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Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Romanistik - Hispanistik, Note: 1,7, Universität Mannheim (Romanisches Seminar – Abteilung Sprach- und Medienwissenschaft), Veranstaltung: Varietätenlinguistik des Spanischen, Sprache: Deutsch, Abstract: „O neno tiña algo que lles dicir ós outros nenos que andaban a enredar con el na beiramar” (Dieste 1995: 75 f.). Diese Zeile in galicischer Sprache entstammt dem 1926 von Rafael Dieste verfassten Gedicht „Nova York é noso“ und stellt viele Spanischlernende vor unerwartete Verständnisschwierigkeiten. Doch sind die Unterschiede zur Standardsprache der so groß, dass man von einer eigenen Sprache sprechen kann oder handelt es sich vielmehr um einen Dialekt, der stark von der Standardnorm abweicht? Um diese Thematik vertiefen zu können, müssen zunächst die Termini ‚Sprache‘ und ‚Dialekt‘ näher beleuchtet werden – eine Angelegenheit, die sich als nicht gerade einfach erweist. Des Weiteren bedarf die Sprachgeschichte Galiciens einer genaueren Betrachtung, da hier unter anderem die Gründe für den heutigen Normalisierungs- und Ausbaustand der Varietät zu finden sind. Neben der Vergangenheit soll die Arbeit die heutige Sprachsituation in der autonomen Region skizzieren und sich letztlich ganz konkret der Kernfrage, ob es sich beim Galicischen nun um einen Dialekt oder eine Sprache handelt, zuwenden.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Grundlegende Termini
1.1 Sprache
1.2 Dialekt
2 Die historische Entwicklung des Galicischen
2.1 Ursprünge und anfängliche Entwicklungen
2.2 12. bis 15. Jahrhundert: Blütezeit
2.3 16. bis 18. Jahrhundert: Siglos oscuros
2.4 19. Jahrhundert: Rexurdimento
2.5 20. Jahrhundert: Auf dem Weg zur Norm
3 Die aktuelle Sprachsituation Galiciens
3.1 Betrachtung der Sprache /Stand der Normalisierung
3.2 Entwicklungen auf der Sprecherseite
4 Linguistische Charakteristika
5 Sprache oder Dialekt?
6 Fazit
7 Bibliographie
8 Internetquellen
„O neno tiña algo que lles dicir ós outros nenos que andaban a enredar con el na beiramar” (Dieste 1995: 75 f.). Diese Zeile in galicischer Sprache entstammt dem 1926 von Rafael Dieste verfassten Gedicht „Nova York é noso“ und stellt viele Spanischlernende vor unerwartete Verständnisschwierigkeiten. Doch sind die Unterschiede zur Standardsprache der Iberischen Halbinsel, dem Kastilischen so groß, dass man von einer eigenen Sprache sprechen kann oder handelt es sich vielmehr um einen Dialekt, der stark von der Standardnorm abweicht? Um diese Thematik vertiefen zu können, müssen zunächst die Termini ‚Sprache‘ und ‚Dialekt‘ näher beleuchtet werden – eine Angelegenheit, die sich als nicht gerade einfach erweist - gestalten sich doch die Lösungsansätze in der Linguistik sehr heterogen. Des Weiteren bedarf die Sprachgeschichte Galiciens einer genaueren Betrachtung, da hier unter anderem die Gründe für den heutigen Normalisierungs- und Ausbaustand der Varietät zu finden sind. Neben der Vergangenheit soll die Arbeit die heutige Sprachsituation in der autonomen Region skizzieren und sich letztlich ganz konkret der Kernfrage, ob es sich beim Galicischen nun um einen Dialekt oder eine Sprache handelt, zuwenden.
Die Definition des Begriffs ‚Sprache‘ ist in der Linguistik seit jeher Anlass für Diskussionen. Obwohl sich eine Vielzahl von Sprachwissenschaftlern mit Abgrenzungsversuchen beschäftigt hat, konnte bisher keine befriedigende, allgemeingültige Erklärung gefunden werden, was die Komplexität des Begriffs bereits erahnen lässt. Laut dem Linguisten Ferdinand de Sausurre liegt darüber hinaus eine Mehrdeutigkeit vor, denn das deutsche Wort ‚Sprache‘ bezeichnet zum einen die Sprache als System von Zeichen, das sich aus grammatischen Regeln und verschiedenen Wortvorstellungen zusammensetzt und das in den Köpfen einer Sprachgemeinschaft existiert (‚langue‘) (vgl. Saussure 2001: 16 f.). Zum anderen kann damit auch das Sprechen, das heißt die konkrete Realisierung der langue im Sprechakt gemeint sein, die dann ‚parole‘ genannt wird. Davon abgesehen deckt das Wort Sprache auch die menschliche Sprachfähigkeit (‚langage‘) ab (vgl. ebd.), was die Eingrenzung des Terminus Sprache, der von der langue-Ebene ausgeht, zusätzlich erschwert.
Einer der vielen Definitionsversuche basiert auf der These, dass ein Idiom genau dann eine Sprache sei, wenn es sich um das offizielle Ausdrucksmittel eines Staates und damit um eine Nationalsprache handele (vgl. Gabriel/Meisenburg 2007: 61). In der Linguistik geht man allerdings von weltweit 3.000 bis 5.000 existierenden Sprachen aus, denen lediglich 200 Staaten gegenüber stehen. Folglich ist dieses Kriterium unzureichend für eine exakte Definition des Begriffs Sprache (vgl. ebd.: 62). Ähnlich verhält es sich mit der Verschriftlichung eines Idioms als Argument für den Status ‚Sprache‘, das zunächst als sinnvoller Anhaltspunkt erscheinen mag. Vergleicht man jedoch die Anzahl der Sprachen, die tatsächlich als Schriftsprache anerkannt werden mit der oben genannten Zahl der geschätzten Sprachen, stellt man fest, dass auch dieser Definitionsweg keine Lösung ist, da lediglich einige hundert Sprachen der Welt Schriftsprachen sind (vgl. ebd.). Außerdem sind Sprache und Schrift letztlich nichts anderes als zwei verschiedene Systeme von Zeichen, wobei die Schrift nur existiert, um die Sprache darzustellen (vgl. Saussure 2001: 28). Nicht zu vergessen ist darüber hinaus auch die Tatsache, dass etliche Dialekte Literatur hervorgebracht haben (vgl. ebd.: 243).
Saussure entwickelte zur Charakterisierung der Sprache die Zeichentheorie mit den sogenannten ‚Saussure’schen Dichotomien‘ und darüber hinaus ein weiteres Merkmal zur Abgrenzung der Sprache von Dialekten: Er vertrat die Position, dass zwei Menschen, die nicht verstehen, was der jeweilige Gegenüber sagt, unterschiedliche Sprachen sprechen, insbesondere wenn es sich um Sprecher benachbarter Varietäten handelt (vgl. ebd.: 244). Trotzdem erreicht man auch mit diesem durchaus linguistisch geprägten Kriteriums nur eine unscharfe Trennung und keine genaue Abgrenzung, die allerdings laut Saussure auch so nicht existiert (vgl. ebd.).
Der deutsche Sprachwissenschaftler Heinz Kloss stellt die genaueste Definition von ‚Sprache‘ im Sinne der Einzelsprache und ihrer Abgrenzung vom Dialekt. Dazu führte er die Kriterien des Ausbaus und des Abstands von Sprachen ein. Der Begriff ‚Abstandsprache‘ (AbS) bezeichnet Idiome, die sich in ihrem „Sprachkörper“ durch strukturelle Unterschiede deutlich von allen anderen Sprachen und vor allem von der geographischen Nachbarsprache unterscheiden (vgl. Kloss 1987: 302). Diese ‚objektive Komponente‘ (Gabriel/Meisenburg 2007: 62) verliert allerdings an Prägnanz, wenn man sich die Frage stellt, welche morphologischen, lexikalischen und phonetischen Unterschiede eine Sprache im Vergleich zu anderen Idiomen aufweisen muss, um als Abstandsprache bezeichnet zu werden (vgl. ebd.: 306).
Mit dem Terminus ‚Ausbausprache‘ (AuS) sind dagegen Idiome gemeint, die den Kriterien für eine Abs nicht genügen, jedoch über einen derart differenzierten Sprachkörper verfügen, dass sie zum Ausdrucksmittel für alle oder fast alle Situationen des heutigen Lebens geworden sind (vgl. ebd.: 302). Messbar ist der Ausbaustand einer Sprache beispielsweise an der Intensität ihrer Verwendung in Zeitungen und bei Vorträgen sowie ihr Gebrauch in Belleristik, Zweck- und Sachprosa. Letztere stellt die höchste Stufe des Ausbaus dar, wobei neben dem wissenschaftlichen Grad der Literatur die Verwendbarkeit der Sprache in uneingeschränkte Themenbreite von großer Wichtigkeit für die Einordnung einer Sprache als Ausbausprache ist (vgl. ebd.: 302ff). Diese ‚funktionelle Komponente‘ (Gabriel/Meisenburg 2007: 63) wird durch die individuelle oder ‚subjektive Komponente‘ ergänzt (vgl. ebd.).
Es handelt sich dabei um das individuelle Sprachbewusstsein, das jeder Sprecher besitzt, und das die persönliche Einschätzung des Sprachstatus der eigenen Varietät sowie den Grad des Zugehörigkeitsgefühls zur selben beinhaltet. Des Weiteren spielt das Sprachbewusstsein eine wichtige Rolle für die Geschwindigkeit der Sprachentwicklung (vgl. ebd.).
Bedient man sich der Kloss’schen Begriffsweise, so ist ein Idiom genau dann ein Dialekt, wenn es einem anderen zu sehr ähnelt, um als eigenständige Abstandsprache begriffen werden zu können. Die Problematik der Bemessungsschwierigkeiten bleibt jedoch bestehen, geforderte Anzahl und Arten von Unterscheidungen bleiben unklar. Hinsichtlich der Ausbausprachekriterien ist festzuhalten, dass ein Dialekt, auch wenn er Literatur hervorgebracht hat, nicht zwangsweise eine Sprache ist – ein häufiger Denkfehler bei der Herangehensweise an die Thematik (vgl. Saussure 2001: 243). Entscheidend ist allein der Grad des Ausbaus: Je weniger der Wortschatz eines Idioms die gesamte Themenbreite des modernen Lebens auszudrücken imstande ist und je seltener die Verwendung jenes Idioms in komplexer, wissenschaftlicher Literatur ist, desto eher wird man es als Dialekt einstufen. Die Subjektivität dieses Ansatzes macht die Klassifizierung ebenso wie bei der Abgrenzung zur AbS schwierig.
Die Wurzeln des Galicischen liegen, ebenso wie die des Portugiesischen, im Vulgärlatein, der gesprochenen Sprache der römischen Kolonisatoren, die die Iberische Halbinsel und damit auch das heutige Galicien und Portugal ab ca. 200 v.Chr. eroberten.
Die Sprache der Eroberer wurde jedoch im Laufe der Zeit mehr und mehr von den in dieser Region bereits vorhandenen Sprachen geprägt, sodass sich durch die Substrateinflüsse jene Idiome herausbildeten, die man heute Galicisch und Portugiesisch nennt (vgl. Albrecht 1992: 3).
Aufgrund der Tatsache, dass diese beiden Varietäten eine gemeinsame Entstehungsphase durchlaufen und sich erst nach dem Mittelalter getrennt entwickelt haben, stößt man in der Linguistik häufig auf den Begriff des ‚Galicisch-Portugiesischen‘ beziehungsweise ‚galego-portugués‘, der sich auf das Idiom der Anfangsphase bezieht. Durch bereits geleistete linguistische Forschung kann man sagen, dass es sich beim Portugiesischen historisch betrachtet um gesprochenes und weiterentwickeltes Galicisch handelt (vgl. Wesch 2001: 15).
Man vermutet, dass die galicische Varietät im neunten Jahrhundert derart große Unterschiede zum Vulgärlatein aufwies, dass man die Existenz von zwei unabhängigen Sprachen annehmen konnte (vgl. Consello da Cultura).
Vom zwölften bis zum fünfzehnten Jahrhundert erlebte das zu diesem Zeitpunkt noch recht homogene Galicisch-Portugiesische seine Blütezeit als Literatursprache der gesamten Iberischen Halbinsel. Dabei wirkte sich der soziopolitische Kontext in höchstem Maße förderlich auf diese Entwicklung aus (vgl. ebd.): Der Zusammenschluss des bis 1071 unabhängigen Galiciens mit dem Königreich León und die Unterstützung seitens der 1143 entstandenen portugiesischen Krone ebneten den Weg für die Verbreitung der Troubadours - Dichter und Sänger höfischer mittelalterlichen Liedern - auf der gesamten Iberischen Halbinsel. Ihre Werke, die sogenannten ‚cántigas‘ in galego-portugués genossen ein hohes Prestige und veranlassten auf diese Weise auch viele Dichter außerhalb Galiciens dazu, diese Varietät zur Sprache ihrer Werke zu machen (vgl. Noack 2010: 153). Darüber hinaus war das Galicische die favorisierte Schriftsprache der Adeligen sowie hochrangigen Mitgliedern der Kirche und politischer Gremien (vgl. Consello da Cultura).
Ab dem 13. Jahrhundert setzt die unabhängige Entwicklung der galicischen und der portugiesischen Varietät ein, zu Anfang des 15. Jahrhunderts hatte sich der Abstand derart vergrößert, dass die beiden Idiome nicht mehr als Einheit wahrgenommen werden konnten.
Mit dem Einzug des Kastilischen, das das Galicische ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Schriftsprache zu verdrängen begann, zeichnet sich die Schwächung der regionalen Varietät in den folgenden drei Jahrhunderten ab (vgl. Noack 2010: 153).
Während sich das Portugiesische dank institutioneller Voraussetzungen weiterentwickeln konnte, brachen für das Galicische vom 16. bis zum 18. Jahrhundert die ‚siglos oscuros‘, die ‚dunklen Jahrhunderte‘, an, in denen die Varietät im öffentlichen Leben nahezu keine Rolle mehr spielte. Grund dafür waren erneut soziopolitische Rahmenbedingungen (vgl. Consello da Cultura): Im Zuge der sogenannten ‚Reconquista‘ erlangte Kastilien die Vorherrschaft in Galicien. Die neuen Machthaber waren jedoch der dort vorhandenen Sprache nicht mächtig und forcierten die Verwendung des Kastilischen bei formellen Dokumenten und öffentlichen Kommunikationssituationen, sodass die Dekadenz der galicischen Sprache unaufhaltsam war. Darüber hinaus stieg das Kastilische zum Statussymbol auf. Das Galicische erfuhr hingegen soziale Abschiebung und Marginalisierung: Es wurde als Sprache der unteren Schichten angesehen und lediglich mündlich in informellen Kontexten verwendet, da sich die Galicier ihrer Sprache mehr und mehr schämten. (vgl. Noack 2010: 153f).
In dieser sprachhistorischen Entwicklungsphase wurde das Galicische besonders in städtischen Gebieten stark vom Kastilischen beeinflusst, was sich unter anderem in Lexik und Orthographie widerspiegelte (vgl. ebd.: 154). Diesem Prozess wurde jedoch von Seiten der Galicier nichts entgegengesetzt, vielmehr strebte die Mehrheit das Kastilische oder die aufgekommene interferentielle Varietät der beiden Idiome als Kommunikationsmittel an (vgl. ebd.). Der Benediktinermönch Martín Sarmiento versuchte gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch Verfassen von galicischen Versen die Sprecher der Regionalsprache aus ihrer Selbstverleugnung zu reißen und läutete mit seinem enormen Einsatz für die galicisch Varietät die Epoche des ‚Re- xurdimento‘ ein (vgl. ebd.).
Die sprachliche, literarische und kulturelle ‚Wiedergeburt‘ des Galicischen als Schriftsprache setzte ungefähr mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ein. Neben dem ersten vollständig in Galicisch geschriebenen literarischen Werk ‚cantares gallegos‘ von Rosalía de Castro wurden auch erstmals ein Wörterbuch sowie eine Grammatik in der regionalen Sprache veröffentlich (vgl. Consello da Cultura). Diese Publikationen stellten einen wichtigen Schritt in Richtung Sprachnormierung dar. Außer de Castro sind des Weiteren Eduardo Pondal und Manuel Curros Enríquez als wichtige Vertreter dieser literarischen Bewegung zu nennen, da sie nicht nur galicische Werke publizierten, sondern die Verwendung des Idioms in der Literatur und im Alltag als Schriftsprache forderten. Schwierig war allerdings, dass das Re-xurdimento ausschließlich von ebendiesen Intellektuellen vorangetrieben werden musste, da das Volk nicht in der Lage war, Galicisch zu lesen oder zu schreiben und ihm zunächst auch das literarische Interesse fehlte. Trotzdem zog sich die positive Veränderung des Sprachbewusstseins durch alle sozialen Schichten, sodass die regionale Varietät wieder an Prestige gewann und sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein galicischer Nationalismus, der ‚Galeguismo‘, entwickelte, der die galicische Sprache nun endlich als Teil der Kultur und als Ausdruck der Nationalität anerkannte und akzeptierte (vgl. Noack 2010: 155).
Das 20. Jahrhundert ist vom schwierigen Weg zur Norm geprägt. Ziel war es, „die galicische Sprache zu vereinheitlichen, zu normieren und gesellschaftlich auszudehnen“ (Noack 2010: 156). Mit der Gründung der ‚Real Academia Galega‘ (RAG) 1905 sollte der Schutz und Erhalt der Regionalsprache gewährleistet werden. Darüber hinaus wurde das Galicische 1936 gesetzlich gemeinsam mit dem Kastilischen als offizielle Sprache in der autonomen Region Galicien anerkannt, sodass die Präsenz in den Kommunikationsmedien anstieg (vgl. ebd.). Trotzdem sahen sich die Befürworter der regionalen Varietät einer Sprachpolitik gegenüber gestellt, die alles andere als förderlich für die Normierung des Galicischen war: 1902 wurde seine Verwendung in Schulen per Dekret untersagt und seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 1936 sowie mit Beginn der Diktatur unter Francisco Franco erlebte das Galicische eine immense Diskriminierung (vgl. ebd.: 156f). Da Spanien zentralistischer ausgerichtet werden sollte, wurde staatlich geförderte Einrichtungen wie Schulen und Kirchen sowie den Medien und der Verwaltung das Kastilische auferlegt. Zusätzlich war von 1939 an das Schreiben in galicischer Sprache untersagt. Infolgedessen wanderten zahlreiche galicische Intellektuelle nach Argentinien und Kuba aus und begünstigten dort die Entwicklung ihrer Sprache durch galicische Verlage und Bücher. Ab den sechziger Jahren wurden trotz andauernder Diktatur die sprachpolitischen Anordnungen für Spanien gelockert, sodass sich die regionale Sprache und Kultur langsam wieder erholen und verbreiten konnte. Es entstanden nun auch hier galicische Verlage und regionalsprachliche Zeitschriften; einige Parteien verwendeten ihr Idiom in Wort und Schrift. Die Gründung des ‚Instituto da Lingua Galega‘ (ILG) der Universität Santiago de Compostela 1971 stellt einen weiteren Meilenstein auf dem Weg der Normierung der galicischen Sprache dar (vgl. ebd.: 157). Diese wurde allerdings in den folgenden Jahren durch den Normenstreit zwischen Reintegrationisten (‚lusistas‘) und Isolationisten zusätzlich erschwert.
Ebenfalls 1971 veröffentlicht die RAG die ‚Normas ortográficas e morfolóxicas do idioma galego‘, die eine Anpassung der galicischen Orthographie ans Portugiesische vorsahen. Damit bezweifelten die lusistas, dass das Galicische eine eigene Sprache ist und betrachten ihr Idiom bis heute nicht als Minderheitssprache, sondern als Dialekt einer Weltsprache, dem Portugiesischen, was eine Steigerung des sprachlichen Selbstwertgefühls mit sich bringt (vgl. ebd.:160).
Die ‚Bases prá unificación das normas lingüísticas do galego‘, die das eher isolationistisch orientierte ILG nach gemeinsamen Tagungen mit einigen Reintegrationisten 1980 herausgeben hat, erkennen ihre regionale Varietät dagegen als eigene Sprache, deren Orthographie von kastilische Einflüssen geprägt ist, an (vgl. Kabatek). Trotz gegensätzlicher Auffassungen und hin und wieder stattfindenden Kooperationssitzungen begann die eigentlich konstruktive Zusammenarbeit von RAG und ILG erst im Jahr 1980, sodass 1982 gemeinsam eine neue Auflage der ‚Normas ortográficas e morfolóxicas do idioma galego‘ vorgelegt werden konnte (vgl. ebd.).
Nach dem Tod Francos 1975 lebten die Bemühungen um die gesellschaftliche Ausdehnung und Normierung des Galicischen stärker auf denn je, da diese nun nicht mehr von politischer Seite ausgebremst oder unterbunden wurde (vgl. Noack 2010: 158).
Im Zuge der demokratischen Verfassung von 1978 wurde das Galicische dem Kastilischen als Sprache der autonomen Region gleichgestellt. 1982 wurden die von RAG und ILG gemeinsam erarbeiteten Normvorschläge offiziell als Standard des Galicischen festgelegt. Es handelt sich dabei um einen Kompromiss, der die Vorschläge beider Parteien berücksichtigt, dabei historische und soziale Aspekte einfließen lässt und trotzdem von der Eigenständigkeit des Idioms ausgeht. Die öffentliche Verwendung ebendieser Norm in Bildungswesen und Verwaltung wird 1983 durch das ‚Lei de Normalización Ligüística‘ ausgedehnt, wobei laut Gesetz jeder Galicier die Pflicht hat, seine Sprache zu kennen (vgl. ebd.).
Rein faktisch gesehen liegt in Galicien eine Diglossie-Situation vor, wobei sich die schwächere galicische Sprache dem stärkeren Kastilischen gegenüber gestellt sieht. Denn leider wurde die Normalisierung des Galicischen nach der Diktatur nicht in zufriedenstellender Weise betrieben und die Regierung tut, obwohl sie gesetzlich dazu verpflichtet ist, nur wenig für diesen so wichtigen Prozess. Als Folge des fehlenden normativen Zentrums wird besonders in Justiz und Regierung, aber auch in Handel und Kirche primär die kastilische Sprache benutzt, wohingegen das Galicische, das des Weiteren nach wie vor ein geringes Prestige hat, hauptsächlich im kulturellen Bereich sowie im Umgang mit Familie und Freunden verwendet wird (vgl. Noack 2010: 161f).
Im Bildungswesen ist die galicische Sprache zwar seit den achtziger Jahren präsent, allerdings stieß dieser Beschluss wegen seines geringen Prestiges auf den Widerstand der Eltern. Das Fehlen von finanziellen Mitteln und adäquaten Lehrwerken machten die Etablierung der regionalen Varietät im Schulwesen zunächst sehr schwierig (vgl. Esser 1990: 155f). Mittlerweile ist das Galicische auch außerhalb des eigenen Schulfaches mehr und mehr Unterrichtssprache, die Lehrmaterialien konnten in Zusammenarbeit mit dem ILG erstellt werden, sodass das die Minderheitensprache mittlerweile in allen Klassenstufen und insbesondere in den Fächern ‚ciencias sociais‘, Mathematik, Physik und Chemie im Schulalltag präsent ist (vgl. ebd.)
Am stärksten ist die galicische Varietät im Bereich der Medien vertreten. Obwohl seit 1985 ein rein galicischer, international orientierter Fernsehsender existiert, bieten die meisten lokalen Sender relativ wenige gehaltvolle Sendungen an (vgl. ebd.: 166), wodurch die intellektuelle Oberschicht nicht angesprochen werden kann. Dies wirkt sich negativ auf die Entwicklung des Prestiges aus. Hinsichtlich desselben scheint das Galicische in einer Art Teufelskreis gefangen zu sein und die Korrektur des Prestiges ins Positive gestaltet sich leider recht schwierig und langsam. Dieser Eindruck spiegelt sich auch im Presse- und Verlagswesen wider, wo das Kastilische trotz einiger galicischer Publikationen nach wie vor die dominante Sprache ist (vgl. Noack 2010: 165). Zurückzuführen ist dies laut Sabine Albrecht auf die Tatsache, dass die Machthaber der Presse immer noch dieselben sind wie zu Zeiten Francos (vgl. ebd.) – leider haben viele ihre ‚galicophobe‘ Einstellung beibehalten.
Ihre Ursache hat diese Einstellung vieler Galicier in der mangelhaften Sprachnormierung. Wie bereits erwähnt wurde die erste Phase der Sprachplanung, die Korpusplanung von politischer Seite aus erst sehr spät und nur mangelhaft umgesetzt. Eine offizielle Normierung ist zwar mittlerweile durch das Gesetz vorhanden, wird aber nicht von allen akzeptiert. Besonders die Reintegrationisten versuchen noch immer, ihre portugiesisch angelehnten Vorschläge zur Orthographie durchzusetzen (vgl. ebd.: 161).
Dabei wird leicht übersehen, dass sich die Bedeutung der Sprachnormierung nicht nur auf den Sprachkorpus beschränkt. Sie spielt vielmehr eine wichtige Rolle für die zweite Phase der Sprachnormierung, womit die Normalisierung der Sprache und ihre Verwendung im öffentlichen Leben sowie die Entwicklung und Ausprägung des Sprachbewusstseins ihrer Sprecher gemeint ist (vgl. Esser 1990: 119 f.). Man spricht daher auch von der Statusplanung (vgl. ebd.). Unklare Normbedingungen führen zu Unsicherheit im Gebrauch (vgl. ebd.), sodass viele Sprecher auf andere Sprachen, in diesem Fall das Kastilische, ausweichen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Normierung des Galicischen offiziell erfolgt ist. Allerdings herrscht große Unklarheit, sodass die Statusplanung bis heute noch nicht abgeschlossen werden konnte. Um diese zu fördern und um das Prestige des Idioms zu vergrößern, muss erstens seitens der Politik mehr Engagement aufgebracht werden und zweitens die Präsenz des Galicischen in der Öffentlichkeit zunehmen. Nur so kann die Varietät den in den Köpfen vieler Sprecher verankerten Status des Dialekts abstreifen und sich als Sprache, die über die regionalen Grenzen hinaus als solche anerkannt wird, etablieren.
Der jeweils aktuelle Stand des Galicischen hinsichtlich vieler verschiedener Themenbereiche kann der großen Anzahl von Statistiken, die beispielsweise die Regierung oder das IGE, ,Instituto Galego de Estatística‘, erstellt, entnommen werden. Wichtig für den Status des Galicischen ist einerseits, dass möglichst viele Menschen ihre Sprache kennen und dass sie sie andererseits nutzen. Im folgenden Abschnitt werden diese beiden Parameter der Statusplanung näher beleuchtet.
Laut der galicischen Regierung, der Xunta de Galicia, konnten durch Umfragen in den Jahren 1991 und 2001 folgende Daten erhoben werden:
Die Anzahl der Personen, die Galicisch verstehen, ist in der betrachteten Zeit von 96,96% auf 99,16% gestiegen, wobei dem IGE zufolge wider Erwarten nicht die ältere Generation, sondern die Gruppe der 15 bis 29 Jahre alten Menschen den Anteil stellt, der am besten galicisch versteht. Diese Entwicklung ist auf die veränderte Sprachsituation in der Schule zurückzuführen. Mit etwa 30 Jahren ist dann jedoch viel Gelerntes bereits wieder in Vergessenheit geraten. Bezüglich der Fähigkeit, Galicisch zu sprechen, hat sich der Wert von rund 91% zwischen den beiden Datenerhebungsjahren nicht nennenswert verändert. Dafür ist das Lesevermögen in nur zehn Jahren um knapp 20% auf 68,5% und die Schreibfähigkeit von geringen 34,85% auf 57,64% gestiegen (vgl. Xunta de Galicia). Diese vergleichsweise niedrigen Zahlen haben ihren Ursprung in der Sprachgeschichte. Durch die Diskriminierung des Galicischen generell und vor allem als Schriftsprache unter Franco sind viele der älteren Menschen, die ihre Varietät zwar verstehen und sprechen nicht in der Lage, sie zu lesen oder zu schreiben. Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, dass sich die Galicischkenntnisse der Bevölkerung als recht zufrieden stellend gestalten.
In der Praxis liegt allerdings eine andere Situation vor: Laut IGE hat sich die Anzahl derjenigen, die gewöhnlich nur Galicisch sprechen von 2003 bis 2008 von 42,98% auf 29,96% verringert. Der rund zwanzigprozentige Anteil der Personen, die ausschließlich das Kastilische verwenden, veränderte sich nicht nennenswert. Dafür erkennt man eine steigende Tendenz zum Bilinguismus: Bei gleichem Ausgangswert von ca. 18% hat sich die Gruppe der Sprecher, die das Kastilische mehr als das Galicische verwenden um 4%, diejenige, deren Sprecher die beiden Sprachen umgekehrt verwenden um 8% vergrößert (vgl. ebd.). Diese Entwicklung entspricht dem offiziellen Status des Galicischen in seiner Koexistenz mit dem Kastilischen.
Betrachtet man die Zahlen der bevorzugten Sprache für Schreiben und Lesen, ziehen etwas mehr als 80% das Kastilische dem Galicischen vor und nur 14% geben an, gewöhnlich in galicischer Sprache zu schreiben. 66,54% der Befragten gaben 2008 an, gewöhnlich in kastilischer Sprache zu lesen, nur 8,85% bevorzugen hier das Galicische; weitere 24,6% präferieren keine der beiden Sprachen (vgl. Instituto Galego de Estatística).
Den Grund dieser Situation findet man abermals in der Sprachgeschichte: Wie schon erwähnt verunsichern Unklarheiten in der Norm die Bevölkerung so sehr, dass viele lieber den relativ eindeutigen Standard des Kastilischen vorziehen. Darüber hinaus ist auch die vergleichsweise geringe Ausprägung des Galicischen in der Presse und im Verlagswesen ein Grund dafür, dass das Kastilische in dieser Hinsicht deutlich bevorzugt wird.
Das Prestige und seine Entwicklung lassen sich unter anderem durch die Verwendung der regionalen Varietät im alltäglichen Leben erkennen. Zahlen des IGE zufolge sprachen im Jahr 2003 49,1% galicisch mit der Mutter, 2008 waren es nur noch 42,5%, wohingegen der Anteil derjenigen, die ausschließlich kastilisch mit der Mutter sprechen von 31,98% auf 33,47% angestiegen ist. Personen, die häufig zwischen beiden Idiomen wechseln, gibt es in dieser Sparte wenig, die Zahlen liegen bei etwa 10%, wobei eine minimale Steigerung vorliegt. Im Gespräch mit dem Vater zeigt die Statistik bezüglich der verwendeten Sprachen eine solche Ähnlichkeit, dass sie hier nicht mehr gesondert angeführt wird (vgl. ebd.).
Um eine Einschätzung hinsichtlich des Galicischen und seines Status als Dialekt oder Sprache vorzunehmen, ist es erforderlich, sich mit den Besonderheiten der Varietät zu befassen. Wie im Vorwort bereits festgestellt wurde, gibt es nicht wenige Unterschiede zum Kastilischen und zum Portugiesischen, die sich durch alle Bereiche der Sprache ziehen. Eine detaillierte Erläuterung der Differenzen würde an dieser Stelle zu weit führen. Daher sollen nur einige charakteristische Abweichungen exemplarisch behandelt werden.
Der wohl auffälligste Unterschied bezüglich der Orthographie ist der Gebrauch des Graphems <x> an Stelle von <g> und <j>, die das Phonem /š/ im Kastilischen realisieren (vgl. Luyken 1994: 233). Darüber hinaus existieren unterschiedliche graphische Realisierungen des Phonems /ŋ/. Das Kastilische verwendet hier ausschließlich das Graphem <ñ>, das Galicische kennt je nach Artikulationsort darüber hinaus sowohl die Schreibweisen ‚nh‘ als auch mit ‚mh‘ (vgl. ebd.: 236f).
Im phonetischen Bereich wurde bereits zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert die Stimmhaftigkeit in der Reihe der Sibilanten – Frikative, wie sie beispielsweise bei s und z vorkommen (vgl. Duden) - aufgehoben, wohingegen sowohl das Portugiesische als auch das Kastilische die Opposition stimmhaft bzw. stimmlos beibehalten haben (vgl. Albrecht 1992: 10). Eine weitere Besonderheit des Galicischen ist die sogenannte ‚gheada‘, bei der das g pharyngal aspiriert ausgesprochen wird (vgl. ebd.).
Auch im morphosyntaktischen Bereich weicht das Galicische von seinen Schwestersprachen ab: Betrachtet man die Dativpronomina, stellt man fest, dass zum Beispiel die zweite Person Singular im Portugiesischen und im Kastilischen ‚te‘, im Galicischen jedoch ‚che‘ lautet (vgl. Herrmann 1990: 166). Weitere Besonderheiten stellen die bestimmten und die unbestimmten Artikel dar: Während letztere im Portugiesischen ‚um‘ und ‚uma‘ heißen, liegen im Kastilischen ‚un‘ und ‚una‘ und im Galicischen ‚um‘ sowie ‚unha‘ vor (vgl. ebd.). An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass das Galicische nicht nur geographisch sondern auch linguistisch im Zwischenbereich von Portugal und dem Rest Spaniens bzw. dem Kastilischen liegt.
Auch in den Genera weicht die galicische Varietät des Öfteren von der portugiesischen und bzw. oder der kastilischen Norm ab. Das kastilische Wort für Milch, ‚leche‘, ist beispielsweise dem weiblichen Wortgeschlecht zuzuordnen, das korrespondierende galicische (und portugiesische) Wort ‚leite‘ trägt jedoch den männlichen Artikel (vgl. ebd.: 167).
Der am meisten von Differenzen betroffene Sprachbereich ist die Lexik. So gibt es Wörter, die man zwar auch im Kastilischen findet, die aber im in der galicischen Sprache eine andere Bedeutung haben. Das kastilische Verb ‚sacar‘ (dt.: herausnehmen, -ziehen) kann beispielsweise durch ‚quitar‘ – was sich aus dem Kastilischen mit ‚abziehen‘ bzw. ‚ausziehen‘ ins Deutsche übersetzen lässt - ausgetauscht werden. Darüber hinaus existieren Wörter, die zwar spezifisch für die galicische Varietät sind, von ihren Sprecher aber auch nach Code-switching ins Kastilische beibehalten werden. Daher verwenden Menschen, die beide Idiome beherrschen zum Beispiel ‚parvo‘ als Synonym für das kastilische ‚tonto‘ (dt.: dumm) (vgl. Porto Dapena). Neben den einzelnen Wörtern existiert eine Vielzahl von Verbalphrasen und typischen Redewendungen, was für eine Eigenständigkeit der Sprache spricht.
Bevor sich die Arbeit abschließend dem Einordnungsversuch des Galicischen zuwendet, sollen erst die in Frage kommenden Möglichkeiten kurz erläutert werden. Einerseits könnte man die regionale Varietät Galiciens als spanischen oder portugiesischen Dialekt betrachten - dies entspräche der Auffassung der Reintegrationisten. Andererseits wäre auch die Einordnung als Minderheitssprache mit kastilischen Einflüssen und starker Anlehnung an das Portugiesische denkbar (vgl. Dietrich/Geckeler 2007: 40f).
Vom linguistischen Standpunkt aus gesehen handelt es sich beim Portugiesischen und dem Galicischen um die gleiche Sprache, wobei man erstere als weiterentwickeltes Galicisch verstehen darf (vgl. Albrecht 1992: 4). Nimmt man dagegen den soziolinguistischen Standpunkt ein, müssen die beiden genannten Idiome jeweils als eigenständige moderne Sprache mit phonetischen, morphosyntaktischen und lexikalischen, die gegenseitige Verständigung nicht behindernde Unterschieden angesehen werden (vgl. ebd.).
Arbeitet man mit den Kloss’schen Termini der Abs und AuS, so dürfte allein aufgrund der äußerst intensiv diskutierten und komplexen Thematik „Galicisch - Sprache oder Dialekt?“ klar sein, dass das Idiom nicht genügend Unterschiede zum Spanischen beziehungsweise Portugiesischen aufweist, um als AbS eigeordnet werden zu können. Dafür werden die Kriterien für eine AuS in zufriedenstellendem Maße erfüllt: Es existiert eine thematisch recht breit gefächerte Literatur, die von Lyrik über Zweck- bis hin zur Sachprosa reicht. Besonders die Bücher über sachliche Themen, wie in diesem Falle z.B. über Fischerei und Demographie, rechtfertigen und legitimieren die Bezeichnung als Ausbausprache. Darüber hinaus sprechen weitere Argumente dafür, dass es sich beim Galicischen um eine Minderheitensprache und nicht um einen Dialekt handelt (vgl. ebd.: 29): Zum einen ist die eingeleitete sprachliche Normierung und Normalisierung ein Indiz dafür, dass es sich nicht „nur“ um einen Dialekt handelt und zum anderen verstärkt ein steigender Normierungs- und Normalisierungsgrad auch das Sprachbewusstsein, das den zweiten Aspekt für eine anerkannte Sprache darstellt. Obwohl das Prestige des Galicischen noch stark ausbaufähig ist, sollte man jedoch nicht übersehen, dass in diesem Bereich und bei der damit zusammenhängenden sprachlichen Identifikation mit der Regionalsprache im Verlauf der letzten 30 Jahre bereits eine positive Entwicklung erkennbar ist. Man kann also vom Vorhandensein eines Sprachbewusstseins „innerhalb einer ethnisch, historisch-sozial und kulturell eigenständigen Gemeinschaft“ (ebd.: 7) sprechen (vgl. ebd.: 7). Darüber hinaus sind die aufgezeigten sprachstrukturellen Charakteristika nicht von der Hand zu weisen, und die Tatsache, dass die Kommunikation mit kastilisch sprechenden Spaniern nicht ohne weiteres möglich ist, zeigt, dass es sich nicht um unwesentliche Unterschiede handelt. Obwohl diesbezüglich mit Sprechern des Portugiesischen fast keinerlei Einschränkung besteht, existiert doch ein weiteres Argument, das für das Galicische als eigene Sprache spricht: Die Verankerung der Minderheitssprache in der Verfassung des Autonomiestatuts unterstreicht die Bedeutung und den Wert des Galicischen, dem das Idiom zumindest theoretisch beigemessen werden sollte (vgl. ebd.). Aufgrund der aufgeführten Aspekte kann das Galicische, „das ein kompliziertes System von Mundarten darstellt, aber nicht dialektal fragmentiert ist“ (ebd.) als eigenständige Sprache angesehen werden (vgl. ebd.). Dabei nimmt das Galicische besonders unter Beachtung der sprachgeschichtlichen Entwicklungen die Rolle eine Brückensprache zwischen dem Portugiesischen und dem Kastilischen ein. Damit ist eine Sprache, die im Verlauf des soziokulturellen Emanzipationsprozesses der betreffen Sprachgemeinschaft in der interkulturellen Kommunikation vermitteln kann, gemeint (vgl. ebd.: 9). Möglich ist dies aufgrund der Lage Galiciens im zeitlichen und räumlichen Kontinuum der Romania. Diese Entwicklung wurde durch das viel diskutierte Problem „der fehlenden Einheit der Literatur- bzw. Standardsprache“ (ebd.) als Folge der ungenügenden Standardisierung in der Vergangenheit begünstigt (vgl. ebd.).
Die Frage, ob es sich beim Galicischen um einen Dialekt oder eine Sprache handelt, beschäftigt die Wissenschaft schon seit langem, ebenso wie die Frage, wie man die Termini ‚Sprache‘ und ‚Dialekt‘ fachgerecht voneinander abgrenzen kann. Die vorliegende Arbeit hat eine Vielzahl von Lösungswegen aufgegriffen, da ein gewisser Überblick in diesem Gebiet unabdingbar für das Verständnis der Arbeit ist. Die Sprachgeschichte bietet neben der informativen Seite Erklärungen für den aktuellen Stand der galicischen Sprache in der Gesellschaft, wobei die politische Unterdrückung und der Normenstreit die Hauptgründe für die nicht ideal verlaufene Standardisierung und Normalisierung darstellen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen, doch relativ geringen Abstandkriterien und dem dafür umso ausgeprägteren Ausbaukriterium sowie hinsichtlich der Gesetzeslage kann das Galicische als Minderheitssprache begriffen werden, die mit dem Portugiesischen aufgrund anfänglicher gemeinsamer Entwicklungen sehr ähnlich ist, im weiteren geschichtlichen Verlauf jedoch auch durch kastilische Einflüsse geprägt ist und somit das verbindende Glied zwischen den beiden großen Sprachen ist. Führt man sich all diese Aspekte vor Augen und bedenkt man die Verständnisschwierigkeiten nicht nur für Spanischlernende, die unter anderem die anfänglich genannte Gedichtszeile birgt, ist es unschwer zu akzeptieren und anzuerkennen, dass es sich beim Galicischen tatsächlich um eine romanische Sprache handelt, die allein in den Köpfen vieler Menschen noch nicht als solche existiert. Dies gilt es zu ändern, damit ein wichtiger Bestandteil der vielfältigen spanischen Sprachlandschaft erhalten bleibt, akzeptiert und geschätzt wird.
Albrecht, Sabine (1992): Die Standardnorm des Galicischen. Abhandlungen zu Sprache und Literatur. Bonn: Romanistischer Verlag.
Coseriu, Eugenio (1988): Einführung in die allgemeine Sprachwissenschaft. Tübingen: Francke (UTB für die Wissenschaft: Uni-Taschenbücher; 1372).
Dieste, Rafael (1995): Dos arquivos do trasno. Vigo: Galaxia.
Dietrich, Wolf/Geckeler, Horst (2007): Einführung in die spanische Sprachwissenschaft: Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Berlin: Schmidt (Grundlagen der Romanistik; 15).
Esser, Ursula (1990): Die Entwicklung des Galizischen zur modernen Kultursprache. Eine Fallstudie zur aktuellen Sprachplanung. Bonn: Romanistischer Verlag.