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Band 3: Ein Monat ist vergangen und Aurora, Rosalie und Sam sind noch immer Gefangene im Palast der Morun. Diese warten nur darauf, dass Clayton die Gefangenen tötet, doch Clayton hat einen anderen Plan. Nach einem unerwarteten Vorfall sind die Morun plötzlich gespalten. Es wird offensichtlich, wer unter ihnen der Feind ist und wer sich als Verbündeter an der Seite der Nuda und Apdan erweist. Doch zu welcher der beiden Seiten gehört Clayton? Und wo steht Rosalie? Aurora ist bereit, ein Risiko einzugehen und ihrem Feind zu vertrauen. Hat sie die richtige Entscheidung getroffen?
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Seitenzahl: 396
Veröffentlichungsjahr: 2021
PROLOG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
EPILOG
06.Dezember 1897
Schmerz und Kälte mischten sich in meinem Körper, als ich mein Schwert durch die Luft schwang und versuchte, Nori zu besiegen. Die Nuda hatte ihre Emotionen seit ihrer Verwandlung bereits recht gut im Griff. Das konnte ich von mir nicht behaupten.
Ich versuchte weiterhin, Noris Angriffen auszuweichen, doch in meinem Kopf schwirrten so viele Gedanken umher, dass ich mir am liebsten die Hände gegen die Schläfen drücken würde, da er so schmerzte. Heute Morgen hatte ich etwas herausgefunden, das mein Leben für immer verändert hatte. Ich hatte etwas erfahren, das nicht nur den Ari um mich herum Angst machte, sondern auch mir selbst.
„Rose, das macht keinen Spaß!“, rief Nori mit einem Lachen, die schnaufend ihr Schwert sinken ließ. „Du bist überhaupt nicht bei der Sache.“
Ich sagte nichts, sondern wandte mich nur mit einem entschuldigenden Blick von ihr ab und senkte mein Schwert ebenfalls.
Noris Blick wurde wärmer und sie machte einen Schritt auf mich zu. „Es sind die Emotionen, nicht wahr? Du kannst sie noch nicht kontrollieren.“
„Das ist nicht alles“, erwiderte ich gereizt. „Ich weiß nicht, was mich erwarten wird. Wie ist es möglich, dass ich eine Unai bin?“ Als ich die Worte laut aussprach, schauderte ich und schüttelte den Kopf. Ich war eine Unai. Meine Verwandlung war erst wenige Tage her. Heute hatten sich meine Augen zum ersten Mal golden verfärbt. Was sollte ich nun tun? Es gab niemanden, der mir helfen konnte.
„Clayton hat es geschafft, seine Emotionen zu kontrollieren, obwohl er ein Unai ist“, erinnerte Nori mich sanft.
Ich seufzte. „Und du denkst, ich sollte Clayton um Rat fragen? Er würde mich auf der Stelle töten.“
„Nein, das solltest du auf keinen Fall“, sagte Nori kopfschüttelnd. „Die Morun hassen uns. Da Clayton ihr Anführer ist, würde er sie auf dich hetzen, ohne dir auch nur die Gelegenheit zu geben, etwas zu sagen.“
Ich senkte den Blick. „Er hat einen Weg gefunden, seine Emotionen zu kontrollieren, obwohl er ein Unai ist. Mir sollte also dasselbe gelingen.“
„Erwarte nicht zu viel von dir“, sagte Nori mit sanfter und zugleich strenger Stimme. „Ich weiß, dass die Nuda und Apdan dich unter Druck setzen, aber du darfst dich davon nicht beirren lassen. Wenn du Zeit brauchst, bis du deine Emotionen kontrollieren kannst, dann solltest du sie dir nehmen.“
Ich nickte leicht und wandte stirnrunzelnd den Blick ab. Nori hatte recht. Ich fühlte mich von den anderen Ari unter Druck gesetzt. Nur wenige Sekunden nachdem ich heute Morgen herausgefunden hatte, dass ich eine Unai bin, hatten sich die Neuigkeiten wie ein Feuer im Palast ausgebreitet. Alle wussten nun, dass ich keine gewöhnliche Ari war. Und ich konnte an ihren hoffnungsvollen Blicken erkennen, dass sie glaubten, ich sei in der Lage, Clayton eines Tages ebenbürtig zu sein und die Morun in Schach zu halten. Ich jedoch zweifelte daran.
„Für mich bist du die gleiche Rosalie, die du auch vor deiner Verwandlung gewesen bist“, fuhr Nori mit einem schwachen Lächeln fort. „Ich habe immer gewusst, dass du eine besondere Ari sein würdest, ganz gleich, ob du nun eine Unai bist oder nicht. Die anderen werden das noch genauso sehen.“
Ich nickte und versuchte, Noris Worten Glauben zu schenken, doch es fiel mir schwer. Würden mich die anderen Ari jemals wieder normal ansehen? Clayton und ich waren die einzigen beiden Unai, die auf der Erde existierten. Etwas an uns musste besonders sein. Doch wie sollte ich die Nuda und Apdan davon überzeugen, dass ich immer noch das gleiche Mädchen war, das vor wenigen Tagen noch menschlich gewesen war und sich vor der Verwandlung gefürchtet hatte?
Ein kühler Wind erfasste mich. Sogar das Rascheln der Blätter wurde von dem lauten Pfeifen des Windes übertönt. Der Himmel war noch dunkel und trüb und graue Wolken bedeckten ihn fast vollständig. Wann immer der Wind ein wenig stärker wurde, wickelte ich den schwarzen Umhang, den ich trug, um meinen Körper und zog die Kapuze noch etwas tiefer über mein Gesicht.
Mein Blick war auf Clayton gerichtet, der wenige Meter vor mir lief und ab und an einen Blick über die Schulter warf, um sicherzugehen, dass ich noch bei ihm war. Es war gar nicht so einfach, mit ihm Schritt zu halten.
Seit ich vor einem Monat mit Sam und Rosalie im Palast eingesperrt worden war, hatten die Morun Rosalie und mich immer wieder mit Ilrofgift geschwächt. Jedes Mal, wenn wir geglaubt hatten, wieder zu Kräften zu kommen, hatten sie uns erneut all unsere Kraft genommen.
Kurz vor Sonnenaufgang hatte Clayton mich aus der Zelle geholt und hatte mich ein weites Stück durch den Wald geführt, fort vom Palast und fort von Sam und Rosalie. Ich fragte mich noch immer, was er wohl vorhatte, doch ich wollte darüber nicht nachdenken. Vielleicht plante er, mich zu einem verlassenen See zu bringen, wo er meine Leiche hineinschmeißen konnte, nachdem er mich getötet hatte. Ich musste mit dem Schlimmsten rechnen.
Als Clayton endlich anhielt, stieß ich einen erleichterten Seufzer aus und ich bemerkte, dass wir in der Nähe der Höhle waren, die sich direkt am Wasserfall befand. Dort hatten die Nuda und Apdan einst gelebt, bis die Morun sie von dort vertrieben hatten. Ein Stich der Sehnsucht durchzuckte mich, doch ich schob das Gefühl hastig beiseite und erwiderte Claytons Blick mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Hier verlasse ich dich“, sagte er knapp und kam einen Schritt näher. „Du wirst dich den Nuda und Apdan anschließen können.“
Verwirrung kam in mir auf und ich starrte ihn an. „Wovon redest du?“
„Die Nuda und Apdan“, erklärte Clayton, „leben seit dem letzten Kampf wieder in der Höhle am Wasserfall. Zumindest ein Großteil von ihnen hat sich dort zurückgezogen.“
„Sie sind dort?“ Meine Augen weiteten sich und ich musterte die steinerne Klippe, wo ein Weg hinab zum Fluss und zum Eingang der Höhle führte. „Wenn ihr wisst, wo sich die Nuda und Apdan aufhalten, warum habt ihr sie dann nicht schon längst vertrieben?“
Clayton wandte den Blick ab. „Die Morun wissen, dass sie keine Bedrohung darstellen. Ich konnte sie davon überzeugen, die Nuda und Apdan in Ruhe zu lassen.“
Ich zog die Augenbrauen hoch. „Du? Du hast sie davon überzeugt, die Nuda und Apdan in Ruhe zu lassen? Seit wann interessiert es dich, was mit ihnen geschieht?“
„Seit du wieder zu ihnen gehörst“, erwiderte Clayton trocken und als ich ihn verwundert ansah, fuhr er fort: „Ich habe eine Entscheidung getroffen und die Morun waren bereit, diese Entscheidung zu akzeptieren. Du wirst dich deinen Freunden wieder anschließen können.“
„Warte“, sagte ich, als er einen Schritt zurücktrat. Gedanken wirbelten in meinem Kopf umher und es gelang mir nicht, meine Verwirrung zu verbergen. „Du meinst, du hast mich nur hierhergebracht, um mich gehen zu lassen?“ Als Clayton nickte, fügte ich kopfschüttelnd hinzu: „Warum?“
„Die Morun wollen Rosalies Tod“, erklärte Clayton mit leiser Stimme. „Ich habe ihnen versprochen, dass ich Rosalie töten würde, wenn sie akzeptieren, dass ich dich dafür am Leben lasse und du meine Verbündete wirst.“
„Du willst mich also als Verbündete“, murmelte ich langsam, dann funkelte ich ihn an. „Du machst mir also das gleiche Angebot, das Rosalie dir einst gemacht hat? Töte eine von uns und die andere wird leben, solange sie auf deiner Seite steht. Warum sollte ich mich mit dir verbünden wollen?“
„Weil ich dich sonst töten muss“, knurrte Clayton und seine eisernen Augen starrten mich an, dann fuhr er fort und seine Stimme klang etwas freundlicher. „Und weil es für dich nur klug ist, einen anderen Unai an seiner Seite zu wissen. Wenn dieser verletzt oder geschwächt ist, wirst du seine Schwäche zwar immer noch spüren, aber du weißt, dass er deine Schwäche nicht ausnutzen würde.“
Ich schluckte und wandte den Blick ab. Das war also die Entscheidung, die ich nun treffen musste? Ich hatte die Wahl. Entweder ging ich zurück zu meinen Freunden, die in der Höhle am Wasserfall lebten und sich nicht länger vor den Morun verstecken mussten, und entschied mich dafür, mich mit Clayton zu verbünden und somit auch ein Bündnis mit den Morun zu schaffen, wobei ich Rosalie dem Tod überlassen würde. Oder ich bestand darauf, mit Clayton verfeindet zu sein und zumindest zu versuchen, Rosalie zu helfen. Ich blickte erneut auf die Stelle, die hinab zur Höhle führte, und ein Stich der Trauer durchzuckte mich. Nadia, Lou, Nori und all die anderen waren also offensichtlich dort unten … Ich könnte sie jeden Moment wiedersehen. Doch ich wusste, dass ich das nicht tun konnte. Wenn ich hierblieb und Clayton zum Palast zurückkehren ließ, bedeutete das, dass ich nicht nur Rosalie sterben lassen würde. Sam und Scarlett waren ebenfalls dort gefangen. Ich konnte sie nicht dort zurücklassen.
„Warte“, sagte ich, als Clayton sich von mir abwenden wollte. Unsicherheit kam in mir auf und ich versuchte, sie mir nicht anmerken zu lassen. „Was ist mit meinem Schwert?“
Claytons Augen verengten sich und er blickte eisern auf mich hinab. „Du entscheidest dich also dafür, zu deinen Freunden zurückzukehren und mein Angebot anzunehmen?“
Ich schluckte und erwiderte seinen Blick, doch ich blieb stumm. Eigentlich wusste ich, wie meine Antwort lautete, doch ich konnte es nicht laut aussprechen. Nicht vor ihm. Er würde mich für verrückt halten, wenn ich ihm sagte, dass ich vorhatte, ebenfalls zum Palast zurückzukehren, um Sam, Scarlett und auch Rosalie zu befreien. Vielleicht war es auch verrückt, aber ich musste es versuchen. Clayton jedoch musste davon nichts wissen.
„Wenn ich dir dein Schwert wiedergebe“, murmelte Clayton und neigte leicht den Kopf, „wirst du dann die Stufen dort vorne hinab zum Wasserfall gehen und bei deinen Freunden bleiben und mich“, seine Stimme wurde etwas schärfer, „als deinen Verbündeten akzeptieren?“
Obwohl es mir schwerfiel, ihm in die Augen zu sehen und ihn zu belügen, nickte ich und blickte ihn dabei an, ohne zu blinzeln.
„Also gut.“ Claytons Stimme sagte mir, dass er nicht überzeugt war, doch zu meiner Überraschung hielt er mir mein Schwert hin, ohne zu zögern. Langsam ergriff ich es und nickte ihm zu.
„Ich weiß, dass du deine Schwester nicht im Palast zurücklassen willst“, fuhr Clayton nachdenklich fort. „Vielleicht kann ich die Morun überzeugen, sie gehen zu lassen.“
Überrascht weiteten sich meine Augen, doch gleich darauf durchzuckte mich ein Stich der Unsicherheit. Der Gedanke, dass Scarlett ohne Schwierigkeiten aus dem Palast gelangen könnte, war verlockend, doch Sam war ebenfalls dort. Und Rosalie. Ich fragte mich, was ich wohl tun würde, wenn nur Rosalie dort gefangen wäre. Würde ich auf Claytons Angebot eingehen, den Frieden aller Nuda und Apdan zu sichern und dafür Rosalie sterben lassen? Ich war mir nicht sicher. Ich wollte niemanden sterben lassen, den ich vielleicht hätte retten können. Selbst wenn Rosalie anders gehandelt hatte.
„Danke“, sagte ich an Clayton gewandt und ich verspürte tatsächlich einen Anflug von Dankbarkeit. Er hatte mir nicht anbieten müssen, Scarlett gehen zu lassen. Ich hatte ihn bereits glauben lassen, dass ich sein Angebot angenommen hatte, doch er hatte dennoch beschlossen, mir diesen Gefallen zu machen. Das hatte ich nicht erwartet. Für einen Moment durchzuckten mich Schuldgefühle, da ich ihm so kalt ins Gesicht gelogen hatte, doch ich schob sie beiseite. Ich hatte keine andere Wahl. Wenn er mich für seine Verbündete hielt, würde er die Nuda und Apdan in Ruhe in der Höhle leben lassen und ich konnte heimlich zum Palast zurückkehren, ohne von den Morun gejagt zu werden.
„Du bist anders, als ich es erwartet habe“, murmelte Clayton und als ich ihm einen verwirrten Blick zuwarf, fuhr er mit einem kühlen Lächeln fort: „Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, habe ich nicht damit gerechnet, dass du eines Tages eine andere Ari sterben lassen würdest, um dich selbst zu retten.“
„Ich rette nicht nur mich selbst“, erwiderte ich und versuchte dabei zu verbergen, wie sehr seine Worte mich tatsächlich getroffen hatten. „Ich rette alle Nuda und Apdan. Wenn ich Rosalie sterben lasse, wird endlich Frieden herrschen. Die Nuda und Apdan werden wieder frei sein.“ Ich schluckte und hoffte, dass meine Stimme so entschieden klang, wie ich sie wahrnahm. Clayton durfte nicht bemerken, dass ich ihn belogen hatte.
„Was ist mit Samathy?“ Ein Hauch von Misstrauen schwang in Claytons Stimme mit. „Ist der Frieden aller Ari es dir wert, ihn ebenfalls sterben zu lassen?“
Mein Magen krampfte sich zusammen und ich fragte mich, was ich antworten sollte. Nein, dachte ich. Ich konnte Sam nicht sterben lassen und das würde ich nicht. Würde Clayton mir tatsächlich glauben, dass ich es tun würde?
„Wenn ich ihn retten würde, dann würde ich es tun“, sagte ich schließlich mit leiser, bemüht ruhiger Stimme. „Aber ich kann nicht all meine Freunde retten. Wenn ich mich zwischen ihm und all den anderen entscheiden muss, dann werde ich ihm nicht helfen können.“
Clayton neigte leicht den Kopf und ich konnte sehen, dass er genau über meine Worte nachdachte. Er war kein Idiot. Er wusste, dass Sam mir wichtig war. Doch er hatte keine andere Wahl, als mir zu glauben.
„Deine Entscheidung beweist deine Stärke“, sagte er und sein Ton verriet mir nicht, was er dachte. „Du wirst sie nicht bereuen.“
Ich versuchte, ein Lächeln zu erzwingen und dabei das schlechte Gewissen in meinem Kopf zu ignorieren. Sam durfte nicht sterben. Das würde ich nicht zulassen.
„Geh jetzt und schließe dich deinen Freunden an“, sagte Clayton, als er einen Schritt zurücktrat und die Hand auf den Griff seines Schwertes legte. „Sie werden erleichtert sein, dass du wieder bei ihnen bist.“
Gerade als ich antworten wollte, ertönte der Ruf einer tiefen Stimme hinter mir und ich drehte mich um. Im gleichen Moment tauchte eine dunkle Gestalt zwischen den Bäumen auf und kam mit schweren Schritten auf uns zu. Als ich den Morun erkannte, umklammerte ich mein Schwert ein wenig fester.
„Derek“, begrüßte Clayton den Mann, als dieser vor uns stehenblieb. Doch anstatt den Gruß zu erwidern, funkelten seine silbern leuchtenden Augen nur zornig auf mich hinab.
„Wieso trägt sie ein Schwert?“, knurrte er. „Gestern habe ich sie noch in ihrer Zelle sitzen sehen!“
„Aurora wird sich den Nuda und Apdan in der Höhle anschließen“, erklärte Clayton und trotz des Hasses in Dereks Augen klang seine Stimme unerwartet ruhig. „Sie ist eine Verbündete.“
„Eine Verbündete?“ Derek funkelte mich an. „Ich glaube ihr kein Wort.“
Eine Mischung aus Furcht und Wut packte mich und ich begann, mein Schwert langsam zu erheben. Ich hielt inne, als Clayton seine Hand auf meinen Arm legte und als ich seinen warnenden Blick sah, senkte ich mein Schwert mit einem Seufzen.
„Rosalie wird sterben“, fuhr Clayton an Derek gewandt fort und er blickte den Morun eisern an. „Aurora wird ihren Tod nicht verhindern. Sie wird uns Rosalie und Samathy überlassen und sich mir als Verbündete anschließen, um den Frieden der Ari zu –“
„Frieden?“ Derek starrte Clayton an. „Was will ich mit Frieden? Ich werde die Nuda und Apdan nicht als Verbündete akzeptieren!“
„Ich habe bereits entschieden“, sagte Clayton kalt und obwohl seine Stimme noch immer ruhig war, sah ich den Ärger in seinen Augen. „Die Morun haben meine Entscheidung akzeptiert, weil sie klug ist. Das gleiche solltest du auch tun.“
Derek sagte nichts, sondern wandte sich mit einem wütenden Schnaufen ab. Als er sich von uns entfernte, warf er noch einen Blick über die Schulter und knurrte: „Nicht alle Morun unterstützen deine Entscheidung, Clayton.“ Dann wandte er sich ab und eilte davon.
Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich Clayton ansah. Derek hatte sicherlich nicht unrecht. Viele der Morun waren grausam und würden einen Frieden nicht einfach akzeptieren. Ich wusste inzwischen, dass es einige Morun gab, die Clayton respektierten und seine Entscheidung deshalb akzeptierten, doch würde das genügen?
Clayton wirkte ebenfalls unsicher, doch der kalte Blick in seinen Augen sagte mir, dass er versuchte, seine Unsicherheit vor mir zu verbergen. Er trat noch einen Schritt zurück und wandte seufzend den Blick ab.
„Derek ist stur“, sagte er leise. „Viele Morun sind das. Sie werden sich beruhigen.“
„Bist du dir sicher?“ Ich zog die Augenbrauen hoch. „Du kennst die Morun besser als jeder andere. Als du ein Junger Ari warst und deine Emotionen nicht unter Kontrolle hattest, wollten sie dich töten. Denkst du wirklich, die Morun würden den Frieden jemals akzeptieren?“
„Das müssen sie“, fuhr Clayton mich verärgert an. „Sie müssen meine Entscheidung akzeptieren, wenn sie leben wollen. Derek ist vielleicht stur, aber er ist nicht dumm. Er weiß, dass er sich mir nicht widersetzen kann.“
Ein Stich der Bewunderung durchzuckte mich anhand der Überzeugung in seiner Stimme. Clayton hatte eine Entscheidung getroffen, die viele der Morun wahrscheinlich nicht billigten oder nur ungern respektierten. Und dennoch stand seine Entscheidung fest und er machte nicht den Anschein, sie ändern zu wollen. Vielleicht konnte ich ihm tatsächlich vertrauen, dass er Scarlett sicher aus dem Palast bringen würde. Dann müsste ich mir nur noch um Sam und … Rosalie Sorgen machen.
„Du machst dir Gedanken wegen des Bündnisses“, stellte Clayton fest und beobachtete mich nachdenklich.
Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Ja, ich machte mir Sorgen. Wenn die Morun den Frieden doch nicht akzeptierten, dann waren auch die Nuda und Apdan nicht länger sicher. Wir alle würden wieder in Gefahr sein.
„Wenn der Frieden halten soll, müssen die Morun sich daran halten“, sagte ich schließlich seufzend. „Ich weiß nicht, ob alle von ihnen das tun werden. Sie respektieren dich und sie sind dir gegenüber loyal, aber was ist, wenn das nicht ausreicht?“
Clayton neigte den Kopf. „Ich werde dafür sorgen, dass es funktioniert. Doch es sind nicht nur die Morun, die den Frieden gefährden könnten. Was ist mit den Nuda und Apdan?“, fragte er, als ich ihm einen verwirrten Blick zuwarf. „Werden sie das Bündnis akzeptieren, nachdem sie so lange mit den Morun verfeindet waren?“
Seine Worte beunruhigten mich ein wenig. Er hatte recht, die Nuda und Apdan hassten die Morun für alles, was sie ihnen seit dem Kampf vor hundert Jahren genommen hatten. Wie würden sie reagieren, wenn sie erfuhren, dass ich mich auf ein Bündnis mit Clayton eingelassen hatte? Ich wusste, dass ich Clayton nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte, denn ich würde Sam und Rosalie nicht sterben lassen, aber was würden sie denken? Würden sie weiterhin auf mich hören oder würden sie sich gegen mich stellen?
„Du befürchtest, dass sie dich verstoßen werden, wenn sie erfahren, dass du Samathy und Rosalie sterben lässt, nicht wahr?“, murmelte Clayton und runzelte die Stirn. Als ich nichts sagte, fuhr er leise fort: „Sie werden verstehen, warum du es getan hast.“
Ich sah zu ihm auf und zuckte die Achseln. „Dessen bin ich mir nicht sicher. Die Nuda und Apdan wurden viele Male von den Morun verraten und vertrieben und sie haben viele Freunde und Mitglieder ihrer Familie durch sie verloren.“
„Aber Rosalie hat sie ebenfalls verraten“, erinnerte mich Clayton nachdenklich. „Vielleicht werden sie erleichtert sein, wenn sie tot ist.“
Dabei durchlief mich ein leichter Schauder und ich wandte den Blick ab. Selbst wenn ich Rosalie würde sterben lassen, ich war mir sicher, dass die Nuda und Apdan nicht ihren Tod wollten. Rosalie hatte uns vielleicht verraten, aber sie war lange eine Anführerin gewesen und die Nuda und Apdan hatten ihr vertraut.
Sie hatten zu ihr aufgeschaut, sie respektiert und sie bewundert. Viele von ihnen hätten damals ihr Leben für sie gegeben, sogar wahrscheinlich alle von ihnen. Rosalie hatte sich um die Nuda und Apdan gekümmert und sich Clayton und den Morun gestellt. Sie würde für die Nuda und Apdan immer eine wichtige Ari sein und sie würden sie nicht sterben lassen.
Würde ich sie sterben lassen? Zu meiner Beunruhigung war die Antwort in meinem Kopf immer noch kein klares Nein, doch ein Ja war es auch nicht. Rosalie war für mich nie von Bedeutung gewesen. Ich teilte ihr Aussehen und das hatte mich zu der Person gemacht, die ich nun war, aber von ihr hatte ich bisher nichts als Enttäuschung und Wut erfahren. Ihr ständiger Hass, den sie mir gegenüber empfand, hatte mich an ihrer Loyalität zweifeln lassen und letztendlich hatte sie uns tatsächlich verraten. Hätte Clayton mein Leben nicht verschont, hätte sie mich sterben lassen. Sie hätte mich mit eigenen Händen getötet, da war ich mir sicher. Also wieso sollte sie mir etwas bedeuten?
Ich wusste nur, dass ich niemanden sterben lassen wollte, ganz egal ob Freund oder Feind. Rosalie hatte mich zwar verraten und dem Tode überlassen, doch das bedeutete nicht, dass ich genauso handeln musste. Sam war mit ihr im Palast eingesperrt. Selbst wenn Scarlett freigelassen wurde, war er noch immer dort. Ihn würde ich ganz sicher nicht sterben lassen. Und wenn das bedeutete, dass ich ihn befreite und sich mir damit die Gelegenheit bot, Rosalie ebenfalls zu befreien, dann würde ich das tun.
Ich musterte Clayton und ich fragte mich plötzlich, was er wohl dachte. War es ihm tatsächlich so wichtig, Rosalie und Sam zu töten? Würde er keinerlei Reue verspüren, wenn er ihnen in die Augen sah und ihnen das Leben nahm? Ich konnte nicht glauben, dass es möglich war, doch genauso hatte Rosalie es mir beschrieben, als sie davon erzählt hatte, wie er sie einst vor hundert Jahren getötet hatte.
„Du hast die richtige Entscheidung getroffen“, sagte Clayton, der meinen nachdenklichen Blick ignorierte und mit ruhiger Stimme sprach. Er trat einige Schritte zurück und seine Augen fielen auf das Schwert in meiner Hand. „Ich lasse dich jetzt alleine. Den Weg hinunter zum Wasserfall findest du selbst. Ich bin mir sicher, du kannst es kaum erwarten, deine Freunde wiederzusehen.“
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er wandte sich bereits ab und ich schloss ihn stirnrunzelnd. Mir wären ohnehin keine Worte eingefallen. Also sagte ich nichts, sondern beobachtete ihn lediglich dabei, wie er sich immer weiter von mir entfernte und irgendwann vollständig zwischen den Bäumen verschwand.
Mit einem Seufzen drehte ich mich um und musterte die steinernen Stufen, die hinab zur Höhle am Wasserfall führten. Erneut durchzuckte mich ein Stich der Sehnsucht und ich verspürte den Drang, die Stufen hinunter zu rennen und meine Freunde in die Arme zu schließen, die ich seit einem Monat nicht gesehen hatte und die wahrscheinlich befürchteten, dass ich bereits tot sei.
Langsam näherte ich mich der Klippe und blieb vor dem Abgrund stehen. Als ich die Stufen hinabblickte und das herabfallende Wasser sah, wie es mit einem lauten Rauschen in den breiten Fluss floss und den Eingang der Höhle verdeckte, verstärkte sich meine Sehnsucht und ich widerstand dem Drang, dort hinabzugehen.
Meine Augen blieben an der Stelle hängen, wo das Wasser den Eingang verdeckte. Genau dort musste der Eingang sein, wenn ich mich recht erinnerte. Als zwei Gestalten genau an dieser Stelle auftauchten, weiteten sich meine Augen und als ich die beiden erkannte, durchzuckte mich ein Stich der Freude.
„Wir gehen auf die Jagd!“, drang Noris Stimme an mein Ohr, die gleich darauf hinter dem Wasserfall hervortrat und ich konnte sehen, wie sie ihren Bogen in die Höhe hob.
Daniel trat als nächster in mein Sichtfeld. Auch seine Stimme klang laut, damit ihn die anderen über das Rauschen des Wasserfalles verstehen konnten. „Lasst mich euch begleiten. Ich könnte ein wenig frische Luft gebrauchen.“
„Was ist mit Samara?“, wollte Nori wissen. „Sie hatte vor, uns zu begleiten.“
Ich sah, wie Daniel nickte. „Sie müsste jeden Moment hier sein. Emera wollte uns ebenfalls begleiten, aber ich denke, sie wird bei Sarea in der Höhle bleiben.“
„Sarea wird in der Höhle nichts geschehen“, erwiderte Nori und ich hörte, wie sie einen ungeduldigen Seufzer ausstieß. „Ich lasse Idaia genauso ungerne alleine, aber in der Höhle sind genug Ari, die sie beschützen können und außerdem haben wir schon seit einer Weile keine Schwierigkeiten mehr mit den Morun gehabt. Im Moment sind sie in der Höhle sicher.“
„Die Morun sind unberechenbar“, entgegnete Daniel, doch ich sah, wie er ebenfalls nickte. „Aber ich stimme dir zu. Für den Moment scheinen sie sich zurückzuhalten. Ich hoffe nur, es bleibt dabei.“
Ich hörte Noris Antwort nicht, da ich hastig einen Schritt zurücktrat, als ich sah, wie sie den Kopf in meine Richtung drehte. Sofort wich ich ein wenig weiter zurück und starrte dabei wie gebannt auf die Stelle, wo ich gerade eben noch gestanden war.
Nein, ich konnte nicht dort hinunter. So sehr ich mich auch danach sehnte, Nori und die anderen wieder in die Arme zu schließen und hinter den geschützten Felswänden der Höhle zu schlafen, ich konnte nicht dorthin zurückkehren. Ich konnte mich ihnen nicht anschließen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Nichts war in Ordnung. Sam und Rosalie waren im Palast gefangen und Scarlett war ebenfalls noch dort. Es war meine Aufgabe, sie zu befreien. Das konnte ich nur tun, wenn ich zum Palast zurückkehrte.
Die Stimmen von Nori und Daniel drangen erneut an mein Ohr, doch ich lauschte ihnen nicht weiter. Mit einem letzten Blick auf mein altes Zuhause wandte ich mich ab und eilte zurück in den Wald. Dabei durchzuckte mich ein Stich der Trauer, doch ich schob das Gefühl beiseite und konzentrierte mich stattdessen auf den Weg, der zum Palast führte.
Ich kannte jeden Winkel des Waldes. Jeden Baum, jeden Strauch, jeden Stein. Der Fluss, an dem meistens die Inugas entlangliefen, war nur wenige Meter entfernt und schlängelte sich leise plätschernd durch das Unterholz.
Während ich zwischen den Bäumen entlanglief und mit den Augen meine Umgebung beobachtete, zog ich langsam mein Schwert und ein Gefühl der Erleichterung durchströmte mich. Ich war frei. Ich trug mein Schwert wieder bei mir. Und ich wusste, selbst wenn ich auf die Morun traf, würden sie sehr wahrscheinlich nicht versuchen, mich zu töten – davon abgesehen, dass sie es überhaupt nicht konnten, wenn ihre Schwerter nicht in Ilrofgift getränkt waren.
Zum ersten Mal, seit ich auf der Erde war, pochte mein Herz nicht, als ich immer tiefer in den Wald eindrang. Ich fürchtete mich nicht und ich fühlte mich nicht gehetzt. Meine Umgebung wirkte auf einmal so ruhig und friedlich und ich fragte mich, ob ich jemals durch den Wald streifen konnte und mir sicher sein konnte, dass es so friedlich bleiben würde.
Ich wusste, dass der Frieden nun nicht lange währen würde. Die Morun würden sich wahrscheinlich nicht für immer daran halten und die Nuda und Apdan würden Clayton und die Morun nie akzeptieren, nachdem er Rosalie und Sam getötet hatte. Der Frieden, der gerade herrschte, war nur vorübergehend. Schon bald würde er vorbei sein und dann würden wir wieder beunruhigt durch die Wälder streifen und uns Tag für Tag aufs Neue um die Menschen und die Kinder sorgen. Eigentlich wollte ich nicht, dass dies geschah, doch es war nicht zu vermeiden. Ich konnte Sam und Rosalie nicht sterben lassen. Sobald ich die beiden befreite – oder es zumindest versuchte – würde Clayton mir nicht länger vertrauen und er würde die Morun wieder auf uns hetzen.
Also versuchte ich, jede Sekunde, die verstrich, während ich durch einen merkwürdig ruhig und friedlich wirkenden Wald lief, aufzunehmen und hoffte, ich würde mich eines Tages, wenn der Frieden vorüber war, an dieses Gefühl erinnern.
Nadia
Dunkelheit erfüllte die Höhle, als der große Stein, der den Eingang verbarg, zurück vor die Öffnung geschoben wurde, nachdem Nori, Daniel und Samara nach draußen getreten waren, um auf die Jagd zu gehen. Die wenigen Fackeln, die an den steinernen Wänden hingen, tauchten das Innere der Höhle in ein orangefarbenes Licht, doch wirklich hell wurde es durch sie nicht.
Nachdenklich ließ ich meinen Blick durch den größten Bereich der Höhle schweifen, das Hauptquartier. Ich sah, wie Aiden und Sarea sich auf der Kampffläche gegenüberstanden und wie der Nuda auf das junge Mädchen einsprach. Etwas weiter rechts hatten sich Emera und Daliah auf den kleinen, steinernen Sitzflächen niedergelassen und schienen anscheinend darauf zu warten, dass die Jagdgruppe zurückkehrte.
„Nadia“, begrüßten sie mich und neigten die Köpfe, als ich zu ihnen trat und mich ebenfalls auf einem Stein niederließ.
Ich lächelte schwach. „Ihr seid hungrig, nicht wahr?“
„Der Hunger hält sich noch in Grenzen“, antwortete Emera seufzend. „Zum ersten Mal seit langer Zeit können wir regelmäßig auf die Jagd gehen, ohne zu befürchten, dass die Jagdgruppe nicht unversehrt zurückkehrt.“
Ich nickte. „Die Morun halten sich zurück. Wir müssen uns nicht mehr fürchten, wenn wir die Höhle verlassen.“
„Außerdem wissen sie jetzt, wo wir sind“, fügte Emera zustimmend hinzu. „Wenn sie uns angreifen wollen, dann wissen sie, wo sie uns finden. Es wäre unklug, uns irgendwo im Wald aufzulauern.“
„Ich fürchte mich dennoch vor ihnen“, gab Daliah zu und sie warf mir einen besorgten Blick zu, den ich mit einem Nicken erwiderte.
Natürlich fürchtete sie sich. Ich fürchtete mich ebenfalls. Genau wie ich war sie ein Mensch und gegen die Ari waren wir hilflos. Wenn die Morun nun doch beschlossen, uns anzugreifen, dann waren wir ihre leichtesten Opfer.
„Du bist noch nicht sehr lange auf der Erde“, sagte Emera an Daliah gewandt. „Es ist noch nicht lange her, seit du noch unter der Erde gelebt hast und bei den Menschen sicher warst. Es ist verständlich, dass du dich fürchtest, aber im Moment scheint es so, als seien wir tatsächlich sicher.“
„Wie lange wird das anhalten?“ Ich runzelte die Stirn, als mir ein Gedanke kam. „Welchen Preis werden wir für den Frieden bezahlen müssen? Clayton würde den Morun nicht grundlos befehlen, uns in Ruhe zu lassen. Es muss einen weiteren Grund geben.“
Emera nickte. „Clayton wird ein Opfer verlangen. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass er den Frieden überhaupt akzeptieren würde. Er hatte jahrelang die Möglichkeit, den Frieden wiederherzustellen. Warum sollte er es genau jetzt tun wollen?“
Emeras Worte beunruhigten mich. Sie hatte recht. Clayton war nie auf Frieden aus gewesen. Er hatte den Kampf gemocht und er hatte darauf bestanden, die Nuda und Apdan und auch die Menschen zu vernichten. Also was brachte ihn dazu, den Frieden nun zu akzeptieren? Und welches Opfer würde er dafür verlangen?
Ich versuchte, meine Beunruhigung zu ignorieren. Vielleicht konnte es eine Möglichkeit geben, dass der Frieden hielt. Ich wollte zumindest daran glauben. Schließlich war es ein erleichterndes Gefühl, die Höhle verlassen zu können und zu wissen, dass die Morun nicht den gesamten Wald beobachteten und hinter jedem Baum lauerten. In all den Monaten, in denen ich nun auf der Erde gewesen war, hatte ich mich noch nie so sicher gefühlt. Aurora war seit unserer Verbannung die einzige von uns gewesen, die auch vorher schon furchtlos und stark gewirkt hatte.
Bei dem Gedanken an Aurora durchzuckte mich ein Stich der Trauer und ich senkte den Kopf. Was hatte Clayton mit ihr gemacht? Und was war mit Sam und Rosalie? Vor meinem inneren Auge sah ich, wie die Morun Aurora, Sam und Rosalie davon schleppten und wie sie schließlich aus meinem Blickfeld verschwanden. Nur zu gerne wäre ich ihnen hinterher gerannt, um ihnen zu helfen, doch es war aussichtslos gewesen. Ich wünschte nur, ich wüsste, ob sie noch am Leben waren und ob es ihnen gut ging.
„Nadia?“
Emeras Stimme holte mich aus meinen Gedanken und als ich den Kopf hob, um ihren Blick zu erwidern, trat ein mitfühlender Ausdruck in ihre Augen.
„Du denkst wieder über Aurora nach, nicht wahr?“, fragte sie leise.
Ich seufzte. „Es ist schwer, nicht daran zu denken. Aurora, Sam und Rosalie sind seit einem Monat fort und ich muss ständig daran denken, wo sie wohl gerade sind oder ob sie überhaupt noch … am Leben sind.“ Bei den letzten Worten brach meine Stimme und ich wandte den Blick ab.
„Ich mache mir ebenfalls Sorgen“, murmelte Emera stirnrunzelnd. „Und Aiden ist vollkommen am Ende. Er redet ständig über Samathy und versucht sich selbst davon zu überzeugen, dass er noch am Leben ist und dass Aurora und Rosalie ebenfalls noch leben, aber …“, sie stieß einen leisen Seufzer aus, „niemand weiß es.“
Daliah verengte die Augen. „Wenn ihr mich fragt, kann Rosalie fort bleiben. Sie hat uns verraten. Ihretwegen ist Saden im Kampf gestorben.“ Ich hörte, wie ihre Stimme bei diesen Worten zitterte, doch ihr Blick war fest.
Ich zögerte. „Das ist nicht ganz wahr. Saden starb, weil er von einem Morun getötet worden ist. In diesem Kampf sind einige unserer Freunde gestorben. Wir haben auch Vena verloren und viele weitere Nuda und Apdan …“
Dumpfes Schweigen folgte meinen Worten, dann ergriff Emera schließlich das Wort: „Ich denke nicht, dass Samathy, Aurora und Rosalie tot sind. Wir alle haben uns schon einmal verloren.“ Sie warf mir einen nachdenklichen Blick zu. „Nach dem Angriff der Ilrofs, die unser Versteck im Wald zerstörten, mussten wir fliehen und wir wussten nicht, wohin ihr anderen geflohen seid oder ob ihr noch am Leben wart. Wir haben uns Sorgen gemacht und befürchtet, euch für immer verloren zu haben. Doch wir haben wieder zueinander gefunden“, fügte sie mit freundlicherer Stimme hinzu. „Und wir werden auch die anderen wiedersehen.“
„Aber die Morun haben sie mitgenommen“, widersprach Daliah zögerlich. „Ich denke nicht, dass sie zwei Unai am Leben lassen würden, wenn sie die Möglichkeit haben, sie zu töten. Und Samathy haben sie wahrscheinlich mit ihnen getötet.“
„Möglich wäre das“, sagte ich nickend und schauderte leicht, „aber vielleicht hat Emera recht. Clayton tötet gerne, aber er foltert seine Opfer gerne, indem er ihre Hinrichtung in die Länge zieht und sie somit verunsichert. Alle Morun tun das.“
„Genau wie Allison“, stimmte Emera zu und ihr Blick ruhte auf mir. „Sie hat dich ebenfalls nicht sofort getötet, als ihr aufeinandergetroffen seid.“
Ich nickte zögerlich und erinnerte mich daran, wie ich nach dem Angriff der Ilrofs geflohen und durch den Wald gerannt war. Ich war vollkommen alleine gewesen und hatte gehofft, auf meine Freunde zu treffen, die ebenfalls geflohen waren, doch niemand war aufgetaucht. Die einzige Ari, der ich über den Weg gelaufen war, war Allison gewesen. Ich hatte sie an dem Tag gesehen, als der Kampf zwischen den Morun und den Nuda und Apdan stattgefunden hatte. Es fühlte sich an, als wäre seither eine Ewigkeit vergangen.
„Allison und ich sprachen kurz miteinander“, sagte ich schließlich seufzend, „aber sie hat nicht versucht, mich zu töten. Durch sie habe ich herausgefunden, dass Rosalie vorhatte, uns zu verraten. Wäre ich rechtzeitig beim Kampf aufgetaucht, hätte ich euch vielleicht warnen können.“ Ein Stich der Enttäuschung durchzuckte mich, dann sprach ich weiter: „Nachdem wir geredet haben, ist sie davongeeilt. Ich war mir sicher, dass irgendetwas nicht stimmte, also bin ich ihr gefolgt. Und dann habe ich euch kämpfen sehen und habe mich dem Kampf angeschlossen.“
Emera und Daliah musterten mich nachdenklich und ich sah, wie Daliahs Augen mitfühlend leuchteten.
„Du warst also die ganze Zeit alleine?“, fragte sie. „Nachdem die Ilrofs das Versteck angegriffen haben, warst du alleine auf der Flucht und hast in dieser Zeit nur Allison getroffen?“
Ich nickte. „Eigentlich habe ich gehofft, auf jemanden von euch zu treffen, aber Allison war die einzige Ari, der ich über den Weg gelaufen bin. Als ich mich dem Kampf angeschlossen habe, habe ich euch alle endlich wiedergesehen, aber meine Freude war schwächer als erwartet. Ich habe mir eigentlich gewünscht, euch unter anderen Umständen wiederzusehen.“
„Uns ging es genauso“, erwiderte Emera. „Wir waren erleichtert, dass du am Leben warst, als wir gesehen haben, dass du dich dem Kampf angeschlossen hast, aber im gleichen Moment hatten wir auch Angst, dass du während des Kampfes noch sterben könntest. Wir konnten erst nach dem Kampf wirklich erleichtert sein.“
„Nach dem Kampf war ich ebenfalls erleichtert“, sagte ich und meine Stimme wurde ein wenig leiser. „Aber ich war auch verzweifelt. Ich hätte den Morun folgen sollen, als sie Aurora und die anderen mitgenommen haben …“
Emera schüttelte den Kopf. „Du hättest nichts tun können, Nadia. Die Morun hätten dich ebenfalls mitgenommen, so wie sie es mit Samathy gemacht haben. Vielleicht hätten sie dich sogar auf der Stelle getötet.“
Ich schauderte und wandte den Blick ab. Hätte ich tatsächlich nichts tun können? Es war mir nicht leicht gefallen, dabei zuzusehen, wie die Morun Aurora davongetragen hatten. Wie sie von ihnen an den Armen gepackt und verschleppt worden war … Sie war seit ich denken konnte an meiner Seite gewesen und ich wusste nicht, was ich tun sollte, falls die Morun sie tatsächlich getötet hatten. Ich wusste, dass Claytons Schwert im Kampf in Ilrofgift getränkt gewesen war. Er hätte Aurora und Rosalie noch am gleichen Tag töten können …
„Du solltest nicht darüber nachdenken“, murmelte Daliah, die meinen Blick bemerkt hatte. „Wenn Aurora, Sam und Rosalie tot wären, dann hätten wir das erfahren. Da bin ich mir sicher.“
„Das sehe ich auch so“, sagte Emera nickend. „Die Morun sind viel zu stolz. Sie könnten uns nicht glauben lassen, dass Aurora und die anderen noch leben. Sie würden zu uns kommen und es genießen, uns zu sagen, dass sie es geschafft haben, zwei Unai an einem Tag niederzustrecken. Glaub mir, wenn Aurora und Rosalie tot wären, dann hätten wir davon gehört.“
„Was ist mit Sam?“ Ich runzelte die Stirn und mein Magen krampfte sich zusammen, als ich an den Apdan dachte. „Denkt ihr, er lebt noch?“
Emera und Daliah zögerten beide und schließlich ergriff Emera das Wort: „Ich hoffe es. Aber wenn Clayton jemanden getötet hat, dann befürchte ich, dass es Sam gewesen ist.“
Ich schluckte und spürte, wie mir plötzlich kalt wurde. Sam war einer der ersten Ari gewesen, denen ich vertraut hatte. Am Anfang hatte ich mich auch vor ihm gefürchtet, doch er hatte mir schnell gezeigt, dass ich ihm vertrauen konnte und seither hatte ich nie mehr an ihm gezweifelt. Ich wollte einfach nicht glauben, dass Clayton ihn getötet hatte …
„Merkwürdig“, hörte ich Emera murmeln, die mich aus meinen Gedanken holte und als ich ihrem Blick folgte, bemerkte ich, dass der Stein vor der Öffnung der Felswand zur Seite geschoben worden war und den Ausgang der Höhle offenbarte. Als ich Emera einen verwunderten Blick zuwarf, fügte sie hinzu: „Die Jagdgruppe ist schon wieder zurück. Entweder waren die Tiere heute besonders langsam oder die Morun haben die Jagd unterbrochen.“
„Ich hoffe, dass Ersteres der Fall ist“, murmelte Daliah.
Stirnrunzelnd beobachtete ich, wie Daniel, Nori und Samara die Höhle betraten und zu meiner Erleichterung sah ich, dass sie ein erbeutetes Tier mit sich schleppten. Also schien die Jagd nicht wegen den Morun schnell vorüber gewesen zu sein.
„Ich hoffe, ihr habt Hunger“, rief Daniel, der sich von Nori und Samara entfernte und zu uns trat. Er ließ sich auf einem flachen Stein nieder und blickte uns nachdenklich an.
„Was ist los?“, fragte ich, als ich bemerkte, wie sein Blick etwas länger an mir hängen blieb. An seinem Blick konnte ich erkennen, dass er mir etwas sagen wollte, doch ich wusste nicht, was es war.
Daniel holte tief Luft, dann sagte er: „Ich habe gerade mit Nori und Samara gesprochen, sie wissen Bescheid. Bevor ich gehe, wollte ich es dir auch persönlich sagen.“
„Wovon redest du?“, murmelte ich verwirrt. „Worüber wissen sie Bescheid und wohin willst du gehen?“
Daniels grüne Augen musterten mich eindringlich. „Ich werde die Höhle verlassen und mich auf den Weg zum Palast machen. Da die Morun im Moment friedlich sind, kann ich ungehindert dorthin –“
„Warte“, unterbrach ich ihn und meine Augen weiteten sich, als ich verstand, was er da sagte. „Bist du verrückt geworden? Du kannst nicht einfach zum Palast wandern und dort eintreten!“
„Warum nicht?“, wollte Daniel verärgert wissen. Als ich ihm einen entsetzten Blick zuwarf, sprach er ruhig weiter: „Die Morun halten sich im Moment an die Waffenruhe. Das bedeutet, mir wird auf dem Weg dorthin nichts geschehen. Und wenn ich dort bin, dann werde ich ihnen keine Probleme machen. Ich will einfach nur herausfinden, ob Rory und Sam am Leben sind.“
„Denkst du, wir wollen das nicht alle?“, gab ich kopfschüttelnd zurück. „Jeden Tag warte ich auf ein Zeichen, dass Aurora und Sam leben und dass es ihnen gut geht. Aber wenn ich einfach zum Palast gehen und nach ihnen sehen könnte, dann hätte ich es längst getan.“
„Ich will es versuchen“, beharrte Daniel und seine grünen Augen bohrten sich in mich hinein. „Aurora würde das gleiche tun.“
„Ja und sie ist eine Unai“, zischte ich.
„Das ist mir egal“, knurrte Daniel und er wandte mit einem wütenden Seufzen den Blick ab. „Nori und Samara verstehen es. Sie verstehen auch, dass ich es alleine tun will. Kannst du es nicht auch verstehen?“
Ehe ich antworten konnte, warf Emera ein: „Ich denke, wir sollten seine Entscheidung akzeptieren.“ Als ich ihr einen verzweifelten Blick zuwarf, fuhr sie fort: „Daniel ist nun seit einer Weile auf der Erde, er kennt ihre Gefahren. Da die Morun ihm nichts antun werden, wird er dort draußen unversehrt bleiben. Vielleicht ist es aussichtslos, aber wenn er es versuchen will, dann sollte er es versuchen.“
„Aber –“, begann ich, doch ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Ich sah Daniel an. „Was ist, wenn die Morun die Waffenruhe doch brechen? Wenn sie beschließen, sich nicht mehr daran zu halten?“
„Dann sind wir alle ohnehin tot“, erwiderte Daniel trocken und er zog die Augenbrauen hoch.
Ich seufzte. „Warum willst du nicht, dass dich jemand begleitet? Der Gedanke, dass du alleine dort draußen bist, gefällt mir nicht.“
„Falls es im Palast zu Schwierigkeiten kommt, will ich niemanden sonst in Gefahr bringen“, erklärte Daniel. „Ich werde vorsichtig sein, aber ich will es alleine tun. Sobald ich weiß, ob Aurora und Sam am Leben sind, werde ich zurückkehren. Das verspreche ich.“
Mit einem schwachen Nicken überlegte ich, ob ich noch einmal widersprechen sollte, doch ich wusste, dass es sinnlos war. Daniel hatte sich bereits entschieden. Er würde die Höhle verlassen und sich auf den Weg zum Palast machen, alleine. Ein Teil von mir wollte ihn zwingen, hierzubleiben, doch das wäre nicht fair. Er musste diese Entscheidung selbst treffen.
Daniel lächelte schwach und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Wir werden uns bald wiedersehen. Ich werde auf mich aufpassen, Nadia.“
Ich nickte und versuchte, ein Lächeln zu erzwingen, doch es gelang mir nicht. Zu groß war die Angst, dass dies der letzte Tag war, an dem ich ihn sah. Daniels grüne Augen erwiderten meinen Blick für einige Sekunden, dann stand er auf und trat zu Samara und Nori, die einige Meter entfernt standen und das Essen vorbereiteten. Während ich ihn beobachtete, krampfte sich mein Magen zusammen.
Daniel durfte nicht sterben. Was war, wenn er den Palast erreichte und erfuhr, dass Aurora und Sam bereits tot waren? Und wenn ihn die Morun dann ebenfalls töteten? Wie viele Freunde sollte ich noch verlieren? Ich wünschte, er würde hierbleiben. Wenn ich ihn und Aurora verlor, dann würde mich der Schmerz des Verlustes umbringen. Das konnte ich nicht ertragen.
„Daniel wird zurückkehren“, murmelte Emera sanft und sie legte eine Hand auf meinen Arm, doch ich beachtete sie nicht.
Mit einem stummen Seufzer stand ich auf und lief auf den Ausgang der Höhle zu, wo der Stein noch immer die Öffnung in der Felswand freigab. Taumelnd trat ich nach draußen und durch das tosende Rauschen des Flusses trat ich die steinernen Stufen hinauf zum Waldrand.
Dort blieb ich stehen und ließ den Blick über die Bäume schweifen, die vor mir in die Höhe ragten. Mein Magen krampfte sich zusammen und ich versuchte, meine aufkommende Angst zu unterdrücken. Würde ich tatsächlich noch mehr meiner Freunde verlieren? Konnte ich mich darauf verlassen, dass die Morun die Waffenruhe einhielten und Daniel nicht angriffen? Nein. Also wie konnte ich dann daran glauben, dass er unversehrt zurückkehren würde?
„Nadia?“
Ich wirbelte herum und instinktiv zog ich mein Schwert, noch bevor ich die Person ansah, die gesprochen hatte. Als ich sie erkannte, entspannte ich mich ein wenig, doch ich hielt mein Schwert weiterhin in der Hand.
„Allison“, begrüßte ich die Morun, die nur wenige Meter vor mir stand und mich durch zusammengekniffene Augen beobachtete. „Was machst du hier?“
Allison, die ihr Schwert ebenfalls in der Hand hielt, ließ dieses nun sinken und steckte es weg, ehe sie meinen Blick wieder erwiderte. „Ich war auf der Jagd. Eigentlich hatte ich nicht vor, so nahe an eurer Höhle zu jagen, aber hier gibt es zurzeit reichlich Beute.“
Ich runzelte die Stirn und ich wusste nicht, ob ich mich fürchten sollte oder ob ich erleichtert sein sollte, dass sie die Morun war, die ich getroffen hatte. Allison hatte bereits mehrere Gelegenheiten gehabt, mich zu töten, doch sie hatte es nie getan. Seither hatte sich meine Furcht ihr gegenüber gelegt, doch da sie eine Morun war, konnte ich mir nie sicher sein.
„Ich könnte dich das gleiche fragen“, sagte Allison schließlich und ich sah, wie Neugier in ihre Augen trat. „Was machst du alleine hier oben am Waldrand? Auf der Jagd bist du nicht, das weiß ich. Ich habe bereits deine drei Freunde gesehen, wie sie Beute erlegt haben.“
Ich wandte den Blick ab. „Gefällt es dir etwa nicht, dass die Nuda und Apdan und die Menschen ab sofort wieder furchtlos ihr Versteck verlassen können?“
Allisons Mund verzog sich zu einem kühlen Lächeln. „Das habe ich nicht behauptet. Es überrascht mich nur, dich hier alleine anzutreffen. Normalerweise verlasst ihr die Höhle in kleinen Gruppen.“
„Wir fürchten uns nicht mehr“, sagte ich und hoffte, dass sie mir meine Angst nicht anmerkte. „Also können wir die Höhle alleine verlassen wann wir wollen und wie oft wir wollen.“
„Richtig“, sagte Allison nickend und sie musterte mich nachdenklich. „Dafür ist die Waffenruhe da. Die Nuda und die Apdan – und auch die Menschen – sind frei. Ihr könnt euch furchtlos im Wald bewegen.“
Ich erwiderte ihren Blick und runzelte die Stirn. „Was ist mit Aurora, Sam und Rosalie? Ich kenne Clayton.“ Meine Stimme wurde etwas schärfer. „Er würde uns nicht einfach in Frieden lassen, wenn er dafür nicht etwas zurückverlangen würde. Also was ist es? Was verlangt er?“
Allison starrte mich an, doch ihr Blick verriet nichts. Ihre Mundwinkel zuckten leicht in die Höhe und sie stieß einen leisen Seufzer aus. „Du hast recht, Claytons plötzlicher Entschluss, den Frieden zu akzeptieren, kam überraschend. Dennoch versichere ich dir, dass ich nicht weiß, was er geplant hat. Clayton ist unberechenbar.“
„Tatsächlich?“ Ein Hauch von Ärger trat in meine Stimme und ich schüttelte den Kopf. „Du würdest mir nicht die Wahrheit sagen, wenn ich dich frage, ob Aurora und Sam noch am Leben sind, nicht wahr?“
„Ich kann dir nicht sagen, was mit deinen Freunden geschehen ist“, erwiderte Allison und als ich einen verärgerten Seufzer ausstieß, fuhr sie mit ruhiger Stimme fort: „Du kennst Clayton mittlerweile recht gut. Du weißt, wie er denkt und wie er handelt. Wenn du dir dessen bewusst bist, dann wirst du wissen, ob deine Freunde noch am Leben sind.“
Ein Stich der Hoffnung durchzuckte mich, doch das Gefühl erlosch gleich darauf wieder. Ja, ich verstand mittlerweile die Art und Weise, wie Clayton dachte, doch er blieb für mich dennoch unberechenbar. Er war ein Mörder, also warum sollte ich glauben, dass er meine Freunde nicht bereits ermordet hatte, wenn er doch die Gelegenheit dazu gehabt hatte? Andererseits war ich mir sicher, dass es für Clayton zu langweilig gewesen wäre, Aurora und die anderen auf der Stelle zu töten. Denn dann wäre der Spaß für ihn nun vorüber und es gab für ihn keinen Grund mehr, den Krieg fortzuführen.
Vielleicht hatte er deshalb den Frieden akzeptiert. Ich schauderte und senkte den Blick. War das möglich? Hatte Clayton meine Freunde vielleicht doch schon getötet und war nun deshalb nicht mehr an den Nuda und Apdan und an den Menschen interessiert? Weil er seine stärksten Feinde losgeworden war und er sich seiner Macht sicher war?