Das großartige Wiederhabenwollen - Thomas Bruhn - E-Book

Das großartige Wiederhabenwollen E-Book

Thomas Bruhn

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Beschreibung

Eine Geschichte, wie sie das Leben schöner nicht schreiben könnte: Im Jahr 1963 entdecken Großvater Güstav Scheibler und sein Enkel Ruprecht, daß etwas Wahres an der Geschichte ist, die durch die versponnenen Nächte und trunkenen Feste der Familie geistert. Jenes, im Orte sich befindende Schloß, hat sich tatsächlich einst im Besitz der Familie befunden, wurde einst zwar verpachtet, aber nie verscherbelt. Güstav ist nun wild entschlossen, das Anwesen, dem Geist der Zeit zum Trotze, zurück in den Schoß der Familie zu holen. Er schafft es nicht; ein solches Unterfangen ist in jenen Zeiten ein Ding der Unmöglichkeit. Dreißig Jahre später macht sich Ruprecht ― die Enkel fechten 's besser aus ― auf die Strümpfe, um das Vermächtnis Güstavs zu erfüllen.

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Seitenzahl: 372

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Erster Teil 1963

— 1 —

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Intermezzo 1989

Zweiter Teil 1994

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— 22 —

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— 29 —

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Erster Teil 1963

— 1 —

„Eines Tages holen wir uns das wieder!“

Als der unscheinbar graue Brief mit der alles und endgültig entscheidenden Antwort – hopp oder top, nur zwei Möglichkeiten gab es – als der Brief vom Gericht auf dem Tisch lag, erinnerte ich mich. Auftauchten Bilder hell aus dem dunklen Vergangenen, die noch längst nicht verronnen in der Nacht:

Es war vor langer Zeit – allerdings auch nicht zu lange her –, daß ein Mann am offenen Fenster stand und die Gardine beiseite geschoben hatte. Er ließ seinen Blick grimmig über die Bach, die vor dem Haus über Kiesel hüpfte, an den Häusern vorbei, die eng geschachtelt am Hang standen, den Berg hinauf zum Schloß schweifen. In der rechten Hand hielt er eine Zigarette, deren Asche sich bedrohlich neigte. In einem Wettkampf mit sich selbst, um zu beweisen, wie gut noch seine Nerven und wie ruhig er die Hände halten könne, suchte er die Zigarette bis zum Ende zu rauchen ohne die Asche abzuklopfen. Gelang ihm das Kunststück, schmunzelte er sich zu – es gelang ihm jedesmal, trotz des krümeligen Tabaks. Im letzten Augenblick bewegte sich seine Hand präzise wie der Ausleger eines Kranes über den Aschenbecher.

Der alte Knabe hatte lange nicht an der Zigarette gezogen. Er rauchte selten, nur wenn etwas Wichtiges zu bedenken war; ein Ritual wie die Pfeife bei der Versammlung der Häuptlinge. Es war ihm nicht am Geschmack des Tabaks gelegen, auch nicht an der Wirkung – er brauchte den Rauch, um darauf seine Gedanken zum nah und doch so fernen Traumgehäuse schweben zu lassen. Die Stirn hatte er in Falten gelegt, die Augen sehnsuchtsvoll auf diesen einen Punkt dort oben gerichtet. Es war kurz nach fünf und bereits dunkel. Es schneite. Durch das Treiben der Flocken funkelten die Lichter des Schlosses, welches im Ort nur das Anwesen genannt wurde. Der Bursche erahnte die Umrisse der dicht gedrängt stehenden Häuser, die eine hohe Mauer umschloß. Das Anwesen war gut beleuchtet. Ungemütlich, grell.

Das Zimmer, in dem der Grauhaarige, war gut geheizt. Man wußte hierorts mit dem Winter umzugehen. Das Radio spielte leise Schlager. Den vom Alten Hut von Jerry Flynn und den vom Schwarzen Kater Stanislaus. Auf dem Tisch flackerten vier Kerzen in einem Kranz aus Tannenzweigen; auf dem wuchtigen Wohnzimmerschrank, darinnen Bücher, Briefe und die guten Gläser untergebracht, gluckste es in regelmäßigen Abständen aus zwei Weinballons. Die Möbel im Zimmer, mattglänzend und dunkel. Nahe dem Ofen standen Sofa, Tisch und Stühle. Neben dem Fenster mit der verheißungsvollen Aussicht, führte eine Tapetentür in eine Kammer. Das Zimmer hatte schräge Wände, Dachgeschoßwohnung. Der kleine Drahtige rührte sich lange nicht von der Stelle. Er zündete sich eine neue Zigarette an, was anzeigte, daß sehr wichtig, was er zu bedenken hatte.

Ließ das Schneetreiben nach, konnte er auf der Mauer des Anwesens Stacheldraht erkennen. Geschlossene Anstalt.

Der rauchend am Fenster stand, zischelte drohend vor sich hin: „Eines Tages holen wir uns das wieder!“ Der Mann? Mein Großvater Güstav, ein fischelantes Kerlchen.

„Eines Tages!“

— 2 —

Wir hasteten die Stufen zum Bahnsteig nach oben, während der Zug nach Karl-Marx-Stadt in den Bahnhof einfuhr. Klick-klack hämmerten die harten Sohlen wie beim Holzschuhtanz in dem Film, in dem ein Schauspieler den Zar Peter aus Rußland spielte, der seinerseits einen Bootszimmermann mimte. Das hier war kein Tanz – es war ein Rennen um die besten Plätze. Wir waren spät dran. Wir waren immer spät dran. Es lag an mir, aber es war nie meine Absicht; ich wollte pünktlich sein, doch wenn Maman drängte, daß wir nun losgehen müßten, hatte ich noch etwas zu erledigen – etwas Wichtiges, versteht sich, etwas Unaufschiebbares.

So auch an jenem ersten Mai im Jahre dreiundsechzig, über ein halbes Jahr bevor wir, wie in jedem Jahr zur Weihnachtszeit, auf die Reise zu den Großeltern gingen. Ich hatte es durch meine Verzögerungstaktik geschafft, daß wir nicht rechtzeitig aus dem Hause kamen und beinahe unsere S-Bahn verpaßten. Wir mußten immer eine bestimmte Bahn oder einen bestimmten Bus schaffen, wir mußten immer pünktlich zu einer Verabredung sein und wir kamen immer pünktlich – immer, aber immer außer Atem.

„Pünktlich sein ist eine besondere Art der Höflichkeit“, sagte Maman. „Sie hilft uns, sorgfältig mit unserer und anderer Leute Zeit umzugehen, sie hilft uns den Tag richtig einzuteilen. Wenn wir pünktlich sind, haben wir mehr vom Leben. Wir wollen doch etwas schaffen.“

Alle waren dabei Neues zu schaffen; was sie schaffen wollten, verrieten sie mir nicht, nur fort mit den Trümmern und was Neues hingebaut. Mein Schaffen sah so aus, daß immer, wenn was geschafft war, Maman eine neue Aufgabe für mich in petto hatte. Es war wie im Zirkus bei dem Trick mit dem Zylinder aus dem man ein Karnickel nach dem anderen hervorzauberte: Es nahm kein Ende. Nach dem Teigrühren für den Kuchen mußten noch Kohlen aus dem Keller geholt und bei der Gelegenheit der Mülleimer geleert werden. War das getan, kam noch der Staubsauger dran: „Mindestens im Wohnzimmer! Und dann räumst du deine Räuberhöhle auf.“ Räuberhöhle. Die war immer dran. Wenn ich einen kleinwinzigen Augenblick die Hände in den Hosentaschen vergraben hatte, um nach meinem Taschenmesser zu suchen, kam sofort die Räuberhöhle auf das Tableau – wobei das mit der Höhle berechtigt war.

Ich sollte bei dem Wetter an jenem 1. Mai die langen Hosen anziehen. Ich wollte nicht. Ich wollte Kniestrümpfe tragen wie an jedem 1. Mai aller vorherigen Zeiten. Es ging hin und her. Also: Anprobe und runter vor das Haus, um zu testen, wie das mit der Temperatur sei. Es war kühl, die Sonne schien, blauer Himmel, ein aufgebrachtes Lüftchen wehte. Kurze Hosen – zu kühl; lange Hosen – zu warm. Ein Kreuz.

„Es ist erst acht Uhr, Maman, über den Tag wird es wärmer werden und ich bekomme in den langen Hosen die Motten.“

Die Zeit drängte, Maman genervt: „Gut, kurze Hosen.“

Ich hatte gesiegt. Die Kniestrümpfe leuchteten weiß und die S-Bahn fuhr in den Bahnhof ein, während wir noch die Stufen auf die Fußgängerbrücke hinaufhasteten, um sie dann auf der anderen Seite geradezu hinabzustürzen. Ich gab mir alle Mühe, immer einen halben Schritt voraus, die Fahrkarten zum Knipsen bereits in der Hand, an mir sollte es nun nicht mehr liegen.

Als wir auf den Bahnsteig rannten, hob der Schaffner den Stab. Die Beifahrerin klopfte an die Scheibe des Fahrerstandes, die Türen klackerten, der mit festlich Gekleideten vollgestopfte Zug fuhr an.

Maman sprang in den Zug, mich an der Hand. Türen schlugen zu. Zwei Männer stellten geistesgegenwärtig die Füße dazwischen. Unsere Tür blieb offen.

Der Zug fuhr schneller, ich lief nebenher. Maman hielt mich fest. Der Zug fuhr schneller, sie ließ nicht los. Der Schaffner rief etwas. Es war nicht zu verstehen.

Die Beifahrerin schaute mit großen Augen auf das sportliche Geschehen. Ich rannte, ich mußte rennen – mir blieb nichts anderes übrig. Da war kein Platz im Zug. Spränge ich, unweigerlich an der Menschwand abgeprallt und zwischen Zug und Bahnsteig zermalmt wäre ich worden.

Ich hatte mein Pensum an hochintensiver pneumatischer Arbeit und an Rennen für diesen Tag schon erledigt. Ich wollte nicht mehr – ich mußte. Ich keuchte, was das Zeug hielt. Niemals wieder sollte am frühen Morgen ein solcher Schwall frischer Luft durch meinen Körper strömen. Zum Ende des Bahnsteigs waren es nur noch ein paar Schritte. Warum hielt der Zug nicht an? Maman ließ nicht los.

Einer der Männer faßte sich ein Herz und mich am Schlafittchen und zog mich mit einem Ruck in den Zug. Auch unsere Tür knallte zu. Endlich. Der Zaun am Ende des Bahnsteigs flog vorbei. Gerettet!

Tadelnde und erleichterte Gesichter rundum. Jeder Fahrgast hatte seinen Senf dazuzugeben:

„Das ist allerhand, was sie mit dem Kind anstellen!“

„Ist noch mal gutgegangen. Gott sei Dank.“

„So was von Leichtsinn.“

„Noch dazu an einem solchen Tag.“

„Was dabei passieren kann.“

„Die Jugend von heute, kein Verantwortungsgefühl.“

Maman senkte schuldbewußt den Blick, jeder Rüffel ging ihr zu Herzen. Sie gab sich alle Mühe dieser Welt, um alles richtig zu machen und dann passierten solche Sachen. Natürlich war ich schuld, aber ich konnte mich noch in dem wohltuenden Zustand der Verantwortungslosigkeit wiegen.

Mein Puls flog und ich brauchte Zeit zum Verschnaufen. Mein magerer Brustkorb hob sich wie der Blasebalg in der Schmiede am Sportplatz von Fortuna Biesdorf, wo wir die Ackergäule mit Pfefferminz fütterten, um dann ihre dick werdenden Schwänze zu bewundern. Prustend gab ich an wie eine Stange nackter Affen, fühlte mich wie Ilja Muromez, der Held von Kiew. Auch ich war ein Held, ein schuldiger Held zwar, aber ein Held.

Auf der nächsten großen Station – Ostkreuz – kam ein Schaffner zu unserem Wagen, sah sich um und holte Maman und mich heraus: Strafe zahlen.

Eine halbe Stunde zu spät erreichten wir den Stellplatz. Das war nicht weiter schlimm, weil wir selbst dann noch über eine Stunde warten mußten. Beim Rauchen von unzähligen Zigaretten erzählten sich die Kollegen Witze, bis sich unser Block hinter Flora und Jolante in den Zug der Demonstranten einreihen konnte.

Als wir losmarschierten, hatte sich der Himmel bezogen und als wir an der Tribüne vorbeiliefen, tanzten weiße Flocken um uns herum und legten sich auf meinen akkurat gezogenen Scheitel und auf die Mainelke. Ich fror jämmerlich unter meiner Gänsehaut. Es war das letzte Mal, daß ich zum Ersten Mai mit kurzen Hosen marschierte und es war das erste Mal, daß ich auf einen fahrenden Zug aufsprang.

Das zweite Mal enterte ich einen stehenden Zug, ich stürmte ihn wie das Winterpalais. Auch diesmal waren wir spät dran, weil ich meine Lieblingsbücher noch nicht im Rucksack hatte. Es mußte auch noch eines mit, von dem Maman nichts wissen durfte. Ich konnte ihr das auf keinen Fall verraten, ich mußte es einpacken, wenn sie gerade nicht hersah.

Als sie sich die Lippen mit dem neuen Stift nachzog und die Haare bürstete, als sie tief in den Garderobenspiegel vertieft, bosselte ich mit meinen Sachen und nutzte die Zeit, um das geheime Buch in meinem Rucksack unterzubringen. Der Lippenstift war teuer und schick, und so nahm sie keine Notiz von dem was ich trieb.

Als wir endlich auf dem Bahnsteig standen, blieben noch lange vier Minuten bis zur Abfahrt unserer S-Bahn, was uns lehrt, daß man sich Zeit lassen muß, hat man es eilig.

Maman schleppte zwei große Koffer, deren Griffe in die Hände schnitten; ich einen Rucksack und zwei Taschen, die aus den Nähten zu platzen schienen. Leckereien für die Provinz. Trotz der Kälte, kurz vor Weihnachten, rann mir der Schweiß in Strömen den Nacken und den Rücken hinunter wie die gelben Wasser des Yangzi die steilen Schluchten und weiten Ebenen.

Von der S-Bahn aus hatten wir gesehen, daß der Fernbahnsteig schwarz von Menschen war. "Wie zum 1. Mai", hatte Maman gesagt und voller Mißbilligung und böser Vorahnungen den Kopf geschüttelt. Wir hatten keine Platzkarten bekommen, ausverkauft, und würden um freie Plätze drängeln müssen. "Man hat es nicht leicht als berufstätige Frau, allein, mit dem Kind, heutzutage", sagte sie noch zu einer Frau mit Schapka. Die lächelte nur, ließ die Kippe fallen und trat sie mit der Stiefelspitze aus, während sie schon eine neue Zigarette in der Manteltasche drehte: „Wem sagen sie das."

Als ich den Fuß auf den Fernbahnsteig setzte, war die Lokomotive des einfahrenden Zuges auf gleicher Höhe. Sie stieß eine Wolke weißen Dampfes aus dem Schornstein, gleichsam um die dichtgedrängten Menschen zu warnen: "Vorsicht, jetzt komm ich!"

Schreie, Schimpfen und Fluchen. Der Heizer, der sich weit aus dem Fenster beugte, lachte. Er sah aus wie Paul Robeson, wenn er im Fernsehen das Lied vom Old Man River sang oder Keep on rollin’: schwarz glänzende Haut, leuchtende Augen und weiß funkelnde Zähne. Der Heizer – das sah man unter dem verschwitzten Hemd – verfügte über Bärenkräfte, vom Kohlenschippen. Nicht mehr lange, und er wird seine Lokomotive mit Öl heizen, wo doch seit ein paar Tagen Erdöl aus der Sowjetunion durch die längste Pipeline der Welt nach Schwedt floß. Dann wird er einen Anzug tragen beim Fahren, es wird aus sein mit seiner Kraft und er wird sich einen gemütlich dicken Bauch wachsen lassen. Keep on rollin’.

Daß wir mit Tempo die Treppe heraufkamen war unser Vorteil. Die still verharrende Menge brauchte Zeit, um sich in Bewegung zu setzen; das Trägheitsmoment wirkte präzise. Wieselflink schlüpfte ich zwischen den Wartenden hindurch zur nächsten Tür. Selbst dem schicken Matrosen, der gerade die Klinke drückte, huschte ich unter den Armen durch. Trip-trap, klick-klack, die neuen Schuhe liefen von selbst den Gang bis fast zur Wagenmitte. Mein Blick streifte die Schilder über der Tür: zweite Klasse, Raucher und keine Platzkarten – ich stürmte ins Abteil. Erster!

Maman konnte zufrieden sein. Ich ließ die Taschen auf die Sitze fallen und riß das Fenster auf. Mit meiner Pudelmütze winkte ich, bis sie mich sah. Sie wuchtete die Koffer durch das Fenster. Ich hatte schwer zu tun, um die Gepäckstücke ins Abteil zu zerren. Nun pflanzte ich mich in die Polster wie Bräsicke und wartete in aller Seelenruhe, bis Maman unser Abteil fand.

Die Dame in dem schweren russischen Militärmantel, der ihr bis zu den Knöcheln reichte – die aus der S-Bahn –, fragte, ob noch Plätze frei seien. Die mußte sich wie ein Samurai durch die Menge gekämpft haben oder übernatürliche Kräfte besitzen.

"Bis auf die Fensterplätze ist alles frei."

„Braver Junge.“

Der nächste, der ins Abteil kam, war der schicke Matrose. Als er die Mütze abnahm, kamen schwarze Locken zum Vorschein. Ich muß mit Maman über die Erhöhung des Taschengeldes um eine Mark verhandeln. So ein fescher Kerl, das mußte eine Freude für sie sein. Ohne Umstände zu machen, bugsierte er unsere beiden Koffer auf die Ablage, legte den Seesack obenauf, setzte sich neben mich, grinste und fertig war der Lack. Auch das noch, sie konnten sich die ganze Fahrt lang in die Augen sehen. Das macht zwei Mark pro Monat. Ich war ein gemachter Mann.

Maman betrat das Abteil. Sie war eine schöne Frau. Auf der Straße pfiffen die Männer ihr hinterher. Selbst meine Anwesenheit hielt die nicht von Annäherungsversuchen ab. Sie war stolz und zeigte nie eine Reaktion. Nur ich bemerkte, wie sie aus den Augenwinkeln die Pfeifer maß und wie sich dabei ihr Gang veränderte – sie spannte sich wie eine Feder. Ich konnte die Pfeifer verstehen, kannte ich doch, was sie erhofften. Schließlich hatte ich oft genug gesehen, wie sich Maman sorgfältig vor dem großen Spiegel im Schlafzimmer zurechtmachte. Offensichtlich war sie selbst auch außerordentlich zufrieden mit dem, was im Spiegel zu sehen; offensichtlich genoß sie auch das Pfeifen.

Das Abteil war voll, acht Reisende, ich das einzige Kind. Die Sitze waren schmal und die Erwachsenen saßen wie die Heringe, zweite Klasse eben – Arbeiterklasse. Das lernten wir schon in der Schule, daß Arbeiterklasse viele sind, und daß sie um so stärker, je enger sie sich zusammenschloß.

"Einen fixen Jungen haben sie da", sagte der Matrose schmunzelnd. "Wie sie eingestiegen sind, das sah aus, als hätten sie das tausendmal geübt.“

Ich wollte schon damit angeben, daß ich Spezialist im Entern von Zügen sei und zu jeder Zeit und an jedem Ort auf jeden beliebigen Zug aufspringen konnte, daß ich einer der großen Abenteurer des Schienenstranges war, doch es hielt mich irgend etwas zurück und sagte mir, daß es jetzt besser sei die Klappe zu halten.

"So oft nun auch wieder nicht, aber wir fahren häufig mit dem Zug. Ein wenig Glück war heute dabei. Aber fix ist er schon. Da haben sie wohl recht." Maman streichelte mir über das Haar. Sie wußte, daß ich das nicht mochte, weil meine Frisur dabei durcheinander geriet und der Lack brach. Zicke. Und was sie für ein Zeug quatschte: Da haben sie wohl recht und fixer Junge. Nicht auszuhalten. Dabei machte sie mir zu Hause immer Feuer unterm Hintern, weil ich trödelte. Der Zug fuhr noch nicht und schon war sie verschossen. Das machte drei Mark. Ich werde mich nie verschießen. Es muß ein blödsinnig machender Zustand sein.

„Darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten?“ fragte der Matrose und hielt ihr eine Schachtel mit Filterzigaretten hin.

„Danke, ich rauche lieber von meiner Sorte. Casino, ohne Filter.”

„Wie Sie meinen, aber auf den Gang sollten wir wohl besser gehen, sonst ist das Abteil gleich voll dicker Luft.“

„Sie haben recht.“

Puh, es war nicht zum Aushalten. Solch vornehmes Gerede hatte ich noch nie von Maman gehört. Mit dem auf den Gang gehen wurde nichts, weil sich immer noch Menschen aus der einen in die andere oder aus der anderen in die eine Richtung drängelten, in der Hoffnung, noch einen Platz zu finden. Hinter dem Glas der Abteiltür fand ein chinesisches Schattenspiel statt. Menschen mit Koffern und Rucksäcken und Taschen schoben sich lautlos aneinander vorbei, stiegen übereinander hinweg oder krochen untereinander durch. Andere wurden von den im Gang Stehenden über die Köpfe weitergereicht, so daß es schien, als flögen die Koffer voraus und die Menschen folgten ihnen, sich fest an die Griffe klammernd.

Gerade so breit war der Gang, daß ein Mensch unbehindert gehen konnte. Begegneten sich zwei, grienten sie sich hilflos an, wechselten gar ein paar nette Floskeln und vollführten dann ein Tänzchen, bei dem sie sich umeinander drehten wie Goldfische im Glas. Manchmal tanzte der ganze Gang, einer um den anderen und der um den nächsten. Ein Tanz, bei dem Koffer und Menschen und Gepäckstücke umeinander wirbelten und nicht zu berechnen, wer schließlich am Ende aus der Klapsmühle heraustreten würde, nur um im nächsten Wagen die gleiche Tortur über sich ergehen lassen zu müssen. Ich stellte mir vor, welche Tanzschritte notwendig, wären die Männer erregt und die Behinderung dadurch komplett. Ebenso kompliziert mußte die Lage sein, begegneten sich zwei starkbrüstige Damen. Begegnungen auf einer Ebene brachten logischerweise immer eine besonders schwere Behinderung mit sich, die ohne Kniebeuge auf der einen und Strecksprünge auf der anderen Seite, nicht zu überwinden. Nun wußte ich auch, warum nur ungleichgeschlechtliche Paare gut miteinander tanzen konnten: Die Behinderung fand in verschiedenen Stockwerken statt. Es war eine Frage der Anatomie. So einfach. Ich beschloß diesen Sachverhalt in mein Notizbuch zu schreiben. „Behinderung auf verschiedenen und gleichen Ebenen und welche Schlußfolgerungen daraus zu ziehen sind.“ Und: „Es ist eine Frage der Anatomie.“ Und: „So einfach.“

Der Matrose fragte: „Hat einer der Anwesenden etwas dagegen, wenn wir das Fenster öffnen und eine Zigarette rauchen solange der Zug noch steht?“ Es war keine Frage, die der Matrose stellte, es war dem Tonfall nach eine Aufforderung, ja nicht zu widersprechen, die er am Ende des Satzes durch ein Fragezeichen milderte. Das Wort „Etwa“ hatte er nicht gesprochen, aber durchaus gesagt.

Rundum wurde genickt. Der Matrose erhob sich, stellte sich ans Fenster und auf meine Füße, rüttelte das Fenster herunter und lud Maman ein, sich mit ihm hinauszulehnen. Es wurde eng am Fenster. Der Matrose stand gut im Futter und präzise auf meinen Füßen, die begannen arg zu schmerzen und in die Breite zu gehen. Mit seinem Achterteil wedelte er gekonnt und bedrohlich nahe vor meinem Gesicht herum. Ich hatte die Wahl, mich zu wehren und den Taschengeldzuschlag zu verspielen oder stillzuhalten bis das Elend ein Ende finden würde. Ich hielt still und hoffte nur, daß der blaue Junge eine halbwegs gute Kinderstube genossen hatte und nicht von der windigen Art war.

Das Ende der Idylle nahte unerwartet in Gestalt einer vorbeihastenden Rangierlokomotive, die das Abteil, das vom Zigarettenrauch aus Rücksicht auf mich reingehalten werden sollte, in heißen Dampf hüllte. Alle husteten. Die beiden Raucher hatten gerötete Gesichter. Die Entschuldigung des Seemannes wurde mit verkniffenen Mündern hingenommen.

„Trottel“, sagte einer.

„Da müssen Sie mal auf mein Schiff kommen, da ist was los, wenn der Heizer ...“

„Wir sind nicht auf ihrem Schiff. Wir sind auf gar keinem Schiff!“ Demonstrativ klopfte jener im karierten Jackett seine Garderobe ab und rückte den Schlips zurecht. Ein Ruck und der Zug setzte sich in Bewegung, zu den Großeltern, ins Weihnachtsland.

— 3 —

„Du kommst reichlich spät. Reichlich spät kommst du heute.“

„Es war viel los. Vor Weihnachten sind die Leute wie verrückt. Es ist jedes Jahr dasselbe, diesseits und jenseits der Elbe.“

„Du wirst uns mit deinen Sprüchen noch ins Grab bringen, oder – was schlimmer wäre – dort hoch, aber hinter die schwedischen Gardinen“, Großvater deutete mit der Zigarette auf das Anwesen. „Jenseits der Elbe ist weit weg, heutzutage.“

Großmutter, wegen ihrer enormen Körpermaße von allen nur Großmütterchen genannt, winkte ab. Sie hatte nichts zu fürchten. Sie machte im Schloß eine Arbeit, die keine andere verrichten konnte – sie arbeitete auf der Station, wo die festsaßen, die mit Nachdruck behandelt werden mußten. Wobei sie Nachdruck allein wegen ihrer Körperfülle ausübte und zu anderen Mitteln nicht greifen mußte.

Großmütterchen hatte einen Haufen loser Sprüche drauf, die dort oben besser keiner hören durfte, weder Insassen noch Kollegen. Das konnte gefährlich werden. Zum Glück war es nicht leicht, Großmütterchen zu verstehen. Das fiel sogar den Familienmitgliedern zuweilen schwer, denn sie nuschelte ihre Sprüche vor sich hin, als habe sie sämtliche Wackersteine vom Wolf im Mund.

Großmütterchen war einen Kopf größer als Großvater – er spindeldürr und sie eine Tonne von beachtlichem Umfang. Kein Mensch, am allerwenigsten sie selbst, konnte erklären, wie es ihr in den mageren Kriegsjahren und seit dem Ende des tausendjährigen Reiches gelang, eine solch stattliche Erscheinung zu werden. Im Anwesen half ihr diese Statur. Keiner – auch nicht, die einst ganz große geheime Tiere gewesen waren oder kräftige Kerle, unberechenbar wie Eisbären – hätten es je gewagt die Hand gegen sie zu erheben.

Gingen Hermine und Güstav nebeneinander, hatte man den Eindruck, man müsse dem Großvater zu Hilfe eilen, müsse ihn vor der körperlichen Übermacht seiner Frau schützen. Das täuschte jedoch: So dürr Großvater war, so drahtig war er auch. Er brachte es fertig und hob die fast drei Zentner hoch, damit sie dem Weihnachtsbaum die Spitze aufsetzen konnte. Wenn beim Kaufmann oder beim Damenfriseur die Frage erörtert wurde, wer von beiden denn die Hosen anhabe, dann pflegte Großmütterchen zu sagen, daß sie unterm Rock selten Hosen trüge. Wurde dieselbe Frage unter Männern besprochen, lächelte Großvater nur und schmunzelte in sich hinein. Dergleichen hatte ihn nie interessiert.

Güstav lernte Großmütterchen kennen, als er in den goldenen zwanziger Jahren, nach einer durchtanzten Nacht und anschließender erfolgreicher Ausnüchterung, zum Hempel-Bäck ging, um frische Semmeln für ein ausgiebiges Frühstück zu kaufen. Sie stand rank und schlank vor ihm in der Schlange. In Frankreich hatte er gelernt, daß für Eisen, die Mann abends schmieden möchte, morgens das Feuer entfacht werden müsse. Er lud Hermine spornstreichs zum Frühstück ein, was diese mit der Begründung ablehnte, daß sie nichts Fremdes von Süßen annähme. Ob sie aber Süßes für Fremde übrighabe? Marmelade und Honig zum Beispiel, fragte er und brachte sie mit dieser Dreistigkeit zum Lachen, so daß sie Weiterem nicht abgeneigt: Damit habe sie keine Last. So ging er mit zu ihr auf die Kammer, von wo er sich so schnell nicht vertreiben ließ. Sie erzählte ihm von ihrer Arbeit als Krankenschwester und von den Radtouren des Arbeitersportvereins an den Wochenenden und vom Mond über Hel, wo sie im letzten Sommer war, vom Bernstein, den sie dort gefunden und von einer Liebe, die sie dort verloren hatte. Die Geschichten, die folgten, wurden trauriger und trauriger. „Es hilft nur noch richtig zu heulen und Augen und Seele zu reinigen und von vorn anzufangen“, dachte Güstav und fragte – um das Tränenfaß zum Überlaufen zu bringen – nach den Narben an ihren Händen und Unterarmen.

Sie sei das erste Mädchen in Sachsen gewesen, das im Sportverein Jui-Jitsu trainiert habe, und sollte nach Moskau zur Arbeiterspartakiade fahren. Daraus wurde nichts, weil sie eines Tages mit gebrochenem Unterarm und eingedrückter Nase nach Hause kam. Ihre Mutter habe daraufhin ein Machtwort gesprochen und fürderhin solcherart Sport untersagt. Aber ganz ohne Sport ging die Chose nicht. So sattelte sie im wahrsten Sinne des Wortes um – auf Radrennen, der Familienfrieden war wieder ins Lot gebracht, Radrennen schien nicht gefährlich. Bis Hermine eines schönen Tages über die grünen Hügel des Erzgebirges strampelte und kühn einen gewaltigen Hügel erklommen. Oben angekommen, bückte sie sich tief übers Lenkrad, um mühelos mit fliegenden Haaren und flatterndem Trikot ins Tal zu rasen. Sie schaute nicht nach vorn, nicht nach links und nicht nach rechts – nur nach unten.

Die Heckklappe des am Straßenrand abgestellten Anhängers sei vollständig zertrümmert und die Ladefläche fast einen halben Meter lang aufgerissen, als hätte ein Riese mit einem Schwert zu gedroschen, schrieb die Polizei in das Unfallprotokoll.

Aus den Resten des Fahrrades und der verbogenen Hinterachse des Anhängers, schweißte der Schmied von Schloßberg eine Skulptur, die noch heute im Vereinslokal an der Wand hängt. Aus Hermine formten Ärzte eine Gipsfigur. Es gab so gut wie keinen Bruch, den sie nicht hatte.

Zwischen Hermine und Güstav war es Liebe auf den ersten Blick. Sie waren keine Königs-, sie waren kleiner Bürger Kinder. Die Väter trugen bei der Arbeit Schlips und Kragen und standen sich so gut, daß die Mütter mit Sticken und Klöppeln im Damenkränzchen an langen Winterabenden nur aus Spaß zur Aufbesserung der sonst reichlichen Haushaltskasse beitrugen.

Großmütterchen fuhr mit dem Rad zur Arbeit. Sommers wie winters, bei Regen und Schnee, sie konnte es nicht lassen; am Morgen den Berg hoch und am Nachmittag – mit vollem Karacho – hinunter. Zur Arbeit folgte sie den Serpentinen der Bergstraße zum Schloßberg hinauf und erreichte so das Anwesen am Haupteingang. Selbst an der steilsten Stelle mußte sie nicht aus dem Sattel gehen oder gar absteigen. Die gewaltigen Oberschenkel traten die Pedale mit Leichtigkeit. Einmal, ein einziges Mal, mußte sie beim Befahren eines Berges aus dem Sattel gehen, und zwar an der steilen Wand von Meerane, als sie wegen einer Wette unter Beweis stellen wollte, daß sie die Wand wie die Friedensfahrer nehmen könne.

Es gab Fremde, die zum Feierabend durch Schloßberg gegangen und in der Restauration beim Bier berichteten, sie hätten eine Person unbestimmten Geschlechts den Berg herab rasen sehen, deren Beine sich so schnell bewegten, daß sie nur noch als Scheibe erschienen. Von einem Rad unter der Person wurde in diesem Zusammenhang nicht gesprochen. Sie tauften das optische Phänomen auf den Namen Kugelblitz.

Stünde ihr heutzutage ein LKW-Anhänger im Wege, und würde sie den, aus welchem Grund auch immer, übersehen – mühelos zerteilte sie den von hinten bis vorn ohne selbst den geringsten Schaden zu nehmen.

Großvater ging mit einem Stock, immer in Anzug und mit Fliege, bei jedem Wetter, gerade und elastisch, eine feine Erscheinung. Tack, tack, tack – präzise wie eine Schweizer Uhr.

So zart Großvater vom Körperbau, so zart war Großmütterchen vom Gemüt. Man mußte sie nur sehen, stellte sie am Radio einen neuen Sender ein – unendlich vorsichtig drehte sie das Rädchen, um keinen Schaden anzurichten; man mußte sehen, wie sie die Luftpumpe behutsam ansetzte, um einen Reifen zu füllen – sanft, um ihn nicht zum Platzen zu bringen; man mußte sehen, wie sie die geriebenen Kartoffeln für die Klöße ausdrückte – die Männer mußten danach wieder Wasser in die Teigschüssel nachfüllen, so trocken war die Masse. Zartliebend und sanft war das Großmütterchen. Wäre sie nicht vorsichtig und von sanfter Natur gewesen, Großvater hätte nur geringe Überlebenschancen gehabt.

Großvater fragte: „Wann kommen die Große und der Gung?“ Die Große war meine Maman und der Gung war ich. Gung ist erzgebirgisch und heißt hochdeutsch Junge.

„Na heute abend doch. Mit dem Elf-Uhr-Zug.“

Der Elf-Uhr-Zug kam Viertel zwölf auf dem Bahnhof an. So stand es auf dem Plan, den sich die Eisenbahn schrieb. Der Zug hieß Elf-Uhr-Zug, weil der Zug, der fünf vor elf eintraf, mit dem die Arbeiter aus den Gruben und den Fabriken kamen, der Schichtzug hieß.

„Bei dem Wetter“, Großvater schüttelte den Kopf. „Das wird nichts.“

„Was du nur hast. Warum soll der Zug nicht pünktlich sein. Ein Zug ist aus Eisen und wird beheizt. Eine Schneeflocke ist aus Wasser. Was kann die gegen einen Zug anrichten?“

„Es ist nicht nur eine Schneeflocke, die vom Himmel fällt. Viele Flocken sind des Zuges Tod, sagen schon das Sprichwort und der Verkehrsminister. Nie und nimmer kommt der heute pünktlich. Wenn der Berliner nicht pünktlich ist, schaffen sie den Anschluß in Karl-Marx-Stadt nicht mehr und dann gute Nacht Marie, dann können sie auf dem Bahnhof übernachten, und das mit dem Knecht, wart ’s ab Henry Higgens.“

„Für die Sprüche bin ich in der Familie reklamiert!“ drohte Großmütterchen mit dem Zeigefinger und schüttelte mißbilligend den Kopf.

Das mit dem Knecht meinte Großvater nicht böse, es ist nur so, daß ich Ruprecht heiße. Knecht Ruprecht, weil ich jedes Jahr zum Weihnachtsfest angeschneit kam, aus der großen Stadt Berlin. Manchmal nannte Großvater mich auch einen Balg, weil Maman ihm nie verraten hat, wer mein Vater war. „Geradezu französische Verhältnisse“, meckerte er dann, und streichelte mir gutgelaunt den Scheitel.

Sagte er Balg, war Maman in Null-Komma-Null-Nichts auf Hundertachtzig, das hörte sie nicht gern. „Mußt gerade du sagen!“ Soviel die Alten auch bohrten, nie hat sie ihr Geheimnis verraten.

„Vielleicht solltest du deine Kommandeure vom Anwesen bitten, daß sie mit einem Auto fahren, um sie vom Bahnhof abzuholen, mit Tatütata und Blaulicht. Das könnten die schon mal machen.“

„Wo denkst du hin“, Großmütterchen schüttelt den Kopf, „für so ein kleines Licht wie ich es bin, kommt eine Privatfahrt nicht in die Tüte.“

Großvater arbeitete Normalschicht in der Strumpffabrik. Er richtete den Frauen die Maschinen ein. Er arbeitete nur am Tage, weil sie ihm im zweiten Krieg ein Bein kaputtgeschossen haben, in Frankreich, bei Brest, nach Kriegsende, beim Streit in einer Kneipe um den letzten Liter Wein und – so wird in Familienkreisen hinter vorgehaltener Hand gemunkelt – um die letzte freie Dame. Gott sei Dank habe die Kugel nicht höher getroffen, sonst könne er heute den Damen nichts mehr einrichten, ulkte er. Für das steife Bein langte ein Stock als Behelf, anderes wäre nicht zu ersetzen. Großmütterchen lächelte dann verschmitzt: „Du bist mir schon ein kleiner Möchtegernfranzose, Güstav“, und goß ihm noch ein Glas des ungeliebten Kirschweins ein, worauf er wetterte: „Das ist ein ungehobeltes Volk, aus Kirschen macht man Marmelade aber keinen Wein.“ Er trank den Wein trotzdem und auch noch ein zweites und ein drittes Glas. Weil Güstav so dünn war, sah man – schaute man genau hin – wie der Wein durch die Kehle rann.

In seiner zweiten Kriegsgefangenschaft, die er am Neujahrstag neunzehnhundertfünfundvierzig antrat – er verlief sich betrunken zwischen den Linien –, war er umgehend wegen ausgezeichneter Sprachkenntnisse zum Schreiber und Dolmetscher avanciert. Diese erwarb er im ersten großen Krieg.

In den ersten Krieg rückte er kurz vor Toresschluß ein, vier Tage nach seinem achtzehnten Geburtstag. Er drückte sich vor sinnlosem Kriegsdienst, indem er am zweiten Tag an vorderster Front wild und ungestüm aus dem Graben voranstürmte und nicht im Lauf innehielt, bis er weit hinter den französischen Linien einen Fouragefeldwebel um Feuer bitten konnte. Ihm ging es glänzend, er wurde auf beiden Seiten als Held gefeiert. Die einen lobten ihn wegen seines unerschrockenen Mutes und des guten Beispiels für die teutonischen Burschen, die anderen begrüßten ihn als hübschesten und fröhlichsten Gefangenen aller bisherigen Kriegszeiten. Seine Tage und Nächte verbrachte er auf Feldern, in Wäldern und im Heu. Um seine Heimat kümmerte er sich einen feuchten Fiedelfurz. Als er Neunzehn-neunzehn widerwillig nach Hause kam, wartete ein dickes Verdienstkreuz auf ihn, welches er im „Wachmann“, seiner Stammkneipe, versoff. Ihn kannte Gott und die Welt, er kannte mehr die Welt als Gott.

In unserer Familie wurden viele Namen und Worte französisch ausgesprochen. Das hatte nichts damit zu tun, daß wir das besonders schick fanden oder gar den Eindruck besonderer Bildung erwecken wollten. Diese Marotte hatte Güstav von seinen Ausflügen nach Frankreich mitgebracht, ebenso wie die Art zu leben, die seinem Temperament entgegenkam – er war schon ein rechter Hallodri, um es vorsichtig auszudrücken.

Großvater war so alt wie das Jahrhundert, das Jahrhundert schrieb sein dreiundsechzigstes Jahr, ich war elf. Wir zwei waren ein gutes Gespann: Er ein feiner Herr, der – wenn es gar feierlich zu werden drohte – französisch sprach, der von tadellosem Benehmen, der einem feinwitzigen Gespräch mit überraschenden Wendungen bei einem Glas Wein nie abgeneigt, der mit schöner Stimme Gedichte rezitierte und stundenlang zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal spazieren konnte. Großvater wurde hinter den sieben Bergen, umgeben von immergrünen Nadelwäldern, in der ersten sternklaren Märznacht nach der Jahrhundertwende geboren. Sein Sternbild war, so behauptete er steif und fest, Schloß Kohlnecker, das Anwesen.

— 4 —

„Wohin fahren sie?“ Maman wollte es genau wissen.

„Karl-Marx-Stadt. Ich wohne nicht weit vom Bahnhof. Eine kleine, praktische Wohnung mit Fernheizung. Vielleicht besuchen sie mich bei Gelegenheit?“ Sein Blick fiel auf mich und als er merkte, daß ich das merkte, grinste er und wandte sich schnell wieder Maman zu. Er hatte mir auf diese Weise klar gemacht, daß ich bei einem Besuch nur stören würde, er brauchte keinen Aufpasser, er war schon groß.

Der wird sich wundern. Ohne mich geht hier nichts. Die Dame ist ohne mich nicht zu haben. Bis wir aussteigen wird er das begriffen haben.

Im Abteil packten sie Stullenpakete aus: Leber- und Teewurst, Salami, Camembert, Harzer mit Kümmel auf Schmalz. Thermoskannen wurden aufgeschraubt: Kaffee und Tee. Es ist in jedem Zug der Welt das gleiche Bild: Kaum haben sich die Räder in Bewegung gesetzt, drängt es die Reisenden zum Essen. Nicht, daß ich schon auf der ganzen Welt mit dem Zug gereist wäre, aber dieses Verhalten ist von der Art, daß es nicht anders sein kann.

Ob man sich gegen die zu erwartenden Strapazen wappnen muß, Stärkung braucht? Es ist nicht leicht, sich einige Stunden in einem mehr oder minder bequemen Sessel, der diese Bezeichnung nicht verdient, aufrecht zu halten, ohne dämlich auszusehen. Noch aufreibender und kräftezehrender ist, will man sich an den Gesprächen beteiligen, die flink hin und her und von einem Gegenstand zum anderen springen. Der größten Kraftanstrengung aber bedarf es, will man seine Ruhe haben und nichts reden und hören müssen. Die Ohren zu verschließen und sich nicht anmerken zu lassen, wie einem das Palaver auf den Geist geht, ist die härteste Arbeit auf der Welt und kostet unendlich Kraft. Ich fuhr einmal von Karl-Marx-Stadt nach Berlin in einem Abteil mit zwei noch nicht ganz alten Damen und einem Ehepaar. Die Damen boten mir fortwährend Kuchen und Kekse an, die ich ihnen gern abnahm – meinerseits eine Geste der Menschlichkeit, ich war um ihr Gewicht besorgt –, aber von Tom Sawyer habe ich in fünf Stunden ganze drei Seiten geschafft. Meine Unterwäsche war durchgeschwitzt, so habe ich mich bei dem Versuch angestrengt, konzentriert zu lesen. Es hatte nichts genutzt.

Die Damen haben im Abteil zum Kummer aller Anwesenden zunächst die Preise, dann die Verwandtschaft, darauf die Bekanntschaft – die gemeinsame und die nicht gemeinsame – mit Kind und Kindeskindern zurück bis in das 13. Jahrhundert besprochen. Sie hielten sich eine gute halbe Stunde bei einem Häkelmuster auf, bevor sie unversehens zu dem Thema wechselten, das die restliche Zeit in Anspruch nahm und noch nicht annähernd ausschöpfend behandelt war, als der Zug das Ziel erreicht hatte: Krankheiten.

Eine andere Erklärung des Eßverhaltens könnte sein, daß Essen von jeher eine besondere Art und Weise, sich näher zu kommen, sozusagen Grundlage jeder Völkerverständigung; immerhin ist ein gemeinsames Essen oft genug der Anfang einer Bekanntschaft. Geschäftsleute gehen oft in eine Restauration, um Verträge zu verhandeln. Essen bringt Entspannung und Frohsinn. Bei Tisch werden unauffällig Grenzen festgelegt und Territorien erobert: eine Leberwurststulle wird sich unmöglich gegen ein Schinkenbrötchen behaupten können, eine Käsebemme nicht gegen ein Kresse-Pumpernickel-Schnittchen. Noch krasser verläuft die Grenze bei den Getränken: daß Bier- und Weintrinker es nicht leicht miteinander haben – gut, aber Kaffee- und Teetrinker trennen Welten.

Nicht nur in mit mehreren Reisenden belegten Abteilen wird zur Bemme gegriffen. Auch die, welche ein Abteil für sich allein haben, fangen unweigerlich an zu essen. Diesen unbedingten Reflex wird die Angst vorm Alleinsein auslösen oder die Furcht, daß doch noch jemand ins Abteil treten könne und nach einem freien Plätzchen fragt? Da bewaffnet man sich doch lieber mit einer Stulle, belegt mit altem braunem Käse, so daß der vermeintliche Eindringling schon vom Geruch abgeschreckt wird.

Essen als primärer Ausdruck des Prinzips Hoffnung: Wird schon gut gehen, werden schon ankommen, wird schon nicht so schlimm werden. Und wenn es dann doch nicht so klappt mit dem Ankommen, so hat man wenigstens noch was gegessen: die Henkersmahlzeit.

Auf dieser Reise lernte ich einen weiteren Grund kennen: Man ißt, um danach trinken zu können. Das scheint mir die logischste und vernünftigste aller Erklärungen. Grundlagen werden gelegt, auf denen Mann aufbauen kann.

Maman packte eines unserer Pakete aus, das mit den Eierstullen. „Darf ich ihnen etwas zum Essen anbieten? Sie werden doch bestimmt keine Gelegenheit gehabt haben, sich was zurechtzumachen?“

„Nein, dazu war keine Zeit mehr. Es mußte schnell gehen nach dem Dienst.“

„Dann greifen sie nur zu. Möchtest du?“ Sie reichte auch mir das Paket. Natürlich wollte ich nicht, aber sollte ich zusehen, wie dieses blauweiße Monster meinen Proviant verschlang. Es war purer Selbsterhaltungstrieb, der mich trotzig zugreifen ließ.

„Hm, Eierstullen“, schmatze der Matrose, „mit Schnittlauch.“

„Wie sie das sagen, ist das nicht gemeint – das soll keine Anspielung sein. Es ist nur, der Junge ißt die so gern.“ Maman schlug die Augen nieder.

„Ich versteh’ schon.“

Ich verstand das mit der Anspielung zwar nicht, beschloß aber zunächst, die Sache auf sich beruhen zu lassen und nicht nachzufragen. Es gibt Situationen, in denen man die Erwachsenen reden lassen muß. Früher oder später verraten sie sich. Stillsein befördert ihren Leichtsinn.

Der Mann mit dem karierten Jackett hatte ein flaches Köfferchen auf die Knie gelegt und ein Tuch wie eine Tischdecke darauf ausgebreitet. Mit einem Klappmesser schnitt er sich Häppchen zurecht. Nach jeder halben Stulle öffnete er das Köfferchen einen Spalt, holte eine Flasche vor, nahm einen kleinen Schluck und ließ ungeniert ein „Ah“ oder „Hicks“ vernehmen. Die Damen an der Tür schauten jedesmal betreten zur Seite während er sich genüßlich die Lippen leckte.

Vor dem Fenster flog endlos flache Landschaft vorbei, ab und zu unterbrochen von ein paar Häusern aus deren Schornsteinen Rauch emporstieg; Baumreihen, die Felder einrahmten; selten ein Wassergraben, kein Teich, kein See. Trockene Landschaft. Im Abteil wurde es langsam warm, zu warm.

Der Karierte: „Mein verehrter Volksmatrose, würden sie bitte so freundlich sein, und die Heizung etwas drosseln?“

„Sollte das auch der Wunsch der übrigen Fahrgäste sein – selbstverständlich.“ Der Matrose machte auf ausgesucht höfliches Wesen.

Einhelliges Nicken in der Runde. Stille im Abteil. Der Matrose drehte am Ventil. Nichts passierte.

Die Frau mit dem Militärmantel, die dem karierten Jackett gegenüber saß, meinte, daß man warten müsse, bis die überschüssige Hitze abgegeben, schaute dabei sehnsuchtsvoll auf den Koffer des Karierten und tupfte sich Stirn und Hals mit einem Taschentuch, welches gut und gern auch als Fußlappen hätte dienen können. Es roch penetrant nach Rosenparfüm. Der Karierte machte keine Anstalten etwas aus seiner Flasche abzugeben.

Wo war ich hier nur hingeraten? Die Alten hatten alle einen Knall. Die waren nicht ganz richtig im Kopf.

Es kam Bewegung in die im Gang Stehenden. Man vernahm das Öffnen und Schließen von Abteiltüren. Eine Stimme näherte sich: „Kaffee gefällig, heiße Würstchen, Soljanka, Limonade, Schokolade, Kuchen und Kekse . . . “ Der Mitropakellner nahte, um mit Spezereien und Getränken Erleichterung zu bringen. Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wie es der Kellner mit einem Wagen voller Lebensmittel schaffte, durch einen mit Menschen und Gepäck verstopften Gang eines Zuges zu gelangen. Für den Schaffner war das schlichtweg unmöglich, ein Kellner schaffte das. Die einzig plausiblen Erklärungen sind Äquilibristik und Trinkgelder.

Unsere Abteiltür wurde aufgerissen, es duftete mehr nach Bockwurst und Soljanka als nach Kaffee. „Kaffee gefällig, heiße Würstchen, Soljanka, Limonade, Schokolade, Kuchen, Kekse?“

Das karierte Jackett warf die Hand in die Luft, schnipst mit dem Finger wie in der Schule und sprach überdeutlich: „Für mich bitte eine Bockwurst mit viel Senf, ein Stück Kuchen und ein kühles Bier.“

„Bier ist alle, Bockwurst habe ich nur noch kalte und Kuchen ist aus.“

„Warum bieten sie das alles an, wenn sie es gar nicht mehr vorrätig haben?“

„Die Macht der Gewohnheit. Ich habe diesen Spruch mit einem Schauspieler vom Staatstheater in Weimar einstudiert und ich kann keinen anderen. Außerdem, sie können bestellen und ich bring es beim nächsten Durchgang mit.“

„Wann wird das sein?“

„Wenn ich alles verkauft habe gehe ich zurück, mache die Bestellungen fertig und fülle meinen Wagen auf. Ich denke so in einer halben Stunde – vielleicht.“

„Dann nehme ich jetzt einen Kaffee, und sollte der mich munter halten, möchte ich nachher eine heiße Bockwurst, eine Stück Kuchen und das Bier.“

Der Kellner kritzelte was auf einen Zettel und schaute fragend in die Runde. Die Damen an der Tür kniffen die schmalen Lippen zusammen und hielten demonstrativ die Handtaschen fest an die Körper gepreßt, was heißen sollte: Nicht einen Pfennig rücken wir raus. Der Karierte schnitt eine weitere Stulle in Stücke, der Matrose biß provokativ von meiner Eierstulle ab und kaute mit vollen Backen wie mein Hamster Pipifax und grinste dabei über die ganze Wasserlinie. Der neben Maman saß und die ganze Zeit in einem Buch las, hielt es nicht mal für nötig den Blick zu heben, ein Ignorant, ein Intellektueller. Der Kellner schluckte beleidigt und knallte die Tür zu.

Der Zug schaukelte über die Elbe. Wir hielten in Riesa. Die Schornsteine des Stahl- und Walzwerkes spuckten Rauch. Auf dem Bahnhof herrschte aufgeregter Betrieb. Eine Kompanie Waffenbrüder lagerte auf dem Bahnsteig, auf dem Nebengleis standen mit Stroh ausgelegte Güterwagen – es sollte auf Heimaturlaub gehen.

„Die Hälfte der Strecke haben wir geschafft und sind noch im Plan. Das ist erfreulich.“ Der Mann im karierten Jackett hat das Neue Deutschland ausgebreitet und las sorgsam. Er las sogar die erste Seite. Von Zeit zu Zeit murmelte er etwas vor sich hin.

Die Frau, die ihm gegenübersaß, spitzte ihr Mündchen: „Das dicke Ende kommt erscht noch“, und klapperte drohend mit den Stricknadeln.

„Was soll groß passieren? Es gibt einen Plan.“ Er deutete auf seine Zeitung.

„Plan hin, Plan her – denken sie an meine Worte vom dicken Ende. Es ist im Leben nun mal so, daß sich nicht alles planen läßt, daß immer alles anders kommt, als man lenkt.“

„Mensch mach dir einen Plan, und wenn er dir nicht glückt, dann mach dir einen andren Plan, gehn tun sie beide nicht . . .“ Mit dieser Sentenz meldete sich der Blasse neben dem Matrosen zu Wort. Er hatte bisher nur stumm in sein Buch geschaut, nichts gesagt und nicht mal was gegessen. Es ist eines der Welträtsel, wovon Intellektuelle leben. Zum Sprechen hatte er seinen Kopf erhoben und die Augen auf das Gepäcknetz gerichtet, als stünden die klugen Sprüche in den Koffern.

Der Karierte schaute den Blassen böse an: „Wo haben sie diese Weisheit her? Vom Klassenfeind?“

„I wo. Es ist nur ein Zitat aus einem Theaterstück.“

„Von einem Westautor?“

„Nein, von einem Sowjetbürger.“

Erleichtert aufatmend und weit ausholend, es war eine großformatige Zeitung, blätterte der Karierte die Seite um. „Kunst muß man nicht so ernst nehmen. Sie verschönt uns zwar das Leben, beantwortet aber nicht die aktuellen Fragen der Zeit. In der Zeitung steht geschrieben, daß der Plan erfüllt wird, mit sieben Prozent drüber. Das heißt, daß auch die Züge planmäßig fahren werden. So einfach ist das.“

Der Blasse, ein Student der Germanistik, verkroch sich wieder in seine papierne Welt, eifrig bemüht, beim Unterstreichen mit dem Bleistift nicht zu wackeln. Das gelang mehr schlecht denn recht. Bei jedem Schienenstoß schlug der Strich zunächst einen Haken nach unten, dann einen größeren nach oben. Ein unruhiges Bild entstand, den Wellen auf der Elbe nicht unähnlich.

Der Matrose: „Mit den sieben Prozent, heißt das nun, daß der Zug sieben Prozent länger fährt für dasselbe Geld oder ist er sieben Prozent schneller am Ziel?“

Die Militärmantelfrau, die aus ihrer Hebammentasche neue Stricknadeln genommen hatte, grinste in sich hinein. Um sich herum spann sie – einer fetten Spinne gleich – ein Netz aus Wolle. Aus jeder Manteltasche und aus dem Hebammenkoffer führten Fäden zu den flinken Nadeln, die das große Lied der Arbeit klapperten. Eine der beiden runzligen Damen in Schwarz an der Tür mit dem Parfüm, das sie noch älter machte als sie ohnehin schon waren, meldete sich: „Es wird so sein, daß der Zug länger fährt und am Ende bezahlen sie die Zeit am Schalter nach“, sie kicherte giftig wie die Babajaga. „Das Geschäft wird sich die Bahn nicht entgehen lassen.“

„Wie stellen sie sich das vor, wie soll das gehen?“