würde ich dir die Liebe, die du mir zu erzeigen begonnen, nur einigermaßen vergolten haben, so hätte ich unmöglich etwas anderes lieben können als dich allein, und damit wäre alles Übel verhütet worden. Weil ich aber dies nicht verdiente und mir ein so großes Glück nicht beschieden ward, so helfe mir, o Herr, wenigstens jetzt deine Barmherzigkeit!
5. Die Veränderung der Lebensweise und der Speisen wirkten nachteilig auf meine Gesundheit; wenn auch meine Freude groß war, so reichte dies doch nicht hin, eine so schlimme Folge zu verhüten. Die Ohnmachten nahmen zu, und es stellte sich neben vielen anderen Übeln ein Herzleiden von so außerordentlicher Heftigkeit ein, daß alle, die mich in dieser Verfassung sahen, darüber erschraken. So brachte ich das erste Jahr in sehr schlechter Gesundheit zu; doch habe ich in dieser Zeit, wie ich meine, Gott nicht viel beleidigt. Die Heftigkeit meines Leidens hatte mich in einen Zustand versetzt, der beständig an Bewußtlosigkeit grenzte; ja öfter geschah es, daß ich dadurch des Sinnengebrauches ganz beraubt war. Mein Vater war darum eifrigst bemüht, Hilfe für mich zu suchen, und da er sie bei den Ärzten der Stadt nicht fand, so traf er Anstalten, daß ich an einen Ort gebracht wurde, der wegen anderer dort schon erfolgter Krankenheilungen sehr berühmt war. Man hatte nämlich die Hoffnung ausgesprochen, daß auch ich an diesem Orte meine Gesundheit wieder erlangen werde. Jene Freundin, die ich, wie bereits gemeldet, im Kloster hatte und die hier eine der älteren Schwestern war, begleitete mich; denn in dem Kloster, in dem ich als Nonne lebte, wurde keine Klausur gelobt. Ich war fast ein Jahr abwesend, litt aber während der drei Monate meines Aufenthaltes an jenem Orte infolge des strengen Heilverfahrens, das man bei mir anwandte, eine so furchtbare Marter, daß ich nicht weiß, wie ich sie ertragen konnte. Zwar ertrug ich sie, aber am Ende mußte meine Natur doch erliegen, wie ich dies später noch erzählen werde.
6. Da die beabsichtigte Kur mit Beginn des Sommers angewendet werden sollte, ich aber schon zu Anfang des Winters abgereist war, so brachte ich die ganze Zwischenzeit bei meiner Schwester zu, die, wie schon gesagt, in einem Dorfe wohnte, und erwartete hier den Monat April. Jener Ort lag nämlich in der Nähe, und ich vermied so ein wiederholtes Hin und Herreisen. Auch diesmal hatte ich unterwegs jenen Oheim wieder besucht, von dem ich schon erzählt habe. Derselbe gab mir ein Buch, das den Titel „Drittes Abc“ führt und eine Unterweisung über das Gebet der Sammlung enthält. Ich hatte zwar schon während der Noviziatsjahres gute Bücher gelesen und ließ alle anderen beiseite, da ich den Schaden einsah, den sie mir gebracht; aber noch verstand ich es nicht, wie ich es anzustellen hätte, das innerliche Gebet zu üben und mich dabei zu sammeln. Ich war darum recht herzlich erfreut über jenes Buch und beschloß, den darin vorgezeichneten Weg mit Aufwand aller meiner Kräfte zu verfolgen. Vom Herrn bereits mit der Gabe der Tränen begnadigt und der Lesung geistlicher Bücher zugetan, widmete ich besondere Zeiten der Einsamkeit; auch beichtete ich häufig und begann nun den Weg zu wandeln, den mir das genannte Buch angab. Es diente mir anstatt eines Lehrmeisters; denn von diesem Zeitpunkte an gerechnet habe zwanzig Jahre lang trotz meines Suchens keinen solchen, ich will sagen, keinen Beichtvater gefunden, der mich verstanden hätte. Dieser Mangel hat mir viel geschadet, weil ich deshalb oftmals wieder rückwärts ging; ja, ich hätte dabei auch ganz zugrunde gehen können, während ein kluger Beichtvater mir doch immerhin aus den Gelegenheiten, Gott zu beleidigen, geholfen haben würde.
7. Während der neun Monate, die ich in jener Einsamkeit zubrachte, belohnte Seine Majestät meinen anfänglichen Eifer mit vielen Gnaden. Zwar war ich damals nicht so frei von Beleidigungen Gottes, wie das erwähnte Buch es forderte; ich ging vielmehr über diesen Punkt hinweg, weil mir eine so große Bedeutsamkeit fast unmöglich schien. Bloß vor der Todsünde hütete ich mich und wollte Gott, es wäre wenigstens dies immer der Fall gewesen; aus den läßlichen Sünden aber machte ist mir wenig, und eben dies war mein Verderben. Nichtsdestoweniger ließ mich Gott gegen das Ende jener neun Monate auf dem betretenen Wege seine Süßigkeiten in so reichlichem Maße kosten, daß er mich sogar mit dem Gebete der Ruhe und einigemal auch mit dem der Vereinigung begnadigte. Ich hatte jedoch damals weder von dem einen noch von dem anderen Gebete ein Verständnis und wußte nicht, wie hoch beides zu schätzen sei. Hätte ich es verstanden, so würde es mir, wie ich glaube, viel genützt haben. Es ist wahr, das Gebet der Vereinigung hielt nur so kurze Zeit an, daß ich nicht weiß, ob es auch nur ein Ave Maria lang war. Immerhin aber ließ dieses Gebet so auf erhebliche Wirkungen in mir zurück, daß ich, obwohl damals noch nicht zwanzig Jahre alt, die ganze Welt unter den Füßen zu haben glaubte; so bedauerte ich denn auch, wie ich mich noch erinnere, jene, die sich, wenngleich in erlaubten Dingen, der Welt hingeben. Ich befliß mich, so gut ich konnte, Jesus Christus, unser höchstes Gut und unseren Herrn, in mir zu vergegenwärtigen; dies war meine Weise, innerlich zu beten. Wenn ich irgendein Geheimnis des Leidens Christi betrachtete, so stellte ich es mir in meinem inneren vor. Die meiste Zeit brachte ich indessen mit dem Lesen guter Bücher zu, was zugleich meine ganze Erholung ausmachte; denn Gott hatte mir nicht die Fähigkeit verliehen, mit dem Verstande nachzudenken noch mich mit Nutzen der Einbildungskraft zu bedienen. Letztere insbesondere ist so unbeholfen bei mir, daß ich es niemals fertigbrachte, mir auch nur von der Menschheit des Herrn, den ich als in mir gegenwärtig zu betrachten mich bemühte, ein deutliches Bild vorzustellen. Die eben erwähnte Weise des innerlichen Gebetes, wobei man nämlich mit dem Verstande nicht nachsinnen kann, führt zwar eher zur Beschauung, vorausgesetzt, daß man darin beharrlich ist; doch ist dieser Weg sehr beschwerlich und mühsam. Denn wenn es dem Willen an Beschäftigung fehlt und der Liebe an Nahrung, um sich mit passenden Anmutungen dem vorgestellten Gegenstande zuwenden zu können, so bleibt die Seele gleichsam ohne Stütze und ohne Tätigkeit, und es verursachen ihr Einsamkeit und Trockenheit große Pein und die zerstreuenden Gedanken den härtesten Kampf.
8. Personen von solcher Art müssen sich einer größeren Reinheit des Gewissens befleißigen als jene, die mit dem Verstande wirken können. Denn wer erwägt, was die Welt ist, was er Gott schuldet, wieviel dieser Gott für ihn gelitten hat, wie wenig er ihm dient und was Gott denen gibt, die ihn lieben: der schöpft aus diesen Betrachtungen Lehre genug, um sich gegen die zerstreuenden Gedanken sowohl, als auch gegen die Gefahren und Gelegenheiten zur Sünde zu schützen. Wer sich aber dieses Mittels nicht bedienen kann, der ist in größerer Gefahr und muß sich darum, weil er für sich selbst nichts zur Erbauung Dienliches zu ersinnen vermag, viel mit Lesen beschäftigen. Für einen solchen ist die Lesung eine sehr nützliche Beihilfe zur Sammlung im Gebete; ja, es ist ihm sogar notwendig, daß er anstatt des innerlichen Gebetes, das er nicht üben kann, etwas, und sei es auch nur Weniges, lese. Denn für Seelen, die mit dem Verstande nicht nachsinnen können, ist die Übung des innerlichen Gebetes ohne Beihilfe eines Buches eine recht mühsame Beschäftigung. Wollte der geistliche Führer eine solche Seele drängen, daß sie, ohne etwas erbauliches zu lesen, lange dem innerlichen Gebet obliege, so würde sie auf die Dauer unmöglich in dieser Übung verharren und ihre Gesundheit schädigen, falls sie doch fortfahren sollte, sich Gewalt anzutun; denn es ist dies wirklich eine sehr harte Aufgabe.
9. Jetzt scheint es mir, der Herr habe es so gefügt, daß ich niemand finden sollte, der mich unterrichtete; denn da ich, wie gesagt, mit dem Verstande nicht nachsinnen konnte, hätte ich, falls mir der Gebrauch eines Buches versagt worden wäre, meiner Ansicht nach unmöglich achtzehn Jahre lang in dieser Prüfung und unter so großen Trockenheiten aushalten können. Ich habe es in der Tat diese ganze Zeit hindurch nicht gewagt, mich ohne Buch zum innerlichen Gebete zu begeben, außer wenn ich eben kommuniziert hatte. Denn meine Seele schreckte vor dieser Übung ohne Beihilfe eines Buches so sehr zurück, als gelte es zum Kampfe gegen ein zahlreiches Kriegsheer zu ziehen; mit einem Buch aber, das mir gleichsam zum Gefährten diente oder als Schild, damit die Streiche der vielen fremdartigen Gedanken aufzufangen, fand ich mich getröstet. Es war nämlich Trockenheit nicht mein gewöhnlicher Zustand beim innerlichen Gebete; immer aber, wenn ich kein Buch zur Hand hatte, geschah es, daß meine Seele bald zerstreut war und meine Gedanken sich verloren. Durch Benützung eines Buches dagegen sammelte ich meine Gedanken und zog meine Seele wie durch eine Lockspeise an; ja, es genügte zu diesem Zwecke oftmals schon das bloße Öffnen des Buches, ohne daß mehr noch nötig gewesen wäre. Zuweilen las ich wenig, zuweilen viel, je nachdem mir der Herr zum Gebete seine Gnade verlieh.
10. Als ich damals in der erwähnten Weise begonnen, schien es mir, als ob keine Gefahr mich von einem so großen Gute abwendig machen könnte, wenn ich nur Bücher und Gelegenheit zur Einsamkeit hätte; es wäre dies, wie ich glaube, mit Gottes Hilfe auch der Fall gewesen, würde mir ein geistlicher Führer oder sonst jemand zur Seite gestanden sein, der mich von Anfang an unterwiesen hätte, die Gelegenheit zu fliehen, und mir, wenn ich in sie geraten, schnell wieder herausgeholfen hätte. Ebenso glaubte ich damals, ich würde in keiner Weise in eine schwere Sünde einwilligen, sollte auch der böse Feind mich offen versuchen wollen. Doch dieser war so arglistig und ich so schlimm, daß alle meine Vorsätze wenig fruchteten; in den Tagen aber, da ich Gott gedient, waren sie mir sehr dazu behilflich, um die furchtbaren Krankheiten, die ich zu leiden hatte, mit so unerschütterlicher Geduld zu ertragen, wie Seine Majestät sie mir verlieh. Oft schon gedachte ich mit Staunen der großen Güte Gottes, und meine Seele weidete sich an der Betrachtung seiner großen Freigebigkeit und Barmherzigkeit. Er sei gepriesen für alles! Denn ich habe klar gesehen, wie er mir sogar in diesem Leben schon jedes gute Verlangen belohnt hat. So armselig und unvollkommen auch meine Werke waren: dieser mein Herr hat sie immer verbessert und vervollkommnet und ihnen Wert verliehen; meine Übeltaten und meine Sünden aber hat er sogleich verdeckt, und jetzt noch läßt er die Blendung derer zu, die Zeugen davon waren, und tilgt sie aus ihrem Gedächtnisse. Er übergoldet gleichsam meine Fehler und macht, daß eine Tugend an mir hervorglänze, die er selbst mir gibt und gewissermaßen aufdrängt.
11. Ich will nun wieder zu dem mich wenden, was mir aufgetragen worden ist. Dabei bekenne ich mein Unvermögen, im einzelnen zu beschreiben, wie freigebig und barmherzig der Herr in jener ersten Zeit sich gegen mich erzeigt hat. Denn es bedürfte eines fähigeren Geistes als des meinigen, um einerseits alle Wohltaten, die ich dem Herrn in dieser Hinsicht zu verdanken habe, und andererseits die Größe meines Undankes und meiner Bosheit die mich jene vergessen ließ, gebührend zu schildern. Er, der mich so lange ertragen hat, sei in Ewigkeit gepriesen! Amen.
5. Hauptstück.
Sie erzählt weiter von den schweren Krankheiten, die sie zu leiden hatte, und welche Geduld ihr der Herr dabei verlieh. Gott läßt aus dem Bösen Gutes hervorgehen, wie aus einem Ereignisse zu ersehen ist, das sich an dem Orte zutrug, wohin sie sich zum Gebrauche einer Kur begeben hatte.
1. Ich habe vergessen zu sagen, daß ich während meines Noviziatsjahres gewisser an sich unbedeutender Dinge wegen, die man mir oftmals unverdienterweise zum Vorwurf machte, große Unruhen gelitten habe. Über solche Vorwürfe wurde ich sehr betrübt und duldete sie mit großer Unvollkommenheit; doch die außerordentliche Freude, die ich des Glückes wegen empfand, Nonne zu sein, ließ mich alles ertragen. Da man nämlich bemerkte, wie ich die Einsamkeit aufsuchte, und man mich einigemale meiner Sünden wegen weinen sah, so meinte und sagte man, daß ich unzufrieden sei. Nun war ich zwar allem, was das Ordensleben betraf, mit Liebe zugetan, aber eines konnte ich nie ertragen, wenn mir nämlich eine Behandlung zuteil wurde, die ich als Geringschätzung ansah. Dagegen freute ich mich, wenn ich geachtet wurde, und ich verwendete darum auf meine Verrichtungen die größte Sorgfalt. Dies hielt ich für Tugend; doch werde ich deshalb nicht zu rechtfertigen sein, weil ich wußte, daß ich auf solche Weise in allem meine eigene Befriedigung suchte und somit Unwissenheit mich nicht freispricht von Schuld. Einigermaßen ist diese allerdings dem Umstande zuzuschreiben, daß man es schon bei Gründung des Klosters, dem ich angehörte, auf die Erreichung einer hohen Vollkommenheit nicht abgesehen hatte; ich amte aber, weil ich böse war, das Fehlerhafte nach, daß ich gewahrte; daß Gute dagegen, wie ich sah, unterließ ich.
2. Um jene Zeit lag eine Nonne desselben Klosters an einer sehr schweren und schmerzlichen Krankheit darnieder. Sie hatte offene Wunden im Unterleibe, die von Verstopfung herrührten, und durch die alles, was sie genossen, wider von ihr ging. Sie ist auch bald an dieser Krankheit gestorben. Während nun alle, mit ich sah, davor zurückschreckten, verursachte mir die Geduld der Kranken großen Neid; ich bat Gott um Krankheit nach seinem Belieben, wenn er mir nur auch so viel Geduld verleihen wolle wie ihr. Ich scheute, wie ich meine, keine Art von Leiden; denn ich hatte ein so glühendes Verlangen nach den ewigen Gütern, daß ich entschlossen war, sie um jeden Preis zu erringen. Darob staune ich jetzt, weil ich meines Erachtens damals noch nicht so von Liebe Gottes entzündet war wie in der Folge, nachdem ich das innerliche Gebet zu üben begann. Ich hatte nur eine tiefe Erkenntnis, die mir zeigte, daß alles, was ein Ende nimmt, gering zu achten, jene Güter aber, die damit gewonnen werden können, von großem Werte seien, weil sie ewig dauern. Die göttliche Majestät erhörte auch meine Bitte; denn ehe noch zwei Jahre vergingen, ward ich so elend, daß meines Erachtens die Krankheit, obwohl verschieden von dem Übel der genannten Nonne, doch nicht minder qualvoll und lästig gewesen; drei Jahre lang erduldete ich dieses Übel, das ich jetzt schildern will.
3. Als die zur Kur geeignete Zeit, auf die ich an dem bereits erwähnten Orte bei meiner Schwester gewartet, gekommen war, brachten mich mein Vater, meine Schwester und jene Nonne, meine Freundin, die in ihrer außerordentlichen Liebe zu mir, mich auf der Reise begleitet hatte, unter großer Obsorge für meine Pflege an den Ort, wo man meine Heilung erhoffte. Hier nun begann der böse Feind Unordnung in meiner Seele zu stiften; aber Gott ließ etwas sehr Gutes daraus hervorgehen. So befand sich nämlich an diesem Orte ein Priester, der von sehr edler Abkunft war und einen vortrefflichen Verstand hatte. Er besaß auch Wissenschaft, wenngleich sie nicht groß war. Da ich von jeher die Wissenschaft liebte, so begann ich bei ihm zu beichten. Es waren aber gerade halbgelehrte Beichtväter, die meiner Seele großen Schaden brachten; denn von so gründlicher Gelehrsamkeit, wie ich es gewünscht hätte, konnte ich sie nicht immer finden. Aus Erfahrung weiß ich, daß Beichtväter, wenn sie nur tugendhaft
