Das Geheimnis der Papierfabrik - Vermächtnis - Manuela Schneider - E-Book

Das Geheimnis der Papierfabrik - Vermächtnis E-Book

Manuela Schneider

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Beschreibung

Nachdem Markus Richter auf tragische Weise sein Leben verliert, geht die kleine Ansiedlung Waldwinkel und die Papierfabrik in den Besitz seiner Tochter Anna über. Mit dem Erbe tritt diese das Vermächtnis ihres Vaters an. Verschwundene Dokumente, schweigsame Zeitzeugen, ein Mord und unheimliche Beobachter bestimmen plötzlich Annas Leben. Wird sie endlich das Geheimnis der Papierfabrik lösen können?

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Seitenzahl: 96

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das Geheimnis der Papierfabrik

Vermächtnis

Manuela Schneider

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß §44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

Texte: © Copyright by Manuela SchneiderCover:© KI-generiert Copyright by Manuela Schneider

Verlag:Neopubli GmbHKöpenicker Straße 154a10997 Berlin

Druck:epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

1

Eine kräftige Herbstbrise fuhr durch die kargen Äste der Bäume und zerrte an den Blättern, die zögerlich ihren Halt aufgaben. Jedes Blatt schien sich in einem letzten Tanz zu winden, bevor es lautlos zu Boden fiel. Der raue und eisige Wind trug den Duft von feuchtem Moos und verrottendem Laub mit sich, ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Herbst in seinen letzten Atemzügen lag und bald der Winter Einzug halten würde.

Über der alten Ansiedlung lag eine fast schon mystische Stille. Kaum etwas deutete darauf hin, dass noch vor einigen Tagen das Leben zurückgekehrt war, als Markus Richter und sein Freund Klaus in der alten Villa beschäftigt waren. Für Fremde mochte das Areal immer noch aussehen, als ob Waldwinkel dem Verfall preisgegeben wäre.

Ein schwarzer Oldtimer mit blankpolierten Chromverzierungen hielt geräuschlos vor dem Eingang zur Papierfabrik, als ob er aus einer längst vergessenen Zeit direkt in diese düster-romantische Szenerie gefahren wäre. Der Motor stoppte, und für einen Moment legte sich eine gespannte Vorahnung über die Szenerie. Zwei Männer stiegen aus, gehüllt in lange Mäntel, die gegen die beißende Kälte Schutz boten.

Ungesehen bewegten sie sich durch die Dunkelheit, die nur schwach vom Mondlicht erhellt wurde. Das fahle Licht ließ ihre Schatten in unheilvolle Gestalten verwandeln, die über die Fassaden der verfallenen Gebäude huschten. Ein leises Rascheln der Schritte auf dem feuchten Boden war das Einzige, was ihre Anwesenheit verriet.

Einer der Männer, groß und von kräftiger Statur, schob die alte verrostete Tür zum einstigen Büro der Papierfabrik auf und kniete sich nach wenigen Schritten nieder. Mit einem kräftigen Ruck hob er den porösen, verfallenen Bodenbelag an, während der andere Mann ihm mit seiner Taschenlampe leuchtete. Darunter kam der alte Holzboden zum Vorschein, dessen Bretter der Mann vorsichtig mit den Fingerspitzen abtastete, bis er fand, wonach er gesucht hatte. Eines der Dielenbretter gab seinem Ziehen fast augenblicklich nach und eine Vertiefung unter dem Fußboden wurde sichtbar. Der große, kräftige Mann griff hinein und hielt kurz darauf einen alten, metallenen Koffer in der Hand.

„Hier ist er“, flüsterte er, eine Mischung aus Erleichterung und Anspannung in seiner tiefen Stimme. Seine Augen glitzerten im düsteren Licht, während er den Verschluss des Koffers öffnete. Ein leises Klicken verriet, dass die Sperre nachgab, und langsam hob er den Deckel. Beide Männer beugten sich neugierig vor.

Alte Akten kamen zum Vorschein, ihre Ecken vergilbt und brüchig. Der modrige Geruch von altem Papier stieg ihnen in die Nasen. „Es scheint alles komplett zu sein“, sagte der Größere der beiden Männer und setzte eindringlich hinzu: „Davon darf niemand erfahren!“

Er schloss den Koffer wieder und bewegte sich vorsichtig zurück. Sein Begleiter, kleiner und schmächtiger, nickte wortlos, Zustimmung und Besorgnis in seinem Blick. Die Männer verschwanden so leise, wie sie gekommen waren, ihre Schritte wurden vom feuchten Boden gedämpft. Nur das entfernte Rascheln der Bäume und das Rufen eines einsamen Vogels begleiteten ihren Rückzug.

Die nächtliche Stille kehrte zurück, als ob nichts geschehen wäre. Doch die Atmosphäre schien nun schwerer, beladen mit einem Geheimnis, das soeben einen kurzen Atemzug der Freiheit geschnappt hatte, bevor es wieder unter dem drückenden Mantel der Vergessenheit begraben wurde. Der Wind schwieg für einen Moment, als ob er das kollektive Aufatmen der alten Ansiedlung spüren könnte, bevor er erneut zu heulen begann.

Der Mond tauchte die Szenerie in ein träges, silbernes Licht, das jede Unregelmäßigkeit der alten Gebäude in groteske Schatten verwandelte. Die Papierfabrik, einst das Herz der Ansiedlung, stand trotzig wie ein steinernes Monument, bewahrend und verschlossen. Die Kapitulation ihrer Mauern gegen die Zeit schien unausweichlich, doch in dieser Nacht offenbarte sie einen bruchstückhaften Teil dessen, was sie still bewacht hatte.

Beide Männer, jetzt sicher zurück in ihrem Fahrzeug, ließen den Koffer vorsichtig auf den Rücksitz gleiten. Die gedämpfte Geräuschkulisse im Innenraum des Oldtimers bildete einen scharfen Kontrast zur beunruhigenden Präsenz des Koffers. „Lass uns von hier verschwinden“, murmelte der kleinere Mann, während er ängstlich zum Eingang der Papierfabrik zurückblickte.

„Ja, aber wir haben es. Jetzt müssen wir es nur noch in die richtigen Hände geben“, antwortete der größere Mann. Seine Stimme klang ruhig, aber dennoch spürbar angespannt.

Der Motor sprang an, und der Oldtimer glitt fast lautlos davon, wie ein Schatten, der sich im Dunkeln auflöste. Zurück blieb die alte und einsame Ansiedlung, eine stille Zeugin der Ereignisse, die sich im diffusen Licht des Mondes bald wieder in den zähen Mantel der Vergessenheit hüllte, bereit, ihre Geheimnisse zu bewahren, bis jemand mutig oder töricht genug wäre, sie erneut zu enthüllen.

2

Anna Richter saß an ihrem Küchentisch und starrte auf den weißen Umschlag vor ihr. Die Sonne war bereits untergegangen, und das gedämpfte Licht der alten Hängelampe beschien den Brief leicht schummrig. Der vertraute Geruch von frisch gebrühtem Kaffee lag in der Luft. Ihre Finger zitterten leicht, während sie das Schriftstück aus dem Umschlag zog. Die nüchterne Sprache des Anwalts bildete einen merkwürdigen Kontrast zu den heftig aufwallenden Gefühlen in ihrem Inneren.

Sie war zu einer Testamentseröffnung eingeladen worden. Es ging um das Erbe ihres Vaters. Einen Vater, der sie und ihre Mutter verlassen hatte, als sie gerade einmal drei Jahre alt war. All die Jahre hatte sie nichts von ihm gehört. Nun, unvermittelt, erreichte sie dieses Schreiben.

Anna konnte kaum fassen, was sie da las. Die Worte trugen mehr Gewicht, als das dünne Papier ertragen konnte. Es schnürte ihr die Kehle zu, Erinnerungen und Emotionen stiegen in ihr auf. Wut über den Mann, der sie im Stich gelassen hatte, vermischt mit der Trauer und der Leere, die er in ihrem Leben hinterlassen hatte. Wie konnte es sein, dass der Mann, der all die Jahre nichts von sich hatte hören lassen, ihr jetzt etwas vererbte?

Sie musste mehr erfahren und beschloss, dem Anwaltstermin nachzukommen. Eine Entscheidung, die ihre Nacht in eine schlaflose Grübelei verwandelte.

Der nächste Morgen war eisig kalt und Anna zog unwillkürlich die Schultern hoch, als sie im kleinen verschlafenen Ort Sterneburg aus ihrem Auto ausstieg und die letzten Meter zum Anwaltsbüro zu Fuß zurücklegte. Ein Blick in den bleigrauen Himmel verriet, dass es wohl bald wieder Schnee geben könnte. Sie fand die Anwaltskanzlei am Ende der kleinen Seitenstraße. Das alte Gebäude strahlte etwas Gemütliches aus, so wie viele der Häuser hier. Mit einem tiefen Seufzer öffnete Anna die schwere Eingangstür und fand sich gleich darauf im warmen Eingangsbereich der Kanzlei wieder, wo sie von einer älteren Frau begrüßt wurde, die ihr mit wachsamen Augen entgegensah.

„Guten Morgen. Ich bin Anna Richter und habe um 9 Uhr einen Termin bei Herrn Dr. Stein“, stellte sich Anna vor, als sie direkt vor dem Schreibtisch stand.

Mit einem Lächeln erwiderte die Empfangsdame: „Guten Tag, Frau Richter. Es geht gleich los. Möchten Sie vielleicht noch einmal Platz nehmen? Herr Dr. Stein wird gleich für Sie da sein.“

Dankend folgte Anna der einladenden Handbewegung, die zu einer gemütlichen Sitzgruppe deutete. Die wenigen Schritte bis dahin wurden von einem leichten Knarzen der Parkettdielen begleitet, und Anna bewegte sich instinktiv vorsichtiger. Nur keine unnötige Aufmerksamkeit erregen, dachte sie, wenngleich ihr bewusst war, dass derartige Geräusche in einer Anwaltskanzlei wohl zum guten Ton gehörten. Mit klopfendem Herzen nahm Anna auf dem schweren Ledersofa Platz. Mit ihrer zierlichen Figur versank sie regelrecht darin und setzte sich sogleich kerzengerade hin, um nicht wie ein Häufchen Unglück zu erscheinen. Während sie ihre Jacke aufknöpfte, sah sie sich um. Die cremeweißen Wände bildeten den Hintergrund für Aquarellbilder, welche allesamt die Natur des Erzgebirges zum Motiv hatten. Beruhigend, stellte Anna fest, als sie die Bilder betrachtete.

„Frau Richter, Herr Dr. Stein wird Sie jetzt empfangen“, sagte die Sekretärin wenige Minuten später mit einem sanften Lächeln.

Anna erhob sich wieder und fragte sich beiläufig, wie es dieser Frau gerade gelungen war, ohne das verräterische Knarzen der Parkettdielen wieder im Wartebereich zu erscheinen. Kurz darauf sah sie sich dem Anwalt gegenüber. Dr. Martin Stein war ein schlanker Mann mit grauen Schläfen, den Anna auf Anfang fünfzig schätzte. Er erhob sich und kam ihr ein paar Schritte entgegen, als sie sein Büro betrat.

„Frau Richter, schön, dass Sie gekommen sind. Bitte, nehmen Sie Platz“, begrüßte er sie mit einer angenehm warmen Stimme, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass seine Augen ausgesprochen flink über Annas Gesicht huschten, als ob er ihr in sie hineinschauen wollte, um zu ergründen, inwieweit er ihre Gedanken lesen konnte.

Anna kam nicht umhin, sich einzugestehen, dass die professionelle Nettigkeit des Anwalts eher aufgesetzt schien. Dennoch bedankte sie sich höflich und nahm in dem ihr angebotenen Ledersessel Platz.

„Ich kann mir vorstellen, dass dies für Sie ein sehr unerwarteter Moment ist“, begann Herr Stein einfühlsam. „Wie geht es Ihnen?“

„Gut, danke, es geht mir gut. Ich kannte meinen Vater ja kaum“, antwortete Anna, führte das aber nicht näher aus.

Wenn der Anwalt auf mehr Informationen gehofft hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen räusperte er sich, nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz und öffnete einen großen braunen Umschlag. Bevor er jedoch auf den Inhalt zu sprechen kam, fragte er Anna: „Sie wissen, was Ihr Vater in seinem Testament verfügt hat?“

Anna schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts.

„Gut, dann schauen wir mal“, erwiderte D. Stein und entnahm dem Umschlag eine Menge Papiere, die er vor sich legte. „Ich werde Ihnen nun das Testament verlesen. Danach haben Sie Zeit, in Ruhe alle Unterlagen durchzuschauen und innerhalb von sechs Wochen beim Amtsgericht geltend zu machen, ob Sie das Erbe Ihres Vaters antreten möchten oder nicht.“

Nachdem der Anwalt das kurze Testament verlesen hatte, reichte er Anna die Unterlagen sowie einen an sie persönlich adressierten Brief. Bei den Unterlagen schien es sich um handschriftliche Aufzeichnungen, Lagepläne sowie eine Grundstücksurkunde mit amtlichem Siegel zu handeln. Anna, die noch immer darum bemüht war, den letzten Willen ihres Vaters zu verstehen, nahm alles dankend entgegen, bedankte sich und wollte sich bereits erheben, als Dr. Stein sagte: „Warten Sie bitte noch einen Moment. Sollten Sie das Erbe annehmen, erhalten Sie von mir auch die Schlüssel zum Anwesen Ihres Vaters. Bis dahin können und dürfen Sie sich das Grundstück leider nur von außen ansehen.“

Er reichte ihr einen vergilbten Umschlag, dessen schweres Papier eine spürbare Bedeutung hatte. Sie nahm ihn mit zitternden Händen und zog den Brief heraus, das Papier fühlte sich rau und alt an. Dann begann sie zu lesen:

„Liebe Anna,

wenn du diese Zeilen liest, bin ich nicht mehr am Leben. Und auch, wenn du vermutlich nicht wirklich nachvollziehen kannst, warum ich mich ausgerechnet jetzt wieder bei dir melde, möchte ich, dass du meinem Vermächtnis an dich eine Chance gibst. Ich weiß, dass ich dich und deine Mutter einst sehr verletzt habe. Aber lass jetzt nicht deine Enttäuschung und Wut auf mich entscheiden, sondern setze fort, was ich begonnen habe.