Das Christentum und die Weltreligionen - Albert Schweitzer - E-Book

Das Christentum und die Weltreligionen E-Book

Albert Schweitzer

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Beschreibung

Die fortschreitende Begegnung mit den nichtchristlichen Kulturen und Religionen wirft die Frage nach der Einzigartigkeit des Christentums und den unterschiedlichen ethischen Entwürfen verschiedener Denktraditionen immer wieder auf. Albert Schweitzer hat zu diesem Problemkreis aus der Erfahrung seines Lebens und Denkens heraus Überlegungen angestellt, die auch heute noch aktuell sind und hier durch zwei wichtige Beiträge präsentiert werden. Ulrich Neuenschwader, ein ausgewiesener Kenner Albert Schweitzers, führt auf allgemeinverständliche Weise in Leben und Werk des großen Religionsphilosophen ein.

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Albert Schweitzer

Das Christentumund die Weltreligionen

Zwei Aufsätze zurReligionsphilosophie

Mit einer Einführung in dasDenken Albert Schweitzers vonUlrich Neuenschwander

Verlag C. H. Beck

Zum Buch

Die fortschreitende Begegnung mit den nichtchristlichen Kulturen und Religionen wirft die Frage nach der Einzigartigkeit des Christentums und den unterschiedlichen ethischen Entwürfen verschiedener Denktraditionen immer wieder auf. Albert Schweitzer hat zu diesem Problemkreis aus der Erfahrung seines Lebens und Denkens heraus Überlegungen angestellt, die auch heute noch aktuell sind und hier durch zwei wichtige Beiträge präsentiert werden.

Ulrich Neuenschwander, ein ausgewiesener Kenner Albert Schweitzers, führt auf allgemeinverständliche Weise in Leben und Werk des großen Religionsphilosophen ein.

Über den Autor

Albert Schweitzer (1875–1965), der jahrzehntelang als Urwaldarzt in Lambarene wirkte, veröffentlichte grundlegende Werke zur Theologie, Religionsphilosophie, Ethik und Bach-Forschung.

Ulrich Neuenschwander (1922–1977) war Professor für Theologie an der Universität Bern.

Inhalt

Vorbemerkung

Das Christentumund die Weltreligionen

Das Problem der Ethikin der Höherentwicklung des menschlichenDenkens

Albert Schweitzer(1875–1965) – vonUlrich Neuenschwander

1. Das Verhältnis von Theologie und Philosophie

2. Die philosophischen Grundlagen des Denkens AlbertSchweitzers

3. Die Deutung des christlichen Glaubens

4. Die Ehrfurcht vor dem Leben als Einheit von Vernunft undReligion

5. Die Ehrfurcht vor dem Leben als Einheit von Mystik undchristlichem Glauben

Anmerkungen

Zu: Das Christentum und die Weltreligionen

Zu: Albert Schweitzer, von Ulrich Neuenschwander

Den lieben Freunden vom SchweizerischenAllgemeinen Evangelischen Missionsvereingewidmet

Vorbemerkung

In Selly Oak, einer Vorstadt Birminghams, sind fünf verschiedene Studienanstalten in einer gemeinsamen Organisation vereinigt. Es sind dies: „Woodbrooke“, ein von den Quäkern 1903 gegründetes Zentrum für religiöse und soziale Studien mit einer ganz internationalen Studentenschaft; „Kingsmead“, ein ebenfalls den Quäkern gehörendes Seminar zur Ausbildung und Weiterbildung von Missionaren; „Westhill“, ein Seminar für religiöse Erzieher; „Fircroft“, eine Arbeiterhochschule; „Carey Hall“, ein Seminar für die Ausbildung von Frauen, die in den Dienst der Mission treten wollen. Auch sind Missionare und Religionslehrer aus allen Weltteilen in Selly Oak auf Urlaub, um sich zu erholen oder um Englisch zu lernen.

Auf Einladung des Central Council der Selly Oak Colleges sprach ich dort im Februar 1922 über „Das Christentum und die Weltreligionen“. Meine Zuhörer bestanden zu einem großen Teil aus Missionaren oder solchen, die es werden wollten, d.h. aus Christen, die das Christentum gegenüber den anderen Weltreligionen, besonders dem Buddhismus und dem Hinduismus, zu verteidigen haben. Mit ihnen versuchte ich in diesen Vorträgen darüber ins klare zu kommen, worin die Einzigartigkeit des Christentums und seine besondere Tiefe bestehen.

Das Christentumund die Weltreligionen

Sie und ich, wir wollen in der Welt das Evangelium verkündigen. Da ist es notwendig, daß wir uns miteinander darüber klar sind, warum es für uns die höchste Weisheit ist. Warum halten wir es für den Sauerteig, der das Denken, Wollen und Hoffen der ganzen Menschheit durchsäuern soll?

Klarheit hierüber tut uns in unserer Zeit besonders not. Heutzutage ist man in eingehender Weise mit der Erforschung der Religiosität in der Welt überhaupt beschäftigt. In objektiver Weise studiert man die außerchristlichen Religionen der Vergangenheit und die Weltreligionen der Gegenwart. Früher wurden die nichtchristlichen Religionen einfach als Heidentum bezeichnet und waren damit abgetan. Heute hält man uns vor, wie viel ernstes Suchen nach Gott und wie viel erhabene Gedanken in ihnen vorliegen. Oft macht man sogar geltend, daß die Weltanschauungen einzelner dieser Weltreligionen viel durchdachter seien als die christliche, der immer etwas Naives anhafte. Einzelne dieser Weltreligionen, wie der Buddhismus und der Hinduismus, beginnen den Anspruch zu erheben, dem Christentum überlegen zu sein. Ihre Vertreter kommen nach Europa und werden hier als Bringer von Wahrheiten gefeiert, die das Christentum in dieser Art nicht zu geben vermöge.

Nun wollen wir uns miteinander darüber klar werden, ob das schlichte Christentum sich wirklich als die tiefste Religiosität behaupten kann.

Erwarten Sie von mir nicht Apologie, das heißt Verteidigung des Christentums, wie sie leider nur zu oft geübt wird, und die darin besteht, daß man behauptet, das Christentum enthalte Wahrheiten, die über allem Denken stünden und sich daher mit dem Denken nicht auseinanderzusetzen hätten. Dies kommt mir vor, als zöge man sich auf eine Bergfestung zurück, die wohl uneinnehmbar ist, von der aus man aber auch keine Macht ausüben kann.

Von Jugend an habe ich die Überzeugung gehabt, daß alle religiöse Wahrheit sich zuletzt auch als denknotwendige Wahrheit begreifen lassen müsse. Darum, meine ich, soll das Christentum in der Auseinandersetzung mit dem Denken und mit anderen Religionen kein Privileg für sich in Anspruch nehmen, sondern mitten in dem Kampfe der Ideen stehen und einzig auf die Macht der in ihm enthaltenen Wahrheit vertrauen.

Zuerst habe ich mit Ihnen die Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Forschung über die Vergangenheit des Christentums zu berühren. Sie wissen, daß man von manchen Seiten dazu gekommen ist, seine Originalität anzuzweifeln. Als erster tat dies Bruno Bauer (1809–1882) in mehreren Werken.[1]

Er behauptet, daß die Ideen des Christentums aus der Frömmigkeit der griechisch-römischen Welt zu Beginn unserer Zeitrechnung stammen. Zuerst habe sich eine Gemeinde von Frommen gebildet, die sich miteinander nach „Erlösung“ sehnten. Dann sei eine Tradition aufgekommen, die einen jüdischen Rabbiner, Jesus, zum Verkünder dieser „Erlösungsreligion“ gemacht habe.

Arthur Drews, zur Zeit Professor der Philosophie an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe, ein sehr religiöser, von dem Philosophen Eduard von Hartmann beeinflußter Denker, will das Christentum aus einem Mythus von einem sterbenden und auferstehenden Erlösergott ableiten.[2] Aus diesem Mythus sei die Geschichte dann entstanden, wie wir sie jetzt in den Evangelien lesen.

Wieder andere nehmen an, daß es einen wegen seiner Lehre gekreuzigten jüdischen Lehrer Jesus wirklich gegeben habe, daß aber der eigentliche Schöpfer des Christentums der Apostel Paulus gewesen sei. Dieser sei ganz von den Ideen der spätgriechischen Erlösungsfrömmigkeit erfüllt gewesen und habe auch, von Tarsus her, die Mysterienkulte, die damals in Kleinasien geübt wurden, gekannt und sei auch mit mystischen, auf dem Boden der Zarathustrareligion entstandenen Erlösungsideen erfüllt gewesen. Diese orientalisch-griechischen Erlösungsideen habe er dann mit Überlegungen über die Person und das Werk des gekreuzigten Jesus von Nazareth in Verbindung gebracht und aus ihm den für die Erlösung der Menschen sterbenden Heiland gemacht. Auch habe er dem Christentum seinen sakramentalen Charakter gegeben. Hauptvertreter dieser Ansicht ist der deutsche Philologe Richard Reitzenstein.[3] Wie können ernsthaft denkende Menschen auf den Gedanken kommen, daß die Gedanken des Christentums nicht von Jesus stammen, sondern nur eine Transformation von Vorstellungen seien, die religiös gesinnte Kreise des damaligen Heidentums bewegten?

Tatsächlich besteht eine gewisse Analogie zwischen dem Christentum und der spätgriechischen Frömmigkeit. In beiden spielt die Gewißheit der Erlösung eine Rolle; in beiden wird die Erlangung der Erlösung mit sakramentalen Handlungen in Verbindung gebracht.

Zu Beginn unserer Zeitrechnung suchte die Sehnsucht nach Erlösung Befriedigung in Kulten, die aus Griechenland oder dem Orient oder Ägypten stammten und durch geheimnisvolle Weihen den Menschen Erlösung vermitteln zu können behaupteten. Diese Kulte sind neuerdings erst erforscht und in ihrer Bedeutung für das Geistesleben der ausgehenden Antike erkannt worden. Bahnbrechend auf diesem Gebiete sind die deutschen Philologen Hermann Usener, Erwin Rohde, Albrecht Dieterich und der Belgier Franz Cumont.[4] Aus Griechenland kamen die Mysterien von Eleusis, aus Kleinasien die Verehrung des Attis und der Kybele, aus Ägypten der Dienst der Isis und des Serapis, aus Persien der Mithraskult.

Aber der Versuch, das Christentum aus diesen Erlösungs- und Mysterienreligionen abzuleiten, läßt sich nicht durchführen. Das Christentum ist viel reicher als sie und enthält noch Elemente ganz anderer Art. Mag man die griechisch-orientalischen Mysterienreligionen noch so sehr idealisieren – und sie werden von manchen Forschern ins Maßlose idealisiert – so bleiben sie doch etwas Armseliges, verglichen mit dem Christentum. Beurteilt man sie nüchtern nach den Texten, die uns über sie erhalten sind, so büßen sie viel von dem Zauber ein, mit dem man sie heute umgibt. Sie sind nur mit der magischen Verleihung der Unsterblichkeit beschäftigt. Das Ethische (das heißt das Moralische oder Sittliche), das im Christentum eine so gewaltige Rolle spielt, kommt bei ihnen bestenfalls in Worten, nicht aber in Wirklichkeit zur Geltung. Wirklich ethisch ist nur der Mithraskult. Dieser hat seine ethischen Energien aus der Religion Zarathustras, von der er ein abgesprengtes Stück ist, das einige Zeit wie ein flammender Komet in der griechisch-orientalischen und in der griechisch-römischen Welt herumkreist. An eine Herleitung des Christentums aus dem Mithraskult können aber auch die ärgsten Fanatiker der Unoriginalität des Christentums nicht denken, weil er in der griechisch-orientalischen Welt erst auftritt, nachdem das Christentum schon ausgebildet ist. Aber gerade durch die Energie ihrer ethischen Ideen war dann die Mithrasreligion, die die römischen Soldaten nach Germanien, Gallien und Afrika trugen, eine Zeitlang der stärkste Konkurrent des Christentums.

Eine totale Differenz zwischen der Erlösungsidee der spätgriechischen Religiosität und der des Christentums besteht darin, daß die eine nichts von der Vorstellung des Reiches Gottes weiß, während die andere dadurch beherrscht ist.