Das Geheimnis von Schottland | Ein dramatischer Familiengeheimnis Liebesroman - Ines Vitouladitis - E-Book
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Das Geheimnis von Schottland | Ein dramatischer Familiengeheimnis Liebesroman E-Book

Ines Vitouladitis

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Beschreibung

Ein schottisches Herrenhaus, ein verschlossener Lord und eine mutige junge Frau, die hinter die Fassade blicken muss …
Das spannende Familiengeheimnis voller Emotionen und unerwarteter Wendungen

Bonnie Kirsch hat ihr Leben im Griff: Studium, Langzeitfreund, klare Pläne für die Zukunft. Als sie ihr Auslandsjahr in den schottischen Highlands antritt, rechnet sie mit einem geregelten Alltag als Nanny und ein wenig Abstand zu ihrem bisherigen Leben. Doch auf dem abgelegenen Anwesen des streng wirkenden Lords Scott MacLain findet sie mehr als das.

Auch wenn sie zunächst die strengen Regeln des Vaters der drei Kinder nicht ganz versteht, entwickeln sich zwischen Bonnie und dem Lord langsam zarte Gefühle. Doch nicht nur die verbitterte Haushälterin steht zwischen ihr und ihrem Glück – Bonnie entdeckt auch ein schreckliches Geheimnis, welches die Familie schon viel zu lange hütet …

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Das Geheimnis der MacLains.

Erste Leser:innenstimmen
„Ein spannendes Familiengeheimnis mit viel Liebe und einem besonderen Twist!“
„Ein packender Liebesroman in schottisch-mysteriösem Setting, den ich nur ans Herz legen kann.“
„Man konnte richtig in der Geschichte versinken, sehr fesselnd geschrieben!“
„Ich habe Bonnie und den geheimnisvollen Lord sofort ins Herz geschlossen – ein wundervoller Liebesroman.“

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Seitenzahl: 320

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses E-Book

Bonnie Kirsch hat ihr Leben im Griff: Studium, Langzeitfreund, klare Pläne für die Zukunft. Als sie ihr Auslandsjahr in den schottischen Highlands antritt, rechnet sie mit einem geregelten Alltag als Nanny und ein wenig Abstand zu ihrem bisherigen Leben. Doch auf dem abgelegenen Anwesen des streng wirkenden Lords Scott MacLain findet sie mehr als das.

Auch wenn sie zunächst die strengen Regeln des Vaters der drei Kinder nicht ganz versteht, entwickeln sich zwischen Bonnie und dem Lord langsam zarte Gefühle. Doch nicht nur die verbitterte Haushälterin steht zwischen ihr und ihrem Glück – Bonnie entdeckt auch ein schreckliches Geheimnis, welches die Familie schon viel zu lange hütet …

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits erschienenen Titels Das Geheimnis der MacLains.

Impressum

Überarbeitete Neuausgabe Juli 2025

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-690-9 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-699-2

Copyright © 2023, dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2023 bei dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH erschienenen Titels Das Geheimnis der MacLains (ISBN: 978-3-98778-282-4).

Covergestaltung: ArtC.ore-Design / Wildly & Slow Photography unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com: © izabela_h stock.adobe.com: © Pham Ty adobe.firefly.com: © Christin Peulecke Lektorat: Astrid Rahlfs

E-Book-Version 16.07.2025, 08:13:42.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Für meine Tochter Juna,

die bei jeder Zeile dieser Geschichte bei mir war;

zuerst als Wunsch,

dann im Bauch

und schließlich im Tragetuch.

Vorwort

„Nicht Worte sollen wir lesen, sondern den Menschen, den wir hinter den Worten fühlen.“ (Samuel Butler)
Mit Das Geheimnis von Schottland wollte ich etwas völlig anderes schaffen. Etwas, das sich von all meinen bisherigen Büchern abheben sollte. So kam es, dass Bonnie als meine erste und bisher einzige Protagonistin Deutsche ist – und Scott als einziger Love Interest kein Bartträger, sondern akkurat rasiert. Außerdem ist es mein erster Roman mit Mystery-Anteil, was mir unheimlich viel Spaß bereitet und mich zugleich so manche Male zum längeren Nachdenken angeregt hat.
Zeitgleich mit Bonnie, die nach Schottland flog, um ihre Wurzeln zu finden und ein Jahr als Au-Pair für einen verwitweten Lord zu arbeiten, begann auch für mich eine neue, große und aufregende Reise; Als ich anfing, die Geschichte zu schreiben, hatte ich einen starken Kinderwunsch. Beim Schreiben des Hauptteils, in dem Bonnie mit Rätseln, Phänomenen und unerwarteten Gefühlen überrascht wurde, trug ich mein viertes Kind unter dem Herzen. Und schließlich, zum Ende, zum Finale, zum Höhepunkt der ganzen Geschichte hin, kuschelte meine neugeborene Tochter sich sicher im Tragetuch an mich, während ich die letzten Worte schrieb.
Das Geheimnis von Schottland ist also nicht nur eins von mehreren Büchern, das ich geschrieben habe, sondern etwas wirklich Besonderes für mich und wird demnach immer einen ganz gewissen, einzigartigen Zauber in sich tragen.
Mit diesen Worten wünsche ich euch viel Freude dabei, Bonnie ins wildromantische Schottland zu begleiten!
Eure Ines

Prolog

Was ist schon ein einziger Tag im Vergleich zu einem ganzen Leben? Es gibt unzählige Tage, gute, schlechte, kurze und lange. Die meisten davon sind jene, an denen wir einfach nur existieren. Wir stehen auf, hetzen zur Arbeit, nehmen einen Termin nach dem anderen wahr und gehen wieder schlafen. Wir sind nicht bei uns und unseren eigenen Bedürfnissen nach Erholung, Entspannung und Freude. Das ist uns jedoch überhaupt nicht bewusst. Wir laufen jeden Tag aufs Neue durch unsere Tretmühle. Doch an wie vielen Tagen leben wir wirklich bewusst?

An manchen Tagen könnten wir die Welt umarmen. Die Sonne scheint, das Leben ist herrlich, Energie fließt durch unseren Körper und macht das Atmen leicht. An anderen wiederum würden wir uns gerne einfach nur die Decke über den Kopf ziehen. Wir zählen die Stunden, die Minuten, bis der Tag endlich vorbei ist.

Wenn die Nacht dann alles fortwischt, ist es nur das gewesen, was es war: ein Tag. Ein einziger, vergangener, manchmal auch verlorener Tag.

Kapitel 1

Das Missverständnis

Da ist er, der Moment, auf den ich so lange gewartet habe – immerhin drei Jahre, zwei Monate und sechs Tage lang. Theoretisch muss ich jetzt einfach nur noch meine Hand ausstrecken, den Schlüssel ins Schloss stecken, die Tür aufschließen und überrascht tun. Ach ja … und atmen nicht vergessen.

Ich lege eine Hand auf meinen Brustkorb, hole so tief Luft wie irgend möglich und atme mit zu einem O geformten Mund wieder aus, während ich versuche, mir mein letztes Work-Life-Balance-Seminar zurück in den Kopf zu rufen. Energieein- undUnruheausatmen, wiederhole ich innerlich mein Mantra.

Justus ist normalerweise kein Freund von Überraschungen. Und auch kein Romantiker. Die Betonung liegt auf normalerweise, denn die Zeichen der letzten Tage waren eindeutig und haben selbst mich als eher praktisch veranlagten und wenig träumenden Menschen überzeugt. Pragmatisch – so beschreiben mich die meisten Personen, die mich gut kennen. Ich träume nicht mein Leben. Und ich lebe auch nicht meinen Traum, sondern den ganz normalen Alltag. Ich bin ordentlich, gut organisiert und vielleicht ein klein wenig perfektionistisch veranlagt. Ich bin Realistin. Das hat mich schon das eine oder andere Mal vor bösen Enttäuschungen bewahrt.

Aber zurück zu Justus. Angefangen bei den ständigen Telefonaten, über die generelle Geheimniskrämerei hinweg bis hin zur heutigen fadenscheinigen Ausrede von Mia, dass sie sich ausgesperrt habe und ich sie doch bitte abholen solle, weil ihre Mutter, die den Ersatzschlüssel habe, erst morgen wieder von ihrer Geschäftsreise nach Hause komme. Mias Autoschlüssel befände sich nämlich am selben Schlüsselbund wie der Haustürschlüssel und sei demnach in der Wohnung. Logisch. Smart wie ich bin, habe ich das alles vom ersten Augenblick an durchschaut. Man kann mir viel vorwerfen, aber nicht, dass ich naiv bin. Dennoch habe ich mitgespielt.

„Willst du nicht langsam mal die Tür öffnen? Hier zieht’s ganz schön“, befindet Mia betont gleichgültig, so, als hätte sie all die Luftballons in Herzform auf dem Weg zum Haus, durch das Treppenhaus hindurch, bis zu meiner Wohnung übersehen. Dabei zieht es tatsächlich kein bisschen. Es geht nicht einmal die mildeste Frühlingsbrise.

„Klar doch.“ Ich straffe die Schultern, versuche erfolglos den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken und stecke den Schlüssel ins Schloss. Klar, ich bin taff. Pragmatisch. Realistisch. Hatte ich ja schon erwähnt. Aber so ein Antrag ist eben etwas Besonderes. Da dürfen auch jemandem wie mir mal die Knie schlottern.

Als ich die Tür aufstoße, geschieht einen Moment lang absolut gar nichts. Dann gibt es einen ohrenbetäubenden Knall, der mir einen erstickten Aufschrei entlockt. Konfetti fliegt mir in rauen Mengen ins Gesicht und mehrere Stimmen brüllen zeitgleich: „Überraschung!!!“

Es dauert einige Sekunden, bis ich mich von dem Schreck erholt habe. Ich nehme ein unangenehmes Piepsen im linken Ohr wahr und mein Puls liegt definitiv im dreistelligen Bereich. In meiner Vorstellung kniet Justus mit Tränen in den Augen, einem schicken Anzug und einer alles sagenden dunklen Schatulle in der Hand auf dem Flurteppich, während Mia sich diskret entfernt und die Tür hinter sich ins Schloss zieht. Okay, okay, Tränen in den Augen wären übertrieben. Das passt nicht. Nicht zu Justus. Nicht zu uns. Streichen wir das.

So viel zu meiner Vorstellung. In der Realität ist meine kleine Wohnung voller Konfetti und voller Menschen. Auf den ersten Blick sind es mindestens hundert, beim zweiten stelle ich dann jedoch fest, dass es vielleicht fünfzehn bis zwanzig sind. Dennoch viele, wenn man bedenkt, dass die Wohnung fünfundvierzig Quadratmeter klein ist und sich alles im Eingangsbereich staut. Meine Zimmerpflanzen, ja, sogar meine geliebte Dattelpalme wurden an den Rand gerückt, sodass alle Platz haben. Dicht an dicht stehen sie da wie Touristen an einem überfüllten Badestrand. Und sehen mich an, als erwarteten sie eine Rede von mir.

„Wow“, bringe ich mit gepresster Stimme hervor. „Ähm … danke?“

„Gern geschehen, Bonnie. Das hast du dir wirklich verdient. Du bist uns allen immer so eine tolle Freundin gewesen“, säuselt Mia und schiebt mich mit sanfter Gewalt hinein, um die Haustür hinter uns schließen zu können.

Ich kratze mir mit dem kleinen Finger ein Stück Konfetti aus der Nase und versuche dabei möglichst gelassen dreinzublicken. In meinem Ohr piept es immer noch. Ich habe keine Ahnung, was die alle hier wollen. Absolut gar nicht.

Nach Antrag und Verlobung sieht das Ganze einfach so gar nicht aus, abgesehen davon, dass ich meinen Freund nirgendwo entdecke. Ohne Antragsteller kein Antrag. Logisch. Demnach ergibt die ganze Aktion hier in meinen Augen gerade wenig bis gar keinen Sinn.

„Freust du dich?“, fragt mein Kollege Louis. Der dürre Bürokaufmann trägt einen roten Partyhut, der für seinen Kopf etwas zu klein ist und ihn mit seinen knapp zwei Metern Körpergröße wie einen zu lang geratenen Clown aussehen lässt. Der obligatorische Marihuana-Geruch, der an Louis haftet, erreicht meine Nase.

„Aber klar doch“, antworte ich langgezogen.

In meinem Kopf arbeitet es. Habe ich Geburtstag? Nein, der ist erst in zwei Monaten. Habe ich etwas gewonnen? Unwahrscheinlich, da ich nie an Gewinnspielen teilnehme. So was tun Realisten nicht.

Während ich noch immer krampfhaft nachdenke, streift Mia mir mit sanfter Gewalt meine geliebte Kunstlederjacke von den Schultern und hängt sie an der Garderobe auf. Ich folge ihr mit dem Blick. Justus’ Jacke fehlt. Also ist er tatsächlich gar nicht da. Oder ist das alles Teil des Plans? Ich bin verwirrt. Hochgradig verwirrt.

Unsicher werfe ich einen Blick auf den großen, langen Spiegel an der Wand. Das kleine, schmale Stückchen des Flurs, in dem gerade tatsächlich niemand steht, offenbart mein völlig verwirrt dreinblickendes Spiegelbild. Mein Gesicht ist blass – nicht so, wie es ohnehin immer ist, sondern noch eine ganze Nuance blasser. Die Sonnenstrahlen der letzten Tage haben meine Sommersprossen zum Vorschein gebracht. Ich habe mein langes rotes Haar zu einem lockeren Zopf hochgebunden, dessen Strähnen mir bis zum Rücken reichen. Bis auf ein wenig Wimperntusche, die meine grünen Augen umrahmt wie ein Kranz, trage ich kein Make-up.

„Das arme Ding hat keine Ahnung, wieso wir hier sind“, spricht mein Nachbar und guter Freund Phillip endlich aus, was ich denke, fasst sich an den Kopf und fährt mit den Händen sein dunkles Haar entlang, das in einem Dutt auf seinem Kopf zusammengefasst ist. Sein gutaussehender Ehemann, der ironischerweise ebenfalls Phillip heißt, schlägt betroffen die Hand vor den Mund.

„Dachte sie etwa, die Ballons und …“, setzt er an und lässt den Satz unvollendet stehen.

„Und ich sagte noch, die Herzform ist unpassend“, stöhnt Phillip 1 mit anschwellender Theatralik in der Stimme. „Ich sagte noch, lasst uns Sterne nehmen, Bonnie mag Sterne.“

„Oh nein“, sagen meine Schwestern Tara und Charlotte zugleich.

Betretenes Schweigen macht sich breit. Das Ganze wird immer peinlicher. Verlegen grinse ich in die Runde. Dass es kein Antrag ist, ist mir nun klar – was es jedoch eigentlich nun ist, immer noch nicht.

„Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass wir dich ohne eine Abschiedsparty nach Schottland gehen lassen?“, trällert Mia und dreht sich mit einem breiten Lächeln eine ihrer blonden Locken um den Finger. Die gute Seele hat wieder mal als Einzige die peinliche Stille überhört. Ich liebe Mia. Sie ist der ehrlichste und treuste Mensch, den ich kenne. Aber manchmal hat sie eine etwas lange Leitung.

„Abschiedsparty?“, wiederhole ich lahm und komme mir auf einmal ziemlich dumm vor.

Ernüchterung breitet sich in mir aus. Kein Justus. Kein Antrag. Kein gar nichts. Ich werde also nicht als frisch Verlobte nach Schottland gehen. Ich versuche zu schlucken, aber mein Hals fühlt sich wie zugeschnürt an. Auch mein Lächeln erstarrt zu einer verkrampften, schmerzenden Maske.

Phillip und Phillip nicken synchron, dann wechseln sie einen betretenen Blick miteinander, von dem sie offenbar glauben, dass ich ihn nicht sehen kann.

„Oh“, mache ich. Nur oh. Mehr bringe ich nicht über die Lippen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: die Ernüchterung oder das Schamgefühl, das sich allmählich einstellt.

Louis tritt zu Mia und flüstert ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie ihre Locke loslässt und lautstark ausatmet. Ihr Gesichtsausdruck wechselt binnen Sekunden von glücklich zu betroffen, als sie zu begreifen beginnt. Sie legt mir einen Arm um die Schulter.

„Oh, mein Schatz, es tut mir so leid. Das ist alles ein riesengroßes Missverständnis. Und Justus … sorry, er ist gar nicht hier“, bringt sie leise und zögerlich heraus. „Er hat keine Zeit und … es liegt nicht an ihm, versprochen. Eher an mir. Er war minimal genervt von mir, glaube ich …“, bricht es plötzlich so schnell aus ihr heraus, dass sich ihre Stimme fast überschlägt. Dabei muss sie sich doch gar nicht rechtfertigen. „Es ist nur … ich habe ihn ständig angerufen und er musste sich für dich Ausreden einfallen lassen, um mit mir zu reden. Es war schon ein gehöriges Maß an Überredungskunst nötig, damit er uns überhaupt den Schlüssel gegeben und die Wohnung überlassen hat, so sehr habe ich ihn genervt.“

„Er dachte wahrscheinlich, wir feiern hier eine Orgie oder so“, ergänzt Phillip, der Justus nie leiden konnte und dazu steht, und verdreht mit einem tiefen Einatmen die Augen.

Ich zwinge mich zu einem Lachen. Es fühlt sich merkwürdig an, kratzig und trocken in meinem Hals und schwer in meiner Brust. Ich versuche, nicht wütend auf Justus zu sein. Es ist nicht seine Schuld, dass er ein vielbeschäftigter Mann ist und ich zu viel Fantasie habe. Wir sind noch jung. Wir haben unendlich viel Zeit, um zu heiraten, ein Haus zu kaufen und eine Familie zu gründen. All das eilt nicht. Kein bisschen.

Er muss mir jetzt keinen Antrag machen.

Er muss mir jetzt keinen Antrag machen.

Ich brauche keinen Antrag, schließlich bin ich eine unabhängige, taffe Frau. Ich straffe meine Schultern, während die Stille um mich herum immer weiter anzuschwellen scheint.

„Und? Stehen wir jetzt alle hier herum oder feiern wie eine Party?“, rufe ich.

Phillip und Phillip jubeln, nach und nach fallen auch die anderen mit ein und alle schieben sich wie ein einziges großes Ganzes ins Wohnzimmer. Mia zieht ihr Smartphone aus der Hosentasche und verbindet es mit einigen flinken Griffen mit Justus’ Lautsprechern, um eine Playlist zu starten. Bald darauf lässt CottonEyeJoe die Boxen vibrieren.

Ich sehe mich um. Die Luftballons in Herzform, die den Weg zum Haus, das gesamte Treppenhaus und den Eingangsbereich gefüllt haben, finden sich auch hier in rauen Mengen wieder. Meine kleine Wohnung platzt fast aus allen Nähten. Es müssen hunderte sein, in farblich aufeinander abgestimmten Pastelltönen. Spätestens jetzt wird mir klar, dass Justus nicht im Entferntesten etwas damit zu tun haben kann. Er hat weder etwas mit Pastelltönen am Hut noch würde er darauf achten, dass sie farblich aufeinander abgestimmt sind. Justus ist ein praktisch denkender Mensch. Deswegen passen wir beide auch so gut zusammen.

Ich lasse mich auf das Sofa sinken und lächle unentwegt, um nicht undankbar oder traurig zu wirken. Bin ich ja auch nicht. Denn ich bin ja schließlich unabhängig und taff und so weiter.

Auf dem Couchtisch stehen Schüsseln mit Chips, Cookies, kleinen Salzbrezeln und Popcorn sowie ein Teller mit Nachos und Salsasauce. Sie haben sich wirklich alle riesige Mühe gegeben, etwas Tolles für mich auf die Beine zu stellen.

Neben meinen beiden Schwestern, meiner besten Freundin Mia, Phillip und Phillip und meinem Kollegen Louis entdecke ich Marie, meine Lieblingssitznachbarin aus der Berufsschule und Moritz, meinen besten Freund aus Kindheitstagen. Charlottes Mann Edwin und Taras Langzeitverlobter Max stehen mit einem Glas in der Hand etwas verloren am Fenster und grinsen. Außerdem sind meine Kolleginnen Hannah und Sarah sowie meine Nachbarin Merle mit von der Partie. Die hübsche Unbekannte an Louis’ Seite muss seine Freundin sein, die ich bisher nur vom Hörensagen kenne und deren Name mir entfallen ist. Und – mein Herz macht einen Satz – sogar Bob ist da. Bob, der eigentlich mein Vater ist, aber nie als Papa bezeichnet wurde. Er ist einfach nicht der typische Papa. Er bahnt sich seinen Weg zu mir und drückt mich kurz an sich. Braungebrannt ist er. Schlank wie eh und je, mit Bartstoppeln und lebhaft funkelnden grünen Augen. Und er riecht nach Lakritz.

„Grüß meine Heimat von mir, Kleines“, sagt er.

Dann wendet er sich wieder von mir ab und erzählt Marie und Moritz weiter von seinem Rucksacktrip durch Australien, von Kängurus, Koalas und etwas namens Meat Pie, das wohl sein Leben verändert hat.

Dass meine Mutter nicht dabei ist, wundert mich nicht, da sie sich gerade in den Flitterwochen befindet. Sie ist mittlerweile zum dritten Mal verheiratet, während ihre jüngste Tochter es offensichtlich nicht mal schafft, einen Antrag zu bekommen.

„Und du gehst tatsächlich dorthin, ohne je für ein Vorstellungsgespräch da gewesen zu sein?“ Mia, die mir diese Frage in den letzten Tagen schon sehr oft gestellt hat, lässt sich neben mich auf das Sofa fallen und drückt mir ein bis zur Oberkante gefülltes Glas in die Hand.

Ich nicke lahm und schnuppere an dem Getränk. Ein satter Kokosnussgeruch steigt mir in die Nase – Batida de Coco. Herrlich. Mein alkoholisches Lieblingsgetränk.

„Habt ihr denn zumindest mal telefoniert oder gemailt?“, fragt Mia weiter. „Hast du Fotos von dem Anwesen gesehen?“

„Nein.“ Ich nehme einen großen Schluck aus meinem Glas und schüttle den Kopf, wobei ich mich bemühe, einen unbeeindruckten und sorglosen Eindruck zu machen, um Mia nicht unnötig aufzuregen. „Lord MacLain hat kein Telefon. Und auch keinen Computer. Wir haben ganz schlicht und klassisch Briefe geschrieben.“

„Briefe!“ Mia reißt die Augen auf und sieht mich an, als hätte ich ihr gerade gesagt, dass wir per Rauchzeichen kommuniziert hätten. Das Vermeiden unnötiger Aufregung hat wohl nicht ganz so gut funktioniert.

Ich muss lachen.

„Und wenn es gar keinen Lord Macirgendwas gibt, der ein Au-pair-Mädchen aufnimmt und es in Wahrheit eine organisierte Verbrecherbande ist, die sich auf hübsche, junge deutsche Frauen mit langen roten Haaren spezialisiert hat? Oder Organhändler?“, spinnt Mia mit gesenkter Stimme weiter. Auf ihrer Stirn entsteht eine tiefe Sorgenfalte, während es in ihrem Kopf deutlich sichtbar rattert, um weitere Horrorszenarien zu entwerfen.

„Quatsch!“, wische ich ihre Bedenken beiseite. „Du weißt genau, dass ich einen gesunden Menschenverstand habe. Und außerdem bin ich kein Angsthase. Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert, liegt bei null Komma noch was Prozent.“

„Ich weiß.“ Mia seufzt. „Du bist nicht wie ich. Ich beneide dich um deinen Mut, Bonnie. Ich kann ja nicht mal bei einer anderen Tankstelle tanken, als bei der, zu der ich immer gehe. Und du gehst einfach mal so ein Jahr lang als Au-pair ins Ausland und machst nicht mal eine große Sache daraus. Manchmal denke ich, du bist gar nicht erst vierundzwanzig, sondern schon viel älter.“ Sie nimmt sich einen Nacho, fährt damit großzügig durch die Salsasauce und isst ihn genüsslich, während ihre rehbraunen Augen ins Leere starren.

Ich werde ihr fehlen, das ist mehr als offensichtlich. Während ich weit entfernt abgelenkt sein werde, wird sie hierbleiben, ihr Pädagogikstudium ohne mich beginnen und mittwochabends ohne mich ihre heiß geliebte Arztserie schauen. Ich liebe Mia, aber sie braucht mich viel mehr als ich sie.

„Ich meine … irgendwie liegen meine Wurzeln nun einmal in Schottland“, versuche ich meine Entscheidung zu rechtfertigen und lege ihr tröstlich einen Arm um die Schulter. „Bob ist schließlich Schotte. Das macht mich zur halben Schottin.“

„Schotten sind sexy“, sagt Mia gedankenverloren, ohne mich anzusehen.

„Und tragen unter ihren Kilts keine Unterhosen“, ergänzt Phillip, der sich unbemerkt zu uns gesellt hat.

„Das halte ich für einen Mythos“, entgegne ich lachend.

„Und sie vernaschen gern ihre Au-pair-Mädchen“, neckt Phillip weiter.

„Auch ein Mythos.“ Ich schüttle entschieden den Kopf. „Außerdem nennt der Lord mich Nanny und nicht Au-pair, auch wenn mein Aufenthalt dort auf ein Jahr begrenzt ist. Ich finde, Nanny klingt irgendwie besser. Wichtiger.“

„Da muss ich direkt an diese Fernsehsendung mit Fran Drescher denken“, antwortet Phillip und summt die Titelmelodie von DieNanny. „Du weißt schon, dass diese Nanny ihren Chef geheiratet hat?“

„Das ist doch nur eine Serie.“ Ich muss lachen. „Abgesehen davon habe ich Justus und das weißt du.“

Phillip verdreht vielsagend die Augen.

„Oh, Schatz“, seufzt Mia, nimmt sich einen zweiten Nacho mit Salsasauce und tätschelt mit der anderen Hand meinen Arm. „Ich habe einfach kein gutes Gefühl bei der Sache. Nicht dass Schottland doch keine gute Idee ist …“

Kapitel 2

Abschied von Deutschland

Die Tasse, die Justus vor mich stellt, dampft und ist bis zum Rand gefüllt. Ich frage mich unwillkürlich, wie er es bis hierher geschafft hat, ohne auch nur einen einzigen Tropfen davon zu verschütten. Mit einem dankbaren Nicken sehe ich zu ihm auf und puste vorsichtig in den schaumigen Cappuccino, der ganz offensichtlich noch viel zu heiß ist, um ihn genießen zu können.

„Die haben heute Familientag.“ Justus öffnet mit einer zügigen Bewegung zwei Tütchen Zucker und gibt den Inhalt in seinen Cappuccino, bevor er umrührt. „Da kosten drei Brote nur so viel wie zwei.“

„Du könntest zweieinhalb einfrieren“, schlage ich vor.

Justus nickt. Nicht dass er es rein finanziell betrachtet nötig hätte, den Familientag der Bäckerei abzuwarten, um am Brot zu sparen, im Gegenteil. Aber da ist er wieder, der Pragmatismus, den ich so sehr an ihm und an unserer Beziehung schätze. Justus handelt nie überstürzt, nie unüberlegt, nie, wenn ein Risiko besteht. Alle seine Entscheidungen sind wohlüberlegt und basieren auf Vernunft. Genau wie bei mir.

Auch das nun sehr bald bevorstehende Schottlandjahr ist kein fixer Gedanke, wie der einer Abiturientin, die spontan nach Australien fliegt, weil sie vor dem Studium etwas von der Welt sehen will und Koalabären süß findet. Dass ich für dieses Jahr meinen Job als Bürokauffrau kündigen und es vor meinem Studium in Angriff nehmen und ohne Probleme bewältigen werde, steht schon seit einer halben Ewigkeit fest. Dass mein Arbeitgeber ein Mann ist, dem ich nie zuvor begegnet bin und dessen Stimme ich nicht einmal kenne, ist, wenn man den Rest meines Lebens betrachtet, allerdings tatsächlich ein wenig untypisch für mich. Aber ich vertraue auf meinen gesunden Menschenverstand und meinen Realismus. Außerdem hat der Lord eine nahezu surreal schöne Handschrift, und mir ist in meinem Leben bisher kein Mensch untergekommen, der derart schön schreibt und ein Psychopath, Serienkiller oder Vergewaltiger ist. Schönschreiber sind in 99 Prozent der Fälle intelligent und ausgeglichen, das sagt sogar Google.

Justus nippt an seinem Kaffee, der offenbar noch eine Spur zu heiß ist, und behält einen kleinen, schaumigen Milchbart zurück. Sofort führt er seine Serviette zum Mund, tupft diesen ab, faltet sie ordentlich wieder zusammen und legt sie zurück auf die Untertasse.

„Weißt du, was mir in Schottland fehlen wird?“, frage ich ihn.

„Ein Regenmantel?“

Ich muss lachen. Justus hat es so trocken gesagt, dass ich unsicher bin, ob er scherzt oder es ernst meint.

„Du!“, korrigiere ich ihn immer noch grinsend. „Du wirst mir fehlen.“

„Es sind doch bloß zwölf Monate“, erinnert er mich an unser letztes Gespräch. „Wir werden mit unseren Jobs beide so viel zu tun haben, dass die Zeit, bis du wieder in Deutschland bist, geradezu verfliegen wird. Apropos wieder in Deutschland – es wäre vielleicht praktisch, nach dem Jahr zusammenzuziehen.“

Zum Glück habe ich die Tasse gerade erst zum Mund geführt und noch nicht getrunken, sonst hätte ich mich vermutlich verschluckt. Betont langsam stelle ich sie zurück, wobei ein wenig Schaum überschwappt.

Justus sieht mich zwar an, scheint aber durch mich hindurchzusehen. Fast so, als würde er während des Gesprächs in seinem Kopf ununterbrochen etwas zusammenrechnen.

„Wir würden Miete und Sprit sparen“, zählt er auf.

Ich nicke und versuche, mir meine jäh aufkommende Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. So ein winziger Funke Romantik wäre ab und an bei dem ganzen Realismus doch nicht schlecht. So, wie Justus vor mir sitzt und mir das Zusammenziehen schmackhaft macht, als würde er mir gerade einen ranzigen Gebrauchtwagen verkaufen wollen, mag einfach keine Freude über den Vorschlag in mir aufkommen. Ich sehe, wie sich seine Lippen weiterhin bewegen, höre aber kaum noch zu. Gesprächsfetzen wie mitdemFahrrad und vorderArbeit und GEZteilen dringen wie durch einen Wattebausch an mein Ohr. Fehlt nur noch, dass er mir ein günstiges Abo inklusive Hochzeit und erstem Kind anbietet. Wegen der Steuervorteile.

„Klingt gut“, sage ich und bemühe mich, es nicht unterkühlt klingen zu lassen, obwohl ich mich tatsächlich genau so fühle: unterkühlt, ernüchtert, auf den Boden der Tatsachen befördert.

Ich trinke meinen Cappuccino und sehe aus dem Fenster. Der Geschmack des heißen Getränks dringt gar nicht zu mir durch.

Am Fenster geht eine junge Frau mit Babybauch vorbei. Sie schiebt einen stylish aussehenden grauen Buggy mit drei Rädern, in dem ein pausbäckiges Kleinkind sitzt, vor sich her. Sie sieht ein wenig gestresst aus, blass und müde, auch wenn sie lächelt. Sie trägt einen ziemlich verstrubbelten Dutt, aus dem einige wirre Strähnen herunterhängen und ihr schmales Gesicht umspielen. Und irgendwie, obwohl in drei, vier Jahren auch bei uns exakt zwei Kinder – idealerweise ein Junge und ein Mädchen – auf dem Plan stehen, beneide ich sie. Für ihre Gegenwart, für ihr Jetzt.

Am nächsten Tag bringt Mia mich zum Flughafen. Nachdem sie sich auf der Fahrt sichtlich angestrengt zurückhält, brechen in der steril geputzten, riesigen Halle schließlich alle Dämme und sie tupft sich schluchzend mit einem Taschentuch das Gesicht trocken, während ich am Check-in-Schalter meine Unterlagen vorzeige und das Gepäck aufgebe. Anschließend gönnen wir uns einen sündhaft teuren und nichtssagenden Flughafen-Kaffee und nehmen auf den Plastikstühlen im Wartebereich Platz.

„Deutschland wird scheiße sein ohne dich“, beklagt Mia sich zwischen einem Schnäuzen in ihr Taschentuch und einem Schluchzen, das ihren Körper erzittern lässt. So verzweifelt habe ich meine Freundin zuletzt erlebt, als sie nach Wochen des Flirtens an der Hand des hübschen Eisverkäufers einen Ehering bemerkt hat.

Beruhigend streiche ich über ihren Rücken. „Das wird schon“, versuche ich sie aufzumuntern. „Du bist ja nicht alleine. Du hast Phillip, Mara und Yassin, Tabea, Lisa …“, zähle ich an meinen Fingern ab, doch Mia unterbricht mich mit einem heftigen Kopfschütteln.

„Das ist nicht dasselbe“, sagt sie mit geschürzten Lippen und erinnert mich mit einem Mal an ein bockiges Kleinkind.

Als schließlich mein Flug aufgerufen wird und Mia wie vom Donner gerührt aufspringt, gebe ich ihr einen sanften, aufmunternden Stoß gegen die Schulter und einen Kuss auf die Wange.

„Wir telefonieren jeden Tag“, verspreche ich und schultere mein Handgepäck.

Sie nickt, unfähig, auch nur ein einziges Wort herauszubringen. Mit einem ziemlich schlechten Gewissen, sie so zurückzulassen, mache ich mich auf den Weg zu meinem Gate. Nach einigen Metern bemerke ich, dass sie mir in einem etwas schnelleren Laufschritt folgt. Mit einem festen Griff umfasst sie mein Handgelenk.

„Mia!“, rufe ich halb belustigt, halb verärgert aus.

„Mir ist klar, dass ich mich wiederhole! Aber … ich weiß nicht, Bonnie, es ist einfach …“, bringt sie mit erstickter Stimme hervor. „Ich habe kein gutes Gefühl bei Schottland. Überhaupt kein gutes Gefühl.“

Kapitel 3

Ein denkbar schlechter Start

Als ich in Montrose, Schottland, ankomme, regnet es. Schwere, daumendicke Tropfen prasseln in rascher Abfolge an das hintere Wagenfenster. Ein Nebelschleier, dicht, grau und finster, hängt über dem gesamten Ortsteil, und es wird nicht besser, als wir Montrose verlassen und Lainsburgh ansteuern. Der Scheibenwischer fährt mit einem leicht quietschenden Geräusch unaufhörlich über das Frontfenster.

Seit ich dem Fahrer gesagt habe, wohin er mich bitte fahren soll, hat er kaum mehr auf die Straße gesehen und scheint mir stattdessen über den Rückspiegel fast ununterbrochen in die Augen zu starren. „Das Anwesen der Familie befindet sich etwa einen halben Kilometer außerhalb der Stadt Lainsburgh“, berichtet er, „einsam und abgelegen.“

„Man erzählt sich, dass es dort spukt“, fährt er nach einer kurzen Pause in breitem Englisch mit schottischem Akzent und so leise fort, dass seine Stimme kaum gegen das laute Prasseln des Regens ankommt.

Ich fühle mich unwillkürlich in den Anfang eines schlechten Horrorfilms hineinversetzt. Alles fügt sich zusammen: die endlos lang wirkenden schmalen und abgelegenen Wege, das Wetter, das klapprige alte Taxi und sogar die leiernde Stimme des Fahrers, die hervorragend zu seinen müden, blutunterlaufenen Augen passt und eine Geschichte erzählt, die er wahrscheinlich schon tausende Male zum Besten gegeben hat. Nur gut, dass ich ganz und gar kein Angsthase bin.

„Ach, wirklich?“, frage ich müde und mehr aus Höflichkeit, als aus ernsthaftem Interesse.

In den dunklen Augen des Fahrers, die mich immer noch durchdringend mustern (scheinbar kennt er den Weg so gut, dass er nicht nach vorn sehen muss), tritt ein fanatischer Glanz. Nackte Begeisterung darüber, dass ich ganz offensichtlich mehr hören möchte. Er nickt.

„Ja, wirklich“, antwortet er betont langsam und senkt bedeutungsvoll die Stimme. „Der damalige Lord hat vor sechzig Jahren seine Frau, die allseits beliebte Lady MacLain ermordet. Das hat die MacLains auf ewig geprägt. Weder sein Sohn, der danach mit seiner Familie dort gelebt hat, noch der Enkelsohn, der nun dort haust, wurden je in der Öffentlichkeit gesehen. Sie verlassen nie das Grundstück und sie sprechen mit niemandem. Nur manchmal, in dunklen Vollmondnächten, da sieht man den Lord am Fenster stehen und ins Nichts starren. Und man erzählt sich, dass jedem neuen Lord die Frau stirbt, nachdem sie ihm drei Kinder geboren hat. Es ist wie ein furchtbarer Fluch, den niemand brechen kann.“

Eine Weile lang mustert er mich im Rückspiegel, als wolle er prüfen, wie sehr seine Worte mich bisher eingeschüchtert haben. „Jedes Jahr, seit vielen Jahrzehnten, wird ein Kindermädchen eingestellt. Die MacLains sind schon immer ein kinderreicher Clan gewesen. Ich meine, selbst der Ort wurde nach einem von ihnen benannt, so viele von ihnen gab es hier einst. Und, ob Sie es hören wollen, junge Dame, oder nicht, man erzählt sich, dass nicht jedes Kindermädchen das Haus lebendig wieder verlassen hat.“

Mit diesen fast flüsternd ausgesprochenen letzten Worten bremst er den Wagen und kommt mitten auf der schmalen Straße zum Stehen.

Ich sage ihm nicht, dass das, was er gerade erzählt hat, überhaupt keinen Sinn ergibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es seit Jahrzehnten unaufhörlich kleine Kinder im Haus gibt, für die ein Kindermädchen benötigt wird – und dass einige von ihnen das Haus nicht lebend verlassen haben, ist eindeutig reine Panikmache – welche bei mir nicht funktionieren wird.

„Wieso halten Sie an?“, erkundige ich mich, ohne auf seine Geschichte einzugehen.

„Weiter nähere ich mich dem alten Spukhaus nicht.“ Er deutet auf etwas weit hinter der regenbenetzten Frontscheibe Liegendes, das ich nicht sehen kann. „Etwa zweihundert weitere Meter müssen Sie in diese Richtung und Sie gelangen zum Grundstück der MacLains.“

Mit zusammengekniffenen Augen folge ich seinem Zeigefinger, erkenne aber nach wie vor nichts als Regen, Bäume und eine graue Mischung aus Nebel und Dunkelheit.

„Zu Fuß? Ist das Ihr Ernst? Es regnet in Strömen!“

„Und deutsche Mädchen sind aus Zucker?“

Ich recke das Kinn in die Höhe. So ein abergläubischer Idiot! Ohne ihn eines weiteren Wortes oder Blickes zu würdigen, drücke ich ihm die abgezählten Scheine inklusive Trinkgeld in die Hand.

Das schottische Geld, das ich bei der Bank in Deutschland zuvor abgeholt habe, sieht komplett anders aus als unsere Euroscheine. Ein Pfund Sterling ist ungefähr so viel wert wie 1,20 Euro und setzt sich aus hundert Pence zusammen, habe ich mich zuvor belesen. Internet sei Dank.

Ich knalle die Tür zu, hole eigenständig meinen Koffer und meine Reisetasche aus dem Kofferraum und habe das Gefühl, bereits jetzt bis auf die Knochen durchnässt zu sein. Für einen Frühlingstag ist es ziemlich kalt, für einen Nachmittag ziemlich dunkel und für einen ersten Arbeitstag ein ziemlich kontraproduktiver Beginn.

Schon nach wenigen Metern bereue ich es, die hohen Schuhe angezogen zu haben. Um den Koffer zu öffnen und ein anderes Paar herauszuholen, ist es aber viel zu kalt. Abgesehen davon wäre dessen Inhalt binnen Sekundenbruchteilen völlig durchnässt.

Hinter mir wendet der Fahrer sein Taxi in mehreren Zügen, bevor er in die Richtung, aus der wir gekommen sind, verschwindet. Der Flug, wenn er auch nur knappe zwei Stunden gedauert hat, schlaucht mich nun im Nachhinein. Frierend und schlecht gelaunt versuche ich mein Bestes, das Gepäck den schlammigen Weg entlangzuziehen und zu schleppen, während ich nach wie vor nichts als Nebel, Regen und Bäume sehe. Mein dunkelblauer Blazer, die eng anliegende weiße Bluse und die schwarze Jeggins sind binnen weniger Meter gänzlich durchnässt. Und meine seriös wirkende Hochsteckfrisur zerfällt zu dicken, nassen Strähnen, die mir mit jedem Schritt etwas weiter ins Gesicht rutschen. Großartig, ganz großartig!

Die Absätze meiner Schuhe machen bei jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch, wenn ich sie aus dem Schlamm ziehe. Ich fahre mir unsanft mit dem Handrücken über das Gesicht, um den kalten Regen fort und die Haarsträhnen beiseite zu wischen. Ein Fehler, wie mir sofort bewusst wird. Schwarze, längliche Mascaraspuren kleben an meiner Hand und werden vom Regen fortgespült. Ein Wutschrei entfährt mir, der von Regen und Wind sofort verschluckt wird.

Beim nächsten Schritt sinkt mein rechter Schuh tiefer als bisher in den Schlamm. Verdammt! Als ich krampfhaft versuche, ihn herauszuziehen, verliere ich mit dem linken Fuß den Halt und falle der Länge nach in den Schlamm. Um es positiv zu sehen: Nun wird zumindest meine verschmierte Schminke kein Thema mehr sein, denn mein ganzes Gesicht ist voller Matsch. Ich habe sogar welchen in den Augen. Kapitulierend setze ich mich auf, ziehe die Schuhe aus und versuche, nicht in Tränen auszubrechen, als sich in das Geräusch des Regens und des Windes etwas anderes mischt. Etwas, das nach schweren, schmatzenden Schritten klingt.

„Kommen Sie!“, ruft eine dunkle Stimme, gar nicht weit von mir entfernt.

Meine mit Schlamm verkrusteten Augen erblicken eine Gestalt in der Dunkelheit, die zwischen zwei Bäumen am Gatter eines hohen Zauns steht und mit einer Laterne, in der eine flackernde Kerze leuchtet, winkt.

Als ich mich aufrapple und meine Schuhe, mein Gepäck und mich selbst irgendwie in die Richtung der Stimme und des Lichts schleppe, erscheinen hinter dem offen stehenden, mit Efeu bewachsenen Gatter jäh die Umrisse eines riesigen dunklen Gebäudes vor mir. Es sieht aus wie der Drehort eines FSK 18 Horrorfilms, in dem irgendwelche langhaarigen Geister unschuldige Jugendliche erschrecken.

Ich puste ein bisschen Schlamm aus der Nase, als die Laternen haltende, gänzlich in einen langen, dunklen Umhang gewickelte Gestalt mich wortlos einlässt.

Auf dem Grundstück, auf dem ich nun stehe, regnet es nicht. Das mag an den Baumkronen der vielen hohen, scheinbar uralten Bäume liegen, oder vielleicht hatte ich einfach nur Pech und habe einen immensen Regenschauer abbekommen, der nun endlich abebbt. Egal. Alles an mir tropft, ist schwer und kalt.

Die Gestalt, die ich dank der Schlammpackung in meinem Gesicht und vor meinen Augen kaum näher zu erkennen vermag, weist immer noch schweigend auf das leicht im Nebel liegende, in die Jahre gekommene Gebäude, das man so, vom Fleck weg und ohne irgendwelche Restaurationsarbeiten, als Requisite für einen gruseligen Film verwenden könnte. Jeder kennt sie, diese Art von Filmen: Eine kleine Familie oder ein junges Pärchen zieht in ein altes, abgelegenes Haus und plötzlich tauchen unheimliche Stimmen auf, geschehen mysteriöse Dinge. Genau so ein Haus ist das. Zum Glück gehöre ich nicht zur Sorte Mensch, der sich bei Horrorfilmen in die Hose macht.

Dennoch kann ich meinen Blick nicht von diesem Haus abwenden, das nun ein Jahr lang mein Zuhause sein soll. Meine Zähne klappern lautstark aufeinander, so kalt ist mir. Und plötzlich frage ich mich, ob Mia recht hatte und Schottland vielleicht doch eine Schnapsidee war.

Kapitel 4

Regeln über Regeln

Nachdem mein neuer Chef meine Koffer an sich genommen und mir nur knapp den Weg Richtung Gäste-Badezimmer gewiesen hat, stehe ich ihm nun frisch geduscht und zum ersten Mal ohne Schlammreste in den Augen gegenüber.

„Ich heiße Sie herzlich willkommen, Fräulein Kirsch“, sagt er förmlich und in fast schon akzentfreiem Deutsch.

Ich nicke und ringe mir ein Lächeln ab. Der Lord sieht ganz anders aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Nicht schottisch, sondern eher britisch – auf eine steife, unnahbare, aber irgendwie sexy Art und Weise. Eine Mischung aus Colin Firth und Jude Law. Er hat volles braunes Haar, das sich in kurz geschnittenen Wellen auf seinem Kopf kräuselt, ein schmales Gesicht mit markanten Wangenknochen und vollen Lippen sowie intelligente graue Augen, die mich durchdringend ansehen. Kein einziges Barthaar sprießt auf seinem perfekt rasierten makellosen Gesicht.

Zudem ist er groß, mindestens einen Kopf größer als ich, und ich bin mit meinen einsfünfundsiebzig schon nicht gerade klein. Er ist eigentlich viel zu jung, um schon drei Kinder zu haben und verwitwet zu sein. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass er mir sofort sympathisch ist, denn obwohl er eindeutig attraktiv ist, strahlt er etwas Unnahbares und vielleicht sogar etwas wie Überheblichkeit aus.

All das schießt mir durch den Kopf, während ich ihn nach wie vor anstarre und kein Wort zustande bringe. Als mir das klar wird, straffe ich die Schultern und räuspere mich diskret. So kenne ich mich gar nicht.

„Danke“, beeile ich mich zu sagen und streiche mir eine noch nasse Haarsträhne hinter das Ohr. „Ganz schön groß, Ihr … Anwesen.“ Haus klingt irgendwie zu klein für dieses monumentale Gebäude mit den endlos hohen Decken, den altmodischen Kronleuchtern und Zimmern, in die gefühlt meine gesamte Wohnung hineinpassen würde.

„Kinder brauchen Platz. Vor allem wenn sie zu Hause unterrichtet werden“, antwortet er trocken, ohne den Blick von mir abzuwenden. Dann zieht er den Brief hervor, den ich ihm zuletzt geschrieben habe. Kurz gleiten seine Augen über die eng aneinander gedrängten Buchstaben. Druckschrift, weil mir Schreibschrift nie gefallen hat.

„Ja, richtig“, stimme ich ihm in Ermangelung kreativerer Antworten zu.

Wir befinden uns in einem Raum mit einem offenen Kamin, in dem ein Feuer knistert, einem großen, schlichten Sofa und einem altmodischen Teppich. Wahrscheinlich das Wohnzimmer. Es wundert mich, dass nicht ein einziges Spielzeug oder herumliegendes Kleidungsstück auf die Existenz der drei Kinder hinweist, die der Lord angeblich hat. Die Fenster sind mit dunklen Vorhängen zugezogen, und an den Wänden hängen eine Menge Gemälde, auf denen unterschiedliche erschrocken dreinblickende Gesichter zu sehen sind. Irgendwie gruselig.

„Sie haben schottische Vorfahren?“, fragt er.

Ich wende den Blick von einem Gemälde mit einem übergewichtigen, Flügel tragenden nackten Mann ab, der an einer Blume schnuppert, und nicke.