Das Erbe von Malnö - Hella Birken - E-Book

Das Erbe von Malnö E-Book

Hella Birken

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkinder" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit. Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann. »Ines, du mußt doch einsehen, daß ich es nur gut mit dir meine!« Mit einer verzweifelten Gebärde wischte sich der Graf von Rixen den Schweiß vom Gesicht. Mein Gott, was konnte er denn noch ins Feld führen, um seiner Tochter Vernunft beizubringen? »Schau, Kind, ich habe dich doch lieb, und ich will ganz bestimmt, daß du glücklich wirst, aber laß dir gesagt sein, dieser Ferdinand ist nicht der richtige Mann für dich. Von seiner Armut will ich gar nicht reden, aber sein Charakter –, ich weiß nicht. Oder findest du es schön, daß er nun schon über sechs Wochen fort ist und noch nicht einmal geschrieben hat? Aus den Augen, aus dem Sinn, so habe ich ihn immer eingeschätzt. Doch glaube mir, man stirbt nicht an der ersten Liebe.« Der Graf drehte sich nach seiner Tochter um, aber der Platz, an dem sie gesessen hatte, war leer. Erstaunen malte sich auf seinen Zügen und dann Wut. Laut schrie er: »Berthi, Berthi, mein Gott noch mal, wo steckst du denn? Ist man in diesem Sauladen denn ganz allein?« »Herr Graf sollen nicht immer so fluchen, wenn das die gnädige Frau hörte, würde sie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.« »Ach, laß mich jetzt mit Ottilie in Ruhe. Sag mir lieber, was ich tun kann, um meiner vermaledeiten Tochter den Kopf zurechtzusetzen! Du weißt, es gibt keinen anderen Ausweg für uns! Ines muß den Grafen Hoholt heiraten, er allein kann das Schloß und uns noch retten. Dieser Habenichts, dieser Ferdinand, der muß ein für allemal verschwinden.« »Aber er ist doch schon verschwunden, oder nicht?« »Wenn du auf die Briefe anspielst, die ich unterschlagen habe, dann ja, aber das ist doch nicht endgültig.

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Fürstenkinder – 39 –

Das Erbe von Malnö

Ihm fehlt nur noch ein Vater zum Glücklichsein

Hella Birken

»Ines, du mußt doch einsehen, daß ich es nur gut mit dir meine!«

Mit einer verzweifelten Gebärde wischte sich der Graf von Rixen den Schweiß vom Gesicht. Mein Gott, was konnte er denn noch ins Feld führen, um seiner Tochter Vernunft beizubringen?

»Schau, Kind, ich habe dich doch lieb, und ich will ganz bestimmt, daß du glücklich wirst, aber laß dir gesagt sein, dieser Ferdinand ist nicht der richtige Mann für dich. Von seiner Armut will ich gar nicht reden, aber sein Charakter –, ich weiß nicht. Oder findest du es schön, daß er nun schon über sechs Wochen fort ist und noch nicht einmal geschrieben hat? Aus den Augen, aus dem Sinn, so habe ich ihn immer eingeschätzt. Doch glaube mir, man stirbt nicht an der ersten Liebe.«

Der Graf drehte sich nach seiner Tochter um, aber der Platz, an dem sie gesessen hatte, war leer. Erstaunen malte sich auf seinen Zügen und dann Wut. Laut schrie er: »Berthi, Berthi, mein Gott noch mal, wo steckst du denn? Ist man in diesem Sauladen denn ganz allein?«

»Herr Graf sollen nicht immer so fluchen, wenn das die gnädige Frau hörte, würde sie die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.«

»Ach, laß mich jetzt mit Ottilie in Ruhe. Sag mir lieber, was ich tun kann, um meiner vermaledeiten Tochter den Kopf zurechtzusetzen! Du weißt, es gibt keinen anderen Ausweg für uns! Ines muß den Grafen Hoholt heiraten, er allein kann das Schloß und uns noch retten. Dieser Habenichts, dieser Ferdinand, der muß ein für allemal verschwinden.«

Ein wenig lauernd sagte die alte Frau:

»Aber er ist doch schon verschwunden, oder nicht?«

»Wenn du auf die Briefe anspielst, die ich unterschlagen habe, dann ja, aber das ist doch nicht endgültig. Er kann doch jeden Tag aus Brasilien zurückkommen, und was dann? Ines muß den Grafen vorher heiraten, anders ist es nicht möglich, und du, Berthi, wirst mir dabei helfen. Komm her, altes Mädchen, hör zu…«

Während der Graf von Rixen zusammen mit der alten Dienerin Berthi einen teuflischen Plan ausheckte, saß Ines an ihrem Lieblingsplatz unter der großen Kastanie am alten verfallenen Turm. Sie weinte nicht, o nein, im Gegenteil, ein zärtliches Lächeln umspielte ihren schönen Mund. In ihren großen bernsteinfarbenen Augen lag alle Liebe der Welt.

Man wollte ihr Ferdinand nehmen, man wollte die Erinnerung an ihre Liebe auslöschen und wußte gar nicht, daß es dazu schon zu spät war. Seit gestern hatte sie die Gewißheit, daß sie ein Kind unter dem Herzen trug, ein Kind der Sünde. Ja, so würde der Vater urteilen, sie aber wußte, daß es ein Kind der Liebe war. Ob Ferdinand nun wiederkam oder nicht, er würde immer bei ihr sein, jetzt und für alle Zeiten. Alles konnte man ihr nehmen, aber nicht ihr Kind. Doch Ferdinand würde wiederkommen, dessen war sie gewiß. O Gott, wie sehr sie ihn liebte, diesen verwegenen, sportlichen, arbeitsamen Mann, der so schwer zu kämpfen hatte, um das Erbe seiner Väter zu halten. Die Gutsbesitzer der Umgebung nannten ihn nur den Bauern, weil er sich nicht scheute, selbst Hand anzulegen, wo es notwendig war, und gerade das liebte sie so sehr an ihm. Sie haßte diese geschniegelten Salonlöwen, die nichts weiter konnten, als oberflächliche Konversation zu treiben und dumme Komplimente zu machen.

Doch so sehr Ferdinand auch arbeitete, das Gut war und blieb verschuldet. Sein verstorbener Vater, ein Lebemann, hatte sich nie um das Gut gekümmert, und sein Sohn stand nun vor dem Ruin. Das war auch der Grund, warum Ferdinand zu seiner Mutter nach Rio gefahren war. Die Gräfin hatte in zweiter Ehe einen reichen Plantagenbesitzer geheiratet, und obwohl der Sohn ihr das nie verzeihen konnte, erhoffte er sich nun doch Hilfe von ihr. Er würde ihr bestimmt jede Mark auf den Heller genau zurückzahlen, denn er wollte sich von seinem Stiefvater nichts schenken lassen, aber ein langfristiger Kredit, den die Banken ihm nicht mehr geben wollten, könnte das Schloß seiner Väter retten.

Ines wußte, Ferdinand würde sich auf das Kind freuen, genau wie sie, und doch beschloß sie, es ihm noch nicht mitzuteilen. Er hatte genug Sorgen, mußte dem Kind und den weiteren, die noch kommen sollten, die Heimat erhalten.

Es wurde ein wenig kühl im Schatten des jahrhundertealten Baumes. Fröhlich sprang Ines auf, als sie ihren Namen rufen hörte. Was die alte Berthi wohl von ihr wollte?

»Ines, wo steckst du denn?«

»Komme schon. Nun Berthi, wo brennt es?«

»Nirgends brennt es. Der Graf Hoholt ist gekommen, und dein Vater wünscht, daß du dich umziehst und dann den Herren in der Bibliothek Gesellschaft leistest.«

Ehrlich erschrocken fragte Ines:

»Du, Berthi, hat mein Vater den Plan, daß ich den Grafen heiraten soll, immer noch nicht aufgegeben?«

»Ach, Kind, du weißt doch, was dein Vater sich einmal in den Kopf gesetzt hat, das will er auch durchsetzen. Abgesehen davon, der Graf ist zwar viele Jahre älter als du, aber sonst ist er nett und doch auch recht passabel. Ganz zu schweigen von seinem Reichtum. Ich an deiner Stelle würde da nicht lange überlegen!«

»Berthi, wie sprichst du denn plötzlich? Du warst es doch, die sich über den Grafen immer lustig gemacht hat. Du hast mir immer geholfen, daß ich mich mit Ferdinand treffen konnte, so daß der Vater nichts davon wußte, und nun? Meinst du etwa, ich hätte den Ferdinand schon vergessen, nur weil ich von ihm noch keine Post erhalten habe? Meinst du, ich liebte ihn deshalb weniger?

Berthi, was ist nur los mit dir? Du hast mich doch immer verstanden, du warst doch meine einzige Freundin seit Mutters Tod. Ich verstehe dich nicht mehr. Der Vater liebt mich, und doch will er mich zwingen, einen ungeliebten Mann zu heiraten. Du hast immer gesagt, du willst dafür kämpfen, daß ich den Ferdinand heiraten darf, und stehst nun auf einmal du auf Vaters Seite?«

Die Alte fühlte sich bei den Worten der jungen Komteß sehr unbehaglich, und so sagte sie zerknirscht:

»Kind, du bist zu empfindlich. Natürlich, der Ferdinand ist ein netter Mann und auch arbeitsam, alles, was recht ist, aber Geld ist schließlich auch nicht zu verachten.

Doch jetzt laß deinen Vater nicht länger warten, zieh dich um!«

Ganz langsam stieg Ines die breite Treppe hinauf. In ihr verstärkte sich das Gefühl, daß hier irgend etwas nicht stimmte. Berthi hatte doch sonst immer auf ihrer Seite gestanden, warum hatte sie plötzlich ihre Meinung geändert?

Einen Moment stand Ines unschlüssig vor ihrem Kleiderschrank, doch dann entschloß sie sich, sich aus Protest nicht umzuziehen. Flink fuhr sie sich mit dem Kamm über das Haar und ging in die Bibliothek.

Graf Hoholt war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren. Er war mittelgroß und untersetzt. Sein dünnes blondes Haar war sorgfältig gescheitelt und gekämmt, um die beginnende Glatze zu verdecken. Schön an ihm waren seine brauen, warmen Augen, von denen man immer das Gefühl hatte, daß ihnen nichts verborgen blieb. Die Augen verrieten Klugheit und Güte und viel Lebenserfahrung. Selbst Ines, die den Grafen gern hassen wollte, konnte sich dem Bann dieser Augen nicht ganz entziehen. Sie hatte immer das Gefühl, er wüßte genau, was sie dachte, das war ihr oft ein wenig unheimlich und manchmal auch peinlich. Wenn er doch bloß nicht immer so geschwollen daherreden würde, wie auch heute wieder:

»Liebste Ines, es ist schön, Sie wieder einmal zu sehen. Sie werden von Tag zu Tag schöner, und es fällt mir schwer, mich von Ihnen fernzuhalten. Wie glücklich bin ich, ein Freund des Hauses zu sein und so zumindest hin und wieder in den Genuß Ihres Anblicks zu kommen…«

Gott sei Dank kam der Vater Ines zur Hilfe, indem er sagte:

»Schon gut, mein lieber Hoholt, machen Sie meine Tochter nicht eitler, als sie schon ist. Ständig sagt man ihr, wie sehr sie ihrer Mutter ähnelt, aber finden Sie nicht auch, daß Ottilie viel schöner war?«

»Die selige Gräfin war zweifelsohne eine große Schönheit, aber Ines in ihrer zarten Jungmädchenhaftigkeit ist es auch. Als reife Frau wird sie Ihre verstorbene Gattin bestimmt noch an Schönheit übertreffen.«

»Ach, Hoholt, Sie sind ein galanter Mann, mit Ihnen kann man nicht mehr objektiv diskutieren, besonders dann nicht, wenn Ines im Spiel ist.

Doch um das Thema zu wechseln, ich habe gehört, daß Malnö versteigert werden soll, stimmt das?«

Es war das erstemal, daß Ines sich in das Gespräch mischte, indem sie leidenschaftlich sagte:

»Nein! Das stimmt ganz bestimmt nicht. Du weißt genau, Vater, daß Ferdinand von Friberg nach Rio gefahren ist, um das notwendige Kapital aufzutreiben. Niemals würde er es zulassen, daß das Erbe seiner Väter unter den Hammer kommt, zumindest nicht, wenn er es irgendwie verhindern kann. Oder können die Gläubiger in seiner Abwesenheit eine Versteigerung vornehmen lassen?«

Aufmerksam hatte Graf Hoholt das junge Mädchen beobachtet, und wenn er sich bisher nie ganz sicher war, jetzt wußte er: Ines liebte Ferdinand von Friberg, und neben diesem jungen, gutaussehenen Mann blieben ihm natürlich keine Chancen. Er liebte Ines von ganzem Herzen, sie sollte glücklich werden, auch wenn er verzichten mußte. Er verriet nicht den Aufruhr, der in ihm war. Ruhig, beinahe liebevoll fragte er Ines:

»Bestehen denn berechtigte Aussichten, daß der Baron in Rio Geld auftreiben kann?«

»Ich weiß es nicht, er hofft es jedenfalls sehr. Seine Mutter hat doch den Grafen Drexler geheiratet. Er besitzt in Brasilien große Plantagen und gilt als sehr reich, aber ob er Ferdinand Geld leiht, ist natürlich fraglich.«

Barsch unterbrach sie der Vater:

»Ines, kümmere du dich bitte nicht um Dinge, von denen du nichts verstehst und die dich auch nichts angehen. Soll der Baron mit seiner verschuldeten Klitsche machen, was er will. Mich können höchstens ein paar seiner Pferde interessieren, wenn es wirklich zur Versteigerung kommen sollte. Hoholt, mich entschuldigen Sie bitte bis zur Teezeit, aber ich habe mit dem Verwalter noch einiges zu besprechen. Vielleicht kann Ihnen Ines in der Zwischenzeit den Rosengarten zeigen. Er steht jetzt in voller Blüte.«

Mit diesen Worten stampfte er wütend aus dem Zimmer. Diese verdammte Göre, immer wieder versuchte sie, seine Pläne zu durchkreuzen. Es blieb ihm nichts weiter übrig, er mußte, wie mit Berthi besprochen, die schärferen Geschütze auffahren. Ganz wohl war ihm nicht bei dem Gedanken, denn er liebte seine Tochter in seiner rauhen, herzlichen Art.

Graf Hoholt und Ines blieben schweigend zurück. Endlich sagte Ines:

»Möchten Sie vielleicht den Rosengarten sehen?«

»Wenn wir dort ungestört sprechen können –, gern.«

Ines zitterterte vor dem, was der Graf ihr wohl sagen würde. Sie wußte schon lange, daß er sie gern hatte. Würde er ihr nun einen Heiratsantrag machen?

Hoffentlich nicht, denn es täte ihr leid, ihm weh tun zu müssen.

Mitten in ihre Gedanken hinein sagte der Mann an ihrer Seite:

»Es geht mich vielleicht nichts an, aber ich möchte so gern, daß Klarheit zwischen uns herrscht. Lieben Sie den Baron von Friberg?«

»Ja, Graf, wir lieben uns, und sobald Ferdinand aus Brasilien zurückkommt, wollen wir heiraten. Wenn es sein muß, auch gegen den Willen meines Vaters. Wenn es mir auch sehr weh täte, aber ich bin mündig, und es wird für mich nie einen anderen Mann geben.«

Bitter schluckte der Graf an seiner Enttäuschung, aber beherrscht sagte er:

»Wir wollen uns einen Moment setzen, ich möchte Ihnen dazu auch noch etwas sagen.

Es wäre geschmacklos, jetzt von meiner Liebe zu reden. Nein, nein, haben Sie keine Angst, ich werde nicht sentimental. Ich möchte nur, daß Sie wissen, daß ich Sie von ganzem Herzen liebe und daß ich schon seit langem nur den einen Wunsch habe, Sie zu meiner Frau zu machen. Sie haben mir nie irgendwelche Hoffnungen gemacht, und doch habe ich immer noch gehofft, da Ihr Vater meiner Werbung, wie es schien, nicht ablehnend gegenüberstand. Jetzt verstehe ich den Grund: Ihr Vater möchte nicht, daß Sie den Baron heiraten. Es ist mir unverständlich, was er gegen ihn hat, denn dieser Friberg ist einer der nettesten und tüchtigsten Männer, denen ich je begegnet bin. Allerdings ist er arm, und das mag natürlich ausschlaggebend sein. Es ist verständlich, daß Ihr Vater Sie gern in guten, geordneten Verhältnissen wissen möchte, das dürfen Sie ihm nicht verübeln. Nun, ich hätte Ihnen eine gesicherte Zukunft bieten können. Das mag der Grund sein, warum Ihr Herr Vater mich als Freier willkommen hieß. Doch wie gesagt, meine liebste Ines, das sind alles nur Vermutungen. Wichtig allein ist, wie Sie selber entscheiden, und da Sie den Baron lieben, ziehe ich mich natürlich zurück. Eines hätte ich nur gern gewußt: Bin ich Ihnen unsympathisch?«

Angenehm erstaunt hatte Ines dem Grafen zugehört, und ehrlich sagte sie jetzt:

»Nein, Graf, das sind Sie ganz und gar nicht. Ich wünschte sehr, Sie würden mein Freund sein.«

Tief beugte sich der Graf über ihre Hände, und bewegt sagte er:

»Ich danke Ihnen für diese Worte, und ich bin Ihr Freund, heute und immer.«

Als Ines allein in das Schloß zurückkehrte, ahnte Graf Rixen, was vorgefallen war, und zornbebend sagte er zu Berthi, die neben ihm stand:

»Da, sieh dir das an. Abblitzen hat sie ihn lassen, weißt du, was das bedeutet? Ruiniert sind wir, restlos ruiniert!«

Bevor er weitersprechen konnte, betrat Ines das Zimmer. Freundlich fragte sie:

»Wollen wir jetzt Tee trinken? Der Graf Hoholt hatte leider keine Zeit mehr.«

Sie sah die wutblitzenden Augen ihres Vaters, und ängstlich fragte sie:

»Was ist? Du siehst so böse aus.«

»Da wagst du noch zu fragen? Ich habe dir in Güte gesagt, daß ich es wünsche, daß du den Grafen Hoholt heiratest und dir diesen windigen Baron Friberg aus dem Kopf schlägst. Aber du, du tust genau das Gegenteil. Redest von deinem Ferdinand, als wäre er der liebe Gott und nicht ein heruntergewirtschafteter Habenichts. Meinst du, das läßt sich der Graf gefallen? Er ist reich und immerhin ein Mann in den besten Jahren, er kann an jede Tür klopfen, und man wird ihn freudig willkommen heißen. Was glaubst du denn, wer du bist, daß du einfach den Wünschen deines Vater zuwiderhandeln kannst?

Jetzt bitte ich dich nicht mehr, jetzt verlange ich von dir, daß du dem Grafen Hoholt dein Jawort gibst, und zwar sofort. Hast du mich verstanden?«

Zitternd, aber stolz aufgerichtet stand Ines ihrem Vater gegenüber. Leise, aber sehr klar und verständlich sagte sie:

»Das geht nun nicht mehr, Vater. Ich liebe Ferdinand bedingungslos. Ich bin seine Frau…«

Zunächst stand der Graf wie vom Donner gerührt, dann aber ging er mit einem beinahe irren Ausdruck in den Augen und mit erhobener Faust auf seine Tochter zu und schrie:

»Du, du heruntergekommenes Geschöpf du, sag das noch einmal, wage es nur, das noch einmal zu sagen! Ich schlage dich tot, mit meinen eigenen Fäusten schlage ich dich tot.«

Da warf sich die alte Berthi mit all ihrer Kraft zwischen den Grafen und Ines, und verächtlich sagte sie:

»Die Rixens würden sich in den Gräbern umdrehen, wenn sie wüßten, wie ihr euch hier benehmt. Muß denn unbedingt die ganze Dienerschaft wissen, was los ist? Es gibt nichts, gar nichts, was sich nicht mit Diskretion erledigen läßt.«

Schweratmend ließ sich der Graf in einen Sessel fallen, wobei er fassungslos vor sich hin murmelte:

»Meine Tochter, es ist unfaßbar, das kann doch nicht wahr sein.«

Da übermannte es auch Ines, und indem sie ihrem Vater zu Füßen fiel, flehte sie mit brechender Stimme:

»Bitte, Vater, verdamme mich nicht! Ich liebe ihn doch so sehr. Schon von frühester Jugend. Ich weiß, was ich tat, war schlecht, aber ich kann es nicht bereuen, ich kann es einfach nicht. Ich freue mich auf das Kind.«

Sie hatte das Wort kaum ausgesprochen, da sackte der Graf mit einem Stöhnen zusammen. Ihn hatte der Schlag getroffen. Ines aber nahm nichts mehr wahr. Unaufhörlich vor sich hin weinend, saß sie neben dem gelähmten Vater, von dem sie annahm, daß er tot sei und daß sie ihn getötet hatte.

*

Die nächsten Wochen sollte Ines nie in ihrem Leben vergessen. Der Vater, dessen Zustand sich bald besserte, weigerte sich, sie zu empfangen. Selbst das Personal, das Ines bisher immer vergöttert hatte, schlug sich nun auf die Seite des Grafen. Eine Tochter, die ihren Vater durch Ungehorsam beinahe getötet hatte, konnte man nicht mehr achten. Nur Berthi tat, als wäre nichts geschehen, und Ines, die gutgläubige Ines, liebte sie darum mehr denn je.

Die Zeit rann dahin, aber von Ferdinand kam keine Nachricht. Wie konnte Ines denn auch ahnen, daß Berthi, respektive der Vater, die Post des Liebsten nicht nur unterschlug, sondern daß auch ein reger Briefwechsel zwischen dem Grafen Rixen und Ferdinands Mutter, der Gräfin Rixen und Ferdinands Mutter, der Gräfin Drexler, eingesetzt hatte. Die Gräfin Drexler war als junges Mädchen einmal unsterblich in Graf Rixen verliebt, aber ihre unerfüllte Liebe schlug in Haß um, als dieser Ottilie heiratete. Für sie war es nun also eine Genugtuung, Graf Rixen zu schreiben:

Du schreibst, daß Du auf alle Fälle verhindern möchtest, daß Deine Tochter Ines meinen Sohn Ferdinand heiratet, da er ein Habenichts, ein Bauer ist. Dein Wunsch kommt meinen Wünschen sehr entgegen, denn niemals würde ich es zulassen, daß mein Sohn Deine Tochter heiratet. Blut läßt sich nicht verleugnen, und nach allem, was ich gehört habe, ist Deine Tochter genauso leichtsinnig, wie du es einst warst. Mein Sohn wird über die kleine Verliebtheit hinwegkommen, ja, ich glaube sogar, er ist es schon. Als Ehrenmann fühlte er sich wohl nur verpflichtet, zu seinem Wort zu stehen. Die Briefe Deiner Tochter habe ich übrigens wunschgemäß vernichtet. Ich wäre aber froh, wenn Du Deiner Tochter bald klarmachen würdest, daß sie nicht auf die Rückkehr von Ferdinand zu warten braucht. Erzähle ihr meinetwegen, er sei gestorben. Es ist eine Lüge und doch keine Lüge, denn für sie hat er tot zu sein – für alle Zeiten.

Von Dir erwarte ich aber bald eine fingierte Verlobungsanzeige Deiner Tochter, so daß Ferdinand sich endlich frei fühlt, wie er es schon seit Wochen sein möchte. Wir haben hier eine entzückende, sehr reiche Braut für ihn, und er ist unsterblich verliebt. Wenn er sie heiratet, kehrt er bestimmt nicht nach Malnö zurück, so daß keine Gefahr besteht, daß sich unsere Kinder noch einmal treffen.

Doch bevor ich schließe, möchte ich Dir noch sagen, daß Ferdinand von mir keinen Pfennig erhalten wird, um Malnö zu retten, gesetzt den Fall, Du solltest es dir doch noch überlegen und unser kleines Spiel nicht mitspielen, wie vereinbart. Es lohnt also nicht – für Deine Tochter würde Ferdinand bis an sein Lebensende ein Habenichts sein.

Bleibt er aber hier, wie ich es wünsche, wird er reich sein, unermeßlich reich.

Als dieser Brief eintraf, sagte der Graf zu der alten Dienerin:

»Was sagst du dazu, Berthi? Diese Frau hat es mir doch nicht vergessen können, daß ich Ottilie geheiratet habe, und an den Kindern läßt sie nun ihren Haß aus. Eine bodenlose Gemeinheit. Eigentlich müßte man ihr einen Strich durch die Rechnung machen und ihrem sauberen Sohn mitteilen, daß Ines ein Kind von ihm erwartet. Ich weiß, er käme zurück, denn er liebt Ines wirklich –, auch wenn seine Mutter das Gegenteil behauptet. Aber was würde uns die Rache nützen? Er käme so arm zurück, wie er gegangen ist, und wir

verlieren unsere Heimat und er Malnö. Was sollte er dann wohl tun mit einer Frau und einem Kind? Was würde aus uns? Ich mag gar nicht daran denken. Ich jedenfalls kann mich nicht mehr auf Armut umstellen, dazu bin ich zu verwöhnt und auch schon zu alt. Nur Ines kann uns mit einer guten Partie noch retten. Wir müssen unseren Plan also doch durchführen. Du weißt, was du zu tun hast?«