Das Haus der sprechenden Tiere - Helge Timmerberg - E-Book

Das Haus der sprechenden Tiere E-Book

Helge Timmerberg

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Beschreibung

Shakespeare für Katzen: Ein Drama unter Haustieren Allzu ungleiche Partner – das geht in der Liebe nicht unbedingt gut. Aber es erhöht die Leidenschaft: In einem marokkanischen Sommerhaus, einer lauschigen Kommune aus Menschen und Tieren, ist die Hölle los, als sich Putzi, die Katze, und Haluf, das Ferkel, ineinander verlieben. Vorerst funktioniert die Beziehung, obwohl sie ein Einzelgänger ist und er ein Familientier. Doch nach einem Unfall fällt Haluf ins Koma, und die Geschichte einer großen Liebe droht als Tragödie zu enden …

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Helge Timmerberg

Das Haus der sprechenden Tiere

Eine Fabel

Für Amanda, Maielin und Milan

Wer immer es geschafft,

dass er im Märchen Wahrheit sah,

dem wurde Wahrheit märchenhaft,

und Märchen wurden wahr.

Chingachgook, das letzte Chamäleon

1. Putzi spricht

Mein Name ist Putzi. Ich bin drei Jahre alt und ziemlich begehrt. Drei Kater kämpften auf dem Dach meines Hauses um mich. Rubin hat gewonnen. Der Glückspilz. Erst gestern sagte einer der fünf Sultane wieder, dass ich ganz zweifelsfrei die schönste Katze von Marrakesch sei. Ich strich dafür mit meinem Schwanz um sein Bein.

Mein Schwanz ist hier so etwas wie eine Attraktion. Er ist nicht nur länger und kräftiger als die Schwänze der anderen Katzen aus dem Viertel, er ist vor allem viel buschiger. Wenn ich ihn im Zorn aufrichte, flüchtet selbst Rubin vor mir. Ich meine, was bildet der sich ein? Eine eheähnliche Gemeinschaft? Nicht mit mir. Ich hole mir Sex mit wechselnden Partnern auf dem Dach, aber der Patio gehört mir allein. Na ja, Omar gehört er auch ein bisschen. Er ist der Großwesir in diesem Laden, und natürlich würden alle Marokkaner zu ihm nur Hausmeister sagen, aber die fünf Sultane bestehen auf ihrem Märchen. «Wer die Band bezahlt, bestimmt die Musik», hat Omar dazu gesagt.

Ich will nicht unfair sein. Omar ist mehr als nur einer, der auf das Haus aufpasst. Er passt auf alle auf. Auf die Sultane, auf die Freundinnen der Sultane, auf die Huren der Sultane, er passt auch auf Speedy auf, Speedy, die Schildkröte. Sie ist das einzige Überbleibsel aus der Zeit, in der mein Riad wie eine Arche Noah aussah, weil das nun mal der Traum von Sultan Peter war. Seine Freundin, die Sultana Juliana, träumte diesbezüglich synchron, beide konnten an keinem Tier in Marrakesch vorbeigehen, das zum Verkauf angeboten wurde. Die meisten waren illegal. Und blöd. Damit kein Missverständnis aufkommt: Ich gehöre nicht zu der Flut dieser halbverhungerten Basarschnäppchen, denen Sultan Peter hier das Paradies versprach. Ich wurde von der Köchin ins Haus gebracht. Sie wohnt am Stadtrand, also wüstennah, aber mehr weiß ich darüber beim besten Willen nicht zu erzählen. Ich war erst drei Wochen alt, als man mich der Ödnis entriss, weil Sultan Walter für seinen Sohn ein Kätzchen in Auftrag gegeben hatte.

Sultan Walter ist der Chef von Sultan Peter. In der anderen Welt. Omar hat mir ein bisschen von Berlin erzählt, aber ich misstraue in diesem Fall seinen Ausführungen, denn er war, genau wie ich, noch niemals da. Und die Sultane selbst erzählen mir nichts, ich nehme an, sie wissen nicht, dass ich sie verstehen kann. Allein Omar weiß es. Omar weiß viel, doch über Berlin weiß er nicht mehr als ich, und zusammen wissen wir nur, dass in Berlin Sultan Walter der Chef von Sultan Peter ist. Aber in Marrakesch nicht. In Marrakesch sind alle Sultane gleich. Selbst Sultan Frank. Er ist eine Ausnahme in diesem Kreis, weil er weder Chefredakteur noch stellvertretender Chefredakteur einer großen Zeitung ist, und er ist auch kein Verleger einer kleinen Zeitung, wie Sultan Patrick aus der Schweiz, er ist nicht einmal ein Autor wie Sultan Tim, nein, Sultan Frank ist Fotograf. Trotzdem: dasselbe Stimmrecht.

Ich liebe ihre Märchen-Demokratie, denn wäre es nach ihrer Berliner Hierarchie gegangen, hätte ich jetzt den bescheuertsten Namen der Welt. Prinz Clemens, der Sohn von Sultan Walter, wollte mich Anke-Marta nennen. Erstens, weil er einen inzwischen verstorbenen Kanarienvogel gleichen Namens gehabt hat, und zweitens, weil er in mir die Reinkarnation dieses Vogels zu sehen glaubte; nein, er glaubte es natürlich nicht wirklich, er hatte sich nur für den Moment dazu entschlossen, es so zu sehen. Gott sei Dank war die Reaktion der anderen vier eindeutig. «Nee, Clemens, nee. Warum sollte sich ein Vogel in ein Tier verwandeln, das Vögel frisst?», fragte Sultan Tim. Warum nicht, dachte ich. Damit konnte ich leben. Aber warum konnte er seinen leckeren Kanarienvogel nicht Leila nennen, oder Aisha? Wir haben viele Namen in Marokko, die ein Kätzchen glücklich machen. Sultan Frank sah das genauso. «Fatima», sagte er. Und alle lachten. Nur Omar lachte nicht, obwohl er natürlich auch wusste, dass im «Monte Carlo» jede zweite Hure die Touristen mit «Me, my name is Fatima» begrüßt. «Es ist ein heiliger Name», sagte Omar. «Eine der Töchter Mohammeds hieß Fatima. Wir können unmöglich eine Katze nach ihr benennen.»

Das war der Stand der Dinge eine halbe Stunde nach meiner Ankunft im Riad Sania 6, Medina, Marrakesch, und abgesehen von den Spinnern, die hier um mich herumsaßen und nach einem Namen für mich suchten, gefiel mir das Haus ausnehmend gut. Der Patio, etwa zehn Meter lang und sieben Meter breit, war mit schwarz-weißen Karos wie ein Spielbrett gefliest, in der Mitte befand sich ein Brunnen, und die zwei großen Bäume des Innenhofs hörten sich recht vielversprechend an. Katzen ist die Liebe zu Vogelgezwitscher angeboren.

«Putzi!» Sultan Tim sprang auf. «Putzi, sie heißt Putzi!»

«Ja, Putzi!», rief Omar.

«Putzi ist nicht schlecht», sagte Sultan Peter, «aber bedenke, Tim, wir haben schon die Putzfrau im Hotel ‹La Magie de l’Orient› Putzi genannt. Was wird sie denken, und noch wichtiger, was wird sie fühlen, wenn sie erfährt, dass wir alle Muschis in Marrakesch so nennen?»

Drei Tage später schleppte Sultan Peter die ersten neun (!) Kandidaten für seine Arche Noah an. Chamäleons, nicht so groß wie Mäuse, hässlich wie die Nacht und so langsam, dass ich sie auch im Ganzkörpergipsverband binnen Sekunden hätte abmurksen können. Aber sie ließen mich ja nicht. Tags darauf kam Speedy. Bei den Echsen wie bei der Schildkröte faszinierte Sultan Peter die Zeitlupe, in der sie lebten. Eine Faszination, die für mich schwer nachvollziehbar war, weil Sultan Peter die Chamäleons weder essen wollte noch als etwas betrachtete, an dem man die Jagd und das Töten spielerisch erlernen kann. In null Komma nix war dann auch noch Aka im Haus, Aka, der Wüstenwaran. Von irgendeinem Kriminellen in der Sahara dem Schatten eines Steins entrissen und in einem dunklen Korb über den Hohen Atlas nach Marrakesch gebracht, fand sich Aka in meinem Riad wieder – und alle haben Schiss vor ihm gehabt. Er war eine Mischung aus Dinosaurier, Drache und Kröte, und er fauchte und fluchte und schlug mit seinem harten, zackenbesetzten Schwanz nach allem, was nicht aus der Urzeit stammte. Als Aka damals zu uns kam, war er etwa einen halben Meter lang.

Eigentlich war es zu heiß. Wir hatten schon die ganze Woche Temperaturen zwischen 42 und 44Grad zu beklagen, und als dann am Morgen dicke Wolken am Himmel aufzogen, hofften wir auf Abkühlung durch ein Gewitter. Doch der Wind kam aus der Wüste und brachte uns lediglich Sand in den Riad. Wer jetzt nur ein- und auszuatmen plante, verstand die Zeichen der Zeit. Ab Mitternacht ging es, da wurde die Lust auf Aktivitäten wieder wach. Aber nur die Lust drauf. Wie wäre es, wenn jetzt ein Chamäleon vom Baum fiele? Was würde es auf dem schwarz-weiß gekachelten Boden mit seinem Leben anfangen? Mit seiner Geschwindigkeit bräuchte es locker dreißig Minuten, um an irgendeinem Ende des Patios anzulangen. Für ein Chamäleon, das kommt dazu, ist das kein Innenhof, für ein Chamäleon hat das Ganze die Dimension eines Hochplateaus mit unheimlicher Beleuchtung. Nur Kerzenlicht. Ich fand es leicht übertrieben. Auf der Schale des Springbrunnens brannten sieben, auf der Umrandung des Brunnenbeckens vierzehn, unter den Bäumen, in den Bäumen, in den Fenstern zu den Innenräumen: überall Kerzen, solo oder Kerzen in kleinen Lampen, auf der Treppe, auf den Tischen oder einfach nur auf dem Boden. Das Licht flackerte mit unzähligen Flügeln über die schwarz-weißen Karos meines Innenhofs, und das kleine Chamäleonlein wusste möglicherweise nichts von der Bestie, die hier wohnt. Vielleicht sollte ich etwas für seine Allgemeinbildung tun.

Die Hitze nahm zu. Warme Luft zirkulierte in Säulen durch den Riad, die Menschen verblödeten. Das Tröstliche daran ist, dass nur die ohnehin schon Blöden weiter verblöden, weil die Schlauen, wie mir Omar erklärte, in dieser Jahreszeit nicht in Marrakesch sind, sondern in Essaouira oder Agadir. Dort ist das Meer. Dort ist der Wind. Oder sie sind noch schlauer und haben genug Geld verdient, um nach Europa zu reisen, wie unser Nachbar, der Antiquitätenhändler Habib. Omar musste den Gedanken nicht weiter ausführen. Ich verstand auch so. Das Schicksal hatte mich unter Leute geworfen, die nicht wissen, was sie tun.

Der Eindruck verstärkte sich, als die Sultana Juliana mit einem Streifenhörnchen vom Basar zurückkam. Eichhörnchen, sagte sie, seien die Lieblingstiere ihrer Kindheit, und dieses Streifenhörnchen sehe nun mal ganz schön eichhörnchenmäßig aus. «Damit hast du nicht so unrecht», sagte Sultan Frank. «Sie gehören zur selben Familie. Das Streifenhörnchen ist ein afrikanisches Eichhörnchen. Es ist nur ein bisschen größer als unseres und hat ein dunkleres Fell. Wie wollen wir es nennen?» Es wurden etwa zwanzig Namen genannt, unterm Strich kam «Rambo» heraus. Rambo hockte derweil bewegungslos in dem Käfig, den die Sultana Juliana ebenfalls auf dem Basar gekauft hatte.

Problem dieser Anschaffung wurde, dass es sich erstens nicht um einen Streifenhörnchen-Käfig, sondern um einen Vogelbauer handelte; und dass zweitens die Gitterstäbe dieses Vogelbauers aus einem Material waren, das afrikanische Streifenhörnchen essen. Käfig mit Hörnchen wurde unter einen der Bäume gehängt, hoch genug, dass ich nicht drankam, und tief genug, dass sie ihn auf Augenhöhe hatten. Sie gaben ihm Nüsse und Müsli, und weil Sultana Juliana meinte, auch ein afrikanisches Streifenhörnchen habe ein Recht auf Rückzug und Privatsphäre, wurde ein kleiner Sack in seinen Käfig gelegt, in dem sich Rambo auch tatsächlich die erste Zeit versteckte.

Das Streifenhörnchen war gerissen. Es labte sich nur an den Gitterstäben, wenn niemand zusah. Und als die Sultane die Löcher entdeckten und einen Käfig mit Eisengittern für Rambo kauften, machte er plötzlich auf handzahm. Er ließ sich streicheln. Er wurde putzig.

Hat Putzi eben putzig gesagt? Habe ich das wirklich? Es gibt nichts Putzigeres als mich. Trotzdem, ich gebe es zu, wurde ich eifersüchtig. Das Streifenhörnchen genoss eine Aufmerksamkeit, die ihm in meinem Patio nicht zustand. Alle liebten es, alle quetschten ihre Finger durch die Gitter, damit es ihre Liebe fühlen konnte. Auch die marokkanischen Handwerker, die Sultan Peter engagiert hatte, damit sie für das Schnäppchen von vorgestern (Aka) auf dem Dach ein Terrarium bauen. Es war einfach nicht länger zu tolerieren, dass der Wüstendrache unter einem der Kanapees im Patio wohnte und niemand wusste, was er da eigentlich tat.

Vier neue Kanapees und fünf Sultane, das war eins zu wenig, aber inzwischen stand auch der Tisch mit den neun Stühlen im Innenhof, das heißt, sie drängelten sich nicht um das Kanapee, unter das sich Aka verkrochen hatte. War er schon tot? Man musste sich auf den Bauch legen, um nach dem Rechten zu sehen, was Sultan Peter auch immer wieder tat. Er versuchte, dem neuen Haustier eine emotionale Beziehung aufzudrängen, die anderen dagegen versuchten, Akas Kanapee zu übersehen, und wenn doch mal ihr Blick darauf fiel, erschauderten sie. Und ich wäre die Letzte gewesen, die dafür kein Verständnis aufgebracht hätte.

Der Bau des Käfigs – fünf Meter lang, drei Meter breit – dauerte. Drei Zoll dicke Gitterstäbe, wenn’s geht aus Stahl, hatte Sultan Peter für Akas neues Zuhause auf dem Dach in Auftrag gegeben, nachdem er im Internet erfahren musste, dass Wüstenwarane etwa so groß wie Krokodile werden. Ich hätte deshalb gern einen Hühnerkopf darauf gewettet, dass der Käfig nicht «tomorrow» fertig wird, wie Omar meinte. Er meinte es auch nicht. Er sagte es ohne «inschallah».

Ewiges Missverständnis Inschallah. Für die Sultane ist es die Phrase des Fatalismus schlechthin. Für Omar ist es das exakte Gegenteil. Wenn Omar sagt, dass Akas Käfig «tomorrow» fertig wird, obwohl er genau weiß, dass das Blödsinn ist, würde er niemals ein «so Gott will» hinterherschicken, weil er Gott nicht zu Blödsinn nötigen möchte. Nur wenn sich Omar hundertprozentig sicher ist, dass Akas Käfig einen Tag vor der Fertigstellung steht und allein noch ein Blitz, ein Sturm, ein Erdbeben, ein Feuer oder eine Revolution dazwischenkommen können, nur dann würde er «inschallah» sagen. Der Mensch macht Pläne, Gott macht Schicksal, Katzen machen Katzen.

Ich scherze, gewiss. Ich war ein sieben Wochen altes Kätzchen. Ich wusste noch nichts von dem Dach und seinen Sitten. Ich kam ja nicht einmal die Treppe hoch. Ich nahm es übrigens den Sultanen mächtig übel, dass sie sich darüber amüsierten. Was glauben die, wie hoch so eine Stufe für mich ist? Dreimal so hoch wie ich. Springen die Sultane aus dem Stand vom Hof in den ersten Stock? Ich glaube nicht. Beim ersten Versuch knallte ich mit dem Kopf gegen die Stufe, und das war’s. Beim zweiten Versuch kam ich immerhin mit den Pfoten über den Rand und zappelte ein bisschen. Aber beim dritten trieb mich bereits die kalte Wut über ihr Lachen an. Und: voilà! Es war vollbracht. Putzi stand auf dem Siegertreppchen.

Unsere Köchin hieß Naschad. Die Sultane waren mit ihr sehr zufrieden, auch weil sie so schön war. Sie war Anfang dreißig, geschieden und alleinerziehend. Deshalb brachte sie immer häufiger ihre Tochter mit. Zahara war zwölf und geriet nach ihrer Mutter. Der ebenfalls zwölfjährige Sohn von Sultan Walter hatte keine Chance. Prinz Clemens verliebte sich auf der Stelle und so heftig, dass er kein Wort erwidern konnte, wenn sie ihn ansprach. Er verkaufte seine Schüchternheit durchaus geschickt als Desinteresse, was auch hätte klappen können, wenn ihm nicht dabei das Blut ins Gesicht geschossen wäre, und zwar feuermelderrot. Zahara nutzte das aus. Sie spielte auf seinem Laptop seine Computerspiele, sie sah seine DVDs, sie filmte mit seiner Kamera, sie hörte seine CDs, sie las seine Comics und trank seine Cola. Und nach und nach taute Clemens auf.

Zahara war nicht besonders tierlieb. Es sah nur so aus. Um Speedy Wasser zu geben, hat sie ihn im Brunnen versenkt, und wäre ihre Mutter nicht dazwischengekommen, hätte die Schildkröte mit Sicherheit mächtig einen über den Durst getrunken. Mit den Chamäleons erging es Zahara wie mir, nur dass sie nicht geduldig wartete, bis mal eines vom Baum fiel; sie benutzte einen Besenstiel, um sie runterzuholen. Was Aka betraf, nun, sie hüpfte auf seinem Kanapee, erst sitzend, dann stehend, wie auf einem Trampolin.

Natürlich sah auch Prinz Clemens all das, aber er sah es im Licht seiner rosaroten Brille. Für ihn war Zaharas Verhalten uns gegenüber keine Tierquälerei, sondern eine Art wissenschaftliches Interesse. Können Chamäleons fliegen? Sind Schildkröten U-Boote? Was machen Warane, die glauben, ihre Höhle werde mehrmals hintereinander von Kometen getroffen? Und, ach ja, was macht eigentlich ein Streifenhörnchen, das noch nie einen Mucks von sich gegeben hat, wenn man endlich mal die Tür seines Käfigs öffnet? Ich war echt beeindruckt. Ich meine, ich lief die zehn Meter von der Treppe bis zur Küche inzwischen in einer Sekunde und die sieben Meter von Sultan Peters Gemächern bis zu dem Raum, den sie abwechselnd «Office» und «Salon» nannten, in 0,7.Aber wir sprechen hier von Schub am Boden. Nicht von Beschleunigung an Bäumen. Rambo war so schnell in ihren Kronen und dann auf dem Dach und damit für immer verschwunden, dass man vermuten könnte, er sei geflogen.

Die Trauer über seine Flucht war beträchtlich. Aber als Naschad ihrer Tochter ein paar halbherzige Ohrfeigen verpasste, schlug die Stimmung schnell wieder zugunsten Zaharas um. Sie sei ja noch ein Kind, ein entzückendes dazu, und für Rambo sei sie sogar eine Art Jeanne d’Arc gewesen. Wieso? Hat Jeanne d’Arc Streifenhörnchen befreit ? Rambo war also über alle Dächer, und wir wünschten ihm von Herzen, dass er unversehrt den Stadtrand erreichte. Bei seinen Fähigkeiten war das durchaus denkbar.

Der Wind hatte sich gedreht, die Temperaturen gingen runter, und die Handwerker wachten auf. Akas Käfig wurde fertig. Nachdem Aka aufs Dach umgezogen war, traten in meinem Garten wieder gottgewollte Zustände ein. Mensch liebt Kätzchen. Und Kätzchen lässt sich das gefallen. Jeder hatte seine Technik. Sultan Frank war sehr zärtlich. Er streichelte mich mit einer Inbrunst, in der viel Traurigkeit steckte. Er schien etwas verloren zu haben, der Arme, etwas, das er nie wiederbekommen würde, und gleichzeitig spürte ich in seinen Händen eine fast wütende Sinnlichkeit.