Das gekaufte Web (TELEPOLIS) - Michael Firnkes - E-Book

Das gekaufte Web (TELEPOLIS) E-Book

Michael Firnkes

0,0

Beschreibung

Was wir online lesen und sehen, auf Webseiten, in Blogs und sozialen Netzwerken, das ist immer öfter verfremdet und manipuliert. Gefälschte Inhalte werden genutzt, um versteckte Werbung zu platzieren und Einnahmen zu generieren, aber auch um die öffentliche Meinung zu Gunsten von Interessensverbänden und der Politik zu steuern. Über gezielte Desinformation, versteckte Propaganda, gekaufte Google-Platzierungen und vieles mehr wird der Nutzer zum Spielball auf diesem Milliardenmarkt. Und selbst die großen Onlinemedien mischen mit. Neue Technologien der digitalen Welt befeuern den Trend zu rein künstlich generiertem Content. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns entscheiden müssen: Zwischen einem "freien" oder einem von kommerziellen Interessen beherrschten World Wide Web. Das Buch deckt auf verständliche Weise die unterschiedlichen Methoden der Manipulation auf. Es zeigt, wie fremdgesteuerte Inhalte alle Internetnutzer betreffen, geht aber gleichzeitig auf mögliche Auswege und Lösungsmöglichkeiten ein. Als Plädoyer für ein nachhaltig unabhängiges Internet. Mit Illustrationen von Melanie Sotiris.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 526

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michael Firnkes ist Autor und hauptberuflicher Blogger. Er gehörte zu den ersten professionellen Bloggern im deutschsprachigen Raum – mehrere Jahre lebte er komplett von den Werbeeinnahmen seiner Portale. Zuvor arbeitete der studierte Informatiker als Marketing- und CRM-Manager, unter anderem bei einem der größten Internetportale Deutschlands. Er schrieb mehrere Fachbücher zum Thema Onlinemarketing. Aktuell beschäftigt er sich mit den Chancen, aber auch mit den Herausforderungen der vernetzten Gesellschaft.

Internet: http://michaelfirnkes.deTwitter: @MichaelFirnkesHashtag zum Buch: #GekauftesWeb

Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:www.dpunkt.de/plus

Das gekaufte Web

Wie wir online manipuliert werden

Michael Firnkes

Reihenherausgeber: Florian Rötzer, München, [email protected]

Lektorat: Dr. Michael BarabasCopy-Editing: Susanne Rudi, HeidelbergSatz: Friederike Diefenbacher-KeitaHerstellung: Susanne BröckelmannComics: Melanie Sotiris, www.auftrittswerk.deAutorenfoto: © Christine Halina SchrammUmschlaggestaltung: Hannes Fuß, www.exclam.deDruck und Bindung: M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:Buch 978-3-944099-08-8PDF 978-3-95788-995-9ePub 978-3-95788-996-6mobi 978-3-95788-997-3

1. Auflage 2015Copyright © 2015 Heise Medien GmbH & Co. KG, Hannover

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.Alle Informationen in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert.Weder Herausgeber, Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

5 4 3 2 1 0

TELEPOLIS

magazin der netzkultur

→www.telepolis.de

Das Online-Magazin TELEPOLIS wurde 1996 gegründet und begleitet seither die Entwicklung der Netzkultur in allen Facetten: Politik und Gesetzgebung, Zensur und Informationsfreiheit, Schutz der Privatsphäre, wissenschaftliche Innovationen, Entwicklungen digitaler Kultur in Musik, Film, bildender Kunst und Literatur. Doch TELEPOLIS hat auch immer schon über den Rand des Bildschirms hinausgesehen: Die Kreuzungspunkte zwischen realer und virtueller Welt, die »Globalisierung« und die Entwicklung der urbanen Kultur, Weltraum und Biotechnologie bilden einige der weiteren Themenfelder.

Als reines Online-Magazin nimmt TELEPOLIS damit eine einzigartige Stellung im deutschsprachigen Raum ein und bildet durch seine englischsprachige Ausgabe und seinen internationalen Autorenkreis eine wichtige Vermittlungsposition über sprachliche, geografische und kulturelle Grenzen hinweg. Verantwortlich für das Online-Magazin und Herausgeber der TELEPOLIS-Buchreihe ist Florian Rötzer.

Die TELEPOLIS-Bücher basieren auf dem Themenkreis des Online-Magazins. Die Reihe erörtert Phänomene der digitalen Kultur und der Wissensgesellschaft.

Eine Auswahl der bisher erschienenen TELEPOLIS-Bücher

Klaus Schmeh

Versteckte Botschaften

Die faszinierende Geschichte der

Steganografie2009, 246 Seiten, 18 €

Harald Zaun

SETI – Die wissenschaftliche Suche nach außerirdischen Zivilisationen

Chancen, Perspektiven, Risiken2010, 320 Seiten, 19,90 €

Hans-Arthur Marsiske

Kriegsmaschinen – Roboter im Militäreinsatz2012, 252 Seiten, 18,90 €

Nora S. Stampfl

Die verspielte Gesellschaft

Gamification oder Leben im Zeitalter

des Computerspiels2012, 128 Seiten, 14,90 €

Jörg Friedrich

Kritik der vernetzten Vernunft

Philosophie für Netzbewohner2012, 176 Seiten, 16,95 €

Alexander Dill

Dein Staat gehört Dir!

Ein Abschiedsbrief an das Wutbürgertum2013, 184 Seiten, 16,90 €

Nora S. Stampfl

Die berechnete Welt

Leben unter dem Einfluss von

Algorithmen2013, 124 Seiten, 14,90 €

Christian J. Meier

Eine kurze Geschichte des Quantencomputers

Wie bizarre Quantenphysik eine neue

Technologie erschafft2015, 188 Seiten, 16,90 €

Weitere Informationen zu den TELEPOLIS-Büchern und Bestellung unter:

→ www.dpunkt.de/telepolis

TELEPOLIS

magazin der netzkultur

Inhaltsverzeichnis

1   Die Freiheit des Wissens

Digitale Mündigkeit

Das Content-Monster wird gefüttert

Manipulation im Kleinen und im Großen

Das digitale Zeitalter: Beeinflussung in neuer Dimension

2   Google und das große Geld

Auf die Plätze, fertig, los!

Der Link-Schwarzmarkt und seine Folgen

Der Preis ist heiß

Die Blogger-Verführung

Harmlose Spielerei oder doch mehr?

3   Des Kaisers neue Kleider

Onlinewerbung steckt in der Krise

Die Versuchung

Gedruckt ist gedruckt. Nicht jedoch im Web ...

4   Digitale Inkompetenz

»Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen«

Das kalkulierte Spiel mit der Mutmaßung

5   Mediendemokratie 2.0

Die Meinungsschleuder

Es gibt keine »gute« Beeinflussung

Ausloggen hilft nur bedingt ...

6   Rückzug der Gatekeeper

Was den Unterschied ausmacht

Gefahren erkennen, um die Chancen zu nutzen

7   Micro-Lobbyismus

Lancieren statt werben

Wie sich die Botschaft weiterträgt

Die scheinbare Basisdemokratie

Von der Nachricht zum Content – Das gekaufte Web in der Politik

Den Wahlkampf aufmischen

8   Die Macht der Daten

Digitale Überwachung ist nicht nur Staaten vorbehalten

Der neue Journalismus

Von Datenachtsamkeit und großen Brüdern

9   Schöne neue Welt

Der perfekte Wolf im Schafspelz

Big Brother is watching you

Das Semantische Web

Die Beeinflussung verändert sich

10 Acht Thesen für ein besseres Internet

Auseinandersetzung schafft Veränderung

Die »Digitale Elite« muss sich positionieren

Unternehmen brauchen klare Meinungen, aber auch Grenzen

Journalismus ist wichtiger denn je

Die Blogosphäre macht es sich zu einfach

Transparenz hat ihren Preis

Der Gatekeeper steckt in uns. Und er ist eine Chance.

Digitale Mündigkeit kann man lernen

Resümee

Danksagung

Literaturverzeichnis

1 Die Freiheit des Wissens

Manipulierte Onlineinhalte betreffen jeden.

Und sie sind auf dem Vormarsch.

Digitale Mündigkeit

Die Mitglieder der Berufsgruppe, der ich angehöre, nennen sich »Webworker«. Sie sind mit den kommerziellen Gesetzmäßigkeiten, die den Antrieb für das digitale Zeitalter bilden, bestens vertraut. Schließlich leben Webworker vom und im Internet. Aus den chaotischen Anfängen des weltumspannenden Netzwerks entwickelte sich längst eine kleine Wissenselite. Onlinepublizisten, Vermarkter, virtuelle Dienstleister, Portalbetreiber und mehr machen den exklusiven Kreis aus. Außenstehende können nur selten etwas mit den genannten Berufsbildern anfangen. Dabei wäre der Blick hinter die Kulissen unablässig, um etwas zu ermöglichen, das man digitale Mündigkeit nennt.

Seit vielen Jahren setze ich mich mit den Vorzügen des Onlinemarketings auseinander. Ob ein Unternehmen auf seine Produkte, ein Autor auf seine Werke, ein Verband auf seine Interessen oder eine Partei auf die eigene Politik aufmerksam macht: Fasziniert nahm ich den Paradigmenwechsel wahr, den das Netz in diesem Zusammenhang mit sich bringt. Es schafft unzählige neue Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Auf diese Weise lassen sich Botschaften jeglicher Art verbreiten, hoch effizient und in Perfektion ausgesteuert. Wie es für das Arbeitsumfeld der Webworker typisch ist, hatte ich in den letzten Jahren verschiedene Rollen eingenommen. Unabhängig davon, ob ich dabei im Auftrag anderer oder in eigener Mission unterwegs war: Stets ging es um die bestmögliche Gewinnung eben jener onlinebasierten Aufmerksamkeit. Die Schattenseiten der Entwicklung hatte ich hingegen übersehen. So wie viele andere Anhänger der digitalen Utopie auch.

Verfechter der Netzgemeinde müssen sich keine Sorgen machen. Dies ist keineswegs ein internetkritisches Buch, ganz im Gegenteil. Nur wenn wir einzelne Missstände erkennen und sie beim Namen nennen, kann die globale Vernetzung gelingen. Das Internet verändert unsere Gesellschaft nachhaltig. Wie die Zukunft aussieht und wie sehr sie unseren Idealen entspricht, das hat jeder einzelne Nutzer selbst in der Hand. Sie – als Leser dieser Zeilen – hoffentlich noch mehr. Die einzige Voraussetzung: Sie müssen wissen, wie die Gesetze der Internetökonomie wirken. Und welche Interessen das steuern, was Sie täglich an Inhalten vorgesetzt bekommen. Die zahllosen im Hintergrund wirkenden Mechanismen des weltweiten Netzwerks zu durchschauen, das ist keine leichte Aufgabe. Hinzu kommt, dass so manche technologische Errungenschaft dieser Tage – oder zumindest deren Anwendung – nur vermeintlich unser Bestes will. In diesem Sinne sieht sich dieses Buch als anregendes Korrektiv, nicht als nörgelnde Instanz. Insbesondere das letzte Kapitel setzt sich damit auseinander, welche Maßnahmen dabei helfen können, das gekaufte Web aufzuhalten. Dies, so viel sei vorweggenommen, ist nur unter Einbeziehung aller Beteiligter möglich – also von Nutzern und Anbietern zugleich.

Denn was passiert, wenn zu großen Teilen profitorientierte und steuernde Interessen im Vordergrund stehen, weniger die möglichst sorgfältige Information der Nutzer? Wer sich mit offenen Augen durch das Netz bewegt, für den liegt diese Entwicklung längst nahe. Sie sorgt dafür, dass aus dem lebendigen, evolutionären Internet ein Ort wird, in dem Vorhersagbarkeit und austauschbare Inhalte dominieren. Weitere Fragen drängen sich auf: Wie geht man damit um, wenn Leser rein kommerziell betriebene Angebote mit journalistischer Arbeit verwechseln? Wenn also der Blick dafür verlorengeht, was einen unabhängig und kritisch formulierten Text ausmacht? Wann wird aus Werbung Manipulation? Wann gar ein offensichtlicher, gewollter Betrug am Empfänger der Nachricht? Und inwiefern beschleunigt das Internet den Prozess der Beeinflussung? Wann verkommt ein als demokratisch gefeiertes Medium in Wirklichkeit zu einem modernen Babel, indem jeder nur noch darum kämpft, seine eigene Version der Geschichte zu erzählen? Die Beeinflussung im Netz stellt uns vor ganz neue Herausforderungen, da sie nicht mit der Werbemaschinerie alter Tage zu vergleichen ist. Kapitel 6 befasst sich genauer mit den Unterschieden von Offline- und Onlinemarketing.

Jedes Medium … beeinflusst die Art und Weise, wie wir unsere Vorstellungen von Wahrheit definieren und mit ihnen umgehen.

Das schrieb der bekannte Medienwissenschaftler und -Kritiker Neil Postman bereits 1985 in seinem Buch »Wir amüsieren uns zu Tode«. Seine Betrachtung galt dem Siegeszug des Fernsehens. Doch erstaunlich viele Aussagen des Werks lassen sich auf das Internet adaptieren. Das World Wide Web sorgt dafür, dass sich unsere Kommunikation verändert, aber auch unser Informationsverhalten. Der Prozess wird dadurch beschleunigt, dass altgediente Instanzen und steuernde Einflussfaktoren wegfallen, so wie es in der Medienlandschaft dieser Tage reihenweise zu beobachten ist. Es ist noch nicht allzu lange her, dass sich die Grundlage dessen, was unsere Weltanschauung ausmachte, über Jahrhunderte halten konnte. Heutzutage reichen manchmal wenige Millisekunden, um eine digitale Botschaft um den halben Erdball weiterzureichen – und dabei grundlegend in ihrem ursprünglichen Sinn zu verfremden. Die Halbwertzeit von Wissen oder von Wahrheit nimmt so fortlaufend ab. Wer regelmäßig Nachrichtenströme in den sozialen Netzwerken verfolgt, der weiß, welche Prozesse dabei eine Rolle spielen. Diese Ströme gleichen nicht selten einem bunten Reigen an Mutmaßungen, aus denen Tatsachen werden. Das alles geschieht in atemberaubender Geschwindigkeit, begünstigt durch sich permanent wiederholende Stimmen scheinbarer Autoritäten, welche die Kommunikation in den jeweiligen Sub-Netzwerken beherrschen.

Setzt man derlei Mechanismen gezielt ein, dann wird Onlinekommunikation durchaus gefährlich. Aber dazu später mehr. Die Diskussion um Einfluss nehmende Botschaften ist also eine zeitlose, eine medienübergreifende. Doch wie bei jedem technologischen Quantensprung werden die Möglichkeiten der gezielten Lesersteuerung mit dem Internetzeitalter nicht nur vielfältiger, sie sind zudem besser und schneller zugänglich. Gleichzeitig erweisen sie sich als weniger leicht zu kontrollieren. Hinzu kommt: Gezielte Manipulationen sind kaum mehr als solche wahrzunehmen. Selbst Experten haben zunehmend Schwierigkeiten, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Die Frage etwa, ob ein Onlinekommentar oder eine Produktbewertung gefälscht ist, kann oft nur unter der Zuhilfenahme sehr vieler Faktoren beantwortet werden, auf welche die allermeisten Internetnutzer keinen Zugriff haben.

Onlineportale und die sozialen Netzwerke haben eine Verantwortung zu erfüllen, wie jedes andere Medium auch. Der große Unterschied: Im Mitmach-Web liegt diese Verantwortung in vielen Fällen bei den Nutzern selbst. Sie werden zum Träger, aber auch zum Urheber von Botschaften der unterschiedlichsten Art. Online ist jeder von uns nicht nur Medienkonsument, sondern immer auch Medienanbieter. Und doch scheinen wir mit dieser Rolle nicht selten überfordert zu sein, wenn es um den verantwortungsvollen Umgang mit Informationen geht. Das liegt in der Natur der Dinge begründet. Niemand hat uns beigebracht, wie man Nachrichten schreibt oder Botschaften verifiziert, die unkontrollierbar ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Und dennoch äußern wir uns täglich zu allen möglichen und unmöglichen Themen, ohne in jedem Fall über das notwendige Hintergrundwissen zu verfügen. Dem Journalismus dieser Tage werfen wir gerne Fehler vor. Wir kritisieren den Umgang der klassischen Medien mit Wahrheiten, die in einer komplexer werdenden Welt kaum mehr existieren können. Dabei tappen wir in die gleichen Fallen, wobei wir deutlich dilettantischer vorgehen. Freuen Sie sich also nicht zu früh. Suchen Sie nicht vorschnell nach den Schuldigen des gekauften Web, wenn Sie die nachfolgenden Kapitel lesen. Wir alle tragen unseren Teil zur Entwicklung eines Internets bei, das ökonomischen Gesetzmäßigkeiten folgt, statt die Chancen eines weltumspannenden Austauschs aufzugreifen. Manchmal zeigt sich unsere Mitschuld in Kleinigkeiten, die auf den ersten Blick banal erscheinen und die doch ein unfreies System am Leben halten. Beispielsweise in der fehlenden Bereitschaft, für Onlineinhalte und -dienste einen fairen Preis zu bezahlen. Deswegen taugen die Inhalte der nachfolgenden Seiten auch nicht zum blinden Medienbashing. Natürlich hat der Journalismus im Netz dieselbe Pflicht seinen Lesern gegenüber wie die klassische Medienarbeit. Nicht selten führt jedoch der reine Überlebenskampf dazu, auf Bestandteile des gekauften Web zu setzen.

Die in diesem Buch behandelten Themen sind eng mit meiner eigenen Geschichte verbunden. Es ist mir wichtig, meine Erfahrungen einfließen zu lassen. Nur so erhalten die genannten Fakten und Beispiele eine Art Gesicht. Geht es für Sie als Leser doch darum, einzelne Punkte hinterfragen und individuell bewerten zu können. Zudem sind viele der Inhalte auf den folgenden Seiten nicht gerade das, was man allgemein als »leichte Kost« bezeichnet. Durch den persönlichen Ansatz werden die komplexeren Themenblöcke hoffentlich leichter verständlich, aber auch greifbarer. Netzversierte Leser mögen es mir verzeihen, wenn ich dabei einzelne Verfahrensweisen und Technologien sehr vereinfacht darstelle. Was hat es nun mit den Erfahrungen auf sich, die mich dazu bewogen haben, ein solches Buch zu schreiben? Ich selbst bin Informatiker. Vor allem aber bin ich ein Blogger, und so lautet gleichzeitig meine aktuelle Berufsbezeichnung. Blogger1 schreiben und betreiben kleinere oder größere Nachrichten- und Themenwebseiten (genannt Blogs oder auch Weblogs). Diese werde regelmäßig aktualisiert, spiegeln meist die persönlichen Ansichten und Vorlieben der Autorin oder des Autors wider und leben von der Interaktion mit den Lesern – in Form von Kommentaren und Ähnlichem mehr. Selbst wenn Ihnen der Begriff bislang nicht bekannt war, so geraten Sie sehr häufig auf Inhalte von Blogs, etwa über Recherchen in den Suchmaschinen. Die speziellen Webseiten machen mittlerweile einen großen Teil des Internets und der Nachrichten aus, die außerhalb von großen bekannten Portalen veröffentlicht werden. Selbst traditionelle Medien setzen immer mehr auf Autoren und Formate, die sich dem vielschichtigen Spektrum der Blogs und ähnlicher Formate zurechnen lassen. Blogger haben einiges mit dem gekauften Web zu tun, ob sie wollen oder nicht. Sie stehen aus verschiedenen Gründen im Fokus der Werbeindustrie. Deswegen kommen Blogbetreiber im weiteren Verlauf noch des Öfteren zur Sprache.

Die meisten Blogs sind rein privater Natur. Aber immer häufiger dienen sie auch dazu, Einnahmen zu erzielen. Das geschieht durch die Schaltung von Werbebannern und mittels weiterer Methoden, die Sie noch kennenlernen werden. Ich bestritt mit Blogs lange Zeit meinen Lebensunterhalt und tue dies zum Teil immer noch. Als ich das erste Mal eine fünfstellige Summe im Monat mit einem völlig unbedeutenden, da unbekannten Nischen-Onlinemagazin einnahm, über mehr oder weniger versteckt platzierte Anzeigen, da wurden mir zwei Dinge bewusst: Wie leicht man im Internet Geld verdienen kann, aber auch wie leicht sich Menschen in alle möglichen Richtungen beeinflussen lassen. Die Leser meines Blogs zum Thema Finanzen hatten keine Ahnung davon, dass viele der dortigen Inhalte weder wirklich unabhängig noch echt waren. Die Beiträge dienten – zumindest zu einem großen Teil – einem einzigen Zweck: Sie sollten zum Abschluss diverser Finanzprodukte animieren. Mir selbst brachte dies Werbeprovisionen in beträchtlicher Höhe ein. Dabei war ich noch einer der »guten« Manipulateure. Immerhin kennzeichnete ich die Anzeigen, die in den Ratgeberbeiträgen des Magazins eingebunden waren. Meist handelte es sich um schlichte unauffällige Textlinks, die zu den Anbietern meiner Wahl (auch diese Selektion gehört zur Manipulation dazu) führten. Wie sich herausstellte, fiel die Kennzeichnung jedoch den wenigsten meiner Leser auf. Die meisten Verführmethoden im Netz entziehen sich der Kenntnis der breiten Masse, aber auch hierzu später mehr.

Es gibt zahlreiche Wege, online Geld zu verdienen. Die eben beschriebene Methode – die ich an anderer Stelle näher erläutere – stellt nur eine von vielen Möglichkeiten dar. Sie täuscht die Internetnutzer, indem eine nur scheinbar unabhängige Berichterstattung vorgegeben wird, über Produkte, Dienstleistungen, aber auch Verbrauchertipps und alltägliche Ratgebersituationen. Schauplatz der Beeinflussung war in diesem Fall ein kaum bekannter Finanzblog. Also eine Art unabhängiges Nachrichtenportal für Verbraucher, das sich rund um die Themen Sparen, Geldanlage, Finanzierung und mehr drehte. Unabhängig sind die Webseiten in dem Sinne, dass die meisten Blogs nicht von Unternehmen und der werbenden Industrie direkt betrieben werden, sondern von privaten Einzelkämpfern und Hobbyschreibern, teilweise aber auch von kompletten Redaktionsteams. Weblogs werden gerne als das moderne Pendant zur guten alten Zeitung bezeichnet. Doch die wenigsten der professionell betriebenen und Geld verdienenden Blogs genügen den Ansprüchen an den Journalismus herkömmlicher Schule, etwa was die fachliche Kenntnis und Sorgfalt bei der Recherche anbelangt oder das Trennungsgebot von werblichen und redaktionellen Inhalten. Sprich: Diese Blogs sind kein Qualitätsmedium. Die darin veröffentlichten Inhalte dienen nicht selten zu einem Großteil der direkten Erzielung von Gewinnen, manche könnte man gar als eine Art Online-Dauerwerbesendung bezeichnen. Und dies, ohne dass der normale Leser, der über keine fundierten Kenntnisse im Bereich Onlinemarketing verfügt, davon Notiz nimmt.

Verborgene Werbeformen bergen durchaus einigen Zündstoff. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen oder nutzen ein Medium, das als qualitativ hochwertig gilt. Das kann eine Tageszeitung sein oder die Nachrichten- und Ratgebersendungen der öffentlich-rechtlichen Fernsehkanäle. In einem solchen Fall gehen Sie ganz selbstverständlich davon aus, dass für die Berichterstattung keinerlei finanzielle Mittel geflossen sind, also keine »Schmiergelder«. Ebenso erwarten Sie, dass die Blätter und Sendungen durchaus auch sehr kritisch über bestimmte Sachverhalte berichten, aber auch über einzelne Unternehmen, Initiativen und Interessengruppen. Im Dauerwerbekanal des World Wide Web können Sie sich genau hierüber weit weniger sicher sein. Das hängt – wie Sie noch erfahren werden – mit der Art der Protagonisten zusammen, die Webseiten betreiben. Weiterhin hat es mit zahlreichen technischen und inhaltlichen Eigenheiten zu tun, die Onlinemedien von ihren Offline-Pendants unterscheiden.

Die Beeinflussung der Leser meines Finanzblogs – wobei man den Blog durch ein beliebiges anderes Onlineportal mit Nachrichtencharakter ersetzen könnte – durchschaute ich nicht von Anfang an. Ich freute mich schlicht darüber, für mein regelmäßiges Schreiben finanziell entlohnt zu werden. Zudem wollte ich durchaus kritisch berichten – als ehemaliger Bankkaufmann wäre ich dazu auch in der Lage gewesen. Doch dieser Wunsch vertrug sich nur schwer mit dem Ziel, aus der Berufung einen Beruf zu machen, wie mir schonbald schmerzlich bewusst wurde. Bei dem erwähnten Blog stand von Anfang an die so genannte Monetarisierung im Vordergrund. Also das Ziel, von den Einnahmen teilweise oder gar komplett leben zu können. Erst waren es 50 Euro im Monat, dann 500, irgendwann 5000 und mehr. Und das bei kaum vorhandenen Kosten, ein Onlineportal lässt sich heutzutage für weniger als 10 Euro monatlich betreiben. Das alles ging so lange gut, bis ich es wohl übertrieben hatte und mir Google einen Strich durch die Rechnung machte. Die Suchmaschine erkannte mein Portal als wenig relevant für seine Nutzer und lieferte mir plötzlich deutlich weniger Leser.

Vermarktungsprofis hätten einfach ein neues Portal auf die Beine gestellt, eine Art Klon der vorhandenen Webseite. Doch mir war die Lust vergangen, auf diese Art mein Geld zu verdienen, von daher kam der Warnschuss von Google zur rechten Zeit. Was war geschehen? Ich merkte, dass ich meinen Lesern beinahe alles hätte verkaufen können. Das war mir unheimlich, aber auch zuwider. Es entspricht nicht den Ansprüchen an eine faire Kommunikation, wie sie von traditionsbewussten Bloggern verfolgt wird. In meinen Beiträgen empfahl ich Finanzprodukte, die mir eine hohe Provision versprachen, und schon schlossen die Leser eben dieses Produkt ab. Sie werden sich nun möglicherweise fragen, wer sich aufgrund eines Onlinebeitrags dazu entscheidet, ein komplexes und erklärungsbedürftiges Angebot abzuschließen, das seine Käufer auf lange Zeit bindet? Nun, alleine im Falle meines kleinen Weblogs, von dem es sehr viele ähnliche gibt, waren es monatlich bis zu 300 Personen und mehr. Bei größeren Portalen können Sie noch einmal eine, zwei oder perspektivisch gar noch mehr Nullen an diese Summe anhängen. Das klingt übertrieben? Marktführer im Bereich der Vergleichsportale geben an, dass sie bereits Millionen von Finanzprodukten vermittelt haben. Für die allermeisten Abschlüsse fließt dabei eine Provision.

Das Vertrauen meiner Leser ging so weit, dass sie meinen Blog nicht mehr als eigenständige Ratgeberwebseite wahrnahmen, sondern als das Portal jener Firmen, für die ich warb. Mehr als einmal erhielt ich E-Mails, ich solle doch bitte die Adresse x zu Kontonummer y abändern, Produkt z kündigen oder man bat mich um einen Beratungstermin. Das mag man lustig finden. In Wirklichkeit zeigt es, wie wenig so mancher Internetnutzer eine werbliche oder gar manipulierte Quelle von einer echten Onlineinstanz unterscheiden kann. Unabhängig von diesen Extremfällen des blinden Vertrauens: Die allerwenigsten Nutzer erkennen, in welchen Fällen es sich um versteckte Werbeformate im Netz handelt. Mit großer Sicherheit sind auch Sie schon einmal darauf hereingefallen, egal ob Sie letztendlich den »Jetzt kaufen«- oder »Jetzt abschließen«-Knopf gedrückt haben oder nicht. Selbst Onlineexperten lassen sich ab und an von Angeboten, Beiträgen oder Leserkommentaren im Web täuschen, die sich nachträglich als gefälscht herausstellen.

Seltsamerweise ist nur wenigen Nutzern tatsächlich bewusst, warum es zu allen möglichen Themen so viele Onlineportale gibt. Natürlich nehmen sie die deutlich sichtbaren Anzeigenformen wahr, etwa Werbebanner und Ähnliches mehr. Dass es jedoch weitaus verstecktere Mechanismen der Monetarisierung gibt und dass sich mit diesen viel Geld verdienen lässt, das blenden die meisten aus. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man bedenkt, wie selten die überwiegend positive Berichterstattung kommerzieller Webseiten hinterfragt wird. Meist scheitert es bereits daran zu erkennen, wer sich hinter einem Onlineangebot verbirgt. Ob es sich also um eine offizielle Hersteller-Webseite, die Seiten eines Verbands, ein rein privates Angebot, eine werbefinanzierte Dienstleistung, ein journalistisches oder aber um ein rein interessengesteuertes Nachrichtenportal handelt. Die Situation wird dadurch verschärft, dass immer mehr Mischformen all dieser Optionen auf den Markt kommen: Der Zeitungsverlag bindet nahtlos die Onlinedienstleistungen anderer Unternehmen ein und erhält dafür eine Entlohnung. Die private, werbefinanzierte Webseite kommt im Gewand eines »offiziellen« Nachrichtenorgans daher. Das alles macht es zunehmend schwieriger zu erkennen, wer aus welchen Gründen ein Onlineportal auf den Markt bringt. Oder wer fremde Inhalte übernimmt, die einem gemeinsamen kommerziellen Ziel dienen. So existieren zahlreiche digitale Firmengeflechte, die sich nur mit viel Akribie durchleuchten lassen. Wenn der Vermittler für Onlinewerbung und bezahlte Web-Links mit einem Portal an den Start geht, das nur scheinbar redaktionell und unabhängig betrieben wird und das zudem unter anderem Namen firmiert, dann erkennen nur Experten die problematische Abhängigkeit solcher Konstrukte. Die daraus resultierende Berichterstattung führt die Leser in die Irre, da sie auf manipulativen, gekauften Fakten basiert. Sie werden noch einige Beispiele hierfür kennenlernen.

Es ist mir an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass längst nicht hinter jedem Weblog eine Gewinnerzielungsabsicht steckt, vor allem wenn dieser rein privat betrieben wird. Und selbst wenn ein Blogger Banner oder andere Formate einbindet, die als Anzeigen erkennbar sind, so bedeutet dies noch lange nicht, dass er sich hierdurch in der Themenauswahl und in seinem Schreibprozess beeinflussen lässt. In vielen Fällen reichen die Einnahmen gerade einmal dazu aus, den technischen Betrieb der Webseite zu finanzieren. Außerdem ist Blog nicht gleich Blog. Einige Webseitenbetreiber, welche die in diesem Buch geschilderten negativen Praktiken einsetzen, missbrauchen das als unabhängig geltende Medium. Sie nennen sich Blogger, um von der damit verbundenen Reputation zu profitieren oder von der Vernetzung mit anderen Blogbetreibern. Doch immer öfter verdienen selbst »seriöse« Blogger – und mit ihnen viele andere selbstständige Webseiten- und Forenbesitzer – ihren Lebensunterhalt teilweise oder gar komplett durch ihre werbefinanzierten Portale. In einer Umfrage, durchgeführt von mir selbst, gaben bereits in den Jahren 2012 und 2013 nur noch 21 Prozent der Blogger an, keinerlei Werbeanzeigen auf der eigenen Webseite zu schalten. 46 Prozent nutzten Onlinewerbung und verdienten damit bis zu 100 Euro im Monat, 21 Prozent nahmen bis zu 1000 Euro ein. Immerhin 12 Prozent generierten über 1000 Euro monatlich, was deutlich mehr als einem kleinen Nebenverdienst entspricht. Zwar war die Umfrage nicht wirklich repräsentativ, trotz ihrer mehr als 1000 Teilnehmer. Zumeist handelte es sich um Teilnehmer, die sich für die Vermarktung von Blogs interessierten – rein private Blogger wurden kaum angesprochen. Doch meine Kontakte in die Blogosphäre2 hinein zeigen ein ganz ähnliches Bild. Das Interesse an der monetären Professionalisierung stieg in den letzten Jahren noch einmal deutlich an. Noch vor nicht allzu langer Zeit war es fast unmöglich, sich als Blogger zu »outen«, der Geld mit seiner Webseite verdient. Zu wichtig war der Weblog-Gemeinde die größtmögliche Unabhängigkeit. Besucht man Bloggertreffen der jüngeren Zeit, so stoßen dort Vorträge rund um das Thema »Einnahmen generieren mit Blogs« auf großes Interesse. Bedenken, die sich gegen diesen Trend richten, hört man nur noch selten. Selbst die traditionsbewussten Blogger der ersten Tage scheinen sich damit abzufinden: Die Szene unterliegt einem deutlichen Wandel.

Ich selbst habe zur Professionalisierung der deutschsprachigen Blogger-Szene beigetragen, unter anderem mit solchen Vorträgen. Mein erstes Buch »Blog Boosting« dient Bloggern als Anleitung, die ihr Hobby zum Beruf machen wollen. Wie gewinnt man mehr Blogleser? Wie hält man diese Besucher möglichst lange auf dem eigenen Portal? Und mit welchen Online-Werbemaßnahmen kann man Geld verdienen? Derlei Fragen werden darin beantwortet. Mittlerweile existieren zahlreiche Seminar- und Ausbildungsreihen dazu, wie sich mit Weblogs Einnahmen erzielen lassen. Dass sich die Blogosphäre hierzulande neuen Wegen öffnet und sich dabei immer öfter refinanziert, ist an sich nichts Schlechtes – sofern man Standards einhält, etwa die strikte Trennung von werblichen und redaktionellen Inhalten, so dass Anzeigen und gesponserte Beiträge3 als solches gekennzeichnet werden. Schließlich engagieren sich viele Blogger in einem Umfang, der einer normalen beruflichen Tätigkeit gleicht oder gar darüber hinausgeht. Wenn ein Blogger transparent arbeitet, dann kann er sich genauso entlohnen lassen wie der Redakteur einer Tageszeitung. Doch diese Transparenz wird erschwert. Durch Abhängigkeiten, denen ein angestellter Journalist nicht ausgeliefert ist – dazu später mehr.

Es gibt großartige Blogs aus allen möglichen Bereichen. Fach- und Sachblogs, aber auch politische Portale sowie belletristische Erzählformen, die eine echte Bereicherung für deren Leser darstellen. Gleichzeitig sorgt das Web 2.0 für eine weitere Demokratisierung. Daraus wuchs eine Gemeinschaft, deren Vielfalt und Lebendigkeit durch die zunehmende Professionalisierung bedroht ist.

Das Mitmach-Web

Der Begriff Web 2.0, auch Mitmach-Web genannt, ist nicht viel mehr als ein Schlagwort. Er steht für die vielfältigen Möglichkeiten, das interaktive Internet – wie es sich seit den 2000er Jahren geformt hat – von allen Nutzern mitgestalten zu lassen. Private Portale sind ebenso ein Bestandteil des Mitmach-Web wie Forenbeiträge und Leserkommentare. Damit verschiebt sich die Macht: von den traditionellen Medienschaffenden hin zu jeder einzelnen Person. In diesem Buch kommt der Begriff Web 2.0 immer dann zum Einsatz, wenn Prozesse verdeutlicht werden sollen, die auf der Macht der Laien beziehungsweise der Masse beruhen.

Noch vor wenigen Jahren war es mit enormen Kosten und einem erheblichen Risiko verbunden, ein eigenes Nachrichtenmedium zu schaffen. Heutzutage kann sich jeder äußern, ganz unabhängig von einem Verlag oder einem sonstigen Geldgeber, und mit ein wenig Geschick ein sehr großes Publikum ansprechen. So mancher deutschsprachige Blog oder Videoblog erreicht Hunderttausende, manchmal Millionen Leser und Zuschauer – Monat für Monat. Hinzu kommt, dass der Start mittlerweile ohne technisches Wissen möglich ist. Mit modernen Blogsystemen oder YouTube braucht man nur wenige Stunden, um die eigene Onlinezeitung oder den eigenen Videokanal an den Start zu bringen. Doch dieses neue, für das Internet typische Berufsbild bringt einige Herausforderungen mit sich.

Blogger arbeiten – wie bereits erwähnt – in den wenigsten Fällen nach dem gleichen strengen Kodex, wie ihn gelernte Journalisten kennen. Sie können deutlich schneller von ihren Werbekunden beeinflusst werden. In den meisten Fällen passiert dies tatsächlich, selbst wenn man es als Blogger nur ungern zugibt. Ein Werbekunde schaltet über mehrere Monate hinweg offizielle Werbebanner, im Anschluss daran schlägt er ein redaktionelles, angeblich neutrales Interview zu seinem neusten Produkt vor? Die wenigsten Blogbetreiber haben gelernt, in diesen und ähnlichen Fällen strikt und klar »Nein« zu sagen. Manche Blogger haben zudem wenige Berührungsängste damit, grenzwertige oder gar verbotene Werbeformen einzusetzen. Das können versteckte Anzeigen und ähnliche Formate sein, die ich an anderer Stelle näher erläutere. Die Schleichwerbung stellt in der Regel kein Kavaliersdelikt oder eine bloße Lesermanipulation dar. Sie verstößt gegen rechtliche Vorgaben wie das Telemediengesetz, das Wettbewerbsrecht sowie weitere Pressegesetze und ist damit illegal.4 Blogger sind also in vielen Fällen Medienschaffende und Unternehmer zugleich. Es gibt keine saubere Trennung, wie sie zwischen einem Journalisten, seiner Redaktion und einem Verlag existiert, zumindest wenn man anerkannte Qualitätsmedien als Maßstab heranzieht. Dass diese Doppelrolle aus publizierender Autonomie sowie direkter finanzieller Abhängigkeit ein gewisses Konfliktpotenzial in sich birgt, liegt nahe.

Es gibt noch weit mehr Varianten, Onlinenutzer zu manipulieren, als es mit Werbung der Fall ist. Sie sind weitreichender, aber auch gefährlicher. Versteckte Botschaften von Lobbyisten jeglicher Art, gefälschte und diskreditierende Inhalte über einzelne Persönlichkeiten, Web-Mobbing, betrügerische sowie indoktrinierende Aktivitäten, politische Einflussnahme … Die Liste möglicher Täuschungsversuche ist lang. Unlautere, verschleierte Anzeigen oder von Unternehmen gekaufte Beiträge in Onlinemagazinen haben unschöne, aber überschaubare Konsequenzen. Durch ihren Einsatz erwirbt der Verbraucher Produkte oder Dienstleistungen, die nicht das halten, was sie versprechen. Das kann im Falle von Finanz- und Versicherungsprodukten durchaus sehr unangenehme und langfristige Konsequenzen nach sich ziehen, man denke nur an Ratenkredite oder die private Altersvorsorge. Oder aber – und das ist die weniger schöne Seite – manipulierte Werbung führt zur Monopolbildung. Sie lässt kleinere Unternehmen, die keine schmutzigen Onlinemarketing-Tricks kennen oder sich diese nicht leisten können, einen langsamen Tod sterben. Im Startup-Umfeld werden immer wieder Aktivitäten publik, bei denen die jungen Gründer von der Online-Macht der etablierten Mitbewerber überrannt werden. Auf diese Weise sollen Innovationen gestoppt werden, die den althergebrachten Geschäftsmodellen schaden könnten.

Im politischen und gesellschaftlichen Umfeld sind Manipulationen noch deutlich kritischer zu sehen. Sie führen dazu, dass wir Meinungen und Parteien Glauben schenken, die nicht halten können und auch gar nicht wollen, was sie versprechen. Teils sind sie extremistischer Natur und spielen ganz gezielt mit unwahren Informationen. Eine weitere Gefahr: Die Spielarten des gekauften Web machen es möglich, dass sich einzelne Teilnehmer unangenehmer Tatsachen entledigen, indem sie die zugehörige Berichterstattung in den Tiefen des Internets verbergen. Oder aber sie diffamieren Personen und Gruppierungen, die über weniger Online-Macht verfügen. Beispiele für die beiden Möglichkeiten lernen Sie in diesem Buch kennen. Es handelt sich um Anwendungsfälle korrumpierender Methoden, die ich selbst als Online- und Micro-Lobbyismus bezeichne (siehe Kapitel 7).

Dieses Buch beginnt mit der verdeckten Onlinewerbung. Schließlich steht sie symbolisch dafür, in welche Richtung sich das Internet derzeit entwickelt. Netzaktivisten der ersten Stunde beklagen oft den Verfall, den Ausverkauf des World Wide Web. Am Ursprung stand eine Utopie. Man wollte das gemeinschaftliche Arbeiten an einer neuen Wissens- und Austauschbasis ermöglichen, die der gesamten Menschheit dienen sollte – zumindest war das die Hoffnung der Web-Pioniere. Manche erträumten sich gar zunehmende Weisheit, Wohlstand und Frieden durch das Internet. Heute ärgern wir uns über austauschbare und belanglose Inhalte, zumindest wenn man das als Maßstab heranzieht, was uns Suchmaschinen und soziale Netzwerke präsentieren. Natürlich gibt es auch Web-Perlen in dem Wust aus nichtssagendem Informationsmüll. Doch diese muss man mühsam suchen. Wer hat Schuld an der Belanglosigkeit, die uns über alle digitalen Kanäle hinweg flutet? Die Verwahrlosung der Inhalte ist größtenteils kommerziellen Bestrebungen zuzurechnen. Die meisten Anbieter von Onlineinhalten treibt ein überbordendes Verlangen danach an, möglichst viele Inhalte zu Geld zu machen. Das schließt selbst jene Sonderzonen des Internets nicht aus, die einst über einen eher subversiven Charakter verfügten, etwa innerhalb der Blogosphäre.

Hinter all dem stehen Muster, die dem Wohle einiger weniger Nutznießer dienen. Sie schaden gleichzeitig dem Verbraucher. Wenn es in großen Teilen nur noch um das (versteckte) Verkaufen geht und um den größtmöglichen Umsatz hieraus, dann bleibt eine kritische Berichterstattung auf der Strecke – mit weitreichenden Konsequenzen für sehr viele digitale Bereiche. Die Argumente, die man täglich liest, wiederholen sich. Ebenso stehen austauschbare Angebote, Geschichten und Gesichter im Vordergrund. Ganz so, wie man es von den Dauerwerbesendungen der privaten TV-Kanäle her kennt. Derlei Formate eignen sich gut zur Berieselung. Sie mögen uns teilweise auch unterhalten, selbst wenn wir ihren künstlichen Charakter kennen. Eine echte Weiterentwicklung des Web – welche diesen Namen auch verdient – dürfte anders aussehen.

Warum ich?

An dieser Stelle – an der es zunächst um Manipulationen rein wirtschaftlicher Art geht – werden manche Leser versucht sein zu fragen: »Warum sollte mich das betreffen?« Solche Denkweisen werden meist von der Aussage begleitet: »Wer den (kommerziellen) Mist liest, der ist selbst schuld!« Das setzt jedoch voraus, dass auch weniger onlineaffine Personen unterscheiden können, wann eine Meinung oder ein Inhalt gekauft ist und wann nicht. Doch genau hierzu sind nur die wenigsten Onlinenutzer in der Lage.

Mir wird sehr oft ein Onlinebeitrag weiterempfohlen, bei dem ich auf den ersten Blick erkennen muss, dass Lesertäuschung oder Manipulation mit im Spiel war. Hinzu kommt: Verschleierte Onlinewerbung wird dem Leser immer weniger plump präsentiert, die Anbieter lernen dazu. Es sind nicht mehr nur die Aussagen der Art »Mit wenig Aufwand/Geld in 30 Tagen reich/schlank/glücklich/schlauer/potenter/verlobt werden«, die das Web-Publikum hinter dem Ofen hervorlocken sollen. Bei so mancher Werbebotschaft, die in an sich hilfreichen Onlinebeiträgen und -ratge-bern untergebracht ist, müssen selbst Profis für Online-werbung zwei- oder dreimal hinschauen. Nur so können sie der tatsächlichen Intention auf die Schliche kommen.

Zu viel Kommerz im Internet (manche sagen: kommerzielle Tendenzen im Internet an sich) rauben diesem Medium die Chance, mehr als ein weiterer Medienkanal zu sein. Beeinflussende Inhalte verhindern Innovationen, die einen Mehrwert bieten und die unsere Gesellschaft insgesamt weiterbringen. Oder – um es böse zu formulieren: Nichts gegen Unterhaltung. Aber um bunte, hübsch verpackte Werbebotschaften zu empfangen, hätte man das Internet nicht erfinden müssen. Ein um interaktive Möglichkeiten erweitertes Fernsehen wäre hierfür völlig ausreichend.

Es macht wenig Sinn, die Gefahr der Onlinemanipulation im Verhältnis zu anderen Gefahren und Herausforderungen zu messen, die aktuell unsere vernetzte Gesellschaft bewegen. Denn obwohl die Auswirkungen durchaus ähnlich verheerend sein mögen, so hieße dies, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Bei einem Aufrechnen ist die Versuchung zu groß, das eine als weniger »schlimm« zu betrachten als das andere. Ich spreche in diesem Zusammenhang von den Datenschutzskandalen rund um den amerikanischen Geheimdienst NSA, das Überwachungsprogramm PRISM, die Enthüllungen von Edward Snowden sowie von den Nicht-Reaktionen hierauf, die große Teile der politischen, aber auch öffentlichen Meinung prägen. Und doch erschüttern beide Entwicklungen – das systematische Ausspähen der Bürger sowie die zunehmende, in großen Teilen verschleierte Kommerzialisierung – die Grundmauern des Internets, wie wir es kennen. Auf der einen Seite steht nichts weniger auf dem Spiel als die Freiheit unserer Bürgerrechte und unserer Privatsphäre. Ja, gar die Freiheit unserer kompletten Gesellschaft, welche von der zunehmenden Vernetzung zu sehr beeinflusst wird, als dass sich dieser Prozess rückgängig machen ließe. Auf der anderen Seite läuft eine andere Freiheit Gefahr, den Interessen einiger weniger Profiteure geopfert zu werden: die Freiheit des Wissens, der Information und der Evolution, die auf diesen Grundlagen aufbaut.

Das Content-Monster wird gefüttert

Wie funktionieren sie nun genau, die Möglichkeiten, mit Onlineportalen Geld zu verdienen? Und die von so vielen kleinen, aber auch großen Anbietern eingesetzt werden? An dieser Stelle muss ich leider ein wenig technisch werden, selbst wenn ich die zugehörigen Prozesse bewusst vereinfacht darstelle – schließlich möchte ich niemanden langweilen oder mit speziellen Details überfordern. Onlinemarketing-erfahrene Leser werden die nachfolgend geschilderten Abläufe bereits kennen und können sie gegebenenfalls überspringen. Die Gruppe der hauptberuflichen Blogger im deutschsprachigen Raum, der ich mich zurechne, war lange Zeit sehr überschaubar, vor allem im Vergleich zu den USA. Denn dort ist es seit vielen Jahren gang und gäbe, sein Einkommen mit dem Betrieb von Weblogs und ähnlichen Webseiten zu bestreiten. Nun wächst die Szene, deren Mitglieder man ProBlogger nennt, auch hierzulande. Wenn ich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis erwähne, dass ich als Blogger arbeite, dann schaue ich oft in erstaunte, ahnungslose Gesichter. Erkläre ich den Beruf etwas allgemeinverständlicher, wie eingangs erwähnt betreibe und schreibe ich eigene kleine Onlinezeitungen zu verschiedenen Themen wie Existenzgründung oder eben Finanzen, so lässt die folgende Frage nicht lange auf sich warten: »Und womit verdienst du dein Geld?« »Mit der Werbung, die ich auf diesen Portalen schalte.« Auf diese Antwort folgt in der Regel ein langes Schweigen. Dass Onlinegrößen wie Spiegel Online Anzeigen einblenden und sich hierüber finanzieren, das hat man sicherlich schon einmal gehört. Aber ein kleiner, kaum bekannter Blog, davon soll man leben können? Ja, man kann. Gut sogar. Wobei meine Einnahmen – wie bei vielen erfolgreichen Bloggern – aus zwei bis drei Hauptportalen stammten sowie aus etlichen kleineren Nebenblogs, die ich parallel mit Inhalten fütterte.

Als ehemaliger Lokalreporter – ich arbeitete während meines Studiums für zwei regionale Tageszeitungen – fiel mir das regelmäßige Schreiben nicht schwer. Dies zu beherrschen ist unabdingbar für den Erfolg eines Blogs. Ich war es gewohnt, kurz vor Redaktionsschluss zwei oder drei Beiträge parallel fertigzustellen, selbst wenn mir in der Regel deutlich mehr Zeit zur Recherche blieb, als es bei den heutigen Onlineablegern der Fall ist. Man muss – um im World Wide Web Inhalte oder Produkte an den Mann oder die Frau bringen zu können – jedoch keineswegs »gut« schreiben können. Mehr oder weniger fundierte Kenntnisse zur Onlinevermarktung sind viel wichtiger. Diese kann man sich mit Hilfe zahlreiche Ratgeber aneignen, die auf dem Fachbuchmarkt kursieren. Mittlerweile existieren zudem zahlreiche Metablogs zum Thema Bloggen, die vermitteln, auf was es beim Geldverdienen ankommt. Nach meinem Studium arbeitete ich bei einem sehr großen Onlineportal. Ohne es zu wissen, lernte ich dort das Handwerkszeug für den späteren Betrieb meiner Blogs. Das restliche Wissen brachte ich mir in autodidaktischer Kleinarbeit bei, also durch schlichtes Experimentieren mit allen möglichen Vermarktungsformen. Der unkonventionelle Ansatz von Blogs, der so manchen Fehler verzeiht, ist hierfür sehr gut geeignet. Auf diesem Weg lernt man zwangsläufig die offiziellen Wege im Onlinemarketing kennen, aber eben auch so manche Grauzone.

Die allseits bekannten und ungeliebten Werbebanner sind die einfachste Form der digitalen Werbung. Dem Nutzer springen sie bunt blinkend entgegen, von Internetseiten der unterschiedlichsten Art. Mal sind sie über und neben den eigentlichen Inhalten platziert, mal direkt in die Beiträge eingebunden. Sie werben für alle möglichen Industrieprodukte, wie man sie aus der klassischen Offline-Werbung kennt. Im schlimmsten Fall promoten die Banner weit unseriösere Dinge, welche die Haare oder sonstiges wachsen lassen sollen oder die auf dem vermeintlich schnellen Weg zum Traumpartner helfen. Webseitenbetreiber – ich nennen sie im Folgenden auch Werbetreibende – haben es übrigens nicht immer in der Hand, welche Anzeigen auf ihrem Portal erscheinen. Diese werden zum Teil über Zwischenhändler, Werbenetzwerke und Softwaretools automatisch zugesteuert, so dass der Webseitenbetreiber a) möglichst wenig Aufwand hat und b) jene Anzeigen eingeblendet werden, die den größtmöglichen Profit in der jeweiligen Situation versprechen. Automatisch heißt in diesem Fall oft auch: Die Werbenetzwerke wissen mehr von Ihnen als Onlinenutzer, als Ihnen lieb sein mag. Wenn Sie also tatsächlich Single sind, und deswegen vermehrt über Werbung von Dating-Portalen stolpern oder wenn Sie letzte Woche in einem Onlineshop nach einer bestimmten Jeans recherchierten und just diese Jeans nun plötzlich überall im Netz erscheint, dann wundern Sie sich bitte nicht. Das alles ist kein Zufall, wie Ihnen die kommenden Kapitel zeigen.

Bannerwerbung gilt unter Onlineexperten schon längst als »tot«. Obwohl die zugehörigen Formate immer greller und größer werden und obwohl sie interaktive Videos, Eingabeformulare, Vergleichsrechner, teils eine persönliche Nutzeransprache5 und vieles mehr enthalten, so sind die Nutzer resistent geworden. Das ist nicht weiter verwunderlich. Selbst die Seiten sehr bekannter Onlinezeitungen bestehen bis zu 90 Prozent aus Blöcken, die für externe oder interne Informationen und Produkte trommeln. Die sehr primitive Möglichkeit des Online-Köderns verliert ihre Wirkung. Kostenlos verfügbare und von vielen Nutzern installierte AdBlocker – welche das Anzeigen der werblichen Blöcke unterdrücken – tragen ein Übriges dazu bei, dass die Einnahmen sinken, die über Banner realisiert werden. Vor allem größere Unternehmen setzen nach wie vor auf Werbebanner, um einen so genannten »Branding«-Effekt zu erreichen. Man hofft in einem solchen Fall darauf, dass der Nutzer die Marke im Unterbewusstsein abspeichert, selbst wenn er die eigentliche Anzeige nur am Rande wahrnimmt. Direkte Verkäufe – ein Nutzer klickt auf den Banner, landet in einem Onlineshop und tätigt daraufhin einen Kauf – sind nur das zweitrangige Ziel, da es sich kaum mehr realisieren lässt. Viele Nutzer von AdBlockern sind stolz darauf, die Online-Werbeindustrie an der Nase herumzuführen. »Mit mir könnt ihr das nicht machen, behaltet eure Kommerz-Maschinerie für euch«, scheinen sie förmlich zu rufen. Das Tragikomische dabei: Mit ihrer Haltung tragen die Rebellen zur Entwicklung und Verbreitung weit effizienterer Werbemethoden bei, die deutlich versteckter und damit hinterhältiger sind. Nur wenigen ist dieser Pyrrhussieg wirklich bewusst.

Eine der unscheinbaren Methoden, der sie in den nachfolgenden Abschnitten des Öfteren begegnen werden, ist das so genannte Affiliate-Marketing. Seitenbetreiber, die mit der Werbemethode arbeiten, nennt man Affiliates. Auch ich generierte hierüber den Großteil meiner Einnahmen. Das – vereinfacht formulierte – Prinzip dahinter: Eine Webseite oder ein Blog bindet einen speziellen Verweis in einen Beitrag ein, einen so genannten Link. Dieser führt zum Portal eines bestimmten Anbieters oder aber zu einem zugehörigen Produkt, beispielsweise in einem Onlineshop. Meist handelt es sich dabei um schlichte Textlinks, aber auch um ausgeklügelte grafische Werbemittel. Das können eingebundene Kredit-Vergleichsrechner und Ähnliches mehr sein. Über den Link, den der Werbetreibende vom Anbieter selbst oder über einen Zwischenhändler – ein so genanntes Affiliate-Netzwerk – erhält, lässt sich nachvollziehen, wie oft das dahintersteckende Angebot aufgerufen wird. Vor allem jedoch misst er, ob auf den Klick eine bestimmte Aktion folgt: der Kauf eines Produkts oder die Bestellung eines Newsletters.

Wenn ein Nutzer nun solch einem Link folgt und dabei für Umsatz sorgt (das bedeutet: er bucht eine Reise, bestellt ein Buch, eröffnet ein Girokonto …), so erhält der Webseitenbetreiber hierfür eine festgelegte Provision. Auch das schlichte Registrieren für weitere Informationen und das damit einhergehende Verraten persönlicher Daten kann bereits dazu führen, dass eine Vergütung erfolgt. Das Entgelt besteht aus einem bestimmten Prozentsatz der getätigten Kaufsumme oder auch einem festen Betrag. Interessiert sich ein Leser also für einen Verbraucherkredit und löst er die entsprechende Anfrage über einen Affiliate-Link oder einen unscheinbaren Werbebanner (»Jetzt informieren«, »Hier vergleichen«) auf einem Onlinemagazin, einem Blog oder einem Vergleichsportal aus, so werden dem Inhaber des Portals bis zu 100 Euro und mehr gutgeschrieben – je nach Gegenwert der vermittelten Leistung. Für die werbende Industrie sind solche und ähnliche Modelle deutlich effizienter als traditionelle Bannerwerbung. Abgerechnet wird nur dann, wenn tatsächlich ein Umsatz erfolgt. Zum einen lässt sich damit das geschäftliche Risiko senken. Das Unternehmen muss erst zahlen, wenn der Webseitenbetreiber – beziehungsweise sein Leser – in Vorleistung gegangen ist. Selbst der Streuvelust von erfolgsbasierten Online-Anzeigenmodellen ist nicht weiter schlimm. Ganz im Gegenteil: Selbst wenn der potenzielle Käufer nicht klickt, so stolpert er zumindest über den Namen des Herstellers oder über seine Produkte. Das erhöht die Chancen für einen späteren Kauf – On- und Offline.

So manchem Leser mag an dieser Stelle bereits Übles schwanen. Und er liegt damit keineswegs falsch. Der Webseitenbetreiber oder der Blogger, der sich nicht an journalistische Grundsätze gebunden fühlt, berichtet also über ein Produkt, lobt es idealerweise über Gebühr, bindet einen Affiliate-Link ein und verdient fortan an jedem Verkauf, der über diesen Link erfolgt. Der Verweis selbst ist für Laien nicht als das Produkt einer finanziellen Partnerschaft erkennbar. Es sei denn der Webseitenbetreiber ist so fair, ihn zu kennzeichnen. Bei den verlinkten Angeboten und Dienstleistungen, für deren Vermittlung eine Gegenleistung fließt, kann es sich um das neuste Video- oder Onlinespiel handeln, um den Lieblingswein, den Lottoschein, ein Zeitschriften-Abo, einen Mobilfunkvertrag, den Stromanbieterwechsel, die Anmeldung in einer Singlebörse, eine Autoclub-Mitgliedschaft, die Rechtsberatung, das Umzugsunternehmen, den Sommerurlaub, das Bahnticket oder den Autokauf. Teils gar – und da wird es perfide – um den Zugang zum Online-Casino, zu fragwürdigen Dienstleistungen und Abonnements für Senioren, um Spenden für eine Hilfsorganisation6 oder um den Abschluss riskanter Geldanlagen.

Manche Affiliate-Programme werben gar mit einer so genannten Lifetime-Vergütung. Das bedeutet: An jedem Umsatz, den ein neu vermittelter Kunde in Zukunft bei dem werbenden Unternehmen tätigt, verdient der Webseitenbetreiber mit – theoretisch das ganze Kundenleben lang. Dunklere Netzwerken preisen Schneeballsysteme als lukrative Einnahmequelle an, etwa zum Thema »Online reich werden« selbst. Ihr Vertrieb wird durch die Lifetime-Vergütung für neu geworbene Mitglieder angetrieben, die ihrerseits Mitglieder werben sollen, die … und so weiter. In anderen Fällen erhält der Webseitenbetreiber eine finanzielle Gegenleistung schlicht dafür, dass die Nutzer auf dem Zielportal ihre Adresse oder ihre E-Mail-Adresse preisgeben. An diese lässt sich Werbung verschicken oder sie wird an andere Anbieter weiterverkauft. Es gibt also viele Wege, über die man selbst mit kleinen, sehr speziellen Webseiten Geld verdienen kann.

Was meine eigenen Portale anbelangt, so lernte ich recht schnell, diverse Online-Vermarktungsformen zu nutzen. Wenn ich die Leser meines Finanzblogs auf einzelne Produkte aufmerksam machen wollte – an denen ich mittels Affiliate-Marketing verdiente –, so bezog ich beispielsweise andere Leser mit ein und ließ diese für mich schreiben. Unter anderem lobte ich kleine Geldprämien und Gutscheine für diejenigen aus, die mir einen Erfahrungsbericht zu ihrer Hausbank lieferten. Die Resultate konnte ich als Beitrag auf meinem Blog veröffentlichen. Der Inhalt, der mehr oder weniger austauschbar war, folgte stets dem Motto: »Warum ich so zufrieden bin mit …« Die Texte selbst waren meist recht oberflächlich gehalten – ich konnte nicht kontrollieren, ob der Verfasser tatsächlich der Kunde der jeweiligen Bank war oder ob er sich einfach nur für den Gutschein interessierte. Zudem fielen derartige Berichte in der Regel sehr positiv aus. Sie lobten das Kreditinstitut und die spezifischen Produkte, für die ich Provisionen bekam, ohne großes Zutun meinerseits. Wenn in einem solchen Beitrag doch einmal Kritik an einzelnen vernachlässigbaren Punkten durchklang, so unterstützte dies den gewünschten Effekt eher noch. Schließlich wirkt eine Berichterstattung mit »Licht und Schatten« besonders authentisch, also glaubwürdig, unabhängig und ehrlich. Damit verkauft sie sich auch besser. Veröffentlicht unter Überschriften der Art »Mein Erfahrungsbericht mit Bank xy oder Konto yz« stießen die Lesertexte auf besonderes Interesse. Und sie konvertierten deutlich besser.7

Im Falle meines Finanzblogs schlossen bis zu 50 Prozent der Besucher einzelner Beiträge auch tatsächlich ein Girokonto oder ein anderes Produkt ab. Das sind – im Branchenvergleich – sehr gute Werte, die nur durch die persönliche Berichterstattung möglich waren. Man vertraute mir, meinem Blog und »meinen« Texten. Manchmal handelten die Empfehlungen von Banken und Produkten, mit denen ich selbst keine Geschäftsbeziehung eingehen würde beziehungsweise zu deren Abschluss ich selbst nicht unbedingt bereit wäre. Dass ich gelernter Bankkaufmann bin, ist längst keine Voraussetzung dafür, um einen Finanzblog zu betreiben. Meist dominieren Quereinsteiger die Szene. Durch meinen Beruf konnte ich recht gut abschätzen, ob ein Finanzprodukt sinnvoll oder wie es um den Service eines Kreditinstituts bestellt war. Zwar bewarb ich – im Gegensatz zu so manchem Mitbewerber – längst nicht alle Angebote, die mir gutes Geld eingebracht hätten. Und dennoch: Angesichts der beschriebenen Praktiken bleibt ein fader Beigeschmack, der mich heute noch beschäftigt.

Irgendwann hatte ich bei all meinen Blogs gar nicht mehr die Zeit, selbst zu schreiben. Doch auch dafür bietet das Web eine Lösung: mit Portalen, bei denen sich beliebige Texte bestellen lassen, für Nachrichtenseiten und Blogs. Man skizziert dabei kurz, für welchen Zweck welcher Beitrag in welcher Länge und zu welchem Thema benötigt wird, und schon können sich unzählige freie Autoren um den Auftrag bewerben. Es gibt viele Hobbytexter, aber auch Arbeit suchende Journalisten oder Werbetexter, die für Content-Plattformen arbeiten. Die Aufträge für mein Finanzportal waren in der Regel innerhalb von wenigen Minuten vergeben, trotz der teils sehr speziellen Thematik. Wobei ich bewusst in Kauf nahm, dass sich auch Laien an den Texten versuchten, die ich zu diversen Finanzthemen bestellte. Wenn das Ergebnis nicht ganz offensichtlich falsch war, sondern nur ungenau, so veröffentlichte ich die Beiträge dennoch, in leicht korrigierter Form. Oft musste ich kaum länger als ein, zwei Stunden warten, bis das Ergebnis meiner Order geliefert wurde. Irgendwann automatisierte ich den Prozess noch weiter. Ich schuf meinen eigenen Pool aus Stammautoren und bestellte wöchentlich eine Menge x an Texten. Das »Briefing« – also die Erläuterung an die Autoren, welche Beiträge ich benötigte – war nicht weiter schwer. Mit diversen Analysetools recherchierte ich, welche Texte bei meinen Lesern aktuell am besten ankommen würden, mir also am meisten Einnahmen versprachen. Mit solchen Werkzeugen, die für jedermann frei verfügbar sind, lässt sich beispielsweise ermitteln, welche exakten Suchbegriffe die Nutzer von Google verwenden, um auf ein Portal zu gelangen. Oder welche Suchanfragen momentan besonders gefragt sind, zu welchen Nischenthemen es noch wenig Konkurrenz in anderen Onlinemagazinen gibt, ja sogar wie hoch der zu erwartende Gewinn für den Seitenbetreiber ausfallen wird. Nach welchen Inhalten die Nutzer online suchen – und was sie daraufhin tatsächlich auswählen und lesen – bestimmt also gleichzeitig darüber, welche Texte in Zukunft veröffentlicht werden. Man könnte sagen, dass wir alle dabei mithelfen, unsere eigene Manipulation vorzubereiten. Den Suchmaschinen sei Dank.

Ebenso wird der Suchschlitz von Google analysiert. Sie kennen sicherlich die so genannte Autocomplete-Funktion: Man gibt den Anfang eines Wortes oder einer Wortfolge in das Abfragefenster ein, und schon werden mögliche passende Suchvorschläge präsentiert. Veröffentlicht ein Blogger oder ein Webseitenbetreiber Beiträge, die zu einem solchen Suchvorschlag passen und zu denen wenig direkte Konkurrenz existiert, so sind ihm die Onlinebesucher fast schon garantiert. Vor allem dann, wenn man bei der Textgestaltung ein paar weitere inhaltliche Tricks berücksichtigt. Nun kann das Geldverdienen losgehen. Es sind nüchterne technische, aber effiziente Prozesse, die darüber entscheiden, was auf einem effizient betriebenen Portal zu lesen ist oder auch nicht. Die geschilderte Vorgehensweise kennt und nutzt jeder professionelle Webseitenbetreiber. Sie ist Teilgebiet einer Disziplin, die man Suchmaschinenoptimierung nennt (Auch als SEO bezeichnet, die Abkürzung steht für »Search Engine Optimization«). SEO macht die Inhalte einer Webseite fit für Suchmaschinen wie Google. Das bedeutet: Bei richtiger Anwendung sorgt die Disziplin dafür, dass Beiträge möglichst oft und möglichst weit vorne in den Suchergebnislisten angezeigt werden. Wenn ein Nutzer eine thematisch passende Recherche startet, gelangt er meist auf jene Portale, die ihren Content am besten optimieren.

Doch zurück zu den Content-Bestellportalen. Ein knapper Einzeiler der Art »Nicht-werblicher Ratgeberbeitrag zum Thema xy, keine Nennung anderer Kreditinstitute« reichte für jede einzelne Bestellung aus. So konnte ich die Aufträge massenhaft definieren und bearbeiten lassen. Das »Nicht-werblich« ergänzte ich alleine deswegen, um kein allzu offensichtlich lobpreisendes Ergebnis zu erhalten – viele Autoren schalten ansonsten von alleine in den werblichen Modus, den sie von anderen Bestellungen gewohnt sind. Ihnen mag ein solches Briefing deutlich zu knapp vorkommen, um am Ende ein fundiertes Ergebnis zu erhalten. Doch die Auftragnehmer sind derlei Order gewöhnt. Die Onlineindustrie benötigt ständig frischen Content, der verkaufen soll. Und die Autoren der Textbörsen liefern routiniert. Auf Wunsch erhält man Beiträge, die bereits für Suchmaschinen optimiert sind (manche Börsen schulen ihre freien Autoren in dieser Disziplin). Nur selten musste ich ein Ergebnis nachbessern lassen oder selbst umschreiben. Meine einzige Arbeit bestand darin, die Berichte zu veröffentlichen, was mich wenige Minuten Arbeitszeit kostete. Der Markt für derlei Dienstleistungen boomt, seit die Anzahl der Onlineportale in die Höhe schnellt. Bei den größten Anbietern im deutschsprachigen Raum schreiben jeweils Tausende von Autoren, zu nahezu jedem beliebigen Thema. Versprochen werden – mit Hilfe der entstehenden Texte – »Top-Suchmaschinenplatzierungen« ebenso wie die »vollautomatisierte Erstellung neuer Inhalte«. Kunden, die über ein besonders großes Auftragsvolumen verfügen, unterstützt man bei der möglichst effizienten Auftragserstellung, beispielsweise mit individuellen Softwarelösungen und Schnittstellen. Die Content-Welt hat sich sichtbar gewandelt. Der Faktor »Mensch« wird unwichtiger, die neuen Medienplayer brauchen keine Redaktionen mehr.

Dass viele Autoren auf diesem Wege versuchen, ihr schmales Einkommen aufzubessern, hat einen unschönen Nebeneffekt: Es lässt die Preise in den Keller rutschen. Teils konnte ich hochwertige Beiträge für meinen Finanzblog – also zu einem Thema, das bei den meisten meiner Aufträgen eine fundierte, zeitintensive Recherche sowie Expertenwissen voraussetzt – für knapp 10 Euro erhalten. Mein Verdienst aus diesen (mit einem Werbelink versehenen) Beiträgen ging manchmal in die Tausende. Selbst als ich aus diesem Grund eine höhere Qualitätsstufe wählte, um die Autoren besser zu entlohnen, war der Hebel enorm. Sie haben richtig gelesen. Bei den Textbörsen lässt sich die gewünschte Textqualität – und damit der Preis – frei definieren. Dafür sind die Autoren in einzelne Kategorien eingeteilt, je nach Einstufung durch den Anbieter, aber auch je nach Erfahrung. Einfache Texte kosten nicht viel mehr als ein Cent pro Wort. Wundern Sie sich also nicht, wenn die Beiträge auf den meisten nichtjournalistischen Portalen nur wenig in die Tiefe gehen. Qualität ist auch gar nicht in allen Fällen gefragt, diese würde den Leser vom eigentlichen Ziel ablenken: auf einen Werbelink zu klicken oder eine sonstige Aktion auszulösen.

Die Autoren der Börsen arbeiten meist unter einem Pseudonym. Die Ergebnisse veröffentlicht man in solchen Fällen unter einem fingierten Kürzel, unter der Bezeichnung »Redaktion« mit einem frei erfundenen Namen versehen, oder der Webseitenbetreiber gibt sie als sein eigenes schöpferisches Werk aus. Nur selten kommt der Name der tatsächlichen Urheber zum Einsatz. Bei den meisten Auftragnehmern ist die persönliche Nennung unerwünscht, schließlich sind sie nicht immer sonderlich stolz auf ihre massenhaft publizierten Werke. Die Rechte zur dauerhaften Nutzung der Ergebnisse gehen auf den Auftraggeber über. Dieser kann den Text so bearbeiten und veröffentlichen, wie er möchte. So sieht sie aus, die moderne Form des Ghostwriting8. Es geht jedoch noch weit seelenloser, als regelmäßig Onlinetexte von anonymen Autoren zu bestellen. Die Zukunft gehört Softwaretools, die aus einem einzelnen Text automatisch beliebig viele abgewandelte Beiträge generieren. Die einzelnen Ergebnisse lassen sich im besten Fall nicht mehr als Kopien erkennen. Das Ziel dabei: Ein Portalbetreiber muss einen Text nur einmal schreiben (lassen), danach erzeugt er x Kopien, die man auf x unterschiedlichen Webseiten einsetzen kann. Damit vervielfacht sich gleichzeitig sein Umsatz, da jedes Ergebnis mit Werbung versehen wird. Sie als Leser würden sich zwar über die Beiträge wundern, die nach menschlichem Ermessen sehr ähnlich sind. Doch bei ihrer Suchmaschinen-Recherche treffen Sie in der Regel immer nur auf eine Variante der wundersam vermehrten Inhalte. Vor noch nicht allzu langer Zeit funktionierten diese Werkzeuge – die unter dem Fachbegriff Text Spinning kursieren – hauptsächlich für englischsprachige Inhalte. Die deutsche Grammatik schien doch zu komplex zu sein. Aber die Technik hat aufgeholt. Und so geben sich in deutschsprachigen Foren immer mehr begeisterte Nutzer zu erkennen, die ihre Webseiten mit »gespinnten« Texten ausstatten. Ausgefeiltere Algorithmen beherrschen heutzutage das Arbeiten mit inhaltlich passenden Synonymen, sie erkennen teilweise gar den Kontext einzelner Phrasen, können daraus neue Satzkonstruktionen kreieren, korrigieren die Rechtschreibung und spucken fertig für die Suchmaschinen optimierte Endergebnisse aus. Sie publizieren diese gar gleich auf den passenden Onlineportalen und in sozialen Netzwerken. Google verwendet viel Energie darauf, solche inhaltlichen Kopien zu bekämpfen, beispielsweise mittels immer neuer Analysemethoden. Webseiten, die der Suchmaschinenprimus als Nutznießer der Technologie enttarnt, werden dann weiter hinten in den Suchergebnislisten angezeigt oder gar gänzlich aus diesen verbannt. Doch zum einen kann ein Webseitenbetreiber nach wie vor genügend Einnahmen generieren, bis Google den Trick möglicherweise entdeckt. Dies gelingt durch die schiere Masse der Beitrags-Klone, die sich auf diverse Portale verteilen. Zum anderen sorgt die fortlaufende Optimierung der Spinning-Tools dafür, dass die einzelnen Kopien immer schwieriger als solche zu erkennen sind. Es ist ein Wettlauf der Technik, ein Kampf zwischen Maschine und Maschine. Dieser Kampf entscheidet am Ende darüber, was wir als Text-Kost vorgesetzt bekommen – im Moment ist sie oftmals wenig appetitlich. Die Macher der Software-Tools arbeiten bereits an der nächsten Generation. Sie lässt – nach Angaben der Hersteller – die Träume vieler Seitenbetreiber wahr werden:

Texte erstellen, keine Kenntnis des Themas notwendig!

Die Person, die an der Tastatur sitzt, gibt die ungefähre inhaltliche Ausrichtung vor, in dem sie ein paar Stichwörter vorgibt. Danach drückt sie auf einen Knopf, den Rest übernimmt der Rechner. Eine gruselige Vorstellung für all jene, die viel Zeit und Herzblut in ihre Inhalte stecken. Hochwertige und für die Zielgruppe relevante Texte automatisiert erstellen zu lassen, das sei »der Traum eines jeden Webseitenverantwortlichen«, so sieht es hingegen einer der Hersteller. Bewahrheitet sich dieser Traum, dann wird man in Zukunft in vielen Fällen das »Journalismus« von »Online-Journalismus« streichen müssen. Den Entwicklern der Software kann man dabei gar nicht allzu viele Vorwürfe machen. Was technisch möglich ist und wonach der Markt verlangt, das wird auch umgesetzt.

Das weniger Schöne daran – und dieser Punkt betrifft ohne Ausnahme jeden Nutzer, ganz unabhängig von seiner Onlinekompetenz und seinem eventuell vorhandenen kritischen Blick für gefälschte Inhalte: Derartige Werkzeuge stehlen die Texte »echter« Webseiten, die mit ehrlichen Absichten betrieben werden, und erzeugen daraus neue Inhalte. Original und Fälschung, Mehrwert und Manipulation sind dann für den Leser nicht mehr auseinanderzuhalten. Mehr noch: Entdeckt Google derlei Versuche, so wirkt sich dies unter Umständen nicht nur für den Räuber, sondern auch für den Beraubten negativ aus. Die Suchmaschine stuft dann beide Inhalte als weniger relevant ein, da sich diese zu ähnlich sind – die geklonte Variante wirft dennoch genügend Gewinn ab, da sie ohne Aufwand erstellt wurde. In solchen Fällen kann man tatsächlich von einer Content-Mafia9 sprechen. Sie sorgt dafür, dass ehrliche, den Nutzer weiterbringende Inhalte immer weniger sichtbar werden, also nach und nach von den Bildschirmen verschwinden. Solche Automatismen machen die bedrohte Freiheit des Wissens besonders greifbar, selbst wenn sie nur einen Teil der zugehörigen Prozesse ausmachen. Blogger und andere Webseitenbetreiber, die bislang sehr viel Zeit und Energie in ihre Beiträge stecken, geben immer öfter entnervt auf. Ich selbst wurde bereits mehrfach ein Opfer von Content-Klau. Er betraf meine hochwertigeren Blogs, seltsamerweise nicht die reinen Affiliate-Projekte. Die Motivation, durch gute Inhalte etwas an die eigenen Leser zurückzugeben, sinkt deutlich, wenn man Opfer eines Diebstahls wird.

Ein Webseitenbetreiber erläutert in erstaunlicher Offenheit, warum man seiner Meinung nach gar nicht mehr ohne die Nutzung der Text-Klon-Armadas auskommt (er spricht in diesem Fall vom Text Spinning, noch nicht von den vollkommen autark erzeugten Beiträgen): Es sei einfach »nicht realistisch zu verlangen«, sich zu Werbezwecken für all die Webseiten, sozialen Netzwerke, Foren, Presseportale etc. »jedes Mal einen individuellen Text ausdenken zu müssen«. Ja, so kann man das sehen, wenn man im Internet sein Geld verdient. Der dumme Leser hat es nicht verdient, dass Gehirnschmalz zum Einsatz kommt. Er ist zudem gar nicht in der Position, sich die schöne Welt zu wünschen. Doch damit verkommt das Internet zu einem Marktplatz der wiedergekäuten Belanglosigkeiten. Und die Manipulationsmaschinerie geht noch weiter. Blogs kann man heutzutage mit wenig Aufwand vollautomatisch erzeugen und mit Inhalten befüllen. Gleichzeitig gibt es Werbeanbieter, die es den Seitenbetreibern erlauben, ihre Texte ebenso maschinell mit Anzeigen- und Affiliate-Links auszustatten – in kontextsensitiver Form. Das bedeutet: Existiert zu einem bestimmten Wort oder zu einer Wortfolge in einem Beitrag ein thematisch passendes Werbeprogramm, dann wird diese Phrase ohne menschliches Zutun in einen entsprechenden Link umgewandelt. Im Prinzip muss man lediglich ein paar Texte zu einem bestimmten Thema definieren, und schon hat man zahlreiche, jeweils Geld verdienende Webseiten oder Blogs generiert. Man schafft damit wahre Content-Monster.

In Teilen der »Online Geld verdienen«-Szene ist ein wahrer Wettlauf dahingehend ausgebrochen, wer welche Techniken, Tools und Strategien noch effizienter ausreizt, wer also noch mehr Euro über seine künstlich betriebenen Webseiten generiert. So erfreuen sich so genannte Whitelabel-Affi-liate-Lösungen10 zunehmender Beliebtheit. Bei dieser Technik bindet man Teile eines externen Onlineshops auf der eigenen Seite ein oder aber Vergleichsrechner für Finanzprodukte, Stromtarife, Reisen und mehr. Für den Leser entsteht dabei der Eindruck, er würde sich direkt auf der Webseite des jeweiligen Anbieters befinden. Kombiniert mit gefälschten Kundenaussagen und ähnlichen Konstrukten – dazu gleich mehr – entstehen hieraus kaum mehr kontrollierbare Parallel-Werbewelten. Denn längst nicht alle Unternehmen, die durch Affiliate-Marketing Kunden gewinnen, machen sich die Mühe, die Seitenbetreiber zu kontrollieren.

Überhaupt spricht man auf den dunkleren der Affiliate-Foren und -Kanäle viel darüber, wie sich Unternehmensvorgaben, aber auch gesetzliche Bestimmungen aushebeln lassen, wie man die Haftung für einzelne verbotene Praktiken umgeht, wie Googles Richtlinien für unzulässige Werbepraktiken ausgetrickst werden, wie man Webseiten, die mit besonders unlauteren Mitteln arbeiten, anonym betreibt, Schein-Onlinefirmen anlegt, welche erfundenen Argumente die Nutzer am ehesten zum Klick und zum Kauf bewegen und so weiter und so fort. All dies mit erstaunlicher Offenheit. So legt ein erfolgreicher Affiliate in einem Beitrag detailliert dar, wie er mit »weniger als fünf Stunden Arbeit« und bei Kosten von »zwei bis drei Euro« Tausende von Euro monatlich verdient, mit einem einzigen Portal. Ein bisschen Exhibitionismus und Stolz gehören immer dazu. Ein anderer Webseitenbetreiber – der wegen seiner Praktiken von einem Mitbewerber abgemahnt wurde und dafür eine nicht ganz unerhebliche Summe zahlen musste – schreibt sinngemäß:

Das Geld ist mir egal. Der Spaß war es mir wert.

Wenn man so ordentlich verdient, dann kann es einem auch egal sein. Geld und Spaß sind der Antrieb, der Content-Hacker motiviert. Ich darf nicht allzu zynisch werden. Schließlich arbeitete ich selbst mit relativ ähnlichen, wenn auch zumindest legaleren Mitteln.