Das Geheimnis der "Oceanic" - Carlo Andersen - E-Book

Das Geheimnis der "Oceanic" E-Book

Carlo Andersen

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Beschreibung

Nachdem Jan due Krawatte umgebunden hatte, ging er zu seinem Koffer, um das Schmuckstück hervorzuholen. Er öffnete den Koffer und stiess einen Ruf des Erstaunens aus: "Nein, so etwas! Erling, schau doch nur.""Was gibt's denn?"Erling trat zu ihm. Der Koffer war durchwühlt worden. Alles lag kunterbunt durcheinander. und als Jan seine Sachen durchstöberte, um den Schmuck zu finden, entdeckte er, dass die Such hoffnungslos war - das Schmuckstück war weg.JAN ALS DETEKTIV - die spannende Kultbuchreihe ist zurück - toller denn je!DIE JAN ALS DETEKTIV-REIHEIst es möglich, gute Kriminalgeschichten für die Jugend zu schreiben?Diese war die Frage, die die Kriminalschriftsteller, Knud Meister und Carlo Andersen, stellten, als sie mit der Jan-Reihe anfingen. 70 Jahre später beweist der Erfolg der Jan-Reihe das Gelingen. Die Reihe zählt mehr als 80 Bücher - 33 in deutscher Übersetzung. In den Romanen geht es um den 14- bis 20-jährigen Jan Helmer und seine Freunde, die in allerlei Abenteuer verwickelt werden. Jan ist der Sohn eines Kopenhagener Kriminalkommissars, dem sein Vater regelmässig von seinem Beruf erzählt, um ihn zu zeigen, dass Mut, kühle Überlegung und restloser Einsatz der ganzen Person vonnöten sind, um dem Kampf mit einem Verbrecher aufzunehmen. Jan kennt keinen andern Gedanken, als später einmal den gleichen Beruf wie sein Vater auszuüben. Natürlich ergreift er jede Gelegenheit, sich im kleinen als 'Detektiv' zu erproben.Die Bücher wenden sich an jüngere Leser.-

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Knud Meister

Carlo Andersen

Das Geheimnis der »Oceanic«

Saga

Jan – Das Geheimnis der „Oceanic“

Aus dem Dänischen von Ursula von Wiese

Originaltitel: Mysteriet på “Oceanic” © 1960 Carlo Andersen, Knud Meister

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711458266

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

Erstes Kapitel

Die »Oceanic«

»So etwas Schönes haben wir wirklich noch nie erlebt!« sagte Jan Helmer. Er stand an der Reling des großen Vergnügungsdampfers »Oceanic« und blickte auf den Hafen von Kopenhagen, der immer mehr in die Ferne rückte, während der Dampfer nordwärts nach Kronberg fuhr.

Neben ihm stand sein unzertrennlicher Freund und Gefolgsmann Erling Krag. Natürlich war der dicke Erling mit Essen beschäftigt! Der Inhalt einer großen Tüte Rahmkaramellen verschwand ruhig und sicher in seinem Magen, indes er zusammen mit seinem Freund die herrliche Aussicht genoß.

»Ja, da hast du recht«, antwortete Erling. »Hier ist es in jeder Beziehung erstklassig.« Er redete etwas undeutlich, weil die zähen Karamellen an seinen Zähnen klebten. »Jetzt fehlt uns nur noch ein kleiner aufregender Fall, an dem mein hochgeschätzter Freund, Herr Jan Helmer, seine schon oft bewiesenen Fähigkeiten als Sherlock Holmes erproben kann. Wenn ein solcher Fall sich ergäbe, wäre es geradezu ideal.«

»Na, die Gefahr ist sicher nicht groß«, meinte Jan. »Hier sieht es jedenfalls höchst friedlich aus.«

»Es gibt aber noch etwas«, ereiferte sich Erling und verzehrte noch eine Rahmkaramelle, »etwas sehr Wichtiges, das wir noch nicht in Augenschein genommen haben.«

»Und das wäre?«

»Die Küche, das heißt die Kombüse. Man sagt, daß es auf Schiffen immer besonders gutes Essen gibt. Es würde mich freuen, wenn dieses Gerücht der Wahrheit entspräche.«

»Ach, du denkst immer nur ans Essen«, seufzte Jan.

»Zum Ausgleich denkst du nie an Speis und Trank. Da ist es bloß gut, daß ich mich dieser außerordentlich bedeutsamen Angelegenheit bereitwilligst für uns beide annehme«, erwiderte Erling. »Wenn wir nichts zu essen bekämen ...«

»Hör auf, ich kenne deinen Standpunkt allzu gut. Wir wollen uns lieber noch ein bißchen umschauen. Komm!«

Die Tatsache, daß Jan mit seinem Freund Erling das entführte Söhnchen des Schiffsreeders Morton gefunden und das Geheimnis dieses Kindsraubes aufgeklärt hatte, war Veranlassung gewesen, daß Morton die beiden Jungen zum Dank für ihre Bemühungen zu einer Fahrt nach den norwegischen Fjorden auf der »Oceanic« eingeladen hatte, auf dem schönsten Luxusdampfer der Nordsee, der kurze Kreuzfahrten in den skandinavischen Gewässern unternahm. Es war ein beinahe neues Schiff, ganz modern eingerichtet, das die Bewunderung und Begeisterung der Knaben erregte.

Die »Oceanic« war schneeweiß gestrichen und elegant in den Linien. Sie wurde von Dieselmotoren angetrieben, so daß an Bord tadellose Sauberkeit herrschte, denn es gab keinen Kohlenstaub, der das Schiff beschmutzt hätte. Auf dem breiten Promenadendeck standen bequeme Liegestühle, von denen aus die Fahrgäste die Aussicht übers Meer betrachten konnten. Natürlich gab es auch einen schmucken Speisesaal, Galerien zuoberst auf dem Sonnendeck, Teesalons, Spielsalons und einen Ballsaal mit prächtigen Deckenmalereien. An einer andern Stelle entdeckten die Jungen einen großen Turnsaal mit Punchbällen, Rudermaschinen und vielen Turngeräten; schließlich entdeckten sie noch eine hübsche kleine Schwimmhalle mit hellgrünen Fliesen, wo das Wasser im Becken grasgrün schimmerte.

»Donnerwetter!«, stieß Jan hervor, als sie endlich ihren Rundgang beendet hatten und auf dem Deck in Liegestühle sanken. »Hast du gewußt, daß es an Bord eines Schiffes solche Annehmlichkeiten gibt?«

»Natürlich«, versetzte Erling würdevoll. »Aber ich betone nochmals, daß wir die Küche nicht besichtigt haben, so daß wir uns noch kein endgültiges Urteil bilden können.«

»Es wäre richtiger, wenn wir erst den Kapitän begrüßten«, bestimmte Jan. »Ich glaube, wir steigen einmal auf die Brücke hinauf.«

»Brücke! Du bist wahrhaftig schon ein befahrener Seemann geworden!« lachte Erling. »Wir armseligen Landkrabben pflegen ›Kommandobrücke‹ zu sagen; aber du zählst dich offenbar zu den alteingesessenen Seeleuten. Du berechnest die Zeit wohl auch nach ›Glasen‹ und ›purrst‹a, anstatt deinen Nachbar auf Landkrabbenart einfach zu wecken?«

»Laß deine dummen Witze. Ich erinnere mich gut, wie du bei unsern detektivistischen Unternehmungen immer wie ein Kriminalbeamter redetest. Also, komm mit auf die Brücke, armselige Landkrabbe!«

Die Knaben gingen nicht ohne einen gewissen Stolz an dem Schild vorbei, welches verkündete, daß Unbefugten hier der Zutritt verboten war. Sie sprangen die Treppe zur Kommandobrücke hinauf, wo sie Kapitän Bentsen trafen, der sich als ein Seemann von modernem Schlage erwies. Er war kein bärtiger, jovialer Seebär, wie er in Seegeschichten vorkommt, sondern ein schlanker junger Mann mit sonnverbranntem, glattrasiertem Gesicht, klugen, scharfen blauen Augen und einem freundlichen Lächeln um die schmalen Lippen.

»So, da sind ja meine beiden Ehrenpassagiere«, sagte er und drückte Jan und Erling die Hand. »Hoffentlich gefällt euch die Fahrt, und hoffentlich werdet ihr nicht seekrank.«

»O nein, wir sind durchs Segeln abgebrüht«, entgegnete Erling.

»Wahrhaftig?«

»Ja, wir gehören zu den Junioren vom Helleruper Segelklub«, erklärte Jan. »Aber viel wird uns das wohl nicht nützen, wenn wir in hohen Wellengang geraten.«

»Nun ja, ich muß einräumen, daß zwischen der ›Oceanic‹ und einem Junioren-Übungsboot ein Unterschied besteht«, lächelte der Kapitän. »Zum Glück sieht es aber nicht so aus, als ob wir Sturm zu befürchten hätten. Habt ihr schon eure Kabine gesehen?«

»Ja, sie ist wunderschön.«

»Und habt ihr euch auch sonst auf dem Schiff umgeschaut?«

»Erst flüchtig«, antwortete Erling. »Wir haben uns noch nicht auf lange Expeditionen gewagt, sondern wollten erst mit Ihnen sprechen.«

»Das ist nett von euch. Es freut mich, daß ich nun eure Bekanntschaft gemacht habe. Ich bin überzeugt, daß ihr mir keine Ungelegenheiten bereiten werdet.«

»Bestimmt nicht«, versicherte Jan.

Aber Erling fügte schnell hinzu: »Abgesehen davon, daß ich die Neigung habe, alle Speisekammern zu leeren, die in meinen Gesichtskreis geraten, werden wir uns tadellos benehmen. Ich möchte Sie nur von vornherein auf meinen ungeheuren Appetit aufmerksam machen, Herr Kapitän.«

»Du darfst ihm ruhig freien Lauf lassen«, lachte Bentsen. »Ich glaube, wir haben genügend Lebensmittel geladen, um dich zu sättigen. Allerdings siehst du aus, als ob du der Wochenration einer ganzen Besatzung an einem einzigen Tag den Garaus machen könntest!«

»Da hast du’s«, lachte Jan.

Erling verbeugte sich tief und sagte: »Ich danke Ihnen für Ihr Zutrauen, Herr Kapitän. Falls es übrigens Arbeit für einen tüchtigen Detektiv gibt, so empfiehlt sich Ihnen die Firma Jan und Kompanie mit allem, was zum Fach gehört. Die Kompanie bin ich.«

»Die letzte Aufklärung war überflüssig«, antwortete Kapitän Bentsen schmunzelnd. Er drehte sich nach einem Mann um, der gerade die Treppe zur Kommandobrücke heraufkam: »Ah, Steuermann Bögh, hören Sie ...«

Der Steuermann trat herbei. Er war wirklich ein kleiner, vierschrötiger Seebär mit kurzem Vollbart und lustig blitzenden braunen Augen. Nachdem der Kapitän ihm die Knaben vorgestellt hatte, reichte er ihnen eine Hand, die ungefähr die Größe einer Gartenschaufel hatte, und sein Händedruck war so kräftig, daß sie die Zähne zusammenbeißen mußten.

»So, das sind also Sherlock Holmes und Doktor Watson«, lachte Bögh. »Ich bin ein großer Liebhaber von guten Detektivgeschichten, und ich werde gern die Gelegenheit benutzen, mit euch gemütlich über eure Erlebnisse zu plaudern. Wir wollen zusammenhalten. Ich weiß, was ihr geleistet habt, und ich muß sagen, das war ein schönes Stück Arbeit. Ich beneide dich sehr, Jan; denn ich habe mir schon immer gewünscht, einmal ein Verbrechen aufklären zu können.« Mit einem Seufzer fügte er hinzu: »Leider sehe ich keine Möglichkeiten für die Erfüllung dieses Wunsches. Ich eigne mich nicht für solche Dinge.«

»Ich wußte ja gar nicht, daß Sie ein verkappter Detektiv sind, Steuermann«, sagte der Kapitän und zündete sich seine Pfeife an. »Das kommt davon, wenn man Verbrecherromane liest.«

»Entschuldigung, da muß ich widersprechen«, entgegnete Bögh. »Ich habe noch nie einen Verbrecherroman aufgeschlagen. Was ich lese, das sind Detektivromane.«

»Das ist doch wohl dasselbe«, meinte Bentsen.

»O nein, das sind zwei ganz verschiedene Sachen. Ein Verbrecherroman handelt, wie das Wort sagt, von Verbrechern, deren ›Taten‹ er gewöhnlich verherrlicht. Es versteht sich von selbst, daß solche Bücher Schund sind, weil ja gar kein Grund vorliegt, derartigen ›Taten‹ viele Worte zu opfern. Der Detektivroman hingegen schildert, wie Verbrechen aufgeklärt werden. Eine gut geschriebene Detektivgeschichte kommt der Wahrheit entschieden näher, zumal die Verbrecher zum Schluß ihre Strafe erhalten. Es ist recht aufschlußreich, von der spannenden Arbeit der Detektive zu lesen. Das ist gewissermaßen eine Denksportaufgabe, an der man seinen Verstand schulen kann. Man folgt dem Detektiv von Spur zu Spur, bis man genau wie er in der Lage ist, das Rätsel zu lösen. Nur daß man es nicht immer kann – so leicht ist das nämlich nicht!«

»Das ist ja ein richtiger Vortrag, den Sie uns da gehalten haben, Steuermann«, sagte Kapitän Bentsen. »In dieser Beziehung haben Sie mich noch nie verwöhnt. Aber ich verstehe Sie jetzt recht gut. Ihrer Ansicht nach können gute Detektivgeschichten nützlich wirken, weil darin dargestellt wird, wie die Diener der Gerechtigkeit arbeiten; wohingegen der Verbrecherroman wertlos ist, weil hier der Verbrecher als Held verherrlicht wird. Stimmt das?«

»Durchaus. Jetzt verstehen Sie den Unterschied, nicht wahr, Herr Kapitän? Am Detektivroman habe ich immer meine Freude; denn da sehe ich den Verbrecher so gezeichnet, wie er in Wirklichkeit ist, nicht als einen Helden, sondern als einen Schuft, der keine Pflichten gegenüber der Gesellschaft anerkennt, keine Ehre im Leibe hat und die Rechtschaffenheit, das höchste Ziel der Menschen, mit Füßen tritt.«

»Nun bin ich um vieles klüger geworden«, sagte der Kapitän. »Ich habe mir diese Dinge nie überlegt. So, jetzt übergebe ich Ihnen die Wache, Steuermann. Inzwischen spiele ich ein wenig Fremdenführer und zeige meinen Gästen unsern Kahn.«

Jan und Erling verabschiedeten sich von dem Steuermann, der sie vergnügt anlächelte. Sie kletterten hinter Kapitän Bentsen die Treppe hinab, um noch mehr von der Herrlichkeit der »Oceanic« zu sehen.

Zweites Kapitel

Fahrt im Nebel

»Ich möchte keineswegs behaupten, daß das Leben eines reichen Mannes an Bord eines Luxusdampfers unbefriedigend ist«, sagte Erling und begann sich die Zähne zu putzen.

Jan, der bereits in seiner Koje lag, stützte sich auf den Ellenbogen und antwortete: »Sicher könnte man dieses Leben eine Zeitlang aushalten; aber ob es auf die Dauer nicht doch langweilig wäre?«

»Aber ich bitte dich! Hast du jemals ein solches Beefsteak gegessen wie das von heute abend? Und an jedem Finger einen Steward, von dem man bedient wird! Das ist auf jeden Fall ganz nach meinem Geschmack, und ich bin für ein solches Dasein wie geschaffen.«

Erling legte sich in seine Koje. Die Freunde hatten, weil jeder die oberste Koje vorzog, den begehrten Platz ausgelost, und Jan hatte gewonnen.

»Ich bin offen gestanden recht froh über diesen Zufall«, hatte Jan neckend gesagt, »denn wenn du die oberste Koje gewonnen hättest, würdest du mit deinem Elefantenleib die Matratze so sehr hinunterdrücken, daß in der unteren Koje gar kein Platz mehr geblieben wäre.«

Erling hatte daraufhin erklärt, es sei ihm vollkommen gleichgültig, ob er oben oder unten schliefe, wenn er nur schliefe.

»So, nun schlingern wir in Morpheus’ Armen weiter«, seufzte Erling behaglich und zog die Decke herauf. »Mach das Licht aus, und laß uns schön schlafen. Ich habe gehört, daß die Seeluft sich nicht damit begnügt, den Appetit zu schärfen. Sie macht auch mörderisch müde.«

Jan schaltete das Licht aus.

»Du hast recht«, gab er zurück. »Ich bin so müde, daß ich im Stehen schlafen könnte. Gute Nacht, alter Knabe.«

»Gute Nacht. Schlummre süß.«

Eine Weile herrschte Schweigen in der Kabine. Aus der Ferne vernahm man einzelne Töne des Schiffsorchesters und als Begleitmelodie das dumpfe Stampfen der stetig arbeitenden schweren Dieselmotoren. Ab und zu schritt jemand draußen im Gang vorbei. Sonst war es still auf dem A-Deck, wo die Kabine der Jungen lag.

Plötzlich sagte Erling: »Wenn es gestattet ist, verehrter Herr Sherlock Holmes, möchte ich Ihnen gern mitteilen, was für eine Ahnung mich bewegt ...«

»Schieß los«, fiel Jan ein; »aber sprich wie ein normaler Mensch und nicht wie ein Brief aus einem Ministerium ... im Besitz Ihres Geehrten vom Siebenundzwanzigsten vorigen Monats möchten wir nicht unterlassen, Sie darauf aufmerksam zu machen ... Das klingt gräßlich.«

»Sei nicht so streng. Ich will ja nur als Orakel für dich auftreten. Geheimnisvolle Dinge liebst du doch.«

»Was soll der Quatsch?«

»Es ist bestimmt kein Quatsch. Ich dachte nämlich darüber nach, ob unsere Reise wohl so glatt und geruhsam verlaufen wird, wie wir annehmen, und da sagte mir mein linker großer Zeh, daß etwas geschehen wird!«

»Es wird etwas geschehen?«

»Ja, ich wette, daß wir irgend etwas Spannendes erleben werden.«

»Wie kommst du darauf?«

»Mein linker großer Zeh ...«

»Hör auf mit deinem großen Zeh!«

»Wenn du dem Orakel nicht glaubst, ist das deine Sache«, entgegnete Erling gekränkt. »Ich versichere dir, mein großer Zeh hat seltsame Ereignisse für die nächste Zukunft vorausgesagt.«

»Wie sollten sie sich denn ergeben?«

»Darüber wollte sich der Zeh nicht auslassen.«

Es entstand eine Pause.

Dann ließ Jan sich verlauten: »Nach dem, was ich von den Passagieren gesehen habe, scheint die Möglichkeit für ein spannendes Erlebnis nicht sehr groß zu sein. Sie wirken alle sehr friedlich. Findest du nicht auch?«

»Ja, aber man weiß ja nie ...«

»Stimmt. Was hältst du denn von der Frau Generalkonsul an unserem Tisch?«

»Du meinst, am Tisch des Kapitäns«, verbesserte Erling. »Es gilt an Bord eines Schiffes als große Ehre, am Kapitänstisch zu sitzen; und wir haben es nur Herrn Morton zu verdanken, daß wir als seine Gäste dieses Vorzugs gewürdigt werden. Im übrigen finde ich, daß die Leute, die wir mit unserer Gegenwart beim Essen beehrt haben, einen ganz verschiedenen Eindruck machen. Die Frau Generalkonsul ... wie heißt sie doch noch?«

»Aashöj.«

»Richtig, ja, Aashöj – was für ein Name! Frau Generalkonsul Aashöj ist vielleicht der eigenartigste Typ. Bis jetzt dachte ich immer, die Frau eines Generalkonsuls sei eine ältere Dame mit Lorgnon und hochgeschlossenem, violettem Kleid. Frau Aashöj gleicht aber eher dem, was man einen Filmstern zu nennen pflegt, jedenfalls im Aussehen.«

»Hast du etwa dein Herz an sie verloren?« lachte Jan.

»Nur nicht so hochnäsig, lieber Freund«, erwiderte Erling. »Hast du nicht selbst die Rede auf die Dame gebracht?«

»Ja, aber ich hatte im Sinn, die ganze Gesellschaft durchzugehen. Und da die Frau Generalkonsul zur Rechten des Kapitäns sitzt, war es durchaus natürlich, mit ihr anzufangen. Was hältst du von ihr? Eignet sie sich zur Hauptperson in einem Drama?«

»Ich weiß nicht recht. Sie ist ja sowohl schön als auch jung und insofern geeignet. Hast du den Blick bemerkt, den sie mir zuwarf, als ich mir die letzte saure Gurke nahm? Ich glaube nicht, daß Frau Generalkonsul Aashöj hungrige Buben liebt.«

»Nein, sie freute sich nicht über unser Vorhandensein, das war deutlich zu erkennen«, antwortete Jan.

»Daran war die Gurke schuld«, erklärte Erling. »Morgen wird es genügend saure Gurken geben, und