Das Geheimnis der schönen Antonia - Viola Maybach - E-Book

Das Geheimnis der schönen Antonia E-Book

Viola Maybach

5,0

Beschreibung

Diese Serie von der Erfolgsschriftstellerin Viola Maybach knüpft an die bereits erschienenen Dr. Laurin-Romane von Patricia Vandenberg an. Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt. Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen. Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert. Dr. Leon Laurin stand wie festgewachsen auf einer belebten Straße in der Münchener Innenstadt, während er seine Frau Antonia, die vor einem Café auf der anderen Straßenseite saß, nicht aus den Augen ließ. Seit mehr als siebzehn Jahren waren sie miteinander verheiratet, hatten vier Kinder, führten, jedenfalls seiner Ansicht nach, eine glückliche Ehe. Und nun sah er sie zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit mit ihrem Jugendfreund Ingo Ewert in sehr vertrautem und angeregtem Gespräch – und auch dieses Mal, daran zweifelte er nicht, würde sie die Begegnung zu Hause ihm gegenüber nicht erwähnen. Er war der Ansicht gewesen, die Eifersucht seiner frühen Jahre längst überwunden zu haben, nun musste er feststellen, dass er einem Irrtum erlegen war. Am liebsten hätte er Ingo Ewert – Dr. Ingo Ewert, Leiter der Kinderklinik Dr. Ewert – direkt zur Rede gestellt. Oder noch besser: ihn am Kragen gepackt und geschüttelt und Auskunft darüber verlangt, wie er dazu kam, am helllichten Tag mit seiner, Leons, Ehefrau in einem Café zu sitzen und sich allem Anschein nach gut zu unterhalten. Jetzt griff er sogar nach ihrer Hand und drückte sie! Leon hatte Mühe, an sich zu halten. Als er die beiden vor zwei Wochen das erste Mal zusammen gesehen hatte, war er noch überzeugt gewesen, Antonia werde ihn mit den Worten empfangen: »Rate mal, wen ich heute getroffen habe!« Aber nichts Dergleichen war geschehen, kein Wort hatte sie gesagt, sie hatte Ingo Ewert nicht einmal erwähnt. Dabei wusste er ja nur zu gut, dass Ingo früher einmal bis über beide Ohren in Antonia verliebt gewesen war. Allem Anschein nach war er es immer noch. Er musste sie zur Rede stellen, er brauchte Gewissheit. Aber vielleicht war alles ganz harmlos, und er sah Gespenster. Dann würde sie ihn auslachen, und er stünde da wie der letzte Depp. War es also doch besser, ruhig abzuwarten, bis Antonia von sich aus auf ihn zukam, um mit ihm über Ingo zu sprechen? Aber was würde sie ihm dann sagen?

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Leseprobe: Beziehungskisten

Also, zunächst einmal möchte ich vorausschicken, wie sehr ich mich freue, dass Sie wieder hier sind, liebe Leserin, geschätzter Leser. Dass Sie mich wieder einladen, von schönen und traurigen Momenten zu berichten, von Hoffnungen, Sehnsucht, aber auch Intrigen und Einsamkeit. Was haben wir vor uns? Viel zu viel Gefühl, oder, wie der Bayer sagt, »vui z’vui G’fui«. Ich habe Ihnen in den ersten beiden Bänden schon von Egidius und Corinna erzählt, Lukas und seiner Mutter Leonie. Auch Philipp, Chris, Lily sind schon fast alte Bekannte, oder? Besonders gern habe ich Frau Fürstenrieder. Eine patente, aufrichtige Dame. Frau Pahlhaus, die kein leichtes Leben gehabt hat. Und natürlich Dagmar Rommert, die sich so nach Liebe sehnt – auch wenn sie es sich selten und vor allem ungern, anmerken lässt.

Moment mal. Wenn wir gerade von Dagmar sprechen: Was ist denn da los?

Angst vor Dunkelheit

»Siehst du, Daggi? Das habe ich gemeint, damals. Du hast immer gesagt, es sei egal. Und jetzt bist du kurz davor, alles zu verlieren. Hättest du bloß auf mich gehört! Wäre ich bloß nicht so dämlich gewesen!«

Sepandar war aus dem alten, durchgesessenen Sitzmöbel im Gemeinschaftsraum der psychiatrischen Klinik aufgesprungen und lief auf und ab wie ein gefangenes Zirkustier.

»Ich hätte es dir vielleicht doch nicht erzählen sollen, Sepandar. Bitte glaube mir: Es ist mir egal. Es geht mir nicht um Ansehen oder Geld. Vor fünf oder zehn Jahren wäre mir meine Karriere noch über alles gegangen, und ich bin fast sicher, dass ich unsere Beziehung dieser geopfert hätte. Inzwischen weiß ich, dass Ruhm und Ehre nicht trösten, nicht helfen, nichts bedeuten. Man kann sich nicht an sie schmiegen. Sie spenden weder Wärme noch Geborgenheit. Sie umarmen einen nicht, und satt machen sie schon gar nicht. Sie sind nur eine Zahl auf einem Kontoauszug, ein Pressebericht oder eine geometrische Figur aus Glas oder Metall, die man in einem Regal platziert und regelmässig abstaubt. Ja, glaubst du denn ernsthaft, dass ich irgendetwas davon über dich stelle? Wenn irgendjemand annimmt, dass ich aufgrund persönlicher Probleme für meinen Job nicht mehr geeignet bin, dann kann er mich gern abmahnen und feuern.«

Der neue Dr. Laurin – 1 –

Das Geheimnis der schönen Antonia

Eifersucht hatte Leon niemals gekannt

Viola Maybach

Dr. Leon Laurin stand wie festgewachsen auf einer belebten Straße in der Münchener Innenstadt, während er seine Frau Antonia, die vor einem Café auf der anderen Straßenseite saß, nicht aus den Augen ließ. Seit mehr als siebzehn Jahren waren sie miteinander verheiratet, hatten vier Kinder, führten, jedenfalls seiner Ansicht nach, eine glückliche Ehe. Und nun sah er sie zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit mit ihrem Jugendfreund Ingo Ewert in sehr vertrautem und angeregtem Gespräch – und auch dieses Mal, daran zweifelte er nicht, würde sie die Begegnung zu Hause ihm gegenüber nicht erwähnen.

Er war der Ansicht gewesen, die Eifersucht seiner frühen Jahre längst überwunden zu haben, nun musste er feststellen, dass er einem Irrtum erlegen war. Am liebsten hätte er Ingo Ewert – Dr. Ingo Ewert, Leiter der Kinderklinik Dr. Ewert – direkt zur Rede gestellt. Oder noch besser: ihn am Kragen gepackt und geschüttelt und Auskunft darüber verlangt, wie er dazu kam, am helllichten Tag mit seiner, Leons, Ehefrau in einem Café zu sitzen und sich allem Anschein nach gut zu unterhalten. Jetzt griff er sogar nach ihrer Hand und drückte sie! Leon hatte Mühe, an sich zu halten.

Als er die beiden vor zwei Wochen das erste Mal zusammen gesehen hatte, war er noch überzeugt gewesen, Antonia werde ihn mit den Worten empfangen: »Rate mal, wen ich heute getroffen habe!«

Aber nichts Dergleichen war geschehen, kein Wort hatte sie gesagt, sie hatte Ingo Ewert nicht einmal erwähnt. Dabei wusste er ja nur zu gut, dass Ingo früher einmal bis über beide Ohren in Antonia verliebt gewesen war. Allem Anschein nach war er es immer noch.

Er musste sie zur Rede stellen, er brauchte Gewissheit. Aber vielleicht war alles ganz harmlos, und er sah Gespenster. Dann würde sie ihn auslachen, und er stünde da wie der letzte Depp. War es also doch besser, ruhig abzuwarten, bis Antonia von sich aus auf ihn zukam, um mit ihm über Ingo zu sprechen? Aber was würde sie ihm dann sagen? ›Ich verlasse dich, Leon, es tut mir leid, aber ich habe erkannt, dass Ingo meine einzige wahre Liebe ist‹?

Seine Augen brannten. Er war ein sehr erfolgreicher Arzt und der geschätzte und geachtete Chef der Kayser-Klinik vor den Toren Münchens, die er einige Zeit nach der Hochzeit mit Antonia von seinem Schwiegervater Professor Joachim Kayser übernommen hatte. Seine Arbeit war ihm wichtig, aber alles, was er in seinem Leben erreicht hatte, zählte nichts angesichts der Aussicht, Antonia zu verlieren, seine Liebe, seinen Halt.

»Führst du Selbstgespräche?«

Er fuhr herum. »Schon fertig?«, fragte er.

»Klar, ich habe doch nur ein Pfund Kaffee gebraucht.«

Er war mit Sandra Brink, seiner Schwester, in die Innenstadt gefahren, weil er ihr helfen sollte, ein Geburtstagsgeschenk für Kyra, seine jüngste Tochter zu kaufen. Sie wurde elf. Sie hatten eine sehr schöne Smartphone-Hülle gefunden und noch ein niedliches T-Shirt mit Aufdruck, Kyra liebte solche T-Shirts. Sie war sein heimlicher Liebling, weil sie Antonia so ähnlich sah, deshalb wusste er über ihre Wünsche ziemlich gut Bescheid.

»Also, wieso führst du Selbstgespräche?«

»Das tue ich überhaupt nicht, du siehst Gespenster!«

Sandra betrachtete ihn prüfend. Da er verhindern wollte, dass sie Antonia und ihren Jugendfreund auf der anderen Straßenseite entdeckte, setzte er sich langsam in Bewegung und lotste sie aus der Gefahrenzone.

»Ich fand dich letzte Woche schon verändert, du wirkst so nervös. Habt ihr Ärger zu Hause?«

Einen kurzen Moment lang war er versucht, ihr zu erzählen, was ihm zu schaffen machte, aber dann entschied er sich doch dagegen. Sandra würde ihm raten, mit Antonia zu reden, was zweifellos vernünftig gewesen wäre, aber er wusste, er würde es nicht tun. Er würde nicht zugeben, dass er schon mehrmals nachts aufgewacht war, weil er geträumt hatte, dass Antonia ihn und die Kinder verließ …

»Ich sag’s doch: Du siehst Gespenster.« Er schaffte es, seine Stimme fest klingen zu lassen. Den skeptischen Blick seiner Schwester übersah er geflissentlich.

Sie näherten sich bereits seinem Wagen, als Sandra plötzlich stehen blieb. »Was ist denn mit der Frau los?«

Leon folgte ihrem Blick. Die junge Frau, die sich ihnen mit langsamen Schritten näherte, war unsicher auf den Beinen, sie torkelte, musste sich mehrfach an einer Hauswand abstützen. Sie war schlank, hatte feine helle Haare, die ihr bis zum Kinn reichten. Auch ihre Haut war hell. Sie trug einen kurzen Rock mit einem T-Shirt, dazu Turnschuhe.

»Denkst du, sie ist betrunken?«, fragte Sandra weiter.

»Möglich, aber ich glaube es eigentlich nicht. Warte bitte einen Moment, Sandra.« Leon eilte auf die junge Frau zu, doch bevor er sie erreichte, sackte sie in sich zusammen und schlug auf dem Gehweg auf. Er kniete neben ihr nieder, schlug ihr sanft auf die Wangen. »Hallo«, sagte er, »ich bin Arzt, bitte sagen Sie mir, ob Sie mich hören können.«

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ihre Lider zu flattern begannen und sie die Augen aufschlug. Ihr Blick war leer, sie schien nicht zu wissen, wo sie sich befand.

»Ich bin Dr. Laurin«, sagte Leon. »Bitte, sagen Sie mir, wie Sie heißen.«

Sie schien nachdenken zu müssen, aber dann kam ihre Antwort doch ganz klar und verständlich. »Eva Maischinger«, sagte sie. »Mir … mir ist plötzlich so übel geworden.«

»Sie müssen gründlich untersucht werden. Ist Ihnen das schon einmal passiert?«

»Ja, schon, aber da war es nicht so schlimm wie heute.«

Mittlerweile hatten sich die üblichen Neugierigen eingefunden, aber die ersten gingen bereits weiter, als klar wurde, dass es nichts Aufregendes zu sehen geben würde.

Leon sah, dass Sandra ihr Telefon in der Hand hatte und ihn fragend ansah. Er nickte und hörte, wie sie einen Krankenwagen rief. Die Kayser-Klinik war in der Nähe, er würde Eva Maischinger also dort wiedersehen, nahm er an.

»Ich glaube, ich kann jetzt aufstehen und nach Hause gehen«, sagte die junge Frau.

»Sie bleiben schön liegen. Der Krankenwagen kommt gleich und bringt Sie in meine Klinik, dort untersuchen wir Sie und finden heraus, warum Sie ohnmächtig geworden sind.«

»Nein, ich … bitte, ich möchte nicht in eine Klinik, es ist ja schon alles wieder in Ordnung!«

»Danach sieht es aber nicht aus. Sie sind bleich, Sie zittern, und eben war Ihnen noch übel.«

Sie wollte erneut widersprechen, doch das sich rasch nähernde Martinshorn des Rettungswagens ließ sie verstummen. Leon erklärte den Sanitätern die Lage und bat sie, Eva Maischinger in die Kayser-Klinik zu bringen.

Als der Rettungswagen sich entfernte, wieder mit eingeschaltetem Martinshorn, rief Leon seinen Kollegen Eckart Sternberg an, von dem er wusste, dass er Nachtdienst in der Notaufnahme hatte. »Bist du schon in der Klinik, Eckart?«

»Gerade eingetroffen, was auch gut ist, denn wir haben sehr viel zu tun.«

Leon berichtete ihm von Eva Maischinger. »Ich komme noch mal vorbei. Wenn ihr so überlastet seid, kümmere ich mich selbst um die Patientin.«

»Das wäre eine große Hilfe. Bis gleich.«

»Fahr ohne mich los, Leon«, sagte Sandra, »ich bleibe noch ein bisschen in der Stadt. Irgendwie komme ich schon nach Hause.«

Sie umarmten sich zum Abschied, zehn Minuten später parkte Leon auf dem Klinikparkplatz.

Eckart Sternberg hatte nicht übertrieben: In der Notaufnahme war viel zu tun. Eva Maischinger lag bereits in einem der Behandlungsräume. Marie Laube, die dienstälteste Schwester der Klinik und so etwas wie ihre gute Seele, hatte sich um die junge Frau gekümmert, die einen erschöpften und auch verstörten Eindruck machte.

»Sie will unbedingt nach Hause, das hat sie jetzt schon mehrfach gesagt«, raunte Marie dem Klinikchef zu. »Es kommt mir so vor, als hätte sie Angst, dass wir etwas herausfinden.«

Leon sah sie nachdenklich an. Diesen Eindruck hatte er zuvor auch schon gehabt.

»Ich untersuche sie gründlich, dann wissen wir mehr«, sagte er.

Marie nickte. »Brauchen Sie mich dabei, Chef?«

»Danke, Marie, unterstützen Sie die Kollegen, ich sehe ja, was hier los ist.«

Marie ging, und Leon wandte sich seiner Patientin zu.

»Ich will nicht untersucht werden, mir fehlt nichts«, sagte sie. »Mir war nur ein bisschen übel.«

»Nein, so einfach ist es nicht, Frau Maischinger. Sie haben gewirkt wie eine Betrunkene, sie konnten nicht einmal richtig geradeaus gehen. Das passiert nicht, wenn einem nur ein bisschen übel ist.«

Behutsam begann er mit seiner Untersuchung, wobei er bemerkte, wie angespannt sie war. Als er vorsichtig ihren Bauch abtastete, stutzte er. Ihm entging nicht, dass sie unwillkürlich den Atem anhielt.

»Ich denke, ich sollte Sie auch gynäkologisch untersuchen«, sagte er betont beiläufig. »Ich bin Gynäkologe.«

»Nein!«, sagte sie. »Das will ich nicht, und Sie können mich nicht zwingen.«

Das stimmte allerdings, dennoch war er überzeugt davon, dass er bereits wusste, was mit ihr los war.

»Dann lassen Sie mich wenigstens einen Ultraschall machen«, schlug er listig vor. »Damit wir sicher sein können, dass wir keine gefährliche Krankheit bei Ihnen übersehen.«

Sie zögerte, stimmte dann aber zu. Offenbar war ihr nicht klar, was ein Ultraschallbild zeigen würde.

»Wie alt sind Sie, Frau Maischinger?«

»Zwanzig«, sagte sie. »Gerade geworden.«

Er strich Gel auf ihren Bauch, bevor er mit der Untersuchung begann. Der Bauch war ziemlich flach, so dass er sich fragte, ob er sich nicht vielleicht doch geirrt hatte. Aber was er gleich darauf auf dem Monitor sah, war eindeutig.

»Sie sind schwanger, Frau Maischinger«, sagte er ruhig. »Und sie sind schon ziemlich weit. Beginn sechster Monat, würde ich sagen.«

»Nein«, rief sie, während sich ihr blasses Gesicht mit hektischen roten Flecken überzog, »ich bin nicht schwanger, auf keinen Fall! Sehen Sie doch meinen Bauch! Sieht so der Bauch einer Schwangeren aus?«

»Normalerweise nicht«, gab er zu. »Aber ich kann Ihr Kind sehen, hier auf dem Monitor. Und wenn Sie den Kopf wenden würden, könnten Sie es auch sehen.«

Aber sie wandte den Kopf nicht. Immer wieder stieß sie hervor, sie sei nicht schwanger, er müsse sich irren, auf gar keinen Fall erwarte sie ein Kind.

Er wischte das Gel von ihrem Bauch. »Sie sind schwanger«, wiederholte er ruhig, »ich irre mich ganz sicher nicht. Und es ist nötig, dass Sie von jetzt an regelmäßig untersucht werden, damit wir uns davon überzeugen können, dass mit dem Baby alles in Ordnung ist. Sie werden eine kleine Tochter bekommen.«

Dieses Mal blieb sie stumm. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Als er sie erneut fragte, ob er sie untersuchen dürfe, erhob sie keine Einwände mehr.

*

»Verstehen kann ich dich nicht, Antonia, wenn ich ehrlich sein soll«, sagte Ingo Ewert. »Was kann denn passieren, wenn du offen mit Leon redest? Eines Tages muss er es ja doch erfahren.«

Antonia seufzte. »Ich weiß«, erwiderte sie. »Und ich weiß noch mehr: Es wird ihm nicht gefallen. Er wird tausend Einwände erheben, und am Ende wird er es vielleicht sogar schaffen, mir die Sache wieder auszureden. Also warte ich noch, bis ich ganz sicher bin, dass ich meinen Plan nicht aufgeben werde und vor allem, dass ich dem, was ich mir vorgenommen habe, auch gewachsen bin.«

Ingo betrachtete sie kopfschüttelnd. »Was für ein Unsinn!«, sagte er. »Ich habe selten eine Ärztin getroffen, die so gut mit Kindern umgehen konnte wie du – und die so genau weiß, worauf sie achten muss. Gut, dir fehlt die Berufspraxis, aber es ist ja nicht so, dass du in den letzten achtzehn Jahren auf dem Mond gelebt hättest, wo du von den neuesten medizinischen Entwicklungen nichts mitbekommen hast. Du hast dich immer weitergebildet, und nicht zuletzt hast du vier Kinder auf die Welt gebracht und durch alle Kinderkrankheiten begleitet.«

»Das weiß ich ja alles, Ingo. Trotzdem ist es so, dass mir die Praxis fehlt, wie du ganz richtig gesagt hast. In ein paar Jahren lache ich vielleicht über meine jetzigen Bedenken, aber im Augenblick habe ich ganz einfach Angst vor meiner eigenen Courage.«

»Aber die Erfahrungen bei uns in der Klinik müssten dich doch in deinem Vorhaben bestärken! Eigentlich war es so gedacht, dass du bei uns ein Praktikum machst, aber tatsächlich arbeitest du als volle Kraft, wenn du bei uns bist.«