DAS HAUS AM RANDE DER WÜSTE - Elen Calima - E-Book

DAS HAUS AM RANDE DER WÜSTE E-Book

Elen Calima

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Beschreibung

Ein buntes Kaleidoskop von Erzählungen aus der Türkei, wie nur ein Türke sie kennt, zu Papier gebracht zur Zeit des kulminierenden Flüchtlingsdramas, das allerdings aus einem den meisten Mitteleuropäern völlig unbekannten Blickwinkel geschildert wird. Vor den Augen des Lesers erscheinen die sonderbarsten Geschichten, und doch von echten Menschen an realen Orten, eingefangen von der Feder eines anfangs fremden Beobachters, der sich aber nach und nach dermaßen ins Spiel integrieren lässt, bis er schließlich selbst zum Türken wird. Er beschreibt seine neue Heimat mit all ihrer Eigentümlichkeit, Widersprüchlichkeit, Ungereimtheit und üppiger Schönheit, teils witzig, teils zu Tränen rührend – und immer mit Nachsicht und Liebe zu den oft so eigenwilligen Landeskindern.

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Das Haus

am Rande der Wüste

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Elen Calima

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kleine Geschichten

 

aus dem Türkenlande

Intro

 

Wir sind aus unserer alten Sommerbude herausgeflogen. Von Tag zu Tag kam nämlich unsere pfiffige Vermieterin zunehmend auf die Idee, sie könnte in den Sommermonaten das Haus für viel besseres Geld vermarkten, und rief uns daher eines schönen Frühlingsabends mit der dringenden Aufforderung an, wir möchten doch freundlicherweise baldmöglichst erscheinen, unser Hab und Gut zusammenpacken und aus der Wohnung verschwinden.

 

Es war uns mehr als klar, dass jegliche Polemik mit ihr wenig Sinn ergeben würde, und so blieb uns nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen. Das Problem war bloß, dass wir zu jener Zeit sechshundert Kilometer entfernt in unserem Adlernest in Cankurtaran waren und dazu noch dermaßen mit Arbeit überlastet, dass wir kaum Zeit fanden, zumindest einmal in der Woche hinab in die Stadt zu fahren, um Einkäufe zu erledigen, so dass ein Trip nach Taşucu mit dem Ziel einer schnellen Wohnungsräumung und einer anschließenden Suche nach einer neuen Bleibe einfach nicht in Frage kam. Tja, der Sommer schien einen gewaltigen Riss bekommen zu haben.

 

„Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, philosophierte ich, „und umso weniger hier, in der Türkei. Lass uns dem Ganzen zwei, drei Wochen Zeit geben, vielleicht ergibt sich das von selbst …“

 

Der Ramadan fing an und für unsere Sommerwohnung zeigte zum Glück noch keiner selbst nur das geringste Interesse. Eigentlich wären wir schon längst dort gewesen, die Alte war doch wirklich doof. Sie hätte uns auch normal kommen lassen und uns zumindest zwei Wochen Zeit geben können, um die Angelegenheit zu regeln. Wahrscheinlich schien es ihr aber, dass wir es viel zu einfach hätten, und so bestand sie auf einer Räumung unmittelbar, nach unserer Ankunft.

 

Nach weiteren zwei Wochen ließ sich das Ganze jedoch nicht weiter hinauszögern, und so bestiegen wir letztendlich einen der Nachtfernbusse, um zu versuchen, aus dem Schlamassel das Beste zu machen. Dankend nahmen wir dabei die Einladung eines Freundes an, einige Tage sein Elternhaus in Kurtuluş, einer kleinen Ortschaft bei Silifke, in Anspruch zu nehmen, bis wir etwas Eigenes finden würden, wobei er uns dann beim Transport unseres bescheidenen Besitztums behilflich sein würde. Doch dies war leichter gedacht als realisierbar.

 

Aus Kurtuluş gab es nämlich nur eine recht spärliche Verkehrsverbindung nach Silifke und schon überhaupt keine nach Taşucu selbst, was unsere Beweglichkeit äußerst einschränkte. Internet kannte nur der marketçi*, bei dem dieses aber bereits seit einer Woche nicht funktionierte und keiner konnte ihm erklären, warum. Und da es damit nicht genug ist, begann die alte Hexe mit einem dermaßen argen telefonischen Terror, wann wir uns denn endlich mit unserem Gerümpel verziehen würden, dass es immer schwieriger wurde, einen kühlen Kopf zu bewahren und rationelle Schritte zu unternehmen.

 

In dieser Lage erschien auf einmal, wie vom Himmel gefallen, Hasan. Ein kleines, dünnes Männchen mit faltigem Gesicht, niedriger Stirn, abgetragenen Jeans-Shorts, aus denen kurze behaarte Beinchen herausragten, weißem Hemd und nervösen überdimensional großen Händen mit kurzen dicken Fingern mit einem breiten Goldring und abgeknabberten Fingernägeln.

 

Er bot uns an, die Wohnung mit uns gemeinsam auszuräumen und unsere Sachen zeitweilig nach Kurtuluş zu transportieren. Das war schon einmal ein Anfang. Am Abend brachte er uns noch in ein ziemlich verborgen gelegenes Internetcafé, damit wir die versäumte Arbeit erledigen konnten, wo er uns ganz nebenbei erzählte, dass er gerade am Vortag die Renovierung einer Wohnung in Taşucu abgeschlossen habe und sie gerne vermieten wolle. Wir schauten uns die Bude kurz mal an – und mieteten sie sofort.

 

In den Räumen standen noch Eimer mit Wandfarbe und es roch nach frisch gestrichenen Wänden, unser neuer Vermieter versprach jedoch gleich am kommenden Tag die Reinigungsfrau kommen zu lassen und anschließend Möbel, Kühlschrank, Waschmaschine und Kücheneinrichtung zu erwerben. Er meinte, er würde dafür so etwa eine Woche brauchen. Wir gaben ihm zwei, kauften übers Internet Buskarten zurück nach Denizli und bevor wir dann spät in der Nacht losfuhren, lud uns Hasan noch ein, bei seiner Familie dem abendlichen Fastenbrechen beizuwohnen.

 

„Na siehst du, wie schön sich doch alles von selbst geregelt hat“, freute sich Adam, während wir in der warmen, jungen Nacht auf dem Dach von Hasans unvollendetem Dorfhaus im Kreise seiner ganzen Großfamilie auf einer Matte auf dem Betonboden beim traditionellen Mahl saßen und nur mit dem Fladenbrot anstelle des Bestecks das Essen aus den Schüsseln schöpften, mit ganz vielen Kindern drumherum, Frauen in bunten şalvar-Hosen und vielen Besuchern aus der Nachbarschaft, die beinah jede Viertelstunde aus der Dunkelheit auftauchten, um in der Runde die gleichen Fragen nach unserem Wohlergehen, unserer Herkunft und dem Zweck unserer Anwesenheit im Dorf zu stellen …

 

*      der Inhaber eines kleineren Lebensmittelladens

Kriegsopfer

 

Taşucu1, ein malerisches Städtchen etwa zehn Kilometer westlich der Mündung des Göksu-Flusses in der südtürkischen Provinz Mersin, erwacht aus seinem Halbschlaf nur in den Sommermonaten. In dieser Zeit sorgt fast ausschließlich der türkische Inlandstourismus für eine Verdoppelung seiner Einwohnerzahl auf mehr als zwanzigtausend Köpfe. Eine tägliche Fährverbindung nach Kyrenia2 sorgt für einen regen Verkehr zwischen der Türkei und der Türkischen Republik Nordzypern, und dreimal in der Woche gibt es sogar ein Schiffchen bis nach Tripoli im nördlichen Libanon.

 

Die kleine Bäckerei in der Bucağı3 Straße war rappelvoll. Es war kurz vor acht in der Früh und das Thermometer zeigte bereits 33 Grad. Fatih, Bäckermeister und Inhaber in einer Person, stand verschwitzt und stolz in der Mitte seines Ladens und tauschte kurze Höflichkeitsphrasen mit seiner Stammkundschaft aus.

 

„Grüß dich, Mustafa, wie läuft’s denn so? Und was macht dein Sohn? Schon gesund? Aaaa, Ayşe hanım4, willkommen, wie geht es Ihnen, meine Dame?“

 

Vier vorbeigehende schlanke, muskulöse, schwarz gekleidete dunkle Typen um die zwanzig Jahre alt hielten an und warfen ihre schwarzen Militärsäcke auf einen der Tische vorm Eingang. Einer von ihnen blieb als Wache zurück, während die übrigen in den Laden stürmten, indem sie skrupellos von ihren Ellbogen Gebrauch machten, um sich Platz zu verschaffen. Fatih zog besorgt die Augenbrauen zusammen.

 

„Ja aber was macht ihr da, ihr könnt doch nicht einfach alles nur so anfassen …“

 

„Halt’s Maul, du Köter!“, bekam er prompt eine arabische Antwort vom kleinsten der Gruppe, der seinen kleinen Körperwuchs durch entsprechende Aggressivität kompensierte. „Wer soll dich hier wohl verstehen?“

 

„Er sagt, ihr sollt euch diese poğaça5 hier kaufen, Bruder“, übersetzte Adam, der gerade neben ihm stand. „Sie sind eben frisch aus dem Ofen herausgezogen worden.“

 

„Diese hier, oder?“, ließ sich der Araber stumpf auf das Spiel ein.

 

„Ja. Sie sind sehr lecker!“, bestätigte Adam.

 

Die drei kauften eine ganze Plastiktüte davon, bezahlten mit einer nagelneuen Hundertlira-Banknote und gingen. Fatih nickte Adam dankend zu, ich verstaute inzwischen unser dunkles Gebäck in seinem Rucksack und auch wir schickten uns an, den Laden zu verlassen.

 

 

Vor dem Eingang trafen wir sie wieder.

 

„Hast du mitgekriegt, was alle vier für weiße Wangen und Hälse haben?“, schnatterte ich laut. All die Jahre der Gewissheit, dass einen ohnehin keiner versteht, reduzierten mein Gefühl für Diskretion aufs Minimum.

 

„Sie haben vor kurzem den Bart abrasiert. Und schrei’ nicht so, bin ja nicht taub.“

 

Doch es war bereits viel zu spät. Einer von ihnen, eindeutig der Anführer der Gruppe, hob die Augen von seinem Gepäck und warf uns einen kurzen scharfen Blick zu.

 

„Seid ihr Deutsche, Bruder?“

 

„Nein, nein, wir sind von hier“, redete sich Adam heraus.

 

„Und warum sprecht ihr Deutsch miteinander? Ist deine Frau aus Deutschland?“

 

„Nein, auch von hier. Wir sind nur beide in Österreich aufgewachsen. Manchmal reden wir aus Nostalgie noch Deutsch miteinander, meistens aber schon Türkisch …“

 

„Was redet er da für einen Schwachsinn?“, wunderte ich mich.

 

„Aus Österreich sagst du?“, vergewisserte sich der Araber, wobei er merklich anfing, das Interesse an dem Gespräch zu verlieren. „Aha … Und habt ihr dort noch Verwandte?“

 

„Nein, keinen mehr. Alle sind zurückgekehrt. Es gibt dort keine Arbeit …“

 

„Hmm … Und wo hast du Arabisch gelernt?“

 

„In der Koranschule …“

 

Ich machte fassungslos den Mund auf. Adam musste wohl aufgrund der Hitze im Kopf eine Sicherung durchgebrannt sein.

 

„Deine Frau spricht auch Arabisch?“

 

„Nein, kein Wort. Frauen lernen das bei uns in der Koranschule nicht. Sie müssen das nicht können …“

 

Ich machte den Mund wieder zu und setzte mich auf ein leeres Stühlchen. Der mit dem Falkenblick schaute mich verächtlich an.

 

„Du solltest deiner Frau sagen, dass sie ihr Haar bedecken soll, Bruder!“

 

„Hüte dich, ihm etwas darauf zu antworten!“, befahl mir Adam streng auf Deutsch und zeigte dabei auf meinen Kopf. Ich nickte.

 

„Sie wird das tun, Bruder“, versprach Adam. „Wo kommt ihr denn her?“

 

„Aus Syrien. Wir sind vor dem Krieg geflüchtet.“

 

„Aha – und wollt nach Deutschland!“, ging mir letztendlich ein.

 

„Ihr habt also niemanden in Deutschland, oder zumindest in Österreich, der uns dort helfen könnte, Bruder?“

 

„Leider“, schüttete Adam teilnahmsvoll den Kopf. „Tut mir wirklich leid, Bruder?“

 

Ein gelbes Taxi, das ihnen inzwischen einer der armen Flüchtlinge mit Hilfe seines neuesten iPhone bestellt hatte, hielt vor dem Laden an. Die Jungs kannten sich offensichtlich aus. Sie stiegen ein und weg waren sie, ohne auch nur „ma’a as-salama“6 zu sagen.

 

„Was sollte das?“, fragte ich verstört.

 

„Na, hast doch selbst gesehen – syrische Flüchtlinge, was sonst?“

 

„Denkst du wirklich, ja?“

 

„Sag mal, konntest du das nicht selbst heraushören? Der Häuptling war meiner Meinung nach aus Basra, auf jeden Fall aber aus dem Südirak. Die anderen zwei Großen haben zwar nicht viel gesagt, ich nehme aber an, dass es mit ihnen auch nicht anders war.“

 

„Und der kleine Lockige?“

 

„Du bist lustig – das hast du wirklich nicht erkannt? War doch deutlich herauszuhören!“

 

„Na mir schien es fast wie tunesisches Arabisch …“

 

„Bingo!“

 

„Das ergibt doch keinen Sinn.“

 

„Ergibt es schon – in Syrien wird ihnen die Lage allmählich brenzlig und so gehen sie nach Deutschland, um sich dort zu rehabilitieren. In Deutschland hat man viel Verständnis für arme Kriegsopfer wie sie.“

 

„Du denkst, die waren vom IS?“

 

„Nein, das glaub’ ich nicht. Eher von einer der Banden der sogenannten gemäßigten Opposition, auf die der Westen so sehr setzt; könnten locker aber auch Hisbollah-Kämpfer gewesen sein, wer weiß. Ich vermute, sie waren Schiiten, der Teufel soll sich aber inzwischen darin auch auskennen. Auf jeden Fall vier tapfere Radikale auf dem Weg nach Europa, um dort den lieben Leutchen die hohen Werte ihrer Religion zu vermitteln und um sich dort tüchtig am Dialog der Kulturen zu beteiligen.“

 

„Und denkst du, sie kommen noch durch?“

 

„Mäuschen, solche Typen wissen genau, was sie zu tun haben. Spätestens in drei Tagen sind sie in München, wo sie sofort von ihren Leuten übernommen und angewiesen werden, wie sie sich präsentieren müssen, damit sie dort auch bleiben können. Die Brüder haben schon ihre Tricks, um als Flüchtlinge anerkannt zu werden – im Unterschied zu all den armen Schweinen, denen sie noch vor ein paar Tagen die Kehlen durchgeschnitten haben, und die, wenn sie es überhaupt schaffen, von dort zu verschwinden, im besten Falle in einem der Flüchtlingslager hier in Hatay landen.“

 

Wir setzten uns auf unsere Fahrräder und radelten zurück nach Hause, um vor der Arbeit noch zumindest einen Tee zu trinken und eine Kleinigkeit zu uns zu nehmen. Ich wusste selbst nicht, warum, aber das Gebäck des Bäckermeisters Fatih hatte an dem Morgen einen fremden, unangenehmen Nachgeschmack …

 

 

Taşucu, September 2015

 

1      sprich „Taschudschu“

2      Κερύνεια, türkisch „Girne“

3      sprich „Budschaăî“, wobei ă“ als „ǝ“ und „î“ als kurzer Laut zwischen „ǝ“ und „i“ ausgesprochen wird

4      sprich „Aische hanîm“, Frau Aische

5      sprich „poăatscha“, Pogatschen, runde, salzige Gebäckstücke, gebacken ursprünglich in der Asche

6      مع السلامة – wörtlich „mit Wohlergehen“, gebraucht als „auf Wiedersehen“

I.

 

Die Wohnung von Hasan war jedoch, wie sich innerhalb von wenigen Tagen nach unserem Einzug herausstellte, ein absoluter Fehlgriff. Wir verbrachten den Sommer mit dem Ausblick auf eine Schnellstraße und konnten die Fenster nicht einmal in der Nacht aufmachen, da man sonst das Gefühl hatte, all die Fernbusse, LKWs, Bauwagen, heulenden Ambulanzen, Polizeiautos und was alles noch über Räder und einen Motor verfügt, würden einem direkt am Bett vorbeifahren. Regelmäßig drei- bis viermal in der Woche schaltete man für den ganzen Tag den Strom ab und für den ganzen Abend das Wasser, und um zu unserem Sonnentempel am Wüstenstrand zu gelangen, mussten wir täglich gute dreißig Kilometer radeln. Nach zwei Monaten entschieden wir uns schließlich, mit großem Bedauern gegenüber unserem Vermieter, aufzugeben. Es ging einfach nicht.

 

„Nur noch ein letztes Mal. Am Abend packen wir und morgen fahren wir zurück nach Hause. Was wir nicht wegbekommen, bleibt einfach hier – was soll’s auch“, sagten wir uns und traten in die Pedale.

 

Bereits vor einigen Jahren war uns das letzte, alleinstehende Haus der Ortschaft, hinter dem dann auch schon gleich bereits die Wüste begann, aufgefallen. „So zu wohnen, kann man sich nicht einmal erträumen“, dachten wir jedes Mal, wenn wir daran vorbeiradelten. Nie haben wir dort aber jemanden wohnen sehen und nie kam es uns auch in den Sinn, nach dem Inhaber zu fragen. Und ausgerechnet vor diesem Haus saß an jenem Tag, an dem wir uns entschieden hatten, unser Taşucu-Experiment für immer aufzugeben, auf der staubigen Sandpiste eine riesige rotgrüne Eidechse, die sich, auch wenn wir knapp an ihr vorbeifuhren, ungestört weiter sonnte. Wir hielten an, um zuerst ein Foto zu schießen und sie dann nachträglich für alle Fälle lieber von der Straße zu entfernen.

 

„Von solchen gibt es hier ’ne Unmenge“, sagte ein alter Mann mit dem Aussehen eines Aristoteles, mit langen weißen Haaren, weißem Bart, himmelblauen Augen und der Diktion eines geschulten Redners, der plötzlich wie aus dem Nichts vor uns erschien. Er stellte sich als Üçler vor und lud uns auf einen Tee ein. Während der folgenden halben Stunde stellte sich dann heraus, dass er uns schon seit einigen Jahren beobachtet, wie wir jeden Sommer Tag für Tag in die Wüste radelten, um dort beinah den halben Tag zu verbringen, und fragte, wo wir eigentlich wohnten.

 

Wir beschrieben ihm kurz die Sachlage.

 

„In dem Falle seid ihr gerne willkommen, zu uns zu ziehen“, erklärte er anschließend ganz selbstverständlich.

 

Wir konnten es in dem Augenblick gar nicht fassen. „Hierher ziehen? In das Haus am Rande der Wüste? So etwas kann ja gar nicht wahr sein – wird wohl nur ein schöner Traum sein, nach dem beim Erwachen nur eine traurige Erinnerung zurückbleibt …“

 

Doch wir hatten es nicht geträumt: Es war wahr und Üçler meinte das tatsächlich ernst. Wir dachten daher keine Minute nach und tauschten mit ihm den Handschlag, noch bevor wir überhaupt die Mietbedingungen abgemacht hatten.

 

Der Ausblick aus der Terrasse unserer neuen Sommerwohnung war phänomenal: Hinter uns die blau-grauen Silhouetten des Taurus mit der imposanten Silifke-Festung im Vordergrund, von rechts die azurblaue Meeresbucht mit der felsigen Halbinsel des Yeşilovacık auf der gegenüberliegenden Seite, links der Akgöl-See mit seinen Hunderttausenden von gefiederten Flugbewohnern und direkt vor uns die Wüste – unsere Wüste mit unserem Sonnentempel auf dem Strand …

Der Laz1

 

Yüksel kam aus Rize. Er war ungefähr einhundertsechzig Zentimeter groß bei einer Schulterbreite von gut einem Meter, hatte kurze muskulöse Ärmchen und Beinchen mit übermäßig großen Händen und Füßen und ein pfannkuchenartiges Gesicht mit himmelblauen Augen, ein Näschen wie das einer Fledermaus, die Lippen eines Zulu-Kämpfers und die Ohren eines Elefantenjungen. Er trug eine goldene Professorenbrille und meistens ein schneeweißes Hemd ohne Krawatte, ein hellbeiges Sakko, eine ausgeleierte Jeanshose und taucherflossenartige braune Schuhe mit blaugrünen Schnürsenkeln.

 

Er war ein Teppichverkäufer und einer der größten Experten in seiner Branche, sprach perfekt Deutsch mit einem leicht schwäbischen Akzent, grauenhaft Englisch mit einem stark schwäbischen Akzent und Türkisch wie ein Laz. Er kannte sich in der türkischen Politik besser aus als der türkische Ministerpräsident selbst, in der türkischen Fußballliga besser als alle Zeitungskommentatoren des Landes zusammen, im Islam besser als der Obermufti von Mekka und im Haselnussanbau besser als die Experten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg.

 

Als wir in dem Laden als Übersetzer anfingen, dachten wir, er wäre der Generaldirektor persönlich. Eine Woche später vermuteten wir, er sei aus einer deutschen Nervenklinik abgehauen, und zwei Wochen später fingen wir an, ihn zu mögen.

 

 

Ich schlenderte langsam einen der langen Flure des riesigen Gebäudes entlang. Es gab nicht viel zu tun, die Geschäfte liefen schleppend. Der Geschäftsleiter Mehmet Kilim war nervös wie ein Schlitten im Sommer und lief aufgekratzt von Verkaufsraum zu Verkaufsraum, um die Verkäufer zu voller Leistung anzuspornen.

 

Vor einem der Verkaufsräume stand Yüksel, gestikulierte wie eine holländische Windmühle und prophezeite vor einigen Zuhörern die Ergebnisse der kommenden Wahl und ihre unmittelbaren Folgen auf die türkische Wirtschaft. Wie ein hungriger Schäferhund kam Mehmet Kilim angerannt und bremste mit Wucht vor dem grinsenden Laz.

 

„Was machst du hier?“, fuhr er ihn wütend an. „Hast du denn keinen Kunden?“

 

„Doch“, schmunzelte Yüksel und zeigte auf die Tür des Verkaufsraumes hinter sich. „Es ist ein stinkreicher Pole dort drinnen. Adam ist bei ihm.“

 

„Adam ist ein Übersetzer und kein Verkäufer! Warum lässt du ihn dort alleine?“

 

„Ja, er ist zwar kein Verkäufer, verkauft aber besser als wir alle hier zusammen. Er wird den Teppich schon loswerden und ich gehe dann nur noch hin, um den Kaufvertrag zu unterschreiben“, erklärte Yüksel mit breitem Lachen.

 

„Das weiß ich auch, du Trottel, dass Adam die Teppiche für euch verkauft – im Unterschied zu dir machen es die anderen aber zumindest ein wenig diskret. Was, wenn der Inhaber dahinterkommt? Wofür soll er euch dann bezahlen? Am Ende kann Adam hier alleine verkaufen und ihr anderen könnt nach Hause gehen! Schau zu, dass du sofort hingehst und die Initiative übernimmst!“

 

Yüksel hörte für keinen Augenblick auf zu grinsen. „Na ja, aber wenn ich die Kunden ohnehin nicht verstehe.“

 

In diesem Augenblick ging die Tür auf und Adam guckte hinaus: „Verkauft – du kannst es unterschreiben kommen …“

 

„Siehst du? Was hab’ ich gesagt!“, zwinkerte Yüksel über die Schulter dem dampfenden Mehmet zu und wackelte langsamen Schrittes in den Verkaufsraum.

 

 

Am Wochenende sollte es eine kleine Touristengruppe in unserer Filiale in Kappadokien geben und Mehmet Kilim schickte zu ihrer Abfertigung uns beide, zusammen mit Yüksel und zwei noch um einiges untauglicheren Verkäufern. Wir sollten mit einem der Firmenautos fahren und als Reise- und Speisegeld bekamen wir jeder einhundert türkische Lira. Als Leiter der Gruppe übernahm Yüksel vom Mehmet fünf nagelneue Einhundert-Lirascheine und verteilte sie.

 

Zweihundert gab er mir, damit Adam seinen Hunderter nicht noch verliert. Ebenfalls gab er jedem der anderen zwei Verkäufer einen Hunderter und der letzte blieb ihm in der Hand. Yüksel schaute ihn sich ratlos an – was sollte er nun machen? Sollte er das Mehmet sagen oder nicht?

 

Doch das Gute in ihm hat am Ende gesiegt und er ist mit dem Hunderter ehrlich zurück zu Mehmet.

 

„Chef, du hast mir zu viel gegeben“, meldete Yüksel.

 

„Wieso?“, wunderte sich Mehmet. „Ich gab dir doch genau fünfhundert, oder?“

 

„Na – ich weiß auch nicht, wieso, aber ich hab’ jedem der Gruppe einen Hunderter gegeben und schau – einer ist mir übriggeblieben …“

 

 

Wir hatten einen zehnstündigen Weg vor uns, und Yüksel entschied, ihn mit einem Toilettenbesuch zu beginnen. Gleich hinter der Stadt hielten wir daher auf einer Raststätte an und da kein anderer ein Bedürfnis verspürte, ging Yüksel alleine. Er zog seine übermäßig großen Schuhe an, krempelte den Kragen seines Sakkos hoch, schlug hinter sich die Autotür zu und verschwand im leichten Regen.

 

Nach einer guten halben Stunde tauchte er wieder auf. Er kam zum Auto, bückte sich und schnürte sorgfältig seine Schuhe auf. Öffnete die Tür und setzte sich hinein, indem er seine Füße draußen ließ, lehnte sich hinaus und zog die Schuhe aus, die er nachträglich mit der Spitze zum Auto drehte. Er überprüfte mit dem Blick, ob die Schuhe vorschriftsmäßig in einer Linie standen, zog zufrieden die kurzen Beinchen ins Auto hinein, schlug die Tür zu, machte es sich gemütlich, indem er den Sitz ein wenig nach hinten klappte – und wir konnten losfahren.

 

In Konya mussten wir unbedingt anhalten, da dort – wie Yüksel behauptete – der leckerste Kebab in der ganzen Türkei zubereitet wird. Wir parkten das Auto vor der angeblich allerberühmtesten lokanta2 des Landes und wollten aussteigen, als:

 

„Aber, aber – wo sind denn meine Schuhe?“, wunderte sich der bis zu diesem Augenblick gemütlich auf dem Beifahrersitz thronende Yüksel. „Sind sie etwa zu euch nach hinten gerutscht?“

 

Ein wenig später wurde er sich bewusst, wie viele Kilometer weit nach hinten die bösen Schuhe in Wirklichkeit gerutscht sind, was ihn sehr traurig stimmte. Er hatte sie sich angeblich noch in Deutschland gekauft und trug sie seitdem so gut wie jeden Tag. An den Schuhen war zwar inzwischen so gut wie alles ausgetauscht worden, aber Yüksel war felsenfest davon überzeugt, es wären immer noch die gleichen Schuhe.

 

Es blieb uns daher nichts anderes übrig, als unterwegs noch einmal Halt zu machen, damit unser Gruppenleiter sich neues Schuhwerk für seine Hinterflossen kaufen konnte. Der Einkauf samt Bezahlung dauerte jedoch keine fünf Minuten.

 

„Diese!“, zeigte Yüksel gleich vom Eingang in Richtung eines der Regale. „Genau die will ich haben.“

 

„Möchten Sie sie anprobieren, mein Herr?“, fragte die Verkäuferin höflich.

 

„Nicht notwendig – es ist genau meine Größe, das habe ich im Auge.“

 

„Sind Sie sicher, mein Herr? Wir haben sie auch in anderen Größen, falls sie nicht bequem sein sollten. Probieren Sie sie lieber doch mal an …“

 

„Nein, nein, mir reicht es nur kurz zu schauen und schon weiß ich sofort, ob sie mir passen oder nicht. Wo kann ich bezahlen?“

 

In Ürgüp angekommen, trug Yüksel den Karton mit seinen neuen Schuhen auf sein Hotelzimmer wie einen Schatz. Zum Frühstück erschien er aber wieder in den Latschen.

 

„Wo hast du denn deine neuen Schuhe?“, wunderte ich mich.

 

„Ja, die Schuhe“, kratzte sich Yüksel verlegen hinter seinem linken Elefantenohr. „Naa, hmm, die sind mir ein wenig zu klein. Ich weiß auch nicht – irgendwie mussten neulich meine Füße wohl um ein paar Zentimeter gewachsen sein …“

 

 

„Warum bist du eigentlich weg aus Deutschland, Yüksel?“, fragte Adam während der Rückfahrt.

 

„Ach, was soll ich in Deutschland? Hier ist es doch viel schöner!“

 

„Ja schon, du hast Recht, die Türkei ist sehr schön – aber du hast dort doch studiert, bist deutscher Staatsbürger …“

 

„Es ist mir dort viel zu stressig und viel zu kalt. Alles ist teuer, die Menschen sind immer nervös, neun Monate im Jahr regnet es nur und jede Kleinigkeit ist entweder ein Problem oder gleich ganz verboten.“

 

„Wie, teuer?“, wunderte sich Adam. „Als Ingenieur kannst du dort bestimmt das Doppelte von dem verdienen, was du hier als Teppichverkäufer hast.“

 

„Das stimmt zwar schon, aber da dort alles viermal teurer ist, ist der doppelte deutsche Lohn nur die Hälfte des türkischen wert, also verdiene ich in Wirklichkeit hier das Doppelte von dem, was ich in Deutschland verdienen würde. Und dazu noch im Warmen und ohne Stress!“

 

Wir mussten beide zugeben, dass uns seine laz’sche Logik sehr nahestand.

 

 

Yüksel musste uns nicht zweimal fragen, ob wir ihn mal besuchen würden. Wir kamen gerne – waren selbst neugierig, wie so ein Laz wohl wohnen mag. In seiner Straße angekommen, rief ihn Adam lieber kurz an, um von ihm zu erfahren, in welchem der vielen nahezu identisch aussehenden Häuser wir ihn finden konnten.

 

„Bleibt, wo ihr seid – ich hole euch ab“, entgegnete Yüksel, und tatsächlich nicht einmal in fünf Minuten stand er grinsend vor uns. „Folgt mir, Fremdlinge!“

 

Er marschierte sicheren Ganges in eines der Häuser ein und wir folgten ihm. Wir gingen an einer Küche vorbei, wo eine ältere Frau mit Kopftuch etwas kochte. Als sie uns sah, erschrak sie. Wir grüßten höflich und sie ließ daraufhin den Kochlöffel fallen. Da bog aber bereits Yüksel ins Wohnzimmer ab und wir trotteten ihm nach.

 

„Setzt euch“, forderte uns Yüksel auf und nahm selbst Platz in einem der Sessel. „Was wollt ihr trinken? Ihr trinkt doch keinen Kaffee, oder? Wollt ihr einen echten Tee aus Rize, den besten Tee auf der ganzen Welt?“

 

Ein etwa fünfzigjähriger Mann mit einem riesigen Bauch im schmuddeligen Unterhemd und einem gewaltigen Schnurrbart, der sich zuvor gemütlich auf der Couch vor dem Fernseher gewälzt hatte, setzte sich aufrecht.

 

„Was brauchst du, Yüksel, ist etwas passiert? Und wer sind die Herrschaften?“

 

„Allah, Allah!“, sprang Yüksel panikartig aus seinem Sessel. „Das ist ja gar nicht mein Haus!“

 

1      eigentlich der „Lase“, Angehöriger eines der südkaukasischen Völker an der südöstlichen Schwarzmeerküste

2      Gaststätte

II.

 

Direkt vor den Fenstern unserer Küche liegt ein kleiner, vom Rest des Grundstücks mit einem Zaun abgetrenntes Stück des Gartens mit vier jungen Olivenbäumen, zwei Orangenbäumchen und einigen Rebstöcken, geschmückt an beiden Enden durch aus verschiedenen Brettern und Holzstücken wild zusammengenagelten Schuppen. Dies war das sogenannte „Vogelparadies“, bewohnt von den verschiedenartigsten Hühnerarten, die diese Erde jemals getragen hatte, alle in Paaren, manche dabei sogar als Einzelexemplare. Es gab von ihnen gute fünfzig Stück und Üçler, der von uns mit der selbsterfundenen deutschen Variante seines Namens zu „Dreiling*“ umgenannt wurde, war sehr stolz auf sie.

 

„Sie sind jetzt, tabii** eine Investition, die sich aber auf jeden Fall sehr lohnt“, erklärte er uns ernsthaft. „Ich muss sie zwar füttern und mich auch weitgehend um sie kümmern, doch dies wird sich gewiss schon bald lohnen, denn in Kürze werden sie zumindest fünfzig Eier täglich haben, da aber die meisten von ihnen leicht zweimal am Tag ein Ei legen können, können es auch durchaus hundert werden. Es werden organische Eier sein, denn ich füttere sie ja auch organisch. Hier bei mir ist alles organisch, hepsi organik, hepsi natural***!“

 

Es war uns zwar unklar, wie die armen Vögel eine derartige Produktion schaffen sollten, zumal eine gute Hälfte von ihnen Hähne waren, wir wollten allerdings Dreiling die Illusion des künftigen Eierreichtums nicht zerstören und so widersprachen wir ihm nicht. Die Realität sah jedoch ein wenig anders aus: Die Gackgacks legten nämlich gar nicht so viele Eier, wie sich ihr Inhaber vorstellte, aber auch nicht nur weniger – sie legten überhaupt keine.

 

Stattdessen jagten sie einander und prügelten sich untereinander so gut wie den ganzen Tag hindurch, versuchten einander am Abend aus den Schlafplätzen zu verjagen und sich gegenseitig um so viel Futter zu bringen, wie jedes Pärchen es nur schaffte, woraufhin die Verlierer regelmäßig den Zaun überflogen, fest entschlossen, sich in der Nacht lieber von den Schakalen fressen zu lassen, als dieses Paradies mit den anderen zu teilen. Besonders dominant waren dabei zwei indische Federviecher, beinah um das doppelte größer als die anderen, die regelmäßig zu zweit diesen oder jenen ihrer gefiederten Genossen in eine Ecke trieben, um dort die arme Kreatur mit ihren langen Schnäbeln richtig fertigzumachen.

 

„Die großen werden besonders große Eier haben“, schwelgte Dreiling, völlig blind für das, was sich direkt vor seinen Augen abspielte. „Die werde ich für’s Doppelte verkaufen!“

 

 

Vorm Essen brachte ich den armen Kreaturen das abgeschnittene Grünzeug, was nach dem Reinigen von Obst und Gemüse normalerweise auf dem Kompost landen würde, während Adam auf der Veranda das Essen servierte. Ich hatte eigentlich vor, es ihnen einfach über den Zaun zu werfen, und zwar in verschiedene Richtungen, damit ich den Kampf unter ihnen zumindest ein wenig zerstreue, wenn man ihn schon nicht verhindern konnte.

 

„Aber, aber – was machst du da?“, rief Dreiling, dem auch nie etwas entgehen konnte. „Wie wirfst du ihnen das Futter? So geht das doch nicht – du musst damit schön zu ihnen hinein.“

 

Folgsam machte ich das Tor auf und machte mich bereit hineinzuschreiten.

 

„Halt! Du musst schon Latschen anziehen, sonst trägst du den ganzen Mist in den Garten.“

 

Ich kehrte zurück und holte mir Latschen.

 

„Und jetzt mach das Tor hinter dir zu und gehe bis in die Mitte“, lautete die nächste Anweisung.

 

Ich tat, was er wollte, und fing endlich an, das Grünzeug in verschiedene Richtungen zu werfen.

 

„Nein, um Gottes Willen – so kannst du das doch nicht machen!“, schrie Dreiling. „Du musst das schön vor dich auf einen Haufen legen.“

 

Was blieb mir anderes übrig? Ich legte die Gemüsereste hin und das Ergebnis war ein Prügelhaufen von Vögeln, aus dem in alle Richtungen ausgerupfte Federn flogen.

 

„Maşallah, sind die großen aber stark!“, prahlte Dreiling. „Was für Eier die haben werden!“

 

Ich reinigte die Latschen, wusch mir die Hände und ging endlich essen. Die ganze Prozedur dauerte zwanzig Minuten, während derer das Mahl kalt wurde. Ich fühlte mich elend. Lustlos stocherte ich im Teller herum. Nach einigen Minuten erschien Dreilings Frau, Selma, mit einer Schüssel voller Grünzeug wie ich vorhin. Sie stellte sich hinter den Zaun und schmiss ihren Inhalt in alle Richtungen, so wie ich es tun wollte.

 

„Wasch dir die Hände und komm essen“, befahl sie dann in Richtung ihres Mannes, der, ohne ihr Vorgehen nur mit einem einzigen Wort zu kommentieren, sofort gehorchte.

 

 

Es vergingen Wochen, vergingen Monate und die Vögel legten weiterhin keine Eier, nur die Rivalität unter ihnen intensivierte sich. Jeden Abend ging ich Selma helfen, die abgehauenen Einzelgänger wieder einzufangen, damit sie nicht in der Nacht als ein jämmerlicher Federhaufen im Schilf des Akgöl-Sees endeten, woraufhin wir ihnen Getreide hinwarfen.

---ENDE DER LESEPROBE---