Das Gesetz der Natur - Solomonica de Winter - E-Book

Das Gesetz der Natur E-Book

Solomonica de Winter

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Beschreibung

In Neuamerika leben die Menschen nach dem Gesetz der Natur. Auch Gaia Marinos muss sich diesen Regeln beugen. Versteckt in den Wäldern lebt sie das Leben einer Aussätzigen und hat den anderen doch eines voraus: In einer Welt ohne schriftliche Aufzeichnungen kann sie lesen. Als sie in Gefangenschaft gerät, rettet ihr diese Fähigkeit das Leben. Gaia macht es sich zur Aufgabe, die letzten Bücher der Erde zu finden, doch als diese Mission zu scheitern droht, muss sie sich entscheiden: Wie weit ist sie bereit zu gehen?

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Solomonica de Winter

Das Gesetz der Natur

Roman

Aus dem Amerikanischen von Meredith Barth

Diogenes

Die Epoche der Gefangenschaft

Kapitel eins

NUN, das ist die erste Epoche, vor Anbeginn der Welt,

höre, das ist die erste Epoche, auf dass du es niemals vergessen mögest.

All das, was begann, begann in der Wildnis, auf dass du dich stets daran erinnern mögest;

die ruhenden Waffen, der bebend geschöpf‌te Atem, um das stumme Warten zu ertragen.

Entschlossene Hände umfassen die Griffe, damit die kalten Pavese aufrecht bleiben.

Die Sonne, noch kaum erwacht, wird von gedämpf‌ten Stimmen gestört, drei an der Zahl,

die einzig menschlichen weit und breit an diesem unbewohnten, äußersten Rand der Wälder, die Stimmen des scharfsichtigen Jägers, des hageren Lehrers und der Mutantin, an der es sein wird, die Wildnis zu überstehen.

Sie saß zwischen ihnen, lauschte ihren Ausführungen darüber, was man über die Lebenden und Sterbenden wissen müsse, wachsam auf jedes Knacksen eines Zweiges achtend.

Einer ist immer der Schlachter, erklärte ihr der Jäger, einer immer der Gefallene.

So sind Mensch und Tier, ein ungeschriebenes Gesetz, denke daran, um in der Wildnis nicht zu unterliegen. Die Sonne schwebte über Stunden hinweg am Himmel, bis sich das Lodern von Orange in Schwarz verwandelte und das Versinken in Asche am Ende des Tages unumstößlich wurde: Zwischen Leben und Tod war das Licht, in der Luft ebenso wie auf diesem Boden. Feuer, um zu sehen, um zu töten, um zu überleben, um nicht der Dunkelheit zu erliegen.

Die Natur lügt nicht.

 

Sich zwischen den Bäumen zu bewegen bewies der Natur Wahrhaftigkeit. Das Wild, fern im Walde grasend, war jetzt lebende Beute, würde jedoch schon bald zu den Gefallenen gehören. Plötzlich erhoben sich die Männer. Langsam tat sie es ihnen nach. Noch war sie die Schülerin.

Es war ihr Auf‌tritt, und doch war sie noch die Schülerin.

Sie legte sich den eleganten Leibgurt über die Schulter, ihre Armbrust war aus Eiche geschnitzt. Es galt zu zeigen, was sie konnte. Behutsam setzte sie den Vorderteil auf den Boden. Schnürte ihren Fuß in den Steigbügel, zog die Bogensehne über den Spannhaken und blickte auf, um das Tier zwischen dem Grün der Bäume zu finden.

Sie fasste nach ihrer Schultertasche, die behandschuhten Finger strichen über die Bolzen. Einen zog sie heraus und legte ihn in den Lauf – sacht, sacht, diese Darbietung erforderte Anmut.

Sie schulterte das Ganze, nahm die korrekte Haltung einer Jägerin ein und richtete den Bolzen auf das ferne Ziel zwischen den Kiefern.

Das gedämpf‌te Zureden des Jägers und des Lehrers in ihrem Rücken, die Vorfreude, gleich ihre Beute zu Boden fallen zu sehen. Doch ehe es so weit war, wurde sie jäh unterbrochen.

Schmerzen in ihrem Bauch! Stechend, stumm, unsichtbar. Sie sank auf ihr Knie.

Ein Keuchen entwich ihr, Verblüffung über ihr Schwächeln.

Solche Schmerzen sollten sich in kommenden Zeiten immer wieder zeigen.

Sie senkte die Armbrust und hielt sich den quälenden Bauch. Langsam erhob sie sich. Ihre Beute weilte noch immer zwischen den Bäumen. Ein warnender Blick des Jägers hinter ihr trieb sie an. Jetzt handelte sie blitzschnell. Der Bolzen landete im nächsten Baum. Das Wild galoppierte davon.

Es folgte Stille.

Sie war keine, die scheiterte. Jäger hatten sie erzogen.

»Ein Fehlschuss«, meinte der Jäger.

»Ungewöhnlich«, sagte der Lehrer. »Du siehst heute seltsam blass aus.«

Zwei Augenpaare waren auf sie gerichtet. Das frühe Morgenlicht vertief‌te die Schatten auf des Lehrers Gesicht. Er trug eine braune Wolltunika unter seinem wollenen Umhang. Die Hose in derselben Farbe, um seinen Hals ein Hasenfell. Seine Oberlippe endete in einem ausgeprägten Amorbogen, der allerdings halb vom Bartwuchs überdeckt war. Die großen Augen lagen tief unter den Brauen. Augen, die sie kannte, vertrauensvolle Augen.

Der Lehrer warf dem Jäger, dem Älteren der beiden, einen Blick zu.

Bei flüchtiger Beurteilung hätte man sie für Brüder halten können. Doch während die Nase des Lehrers breit war, verlief die des Jägers schmal und spitz. Seine kleinen Augen hatten Schlupf‌lider, seine Haut war rau. Der eine glaubte an Gerechtigkeit, der andere an Rache, der eine an die Ehre, der andere an den Protest. Sie trugen Dolche an den Hüften, wobei nur einer der beiden diese gerne benutzte. Durch die Berge aneinander gebunden, war ihre Kameradschaft doch so unbeständig wie das Temperament des Jägers. Eine Allianz, entstanden durch Tragödie und den Wunsch zu überleben. Sie waren keine Brüder, und nicht einmal der drohende Tod hätte sie zu Brüdern werden lassen.

 

Die drei warteten schweigend, bis das Wild zum zweiten Mal auf‌tauchte. Der Jäger streckte seine Hand aus und berührte das Mädchen sanft am Rücken. Die Mutantin hob die Armbrust. Die Schmerzen waren verschwunden, und sie hatte die Chance, sich zu rehabilitieren.

Sie brachte ihren Körper in Position. Richtete die Waffe auf ihr Ziel.

Der schnelle Flug des Bolzen, das dumpfe Aufschlagen des toten Tieres auf dem Boden. Sie hatte ihre Beute erlegt.

»Wir danken dir, Erde«, murmelte sie, »für die Gabe einer deiner Kreaturen.«

Gemeinsam trugen sie das geschossene Reh zum Schlachtschuppen neben der Hütte. Sie sah, wie es auf den Tisch gewuchtet wurde. Ein Tier mit großen, empfindsamen Augen, die noch feucht schimmerten. Erde auf der glänzenden Schnauze, durch die vor wenigen Momenten noch Luft geströmt war. Das war der Gefallene. Ein Leichnam der Hoffnung. Ein Tod, von dem sie leben konnten. Eine Zukunft.

Der Lehrer wusch seine Messer mit Wasser aus der Quelle vor der Tür, ehe er begann, das Tier sorgfältig zu häuten. Die Haut sollte als Leder dienen, das Fleisch würde in die Küche gebracht werden. Während er schnitt, vermied er ihren Blick. Gewöhnlich sprach er zu diesem Zeitpunkt mit ihr. Über etwas, was er wusste oder was er geträumt hatte. Was ihn diesmal schweigen ließ, war Sorge. Über die Folgen ihrer gescheiterten Jagddarbietung. Über die abermaligen Schulungen, die der Jäger ihr auferlegen würde, die unendlichen Wiederholungen, bis schließlich Blut floss.

Sie würde ihm gehorchen, denn sie fürchtete ihn.

Nun sprach der Lehrer doch. »Schülerin«, sagte er. »Geh und sammle Holz.«

Sie nickte. Sie gehorchte, denn sie schätzte ihn.

 

Die Mutantin hatte einen Namen. Sie hieß Gaia Marinos. Die Mutantin war eine junge Frau, noch nicht alt genug, um ganz ausgewachsen zu sein. Sie ging ruhigen Schrittes zur Hütte hinüber und betrat sie – den Ort, den sie ihr Zuhause nannte, wo sie träumen, wo sie sich verstecken, von wo sie fliehen konnte. Sie legte die Armbrust in den Jagdschrank zurück, in dem alle Waffen aufbewahrt wurden: zwei hölzerne Schwerter – zum Üben –, zwei Schwerter aus Stahl – für die Ertüchtigung –, drei Armbrüste, Dutzende von Pfeilen, drei Bögen und sechs Wurfmesser.

Bereits zwölf Geächtete, die in dieser abgelegenen Gegend umhergestreift waren und versucht hatten, etwas zu stehlen, waren mit diesen Waffen getötet worden. Eine Hütte, bewohnt und warm, weit weg von jeglicher Zivilisation, voll üppiger Beute. Ein Geschenk an diesem wilden Ort, an dem man plündern konnte, weil Gesetze hier nichts bedeuteten.

Zwölf Menschen sah sie erliegen, blutig zugrunde gehen. Geächtete, Wildeste unter den Menschen. Ohne Heim und ohne Wunsch danach, denen schon lange jegliche Werte der Menschheit verloren gegangen waren.

Kapitel zwei

Sie näherte sich aus der Ferne, die Mutantin, die die Wildnis ertragen sollte. Sie beobachtete ihn genau, den Jäger, und seine Grausamkeiten. Größere Furcht gab es nicht. Er hob die Axt in die Luft und ließ sie kraftvoll niederschmettern, ein krachendes Schauspiel aus fliegenden Splittern – besonders laut an einem Ort, an dem es zu still war und der zu fernab von allem lag, um fürchten zu müssen, dass Menschen zuhören konnten.

In der Wildnis würde sie stets am sichersten sein.

Selbst Geächtete durchstreif‌ten so selten diese abgelegene Gegend, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Sie kamen und gingen wie andere Raubtiere auch.

Die nächste Zivilisation lag fernab in Richtung Osten – Dörfer aus Holz und Stein, richtige Häuser mit Kammern und Brunnen davor, aus denen man Wasser schöpfen konnte. Die Dörfer führten zu kleinen Städten und diese wiederum zu großen, deren Ehre Heere von Kriegern beschützten. Die Bewohner waren achtbare Männer, ihre Frauen gebaren Kinder für die Zukunft, stetig wachsend.

Die selbst ernannten Nationen dieses Landes. Beständig wurden neue Gebiete gewonnen, Kriege geführt, Geächtete erschlagen. Die Orte, an denen das Naturrecht herrschte, langsam errichtet, Wort für Wort, nachdem Jener Tag gekommen war.

Doch was für sie Recht bedeutete, hieß für Gaia Marinos den Tod!

 

Ihre behandschuhten Hände griffen nach dem gehackten Holz.

Sie hörte ihn hinter sich, während sie die Scheite stapelte. Spürte die Düsternis des Jägers. Seine Stiefel zermalmten das Laub. Ein stummer Mörder – seine Axt schwingend, tötete er all das, was heilig war.

Etwas rann ihr den Rücken hinab. Schweiß.

Das Verweilen seiner Augen. Eines Tages würde er bezahlen.

Sie beendete das Stapeln des Holzes und bereitete dann den Zuber in der Hütte vor, indem sie Wasser zum Kochen brachte. Davor sitzend wusch sie ihre schmutzigen Kleider, während sie den aufsteigenden Dampf einatmete. Ihr Bauch schmerzte nun wieder so, wie er es bei der Jagd getan hatte.

Sie zog ihre Handschuhe aus. Das Ablegen ihrer Rüstung.

Beginnend mit dem linken.

Behutsam, um nicht zu viel Reibung zu erzeugen. Die Haut ihrer Hände, wie sie immer gewesen war: wie die Haut einer uralten Kreatur, schorfig und voller Blasen, als hätte man sie geschmolzen, auseinandergerissen und wieder zusammengenäht. Rosafarbene Schattierungen und dunkelrote Flecken wie fortwährend blutverschmiert. Violette Markierungen, als ob sie bei der Geburt gequetscht worden wäre; ein wirres Netz aus Venen, so dunkel, dass es schwarz erschien. Blasen und Wunden, Risse und Fissuren, entstanden durch bloße Existenz. Wenn eine Stelle abheilte, nässte eine andere. Wenn sich eine schloss, öffnete sich eine neue.

Nun der Handschuh der Rechten.

Die Haut wand sich aus der Haftung des Leders, eine präzise ausgeführte Prozedur. Ihr linkes Ohr hatte die gleiche Beschaffenheit, seine Form wie die einer Muschel. Kein Härchen wuchs in der näheren Umgebung, weshalb fast ihre ganze linke Kopfseite kahl war, allen Blicken auf die dort verlaufenden Adern ungeschützt ausgesetzt.

Man brachte ihr von klein auf bei, die rechte Seite ihres Kopfes zu rasieren, damit eine gewisse Symmetrie gewahrt wurde. Nur die Haare oben auf dem Kopf blieben unberührt. Sie flocht sie zu einem festen Zopf, der von der Mitte ihres Schädels über ihren Nacken herabhing.

Sie senkte die Hände in das kochend heiße Wasser. Ein Ächzen entschlüpf‌te ihr.

Obwohl diese Hände für das Auge so unansehnlich waren, fanden sie doch von morgens bis abends Verwendung.

Sie schrubbten und wischten und gruben und machten Feuer, sie schnitten und rupf‌ten und zerrten und zogen.

Eine tägliche Erinnerung daran, was sie ins Exil geführt hatte, daran, was sie zum Sterben geboren sein ließ. Dennoch, so sollst du wissen, war ihr Körper stark. Ihre Hände waren stark. Es würde nicht Schwäche sein, die sie tötete. Keine Mutantin dieser Welt hatte bisher so lange überlebt. Hingerafft von Krankheiten, von Siechtum und Schwäche, zu gebrechlich, um sich zu bewegen, zu gebrechlich, um zu atmen.

Als ob sie sich in gewisser Weise glücklich schätzen konnte, die letzte Mutantin zu sein. Als ob sich all diese Tode zusammengetan hätten, um das letzte Mutantenblut in ihren Adern kraftvoller werden zu lassen als das jeglichen Menschenmädchens auf Erden.

 

So seltsam es auch scheinen mag: Jahrelang hatte sie inständig darum gefleht, ihr die Hände abzuschlagen. Schließlich waren es diese Monstrositäten, wie sie sie zu nennen pflegte, die sie von der Welt der Menschen, über die der Lehrer ihr so viel beigebracht hatte, trennte.

Sie besaß die Mittel dazu. Der Lehrer hatte Klingen aller Größen. Hackmesser und Hobel und Forken und Schäler. Der Jäger und seine Axt, seine Armbrüste und Säbel und Dolche und Hämmer.

Aufgewachsen in einer Umgebung voller Todeswerkzeuge – warum sollte sie nicht glauben, sie könnte jene Teile von sich abtrennen, die sie nicht haben wollte?

Doch selbst ohne ihre Hände hätte ihr Gesicht verraten, was sie war. Eine Mutantin war stets dem Untergang geweiht.

Die Hände ein Unfall. Das Gesicht, entstanden aus den Tiefen der Deformation.

Schmutzige Luft, ein schmutziges Land, eine Zeit des Unglücks.

Obgleich die giftige Luft nicht überallhin zu gelangen schien, sickerte sie doch in

ihr ungeborenes Blut, lange nachdem die letzten Mutanten hingerichtet worden waren – die letzten, die letzten, so hatten sie lange geglaubt. Die letzten, die letzten, bis sie kam.

Solch Tod, solch Missgestalten, wie sie sich zeigten, hinterließen nichts von der alten Welt. Die Kernreaktoren dünsteten Elend und Tod aus, all das, was Jenen Tag zu einer derart kompletten Veränderung werden ließ. Die Mutierten und die Kranken unter den Überlebenden, die Kinder, die sie gebaren, noch schändlicher, noch verdammter.

Die Blasen, das Nässen, das Schälen der rosafarbenen Haut, die violetten Venen, durch die stetig Tod und Krankheiten pulsierten.

Diese Tage lagen nun hinter ihnen. Das Naturgesetz hatte es bewiesen.

Doch einmal angenommen, da war ein Kind, von zwei Menschen geboren, lange nachdem der letzte Mutant getötet worden war.

Besinnen wir uns! Es gab einmal einen Mann, in ferner Zeit, in der alten Welt, der ein solches Phänomen als Überleben des Stärkeren bezeichnet hatte.

Kapitel drei

Gaia Marinos war das Schicksal ihrer Artgenossen, die vor ihr gelebt hatten, nicht fremd. Der Lehrer brachte ihr alles bei, was sie wissen musste. Der Jäger brachte ihr alles bei, was sie für das Töten wissen musste. Sie war sich bewusst, dass ihr Leben selbst ein Todesurteil war. War sich bewusst, dass Mutter und Vater von Geächteten ermordet worden waren, bewusst, dass sie hier war, weil man sie gerettet hatte. Sie wusste, dass die Menschheit den großen Feind verkörperte. Dass sie eine Mutantin war, ein Wildling, und der Tod das Einzige sein würde, was sie jemals kennenlernte.

Um sie davon abzuhalten, über ihr beängstigendes Selbst zu weinen, als sie noch klein war, als sie sich noch fürchtete, hatte ihr der Lehrer ein Paar Lederhandschuhe genäht. Jeden Winter ein neues Paar, während sie wuchs.

Wie viel diese Hände auch im Verborgenen noch taten.

 

Sie legte die Handschuhe neben sich und wusch die Kleidung. Ein Stück nach dem anderen hängte sie auf die Wäscheleine vor dem Holzofen. Sobald sie fertig war, zog sie die Handschuhe wieder an und knöpf‌te ihren Mantel zu.

Die Tiere warteten auf sie.

Sie trat vor die Hütte, wo sie die Wellen am stärksten spürte. Hier im Freien fanden sich keine Hindernisse, um sie abzuhalten. Es gab zwei Ströme, die man in seinem Leben fühlte: Einer von ihnen wies nach oben und einer nach unten, einer war uralt, und einer war neu.

Nach oben verliefen die Wellen des Daseins, die durch alle Lebewesen flossen. Von Menschen hergestellte Gegenstände mieden sie, es sei denn, sie fanden einen Weg in ihr Inneres. Diese Arten von Wellenlängen waren manchmal zu sehen, manchmal waren sie es nicht. Die unsichtbaren verbargen sich allem Lebendigen, das physisch im Boden wurzelte, zwischen den Ästen wuchs, schmerzlos durch den Körper strömte, die Lungen öffnete, Gaias Nase mit Düften erfüllte. Die sichtbaren Wellenlängen waren wie Efeu, das die Mauern eines Hauses emporrankt, sich um die Ränder von Fenstern schlingt, immer und immer weiterwuchernd, alles hinter sich lassend, was ihm im Wege steht.

Über den anderen Wellenstrom wusste sie nichts – die Wellen der Menschen oder, wie sie diese gerne nannte, die Wellen des Unglücks –, bis sie von der Geschichte und den Gepflogenheiten der Menschen erfuhr. In den verseuchten Regionen war die atembare Luft früher einmal begrenzt gewesen, und die Wellen des Unglücks hatten alles durchdrungen, lebend oder tot.

Menschengemachtes Elend, deformierte Körper, einschließlich des ihren. Sie hatte geschworen, die Menschheit dafür auf ewig zu verdammen.

Hätte sie bei ihnen gelebt, hätten die Menschen sie schon lange getötet.

Nein, zur Menschheit gehörte sie nicht.

Nein, sie war keine von ihnen, sie, die Mutantin, der Wildling.

Und doch, sosehr sie es sich auch wünschte,

gehörte sie genauso wenig zu den Kreaturen der Wildnis,

den pelzigen Raubtieren und Beutetieren,

deren Sprache ungesprochen, unerreichbar war, wie Träume.

Nein, sie gehörte auch nicht zu ihnen.

Doch unter ihnen war sie nur Fleisch und Blut.

Sollte sie jemals von ihnen getötet werden, würde es aus Motiven geschehen,

von denen Menschen nicht einmal zu träumen vermochten.

Sie entriegelte das Gatter und betrat das Land. Sieh nur ihren Gang, wie leichtfüßig. Sieh nur, wie ihr Zopf auf und ab wippt. Sieh nur, wie sie einem Kind gleich springt. Wie selten sie das tut!

Als sie eintrat, läutete die Glocke am Gatter. Man hatte sie befestigt, falls es einem wilden Tier gelingen sollte, hier einzudringen, die Umzäunung zu überwinden.

Doch zu diesen wilden Tieren gehörte sie nicht.

Die Freude zu wissen, dass sie für diese Lebewesen keine Fremde war, dass die Kreaturen sie liebten, dass sie etwas in ihr sehen konnten, was andere nicht sahen. Dass sie für sie kein Raubtier war wie für den Rest der Welt! Und doch ist es an dir – wenn einmal alles getan ist, was getan werden muss, wenn einmal für alles gekämpft wurde, für das gekämpft werden konnte – dann ist es an dir, dich zu entscheiden, ob sich die Welt geirrt hatte.

Drei Schafe krochen zwischen den Beinen ihrer Artgenossen hervor und liefen ihr laut blökend entgegen. Im Frühling würden sie einen Winter alt sein. Wesen des Guten. Neben ihnen stellte sie einen erschreckenden Anblick dar.

Mutantin und Tier, ein merkwürdiges Paar. Ihr dichtes Fell drängte gegen ihre Hände. Die zwei Kühe, Seite an Seite liegend, blickten sie liebevoll an. Ihr Ausdruck gelassen, ihr Vertrauen grenzenlos. Der Esel, auf die Luft fixiert, die zwischen den Bäumen vibrierte, stand in ernstem Gehorsam da, auch er gänzlich genügsam.

Noch war das Land hier gut.

Selbst wenn der Jäger vorbeikam und diese Luft einatmete, lebten und gediehen die Tiere weiterhin. Noch war das Land hier gut.

Und sie liebte die Schafe und die Kühe und den Esel

und das Pferd und die Hühner, sie liebte sie,

als wären sie ihre Familie.

Und sie wusste, nicht alle würden bis ins hohe Alter leben,

sie wusste, die Schafe würden geschlachtet werden,

und auch die Hühner würden ihrem Schicksal nicht entkommen.

Doch was gab es sonst an einem wilden Ort wie diesem zu lieben?

Sie hüllte den Esel und das Pferd in ihre Decken, ehe sie sie nach draußen ließ. Ein kalter Morgen in einem anhaltenden Winter. Gaia kniete sich hin und begutachtete ein trächtiges Mutterschaf, regungslos. Als der Kopf des Tieres begann, sich nach oben zu recken in Richtung Himmel, war es soweit – das wusste sie. Das Einsetzen der Wehen, die Signale der Lebenswellen. Ohne ein Geräusch von sich zu geben, blieb sie dabei, der Geburt beiwohnend.

Wenn es noch Bücher gegeben hätte, wären solche Szenen geschildert worden, und sie hätte sie gelesen. Dann hätte sie genickt und gewusst, wie es war.

Die Mutantin saß da und sah zu, zwischen den sie umgebenden Blicken der anderen. Die Vorderhufe tauchten als Erstes auf. Als das Lamm auf dem Boden lag, wurde es von seiner Mutter beschnüffelt, ihre stupsende Schnauze ermunterte es zu atmen. Den Zwilling leckte sie nach seinem Erscheinen ebenso sauber wie das zuerst Geborene, und die Mutantin wohnte allem bei. Sie brachte frisches Wasser, Heu und eine Decke zum Wärmen.

Diese Zeiten des Friedens würden ihr noch lange in Erinnerung bleiben.

Wie leise die anderen Schafe näher kamen, um das neue Leben zu riechen. Nach ihnen Esel und Kühe und Pferd. Es sollte eine offizielle Namensfeier geben, beschloss Gaia, räumte den Kompost weg, ersetzte das Stroh und ging zum Hühnerstall um die Ecke, wo sie jedes Huhn begrüßte und nach den Eiern suchte. Sie nahm sich Zeit.

Das waren Momente des Friedens, diese Bauernhof‌tiere ihre Verbündeten. Sie verstand es als ihre Aufgabe, sie zu beschützen.

Welch menschlicher Killer sie auch immer werden mochte,

welch andere Pflichten ihr auch auferlegt werden würden,

es hätte dann jedenfalls einmal eine Zeit in der Wildnis gegeben,

als sie nur Bäuerin war.

Sie machte sich auf die Suche nach dem Lehrer, um ihm die Nachricht der Geburt zu überbringen. Es sei ein Zeichen für einen Neubeginn, meinte er, als sie ihn draußen vor dem Schlachtschuppen entdeckte. Er lobte sie dafür, so behutsam gewesen zu sein. Dann bat er sie, die Hände zu waschen, um ihm zu helfen, die Rehhaut für die Lederherstellung vorzubereiten.

Sie gehorchte ihm. Sie würde ihm immer gehorchen.

 

Die Haut des Rehs, das sie vor einigen Tagen erlegt hatten, sollte in eine Lösung aus Urin kommen, um restliches Fett, Haare und Fleisch zu entfernen. Dann musste man sie waschen und in eine Lauge aus Vogelkot legen, um sie danach erneut zu waschen und mit Schichten aus Eichenrinde zu bedecken. Es war ein langer Prozess, ehe man das Leder benutzen konnte. Im Keller der Hütte hingen noch Stücke von Rehhaut zum Trocknen, die mindestens einen Winter lang eingelegt gewesen waren. Beinahe fertig. Ein Prozess mit einem schrecklichen Gestank, den man niemals im Keller der Hütte hätte durchführen können. Nachdem sie ihre Hände gewaschen hatte, trat sie ins Freie zum Lehrer.

In einer Hand hielt sie ihre Handschuhe.

Der Lehrer nahm sie ihr ab und betrachtete den Abrieb in den Ecken und die Stellen, wo sich der Faden gelöst hatte.

»Ich glaube, es ist Zeit für ein neues Paar«, sagte er.

Gaia hatte sich bereits vorgestellt, wie sie ihre Handschuhe aus dem Rehleder nähen würde, das im Keller hing.

Bescheiden entgegnete sie: »Noch sind sie in einem guten Zustand.«

»Sie haben früher einmal deine Handgelenke bedeckt«, erwiderte er. »Du bist gewachsen.«

Ehe sie die Haut in die Lösung tauchten, banden sie sich Stoff vor Mund und Nase gegen den Gestank. Danach schütteten sie sich Wasser draußen an der Quelle über Hände und Arme, und sie bat ihn, mit ihr die neugeborenen Lämmer zu begutachten.

Er folgte ihr.

Er würde ihr immer folgen. Sie war seine Mutantin.

Kapitel vier

Als es Abend war, schnitt sie sich ein Stück Stoff

aus einem alten weißen Spitzentischtuch und trug es als Schleier über ihrem Zopf.

Sie saß zwischen den Tieren. Die Kühe waren aus ihrem Schlummer erwacht,

folgten mit den Blicken jeder von Gaias Bewegungen.

Sie beugte sich herab, um den Tierzwillingen einen Kuss auf die Stirn zu geben.

Dabei nannte sie laut ihre Namen.

»Die Wörter, die ich als Erste lesen konnte, sind

Ehre und Anmut.

So sollt ihr heißen«, sagte sie und streichelte ihnen über die Köpfe.

Als sie wieder ins Freie trat, war der Himmel schwarz geworden.

Sie ging zur Hütte zurück, die Hände schmutzig vom Entfernen letzter Überreste der Geburt. Auf einmal blieb sie stehen. Sie war nicht allein. Sie hörte seine Schritte.

Er folgte ihrem Schatten, tauchte plötzlich auf, als wäre er Teil der Schwärze um sie herum. Ihr Körper spürte ihn, bevor ihn ihre Augen sahen. Sie näherte sich der Tür. Er trat neben sie. Als sie nach dem Türknauf griff, packte er sie am Handgelenk.

»Der Schleier?«, fragte der Jäger.

»Ich habe etwas gefeiert«, erwiderte die Mutantin. »Heute wurden zwei Lämmer geboren.«

»Ah! Eine Zeit der Fruchtbarkeit«, sagte er und ließ sie los.

Sie kannte ihn zu gut, hatte jedes seiner Rätsel entschlüsselt.

Sie kannte auch die Ordnung des Lebens, bei Mensch und bei Tier, und ihr Magen verkrampf‌te sich.

Hastig trug sie einen Eimer voll Wasser nach oben ins Bad und holte ihre Sachen, um sich die Hände zu waschen. Sie schrubbte so fest und so schnell sie konnte. Die Augen geschlossen, die Fäuste geballt.

Eine Reinigung, lieblos und grob.

Ein Säubern all des Schrecklichen in ihrem Inneren. Dennoch: Der Jäger hatte seine Spuren bereits hinterlassen.

Das Wasser vermischte sich mit dunklem Blut.

»Mutantin!«

Des Lehrers Stimme. Das Abendessen war fertig. Sie schüttete das schmutzige Wasser aus dem Fenster und trocknete die Hände ab. Rote Flecken auf dem Handtuch. Eilte, um es in den Wäschekorb zu stopfen, als der Lehrer erneut nach ihr rief.

»Ich komme!«, rief sie zurück. Stieß einen leisen Schrei aus, als sich auf einmal die Tür öffnete.

Auf der Schwelle der Jäger.

»Was soll der Tumult?«

»Ich habe beim Waschen etwas Unordnung gemacht, nichts weiter.« Ein Stöhnen entwich ihr, und sie hielt sich den Bauch. Ihr Körper wurde heiß. Sie wich seinem Blick aus.

Er neigte den Kopf zur Seite. »Du hast dich den ganzen Tag über seltsam verhalten.«

»Es geht mir nicht gut. Das Abendessen ist fertig.«

»Gaia, hattest du deine monatliche Blutung?«

»Nein.«

Er schob sich näher an sie heran. Legte vorsichtig seine Hand auf ihren Bauch und tastete die leichte Rundung ab. Sie drängte ihn weg. Er war Mensch, sie Mutantin, ein ungleiches Paar.

Er hatte ihr beigebracht, stark zu sein. Doch an jenem schwarzen Tag war es ihr nicht gelungen, sich zu verteidigen.

Ihre Blicke trafen sich.

Seiner erzählte die Geschichte.

Für die schlechten Männer dieser Welt ist ein Kind ein Mädchen und eine Frau.

Sie ließ ihn in der Tür stehen, ihr Körper noch immer schmerzend. Bisher hatte sie Mord nie in Betracht gezogen.

Sie würde nicht zur Mutter werden, ehe sie zur Mörderin wurde.

Kapitel fünf

Doch in der Dunkelheit gab es auch ein Licht. Und das Licht war gut. Der Lehrer verströmte das Licht. Der Lehrer war es, der sie lehrte, und sie – die Mutantin, der Wildling – war durch ihn zu einer Wissenden geworden. Stunden des Unterrichts im Geheimen.

Es gab vieles, was sie über die neue Welt wissen musste, und es gab vieles zu erfahren über die alte. Die Märchen, die ihr der Lehrer erzählte, handelten von der alten Welt als einem Ort voller Licht. Damals gab es beständig Licht, Tag und Nacht. Welch eine Vorstellung! Was für ein Leben das gewesen sein musste! Wo alles Notwendige stets greifbar war, wie es hieß, entstanden in Ländern fern von diesem, in Ländern, in die man nie reiste und es auch nicht musste. Doch so man denn wollte, konnte man dorthin – jene Welt war zwar groß, aber auch überall erreichbar. Und obgleich die Regierungen bleierne Waffen besaßen, um ihre Völker zu kontrollieren, gab es schlichtweg keinen Grund zu wissen, wie man kämpf‌te. Es war alles da. Selbst für die Armen gab es Licht. Die Straßen waren niemals dunkel, Wasser hörte niemals auf zu fließen. Über solche Dinge zerbrach man sich nicht den Kopf. Licht gab es immer.

Doch in dieser niemals endenden Helligkeit entstanden auch Maßlosigkeit und Gier. Jener Tag, so hieß es, war der Menschen Strafe.

Das Gesetz der Natur ein Versprechen, dass es nie wieder so werden sollte.

Das war die alte Welt. Wie die verwesende Haut einer lang vergangenen Epoche. Nur gesprochene Worte waren noch von damals übrig. Die Menschen lernten erneut zu jagen und zu sammeln, die verbliebenen Schafe zu hüten und auf den verbliebenen Pferden zu reiten. Um auf ihren Rücken bewohnbares Land zu finden, wo sie die Tiere wieder züchten und beginnen konnten, eigenes Feuer zu entfachen. Die Menschen lernten die Ordnung der Naturgesetze.

Langsam erinnerten sie sich.

 

Bloß ein Wildling. Bloß eine Mutantin. Die Geschichten nur Träume aus der Vergangenheit einer anderen Welt – einer Welt, die sie sich nicht vorzustellen vermochte. Doch sie konnte sie erträumen. Das Leben, wie sie es kannte, war eines der stummen Jagd, des Wegscheuerns von Schmutz, des Geruchs nach geräuchertem Fleisch. Des Geräuschs, wenn Fels und Feuerstein aufeinanderrieben. In den Wäldern ging es nur ums Überleben, und die einzigen Gedanken, die sinnvoll erschienen, betrafen die Frage, was zwischen heute und morgen passieren konnte und wie man sich am besten darauf vorbereitete. Doch der Lehrer hörte nie auf, das zu lehren, was der Jäger niemals vermochte.

Was kein Mensch wissen sollte. Und doch gab es so viele Dinge zu erfahren über die alte Welt.

Worte, ungesagt. Was Jener Tag gebracht und was er genommen hatte. All die Bücher – verbrannt, vom Wasser verschluckt, vom Sturm zerfetzt. Die Bücher, die danach übrig geblieben waren, wurden von den Überlebenden im Staub gefunden und verbrannt, um sich zu wärmen. Damals existierte nichts außer Stürmen und heulendem Wind, alles diente dem Überleben, auch die Bücher. Es gab Märchen, die man sich erzählte, Märchen von einigen Büchern, die angeblich irgendwo tief verborgen, in weiter Ferne erhalten geblieben sein sollten. Doch solche Märchen konnten nicht der Wahrheit entsprechen. Nicht an einem Ort wie diesem.

Das geschriebene Wort gehörte nicht in diese Welt.

Noch immer nicht, nicht für die meisten.

Noch immer nur für wenige Auserwählte.

Für sechs Menschen in jeder Nation.

Sechs hoch geachtete Persönlichkeiten, die das Gesetz der Natur und die sechs anderen Schriftrollen lasen. Sechs Persönlichkeiten, die das durf‌ten, was den anderen verboten war. Sechs Persönlichkeiten, die lasen und deren erstgeborene Söhne ihren Platz einnahmen, wenn sie das Zeitliche segneten.

Sein Vater gehörte zu jenen Auserwählten, Oberster Leser der gregorianischen Nation. Auch er gehörte dazu, der Lehrer war nicht als Einzelkämpfer auf die Welt gekommen. Doch wenn Gaia nach seinem Leben fragte, schwieg er. Sein Vater hatte nie nach ihm gesucht. Zu viele Sommer waren für eine Versöhnung ins Land gegangen.

Er hatte einen älteren Bruder gehabt, ein Zuhause, eine Stadt, in der er lebte. Der Lehrer war kein Kind der Wildnis.

Er hatte sich selbst heimlich das Schreiben und Lesen beigebracht, als sein Bruder Unterricht erhielt.

Stell dir das Entsetzen, den Schmerz eines Jungen vor, der zum Jugendlichen, zum jungen Mann wird und die Buchstaben nicht so aneinanderzureihen vermag, wie er das soll. Wenn er laut vorlas, ließ er Wörter aus, wenn er still las, geschah es zu langsam. Stell dir das Entsetzen, den Schmerz des jüngeren Bruders vor, der zum Jugendlichen, zum jungen Mann wird und so schnell lesen kann wie der alte, gelehrte Vater – der zu schreiben vermag, als ob er dazu geboren wäre. Obwohl er es nicht war.

Die Eifersucht ließ Blut fließen. Er verließ die Stadt und ging in eine, wo ihn niemand kannte. Der Gelehrte im Exil, von Traditionen verbannt. Wenn er doch nicht um sein Leben gekämpft hätte, wenn er doch anstelle seines Bruders gestorben wäre!

Aber das Schicksal der Mutantin mutete noch unglückseliger an als das seine.

In ihrer gemeinsamen Einsamkeit verwandelte er sie in eine Gebildete, in eine Wissende.

Was sonst konnte man jemandem mitgeben, der nicht in diese Welt gehörte?

 

Es klopf‌te leise an ihrer Tür. In seinen Händen die hölzerne Tafel mit den zarten Linien und Formen, gezeichnet mit farbigem Ton. Die Formen standen für verschiedene Buchstaben, die sie aussprechen sollte, wie ›a‹, ›b‹ oder ›c‹. Für manche war es nötig, Zunge und Rachen anders einzusetzen, wie für ›q‹ und ›r‹ und ›s‹. Der Lehrer wirkte fast genauso ängstlich wie damals, als er ihr die ersten Wörter beigebracht hatte. Der Zorn des Jägers, wenn er davon erfahren sollte, die Gefahr, die sich in seinem Neid barg. Trotzdem unterrichten. Pflichterfüllung stand vor der Angst.

Als sie lesen konnte, begann er mit dem Verfassen von Geschichten. Kurze Fabeln, die er sich ausdachte oder an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte. Unfertige Fabeln, von denen er nicht wusste, wie sie endeten. Oft auch ohne richtige Anfänge. Gedankengänge aus einer anderen Zeit. Alle flüchtig, alle später ins Feuer geworfen, um sich daran zu wärmen. Alle Beweise in Brand gesetzt.

Trotz der Heimlichkeit, zu der sie sich verpflichtet hatte, wünschte sich Gaia manchmal des Jägers Gesicht zu sehen, wenn sie ihm eines Tages ihren Namen laut vorlesen würde. Jeden Buchstaben einzeln zu nennen und ihn dabei ein letztes Mal zu sehen, ehe sie sich auf ewig trennten. Ihn tief im Innersten zu treffen mit ihrem »Ich weiß, wie, ich weiß, wie«.

Kapitel sechs

Nebel verbarg die Berge. Die Bäume leicht verschleiert, ihre spitz zulaufenden Kronen durchs Grau brechend. Hier in Zentralneuamerika war das Wetter fast wie vor Jenem Tag. Man sah und spürte die Jahreszeiten, und der saubere Regen fiel reichlich. Je weiter man Richtung Süden vordrang, desto heißer wurde die Luft. Staub bedeckte den Boden. Von den ewigen Feuern qualmte steter Rauch in den Himmel. Je nördlicher man kam, desto eisiger kroch die Kälte in die Knochen. Zu kalt für die Menschen. Nur wenige Tiere vermochten solche Bedingungen zu ertragen. Das war alles, was vom Land übrig geblieben, was nicht vom Ozean und seinem Tal der Tränen verschlungen worden war.

Dort, in einer der tiefsten Senken der Berge von Idaho, stand die Hütte. Aus Eichenholz errichtet. Vom Feuer in der Nacht zuvor hing noch der Geruch nach Asche in der Luft.

Der Lehrer, der Jäger, die Mutantin. Alles wie immer.

Gerade erwachte die Mutantin in ihrer Kammer. Ihr Körper schmerzte, Schweiß klebte an ihrer Haut. Sie stand auf und lief leise nach draußen. Nebel hing in jeder Ecke, gefolgt von Schatten. Die Sonne würde sich heute wohl nicht zeigen. Sie begrüßte die Tiere und säuberte den Stall.

Als sie zur Hütte zurückging, sah sie ihn, wie er hinter einem Baum lauerte – nur einen kurzen Augenblick lang, ehe er sich zurückzog. Er wartete auf sie. Sie wusste, dass er es war, das hölzerne Schwert an seinem Gürtel hatte ihn verraten. Für ein Training war es noch früh, aber Kämpfe und Gefechte warteten nie auf den passenden Zeitpunkt.

Sie verlangsamte den Schritt.

Es war besser, nicht abzulehnen.

Gaia entfernte sich von der Hütte, wo sie ihn gesehen hatte. Sie wusste, dass er davongeeilt war, um ein anderes Versteck zu suchen. Langsam lief sie einen großen Kreis. Rechts von ihr raschelte es im Laub. Nur der Wind. Vom Baum vor ihr fiel ein Zweig herab. Aber er würde sie nie von vorne angreifen. Sie vermochte sogar seine lautlosen Schritte zu hören. Ein Ausholen von hinten, um sie zwischen den Schulterblättern zu treffen. Sie wirbelte herum, machte einen Satz rückwärts.

Er beobachtete, wie sein Schwert in den Boden fuhr. Warf ihr das ihre zu, das sie mit einem unterdrückten Keuchen auffing.

Wieder griff er sie an. Sie parierte, ihr Arm zitternd vor Anstrengung. Als er das vierte Mal ausholte, ließ sie schließlich zu, dass er sie traf. Dabei warf er jedes Mal einen Blick auf ihren Bauch, achtete darauf, dass er jenen Teil nicht verletzte, der seiner war. Morgen würden sich die Blutergüsse unter ihrer Haut ausbreiten.

Es war das Beste, sie anzunehmen. Das Beste, ihr Scheitern sichtbar zu machen. Sie wusste, dass sie nicht erneut versuchen sollte zu gewinnen. Die Folgen des letzten Mals trug sie noch immer mit sich.

 

Sie räumte die Übungsschwerter in den Schrank zurück. Spürte, wie sein Arm flüchtig über den ihren strich, als er nach seinen Waffen griff. Der Jäger. Fast berührte die Klinge seines Stahlschwerts ihre Haut. Er schob es in die Scheide, schulterte Bogen und Köcher mit Pfeilen. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er zur Tür ging – der Mann, verantwortlich für den Frevel, der noch in ihr verborgen war.

Die Gequälte würde zur Quälenden werden –

lautet so nicht die Geschichte, die es zu erzählen gilt?

Licht wird es geben, vergiss das nicht.

Aber sie wird stets im Dunkeln beginnen und im Dunkeln enden.

So ist der Mutantin Schicksal.

Sie beobachtete ihn. Wusste, dass er gleich aufbrechen würde. Auf Patrouille gehen, um nach Anzeichen von Fremden, von Feuerstellen, nach menschlichen Hinweisen Ausschau zu halten.

Als er die Waffen verstaut hatte, verkündete er: »Heute Abend bin ich wieder da.«

Sie antwortete nicht. Sah durch das Fenster, wie er das Pferd aus dem Stall führte und aufstieg.

Der Jäger war nicht aus Scham ins Exil gegangen. Schwer kontrollierbar, ein Trinker, ein Vergewaltiger und Mörder, war er schon vor langer Zeit aus seinem Dorf verbannt worden.

Mit der Verbannung kommt auch Freiheit.

In der Wildnis war er nur noch ein Mann, seine Geschichte vergeben.

Sie wartete, bis sie den Widerhall der Hufe nicht mehr hörte. Dann ging sie mehrmals leicht in die Knie, schloss und öffnete Finger und Zehen – ein kaum sichtbarer Freudentanz. Als sie die Treppe hinauf‌lief, traf sie auf den Lehrer.

»Zieh deinen Mantel an«, sagte er. »Komm mit.«

»Lesen wir heute?«

»Ja, das werden wir.«

Ihre Hand ruhte auf dem Geländer, der Ärmel verrutscht. Er nahm sie am Arm.

»Hast du heute bereits trainiert?«

»Ja.«

»Er schlägt dich zu oft. Zu oft hinterlässt er sein Zeichen.«

Sie sollte die Mutantin bleiben, wie er sie kannte. Sie sollte nicht verrotteter, unreiner und verdorbener werden, als sie es sowieso war. Sie sollte so bleiben, wie er sie sah, bar jeder Weiblichkeit, nur ein Kind, nur eine Mutantin. Gelehrt und unschuldig, den bösen Menschen der Welt nicht bekannt. Nicht geschlagen, nicht gebrochen, nicht für ihn, nicht für den Mann, der ihr beibrachte, was Gerechtigkeit war.

»Ich schlage zurück«, erwiderte sie.

Kapitel sieben

Sie gingen dorthin, wo die Bäume am dichtesten wuchsen.

Dahinter verlief der Fluss.

Es war der erste Winter ohne Schnee, an den sie sich erinnern konnte, ein stiller Morgen, zu kalt, als dass die Vögel sangen.

Sie bereiteten die Köder vor. Noch immer Fischer. Noch immer Bauern. Stets Verbündete. Diese Morgen waren ruhig, das Land gut und wild, doch die Fischer planten mehr, als nur Tiere zu töten.

Er legte eine Decke um sie, als sie sich setzten. Seine Hände strichen dabei über ihre Schultern. Noch war sie die verwundete Beute.

»Erzähl mir, wer hier lebt«, sagte er.

Sie schloss die Augen, beim Lehrer ganz in sich ruhend. Mit dem Jäger konnte allein durch einen einzigen Blickwechsel so viel geschehen.

»Es ist die Heimat der Barsche«, antwortete sie. »Sie ruhen verborgen zwischen Steinen in der Tiefe des Wassers, sicher versteckt. In dieser Jahreszeit sind sie schläfrig. Nur wenige interessieren sich für die Köder.«

»Und was sagen wir, wenn wir unsere Beute erlegen?«

»Wir sagen: Wir danken dir, Erde, für die Gabe einer deiner Kreaturen.«

 

Um die Mittagszeit kehrten sie in die Hütte zurück. Drei Barsche galt es einzusalzen und zu trocknen. Danach gingen sie wieder nach draußen und machten sich auf die Suche nach Pilzen, Beeren und Kräutern. Langsam wanderte Gaia zwischen den Bäumen umher, ein Eimer an ihrem Arm baumelnd, das Rascheln und Knacken von Blättern und Zweigen unter ihren Stiefeln. Sie beobachtete den Lehrer, der mit gebeugtem Rücken, den Blick auf den Boden gerichtet, in ihrer Nähe suchte. Sie erkannte die Ehrhaftigkeit in der Breite seiner Schultern, im Profil seines Gesichts. Er würde ihr niemals etwas zuleide tun. Doch es war bereits zu spät, als dass er sie noch hätte retten können. Nur im Tod würde sie jetzt Trost finden, denn dort würde sie sich nicht mehr an ihn erinnern.

Ein leises Klopfen an ihrer Kammertür.

Licht fiel in den Raum, als er eintrat, ihr Lehrer.

Die Helligkeit hinter ihm ließ die Umrisse seiner Gestalt genau hervortreten. Die dunklen Falten seiner Kleidung durch die Flamme der Kerze, die sie bereits für ihn entzündet hatte, bräunlich gefärbt. Seine Miene war ausdruckslos, doch sie sah die vertraute Form seines Kopfes, den ein wenig schlurfenden Schritt. Durch die Fenster fiel das Licht der Dämmerung. Sie bat ihn einzutreten. Ihr bekleideter Körper war in eine Decke gehüllt. Der Bauch bedeckt, ihr Geheimnis sicher. Nur ein Kind, nur seine Schülerin.

Die hölzerne Tafel in der Hand, trat er zu ihr. Er setzte sich auf den Rand des Bettes. Legte die Tafel vor sie hin, wie eine Gabe. Und der Unterricht begann.

»Das Gesetz des Bleies«, las sie. »Jeder, der eine bleierne Waffe jeglicher Art, Form oder Größe zusammensetzt, herstellt, erfindet, verteilt oder handhabt, wird zum Tode verurteilt … Jeder, der eine bleierne Waffe jeglicher Art, Form oder Größe in der Erde, auf dem Boden, der Scholle, dem Kies oder im Gewässer findet, wird zum Tode verurteilt …«

Er hörte aufmerksam zu. Wenn es nötig war, korrigierte er sie bei der richtigen Betonung der verlorenen Sprache des geschriebenen Wortes. Es war am besten, wenn sie alles erfuhr. Es war am besten, wenn sie das Gesetz einer Welt kannte, die jemanden wie sie am liebsten tot gesehen hätte.

Als die Sonne unterging, verließ er leise ihr Zimmer. Die Worte verhallt, der Raum leer. An ihren Händen hing noch der Geruch des Tons. Das Licht des aufgehenden Mondes fiel auf ihre gerissene Haut voller Blasen. Vollmond. Ein Hinweis auf Bevorstehendes. Etwas mehr als vier Vollmonde seit ihrer letzten Blutung.

Er würde bald nach Hause kommen.

War sie dazu in der Lage? Konnte sie den Mann töten, an den sie gebunden war?

Konnte sie einen Mann töten, an den sie durch Blut, Leid, Gefangenschaft gebunden war?

Alles ruchlos. Seine Taten würden dennoch zurückbleiben.

Sein Nachwuchs in ihren Armen,

seine Augen in einem neugeborenen Gesicht würden noch immer ihren Blick erwidern.

I.Gesetz des Bleies

Jeder, der eine bleierne Waffe jeglicher Art, Form oder Größe zusammensetzt, herstellt, erfindet, verteilt oder handhabt, wird zum Tode verurteilt werden. Jeder, der eine bleierne Waffe jeglicher Art, Form oder Größe in jeglicher Art von Erdreich, auf dem Boden, der Scholle, im Kies oder im Gewässer findet, wird zum Tode verurteilt werden. Jeder, der eine bleierne Waffe jeglicher Art, Form oder Größe in jeglicher Art von Erdreich, auf dem Boden, der Scholle, im Kies oder im Gewässer findet und nicht den Behörden seines Stammes, Clans, seiner Nation, Familie, Sippe oder den Behörden jeglicher anderer Art von gesellschaftlicher Ordnung, in der er lebt, übergibt, wird zum Tode verurteilt werden. Jeder, der eine bleierne Waffe jeglicher Art, Form oder Größe auf jegliches Lebewesen dieser Erde, ob tot oder lebendig, abfeuert, sie gegen dieses benutzt, auf irgendeine Weise verwertet oder verschenkt, wird zum Tode verurteilt werden. Nach dem Gesetz der Natur müssen die Behörden eines Stammes, Clans, einer Nation, einer Familie, Sippe oder jeglicher anderen Art von gesellschaftlicher Ordnung diese Waffe noch am Tag des Erhaltes zerstören. So lautet das Gesetz der Natur.

Kapitel acht

Sie rieb in der Badekammer Stein auf Feuerstein. Entzündete die Kerzen – und es ward Licht.

Sie kochte Wasser auf dem Holzofen und lief dann mehrmals die Treppe hoch und hinunter, um die Wanne zu füllen. Ein Fenster war angelehnt. Stück um Stück entkleidete sie sich, bis ihre bloßen Rundungen im halbdunklen Raum schimmerten. Sie hatte noch nie den Körper einer anderen Frau gesehen, untersuchte ihren eigenen jedoch seit Jahren genau. Im schwachen Licht der Kerzen sah sie jeden Fleck und jedes Haar. Kraftvolle Beine mit sichtbaren Muskeln. Schlanke Fesseln und Füße, durch dicke Hornhaut abgefedert. Zwei bescheidene Erhöhungen zeichneten sich auf ihrer Brust ab, Erhöhungen, die langsam größer wurden. Es war ihr wichtig, sich nach Zecken, nach Insektenbissen abzusuchen und dabei auch festzustellen, ob sie stärker geworden war. Sie suchte nach Hinweisen, die ihr zeigten, wie hart sie für ihr Überleben arbeitete. Selten, vielleicht einmal in jeder Jahreszeit, betrachteten der Jäger und der Lehrer ihre Hände. Wenn die furchtbare Haut auf andere Körperteile übergreifen würde, bestünde die Gefahr, dass die Strahlung in ihrem Blut eine weitreichende Krankheit auslösen könnte. Bisher waren ihre Hände unverändert. So verunstaltet sie auch sein mochten, sie wurden nicht schlimmer.

Sie schob einen Stuhl unter den Türknauf. Heißer Dampf stieg wie zarte Blüten in die Luft. Es war eine Erleichterung, als das kochende Wasser schließlich in die Poren ihrer Hände drang.

In der Dunkelheit sahen sie nicht so monströs aus.

Die Blasen nicht auf‌fallend, solange man sie nicht berührte, und die Röte der rohen Haut nicht sichtbar, solange man sie nicht ins Licht hielt.

Unter Wasser strich sie über ihren Körper.

Die Blutergüsse, die sich allmählich dunkler färbten.

Ihr geschwollener Bauch war inzwischen groß genug, um in ihren Handflächen zu ruhen, jedoch noch klein genug, um unter den Schichten ihrer Kleidung zu verschwinden. Hier im Wasser war die Schwellung nicht mehr zu leugnen.

Sie wusch sich und stand auf. Das Wasser tropf‌te von ihr ab. Ihr Körper wurde langsam zu einem anderen. Das Herz schlug in ihrer Brust. Sie stieg aus der Wanne und trocknete sich. Zitternd rasierte sie sich die Seite ihres Schädels, flocht ihr Haar neu und blies dann die Kerzen aus.

Unten ging die Haustür auf, fiel laut ins Schloss. Seine schweren Schritte. Ein knapper Gruß zwischen den Männern. Eine Meldung von draußen.

Er würde sie gleich rufen.

Sie wusste, dass er sie rufen würde, damit sie ihn empfing. In der Dunkelheit tastete sie nach dem Glasbehältnis mit Tierfett, das der Lehrer für sie zubereitet hatte. Sie rieb sich damit die Hände ein, damit ihre Haut weniger Risse bekam und sich seltener schälte. Wieder in ihrer Kammer, zog sie eilig ihr Nachthemd an. Darüber einen wollenen Pullover und eine dicke Jacke. Ihre Hände wurden nun wieder von den Handschuhen bedeckt. Ihre Wangen leuchteten noch rötlich von der Wärme des Wassers, und ihr schwarzer Zopf schimmerte im Nacken.

Einmal, als sie noch Kind war und von den beschützenden Armen des Lehrers durch die Wildnis getragen wurde, trafen sie auf einem ihrer Wege unerwartet auf einen Fremden. Wie sie durchwanderte er das Land. Der Fremde musterte das Kind neugierig, während der Lehrer versuchte, es vor seinen Blicken zu schützen. Doch der andere hatte gesehen. Als klar wurde, dass sich beide Männer auf dem Weg ins Exil befanden, versprach der Fremde, niemandem von der Existenz des Mutantenkindes zu erzählen. Die Bedingung: Er würde bei ihnen bleiben.

Sie schlüpf‌te in ihre Hausschuhe, ging die Treppe hinunter und stieß auf halbem Weg beinahe mit ihm zusammen. Mit dem Fremden von damals, dem Jäger.

Er trug noch seinen Mantel. Er war schmutzig. Fett und Dreck. Seine dichten Augenbrauen schimmerten vor Schweiß, seine spitze Nase erinnerte an einen furchtbaren Schnabel. Schlaf‌los, gesetzlos, lieblos. Falten und Flecken auf seinem Gesicht, die früher nicht da gewesen waren. Seine Niederträchtigkeit hatte ihn altern lassen. Er betrachtete sie. Schlang seine Arme um sie, und ihre Lungen wurden in ihrer Brust zusammengepresst, so stark drückten seine Glieder. Er roch nach allem, was schrecklich war, und sie versuchte, den Atem anzuhalten. Sie dachte: Das ist der Jäger. Das ist sein Geruch. Das ist sein abstoßender Geruch. Sein Geruch und der ihre hatten sich schon früher miteinander vermischt. Sie lebten gemeinsam in der Hütte. Gaia würde für immer seinen Geruch mit sich tragen, wenn auch irgendwann nur noch als Hauch. Bis sie starb.

Er schob sie von sich und musterte sie erneut. Dann senkte er den Arm. Sie spürte, wie sich seine Hand ausstreckte und langsam auf ihren Bauch legte.

»Alles wird gut für uns«, flüsterte er.

»Nach dem Gesetz der Natur bist du genauso verdammt wie ich«, erwiderte sie leise.

»Nach dem Gesetz der Natur wärst du schon lange tot«, entgegnete er. »Wenn ich dich nicht gerettet hätte.«

»Nicht du. Der Lehrer hat mich gerettet.«

Er kniff die Augen zusammen. Klopf‌te ihr auf die Schulter und ging dann die Treppe weiter hinauf in die Badekammer.

Der Lehrer stand am Fußende der Treppe und beobachtete sie ruhig. Sie erstarrte.

Hatte er sie gehört?

Sie spürte, wie sich ihr Magen verkrampf‌te. Sie wusste, dass er sie mit dem Jäger auf eine Weise erlebt hatte, die man als intim verstehen konnte. Sein Blick folgte ihr, während sie die Stufen herabkam. Sie spürte ihn noch deutlich im Rücken, als sie begann, den Eingang zu fegen, der von den Stiefeln des Jägers schmutzig geworden war.

Kapitel neun

Wiederkehr des Frühlings! Sieh das Schimmern überall,

dass du wünschtest, nie den Gesang der Vögel vergessen zu haben.

Ein Hauch von Farbe, wo sich lange keine zeigte,

die erwachenden Tiere, erwachend Beute und Beutegreifer.

Das Leben kehrt zurück, mit all seinen Gefahren.

Die Morgen wieder sanfter auf der Haut,

die Nächte noch kalt. Allmählich dringt die Wärme vor,

hier, wo es noch Jahreszeiten gibt.

Doch da war auch der Norden. Das gefrorene Land, das langsame Schmelzen des Eises, als ob die verlorene Welt darunter verführt werden sollte, endlich zurückzukehren. Nur Wassertropfen, niemals Wellen. Nur ein Plätschern, niemals eine Flut. Die Ozeane, die früher einmal flossen, lagen jetzt still und starr.

Und da war der Süden. Das Land der Sandstürme, die über die Überreste der Städte und Dörfer hinwegfegten. An den Kadavern dessen kratzten, was einmal war, an Blöcken, die einmal Bausteine und mit der Zeit zu Kieseln geworden waren. Wüstenpflanzen, die den Tod überwucherten, deren Wurzeln noch nicht von den Winden hinweggerissen wurden. Asche und Ruß, alles Lebenszerstörerische. Nur ein heulender Wind, der den Staub im Frühling willkommen hieß.

In einigen Tagen würde sich der Sandsturm legen. Keiner in Neuamerika wusste von seiner Existenz, so wie auch niemand von den Schneestürmen im Norden wusste. Keiner in Neuamerika wusste, was jenseits des Ozeans auf jenen Flecken lag, die früher einmal die Landmasse ihnen gegenüber gebildet hatten. Das Meer war zu wild, um es zu überqueren. Zu gnadenlos mit seinen grausamen Wellen, die jedes Schiff zerschmetterten, das sich dennoch hinauswagte.

Wie herzzerreißend würde es für die Menschen im Westen sein, von jenen im Osten zu erfahren und zu wissen, dass sie niemals zueinanderkommen konnten. Nicht in der Lage zu sein, die Unbekannten zu begrüßen, diejenigen, die sie verloren geglaubt hatten, sie zu umarmen, wie man lange verlorene Brüder umarmt. Woran hatten sie festgehalten in dieser neuen Epoche, und was hatten sie aufgegeben? Was war dort vergessen worden, was hier erfunden? Gesegnet sind die Unwissenden, denn ihnen wird niemals jenes fehlen, von dem sie nicht einmal ahnen, dass es ihnen fehlen könnte.

Es gab schlichtweg keine Welt jenseits der Küsten.

Kapitel zehn

Der Morgen brach früh an. Ein wolkenloser Himmel, doch gegen Abend würde ein Sturm aufkommen. Sie schnürte ihre Stiefel und verließ die Hütte. Ihre Tiere warteten auf sie.

Gleich würde sie zu ihnen eilen, doch noch war sie verhindert. Noch ging es nicht, denn sie war nicht allein. Ein schwarzer Bär stand in der Ferne und beobachtete sie. Riesig, dunkel, bedrohlich, dieser Gegend nicht unbekannt. Der Bär war schon früher vorbeigekommen, zusammen mit seinem Jungen. Eine grausame Begegnung. Dem Jäger war nichts anderes übrig geblieben, als ins Innere der Hütte zu fliehen. Es gab nur einen Armbrustbolzen abzuschießen – einen Bolzenschuss, den das Junge nicht überlebte. Die Mutter kratzte tagelang an den Wänden der Hütte, tagelang.

Das einsame Tier stand auf allen vieren da und beobachtete sie. Die Schnauze hochgereckt. Die Tür hinter Gaia war noch offen. Eine Mutter, die zurückkehrte, um Rache zu üben. Eine nichtsahnende Mutantin, ein trauerndes Raubtier. Wer außer einem vom Glück Geküssten überlebte den Zorn des Königs der Wälder?

Sie hatten bereits einmal Glück gehabt.

Gaia würde den perfekten, schuldlosen Tod wählen. Dann lag es nicht an ihr, sondern an der Wildnis, dass der Jäger sein Kind niemals in den Armen halten konnte.

Ein letzter Blick zu ihrem Kammerfenster hinauf. Dort, wo sie das geschriebene Wort gelernt hatte. Der Lehrer und seine Güte.

Sie trat einen Schritt nach vorn. In ihrem Inneren brodelte es. Bald würden die Organe zerfetzt sein. Ein fernes, tierisches Knurren. Ein tiefer Atemzug, das Schließen der Augen, ein rasches Zerren an ihren Gliedern. Wo blieben die scharfen Klauen? Als sie die Augen öffnete, sah sie, wie man sie ins Innere der Hütte trug. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Er lud sie auf dem Boden ab. Gerade als sie sich beschämt zusammenkauern wollte, packte er sie an der Schulter und zwang sie, ihn anzusehen.

»Ich überlege mir bereits einen Namen für unser Kind. Für unseren Sohn.«

»Du?«, flüsterte sie und starrte in die Augen ihres Retters.

»Ja«, sagte der Jäger. »Ich war es. Ist es Scham, die du fühlst? Ist es Schuld? Weil du weißt, dass du nicht nur das eigene Leben, sondern auch das eines Unschuldigen beenden wolltest?«

»Bin ich nicht auch unschuldig?«

»Du? Du bist eine Mutantin …«

»Und wenn das Kind ein Mutant ist?«

Über ihnen rumpelte es. Als sie hörten, wie die Kammertür des Lehrers zuging, zog der Jäger Gaia rasch auf die Füße. Der Lehrer kam die Treppe herab. Sie rannte zu ihm und schlang die Arme um ihn. Seine Berührung hatte nichts Böses. Er war gut. Sanft hob er ihr Kinn und blickte ihr in die Augen, um zu verstehen, was sie quälte. Noch war er selig unwissend.

»Hast du wieder deine Beherrschung verloren?«, fragte er den Jäger.

»Der schwarze Bär hat sie besucht.«

»Wo ist er?«

Der Jäger schaute durchs Fenster. »Verschwunden.«

Der Lehrer öffnete den Waffenschrank. »Lass uns sicherstellen, dass es unseren Tieren gut geht.«

Gaia nickte. Ihm waren dieselben Dinge wichtig wie ihr. Für sie würde er immer der Gerechte sein.

Kapitel elf

Zwei Reisende wanderten durch den Wald. Sie löschten das Feuer, das sie am Abend zuvor entzündet hatten. Sieh doch, wie sie schreiten, wie sie laufen – zwei Reisende, die wissen, wie man in der Wildnis ebenso wie unter Menschen überlebt. Ihnen wollen wir einen Augenblick lang unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Auf der Brust unter ihrer gepanzerten Kleidung trugen sie das Zeichen einer großen, mächtigen Nation. Deren Länder groß waren, doch noch nicht groß genug.

Es waren Nationenmänner.

Mit leisen Stimmen und in einer Zunge, die der Wald nicht kannte – in diesem Teil der Welt hatte seit Langem kein Mensch gesprochen –, sprach der eine zum anderen: »Lass kein einziges Stückchen glühende Asche zurück.«

Der Ältere der beiden war kahlköpfig und hatte ein vernarbtes Gesicht. Sein linkes Auge trug die Spuren eines Messerkampfes. Er würde die Reise überleben. Für den Moment hatte er den Helm abgesetzt, sodass man seine niedrige, breite Stirn sehen konnte. Sein Begleiter war jünger, obgleich auch seine Haut durch viele Schlachten alt wirkte. Sie trugen Schwerter, Messer, Bögen und Pfeile mit sich, sie waren auf Pferden hierher gelangt. Sie waren nicht böse. Ihre Motive waren nicht hinterhältig. Sie taten, was man ihnen auf‌trug. Sie gehörten zu jenen Gruppen, die man nach Norden, Süden, Osten und Westen ausgesandt hatte, um dort nach Spionen, Feinden und möglichen neuen Eroberungen Ausschau zu halten. Sie würden für ihre Nation kämpfen, wenn es nötig sein sollte. Sie würden auch für ihre Nation sterben. Sie waren Krieger.

Sie hatten sich vor längerer Zeit auf den Weg gemacht. Und schon bald würden sie feststellen, dass es nicht umsonst geschehen war.

 

Alles war still und ruhig. Doch die Zeit verging mit jedem stechenden Schmerz, den sie in sich spürte. Fieberschübe schüttelten sie immer wieder. Etwas in ihrem Inneren brodelte. Es wartete darauf, sich zu zeigen, ihr Blut in Besitz zu nehmen, ihren Körper als sein Heim zu benutzen, ehe dieser ihn freigeben würde.

Sie schrubbte den Boden, als er nach ihr rief. Er, dem sie immer gehorchen würde. Sie ließ den Schwamm in den Eimer fallen und stieg in den Keller hinab. Dort hinunter, wo nur das gelbe Licht einer Kerze flackerte. Eine Stufe nach der anderen. Er stand am Fußende der Treppe, ein Messer in der Hand, dessen Spitze auf das getrocknete Leder zeigte, das an einem Haken hing. Sie wusste Bescheid. Ihre Kommunikation funktionierte auch ohne Worte. Es war nichts, was man ihr jeweils wegnehmen konnte. Wortlos reichte er ihr das Messer. Sie schnitt zwei Lederstücke ab.

Ihre anderen Pflichten vergessend, saß sie danach auf dem Boden des Wohnzimmers und nähte ihr neues Paar Handschuhe. Die alten hatte sie ausgezogen. Sie hatten sie lange begleitet. Sie hatte sie getragen, als sie dieses Leben begonnen hatte. Als sie die Handschuhe das erste Mal angezogen hatte, war ihr zum Weinen zumute gewesen. Jetzt weinte sie nicht mehr. Schweigend ließ sie das neue Paar schließlich über die Finger gleiten und die Handgelenke bedecken.

Mit ihnen würde weitere Leben ausgelöscht.

Das Nähen hatte Stunden in höchster Konzentration gedauert und sie von ihren anderen Aufgaben abgehalten. Hastig beendete sie jetzt das Putzen und Einsammeln der schmutzigen Wäsche in der Hütte. Als sie die Tür zu ihrer Kammer aufstieß, sah sie, dass der Wäschekorb umgestürzt war. Ihre schmutzigen Kleidungsstücke lagen auf dem Boden. Der Jäger kniete in der Mitte. Eine seltsame Geste der Unterwerfung. Sie hatte noch nie auf ihn herabgeblickt. Hastig schloss sie die Tür, da sie befürchtete, der Lehrer könnte sie so vorfinden.

Sie sah, wie der Jäger verzweifelt den Kopf schüttelte. In seiner Hand hielt er das fleckige Handtuch, mit dem sie ihre blutigen Hände abgewischt hatte.

»Ist es wahr?«, murmelte er. Seine Stimme klang so, als ob er geweint hätte. »Hast du nun geblutet?«

»Ich …«

»Bist du nun guter Hoffnung oder nicht?«

Oh, wie sehr er sich wünschte, ein gänzlich anderes Leben geführt zu haben! Sich von dem zu befreien, was er war! Sie verstand es jetzt, all das Vertrauen, das er in sie setzte, wie er sich blindlings auf die Hoffnung auf ein neues Leben stürzte. Dass sie nicht nur sein Kind gebar, sondern dabei auch eine neue Gestalt seines Selbst. Damit er seine böse Seite vergessen konnte!

»Bist du nun guter Hoffnung oder nicht?«

Sie warf den Stapel Betttücher beiseite, den sie in den Armen trug. Trat näher zu ihm. Mit flehenden Augen blickte er zu ihr auf. »Hast du nicht die schreckliche Wölbung meines Bauchs gespürt?«, fauchte sie ihn an, während sie unsanft seine Hände auf ihren Bauch legte. »Hast du nicht gespürt, was sich in mir zusammenbraut? Er wird es herausfinden. Er wird dich bestrafen …«

»Dann geh doch zu ihm und sag es ihm, Mutantin … Wag es doch.«

»Du willst ihn töten«, gab sie leise zurück.

»In diesem Haus ist kein Platz für vier.«

Sie stieß seine Hände fort. »Das würdest du nicht wagen … Ich bringe dich um, wenn du es auch nur versuchst …«

Er hielt sie am Handgelenk fest. »Du? Du kannst mich nicht töten … Ich habe dir jeden Hieb, jeden Schlag, jeden Sprung beigebracht. Jeden Trick, den du einsetzen könntest, hast du von mir. Deine Bewegungen werden dich verraten, denn es sind die meinen.«

Er stand auf und sah sie an. Gaia trat einen Schritt zurück. Er öffnete den Mund, als ob er noch etwas sagen wollte. Doch in diesem Moment klingelte draußen die Glocke zur Tierweide.

Er erstarrte. Gaia zuckte zusammen.

Der Lehrer befand sich noch unten im Keller. Alles war eigentlich so, wie es sein sollte. Der Jäger warf einen Blick aus dem Fenster und stürzte los.

»Wir sind nicht allein!«, rief er, während er die Treppe hinunterrannte.

Sie hörte Schritte auf Holz – der Lehrer hastete aus dem Keller nach oben. Etwas fiel herab und zerschlug auf dem Boden. Schränke wurden aufgerissen und wieder geschlossen. Sie bereiteten ihre Waffen vor. In seltenen Augenblicken wie diesem musste sich Gaia verstecken. Dann war die Stille der Wildnis nicht mehr genug, und die Hütte konnte nicht mehr als Versteck dienen. Sie schaute aus dem Fenster.

Ein gesatteltes Pferd, das nicht ihr eigenes war, wartete am Zaun zur Weide. Doch sie sah auch zwei Menschen; sie hatten offenbar unterwegs ein Pferd verloren. Gaia beobachtete, wie einer der Männer ihr geliebtes Pferd vom Feld führte. Es trug bereits Sattel und Zaumzeug. Der Mann hatte seinen Helm abgenommen, um das Tier nicht zu beunruhigen. Langsam verließ er die Weide und schloss das Gatter hinter sich. Erneut ertönte die kleine Glocke.

Der zweite Mann stand neben seinem eigenen Pferd. Die beiden machten sich bereit weiterzureiten, zogen aber auch ihre Waffen. Offenbar wollten sie noch etwas erledigen. Sie hatten eine lange Strecke zurückgelegt, diese Nationenmänner. Sie waren nicht nur eines Pferdes wegen gekommen. Wo es solches Leben gab, gab es auch Menschen. Gab es auch Beute.

Gaia konnte die beiden Fremden sehen.

Schau hin und sieh, wie langsam die Reue aufsteigt.

Schreib es dir auf, um es nicht zu vergessen:

Es wird der Tag kommen, an dem der Lehrer sagen wird:

»Wir hätten in der Hütte bleiben sollen.«

Und sie wird antworten: »Ja, wir hätten in der Hütte bleiben sollen.«

Ach, hätte die Mutantin doch damals gewusst, was sie später wusste – damals,

als sie die Handschuhe auszog.

Ihre Klauen, für alle sichtbar, wenn sie ihr Leben in der Wildnis verwirkt haben würde.

Die Knöchel an der Fensterscheibe.

Dreimal klopfen, um zu bekennen, wer sie war.

Dreimal klopfen, damit die Männer Bescheid wussten.

Sie hoben die Köpfe, sie sahen sie an. Sie winkte mit ihren Mutantenhänden, die linke Seite ihres monströsen Kopfes dem hellen Licht des Tages zugewandt. Blitzartig stürzte einer der beiden zu Boden, rang nach Luft. Ein Pfeil in seinem Hals. Mit freundlichen Grüßen vom Jäger.

Gaias Pferd brach durch den Tumult in Panik aus und stürmte durch die Bäume außer Sichtweite. Das zweite Pferd galoppierte mit dem anderen Mann auf dem Rücken davon. Sie flohen. Flohen in die Welt des Mannes zurück. Der Helm saß wieder auf seinem Kopf, als er einen Blick nach hinten warf, um zu sehen, wer ihm folgte. Pfeile prallten an seiner Rüstung ab, einer drang durch einen Schlitz in die Haut zwischen Achsel und Schulter. Gaia sah den Jäger und den Lehrer aus der Hütte stürmen. Ohne eine Chance, dem Nationenmann weiter zu folgen, blieb der Lehrer bald stehen. Der Jäger hingegen rannte verzweifelt hinter dem Eindringling her, brüllte ihm Obszönitäten und mörderische Drohungen nach, während dieser davonritt. Trotz seiner Wunde vermochte er das Pferd zu lenken. Er lebte, und er würde nicht alleine zurückkehren.

Wieder Stille. Der Jäger stolperte zur Hütte und schleuderte seine Armbrust auf den Boden. Nichts als ein Leichnam war zurückgeblieben. Gaia warf hastig ihren Mantel über und rannte nach draußen, um den Toten zu begutachten. Doch der Lehrer hielt sie am Arm fest. Er wollte nicht, dass sie ihn sah.