Das Haus Zamis 49 - Peter Morlar - E-Book

Das Haus Zamis 49 E-Book

Peter Morlar

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Beschreibung

Voller Spannung vertieft Coco sich in die Lektüre der DÄMONENVITA ihres Vaters. Woher stammen die Zamis? Weshalb floh Michael Zamis einst aus Russland? Je länger Coco in der Zamis-Biografie liest, desto klarer wird ihr, dass die Ereignisse von damals mit ihren heutigen Problemen in Zusammenhang stehen.
Auch Asmodi setzt alles daran, in den Besitz der Dämonenvita zu gelangen. Noch ist ihm der Zugang zu Schloss Laubach durch einen Fluch, den der Bibliograf aussprach, verwehrt - doch schon bringt das Oberhaupt der Schwarzen Familie seine Schergen in Stellung, um die Festung Laubach zu stürmen ...


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DIE SCHÖNE UND DER BIBLIOGRAF

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.

Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Aber das Glück ist nicht von Dauer. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So schickt Asmodi den Dämon Gorgon vor, der Wien und alle seine Bewohner zu Stein erstarren lässt – und die Stadt komplett aus dem Gedächtnis der Menschheit löscht. Nur Coco kann im letzten Augenblick entkommen, allerdings hat sie jede Erinnerung an ihre Herkunft verloren ... Kurz darauf wird Coco in einem geheimnisvollen Labyrinth mit Teilen ihrer Erinnerungen konfrontiert: In einer Vision findet sie sich in Wien wieder und steht ihrer versteinerten Familie gegenüber. Mehr denn je fühlt Coco sich nun verpflichtet, etwas gegen Gorgons Fluch zu unternehmen.

Ein erster Hinweis führt sie zum Schloss Laubach in Deutschland, wo sich eine uralte Dämonenbibliothek befindet. Coco stößt auf die Dämonenvita ihres Vaters, ein magisches Buch, das von einem affenartigen Wesen unter Verschluss gehalten wird. Diese Kreatur – der Bibliograf – verfasst die Lebensläufe unzähliger Dämonen für die umfangreiche Schlossbibliothek. Coco gelingt es, das Buch an sich zu bringen und das Vertrauen des Bibliografen zu gewinnen. Woher stammen die Zamis? Bisher weiß Coco nur, dass ihr Vater einst aus Russland nach Wien emigrierte und dort rasch eine herrschende Rolle innerhalb der Schwarzen Familie einnahm. Doch weshalb ist Michael Zamis überhaupt aus Russland geflohen? Je länger Coco sich in die Zamis-Biografie vertieft, desto klarer wird ihr, dass die Ereignisse von damals mit ihren heutigen Problemen in Zusammenhang stehen.

Inzwischen setzt auch Asmodi alles daran, in den Besitz der Dämonenvita zu gelangen. Noch ist ihm der Zugang zu Schloss Laubach verwehrt – durch einen Fluch, den der Bibliograf aussprach. Doch schon bringt das Oberhaupt der Schwarzen Familie seine Schergen in Stellung, um die Festung Laubach zu stürmen ...

DIE SCHÖNE UND DER BIBLIOGRAF

von Peter Morlar

10. Januar 1869

»Wo zum Teufel bleiben sie nur?«

»Sie werden sicher gleich kommen, Herr.«

Jeffim Jankowitsch warf einen Blick auf seine goldene Taschenuhr und musterte vorwurfsvoll die hagere dunkelblonde Frau, die mit gesenktem Haupt hinter ihm stand. »Wann, Ljudmilla? Sie hätten schon vor Stunden wieder hier sein müssen.«

»Der Schneesturm, Herr ...« Sie deutete auf das beschlagene Fenster.

»Das hilft meinem Weib auch nicht weiter!« Jankowitsch wischte – zum wievielten Mal in der letzten Stunde? – mit dem Ärmel über die Scheibe. Das Bild blieb das gleiche. Seit Tagen schon peitschte der orkanartige Wind Schnee und Eis über das Land. Rüttelte ungeduldig an Türen und offen stehenden Fensterläden. Pfiff durch sämtliche Ritzen und Fugen, die er auf Jankowitschs Gehöft finden konnte. Die Dächer von Haupthaus und Ställen ächzten unter der Last der Schneemassen, im Gebälk knackte es verdächtig.

1. Kapitel

»Nur noch etwas Geduld, Herr. Auf den Genossen Doktor ist Verlass.« Ljudmilla schlang die Arme um ihren Körper, als ob sie fröre. »Normalerweise«, fügte sie leise hinzu.

»Hoffentlich ist es dann noch nicht zu spät.«

Die Magd versuchte ein Lächeln. »Euer Weib wird euch sicher einen stolzen Stammhalter gebären. Einen richtigen Jeffimowitsch.«

Es sollte wohl aufmunternd klingen.

Etwas krachte dumpf.

Jeffim Jankowitsch verdrehte die Augen und bedachte den sehnigen Mann, der mit einem Schürhaken die Holzscheite im Kamin umdrehte, mit einem zornigen Blick.

Stanislaw, der Stallknecht, hob verlegen die Schultern.

»Hast du Langeweile?«, herrschte Jankowitsch ihn an. »Dann sieh nach, wo der Doktor bleibt. Bestimmt hat er sich verlaufen.«

Er glaubte zwar selbst nicht daran, aber irgendwie musste er sein Gewissen beruhigen. Anna, sein Weib, lag in den Wehen. Wahrscheinlich war die Fruchtblase geplatzt, und die Niederkunft stand unmittelbar bevor. Schon heute Nachmittag hatte er Juri, seinen Vorarbeiter, nach dem Arzt geschickt. Weder er noch der Doktor waren bislang eingetroffen.

Jeffim wusste seine Frau bei Olga, der ebenso betagten wie beleibten Haushälterin, in guten Händen. Die rüstige Babutschka hatte selbst elf gesunden und mittlerweile erwachsenen Kindern das Leben geschenkt, aber eine Geburt als Hebamme durchzuführen, traute sie sich wahrlich nicht zu.

Jankowitsch löste den Blick vom Fenster und folgte Stanislaw, der ihm in den Hausflur vorausgeeilt war. Der Stallknecht hielt bereits eine Laterne in der Hand, die er umständlich entzündete. In den dicken Wollmantel, den er sich übergeworfen hatte, hätte er gut und gern zweimal hineingepasst. Das scharf geschnittene Gesicht mit den kantigen Zügen verschwand unter der fellbesetzten Mütze.

Stanislaw zog die Tür auf, musste sich mit dem ganzen Gewicht dagegenstemmen, als der Sturm sie aufzusprengen drohte. Der Wind heulte wie ein gequältes Tier und wirbelte Schneeflocken durch den Spalt. Sie vergingen, noch bevor sie den Boden berührt hatten.

Jankowitsch zwirbelte indes nervös die Enden seines Vollbarts, ein Gespinst aus borstigen, rostroten Haaren, das ihm bis auf die Brust fiel. Seine eng beieinanderstehenden Augen unter den buschigen Brauen flackerten unstet. »Und? Kannst du etwas erkennen?«

Stanislaw schüttelte den Kopf. »Dann sieh nach, du Tölpel! Weit können sie nicht mehr sein.«

Der Knecht duckte sich wie unter einem Peitschenhieb und zwängte sich durch den Türspalt. Mitten in der Bewegung stockte er.

»Was ist?«, zischte Jankowitsch.

»Die Tiere, sie ...«

»Still!« Jeffim Jankowitsch hob den Kopf. Er schloss die Augen und lauschte konzentriert.

Tatsächlich. In den Pferdeställen rumorte es. Zwei Dutzend Hufe scharrten nervös auf dem Holzboden. Ängstliches Wiehern und Schnauben. Das Klirren von Ketten. Fast wäre es im Heulen des Windes untergegangen, im Knistern von vereistem Schnee, der gegen die Hauswand prasselte. Auch die Kühe stimmten jetzt mit ein. Sie röhrten. Tief und panisch. Dann ein dumpfer Schlag. Noch einer.

»Die Tiere drehen durch.« Jankowitschs Stimme klang heiser. »Sie müssen irgendetwas gewittert haben.«

»Wahrscheinlich einen Wolf, der um die Ställe schleicht.«

»Der hat uns gerade noch gefehlt.«

»Gebt mir fünf Minuten, Herr.« Stanislaw verschwand im Haus. Einen Atemzug später stand er wieder neben Jankowitsch, ein altes Jagdgewehr in den Händen. Er überprüfte die Munition, nickte grimmig und entsicherte die Waffe.

Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, stapfte er los. Versank bis zu den Knien in der weißen Pracht. Sein Mantel wirkte wie mit Puderzucker überzogen, verschmolz beinahe mit der Umgebung. Der flackernde Schein der Laterne war das Letzte, was Jankowitsch von ihm sah, ehe auch er verlosch.

Der Landwirt wischte sich den klebrigen Schnee aus Gesicht und Haaren, huschte wieder ins Haus zurück und warf die Tür ins Schloss. Das Heulen und Prasseln riss schlagartig ab, drang nur noch gedämpft an seine Ohren.

»Verfluchtes Wolfspack.« Jankowitschs Hände ballten sich zu Fäusten, als er an die beiden Hengste dachte, die diese Brut im letzten Monat gerissen hatte.

Das Pfeifen des Windes steigerte sich zu einem zornigen Fauchen. Irgendwo knallte ein Fensterladen. Glas splitterte.

Hätte ich nur das alte Dachfenster repariert, als Anna mich darauf hingewiesen hat.

Ein Schuss peitschte auf. Rollte über das Land.

Ein zweiter Schuss.

Und noch einer. Diesmal in kürzerem Abstand.

Stille.

Jankowitsch verzog die Mundwinkel zu einem grimmigen Lächeln. Eine Plage weniger.

Als noch ein vierter Schuss krachte, stutzte er. Etwas stimmte nicht. Stanislaw, für seine Treffsicherheit weit über Prokowskoje hinaus bekannt, brauchte doch sonst keine vier Schüsse, um einen Wolf zur Strecke zu bringen.

Der verdammte Schnee wird ihm wohl die Sicht geraubt haben.

Jankowitsch presste sein Ohr gegen die Tür und lauschte.

Nichts.

Der Landwirt zwang sich zur Ruhe. Stanislaw würde sicher jeden Moment zurück sein, ein zufriedenes Grinsen im Gesicht, womöglich sogar den Wolfskadaver geschultert. Seine Jagdtrophäe.

Aber er kam nicht. Wo blieb der Tölpel nur?

Wieder presste Jeffim den Kopf gegen das Holz. Weit entfernt knirschte in regelmäßigen Abständen der Schnee.

Es waren Schritte. Langsam und kraftvoll. Sie näherten sich der Hütte. Jankowitsch richtete sich auf.

Das Knirschen verstummte direkt vor der Tür.

Dann ein Wummern. Ungeduldig und fordernd.

»Ich bin ja nicht taub, du Tölpel!« Jeffim riss die Tür auf. »Wo zum Henker hast du die ganze Zeit ge...«

Die schwarz gekleidete Gestalt ließ den Arm sinken, den sie erhoben hatte, um erneut anzuklopfen. Ihre Statur füllte fast den gesamten Türrahmen aus. Jankowitsch, selbst ein Hüne von sechs Fuß Körpergröße, kam sich mit einem Mal wie ein Zwerg vor.

»Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?«

Die Gestalt reagierte nicht. Stand nur da. Reglos. Lauernd. Wie ein sibirischer Bär kurz vor dem Angriff.

»Habt Ihr was an den Ohren, Towarischtsch?«

Der nächtliche Besucher straffte sich. Schien noch um ein paar Zoll zu wachsen.

Jeffim Jankowitsch fröstelte, woran nicht der eisige Wind, der ihm um die Ohren wehte, schuld war. Vielmehr ging die Kälte von jenem vermummten Fremden aus, der das Gesicht hinter einer schwarzen Maske versteckt hatte, in deren Sehschlitzen dunkelrote Reflexe glommen.

Der Landwirt bemerkte, dass keine einzige Schneeflocke auf dem schwarzen Mantel des unheimlichen Gastes lag, kein einziger Wassertropfen von den langen Zotteln perlte.

Wie war das möglich? Jeder, der sich seinen Weg durch den Sturm gebahnt hatte, musste vollkommen durchnässt sein. Dieser Fremde jedoch ...

Jeffim erahnte die Bewegung mehr, als dass er sie sah. Instinktiv duckte er sich, doch der Schlag traf ihn mit ungeahnter Wucht, trieb ihm die Luft aus den Lungen.

Er flog durch den Flur und krachte gegen die Wand. Stechende Schmerzen zuckten durch seine Glieder. Er schrie unterdrückt auf, krümmte sich zusammen.

Energische Schritte.

Ein Schatten fiel über ihn, noch finsterer als die unbeleuchteten Ecken des Flurs. Ein Stiefelpaar verharrte vor seinem schmerzverzerrten Gesicht. Stöhnend richtete er den Blick nach oben.

Da zertrümmerte ihm der eisenbeschlagene Absatz das Nasenbein. Blut sprudelte fontänenartig aus den Nasenlöchern, während sich der beißende Schmerz bis in die letzten Windungen seines Gehirns fraß. Das Wasser schoss ihm in die Augen. Er riss den Mund zu einem Schrei auf, verschluckte sich am Blut.

Weitere Tritte in Magen, Unterleib und Genitalien brachten den Landwirt an den Rand einer Ohnmacht. Er spürte kaum mehr, dass zwei seiner Rippen brachen, ein brachialer Schlag ihm die linke Schulter zertrümmerte.

Den Schrei vernahm er wie durch Watte.

Grell und spitz.

Panische Angst wallte in Jeffim auf. Anna, seine Frau – sie war in Gefahr. Dem unbekannten Fremden hilflos ausgeliefert!

Wieder ein Schrei. Er steigerte sich zu einem schrillen Kreischen.

Nein, das war nicht Anna. Jankowitsch erkannte durch einen Schleier aus Tränen Ljudmilla, die – alarmiert durch das Gepolter – auf den Gang gestürzt war, wo sie wie zur Salzsäule erstarrt dastand, beide Hände auf den weit aufgerissenen Mund gepresst.

Mit einer Schnelligkeit, die Jeffim ihm nicht zugetraut hatte, hechtete der Fremde auf sie zu. Ein gezielter Schlag, und die Magd stürzte zu Boden wie ein schlaffer Mehlsack. Sie war nicht einmal mehr dazu gekommen, einen weiteren Schrei auszustoßen.

Jeffim kämpfte gegen den Schwindel an, die Panik, die übermächtig zu werden drohte. Er nahm die letzten Kräfte zusammen, versuchte sich aufzurappeln.

Der Fremde lachte bösartig. Im Augenwinkel sah Jeffim etwas auf sich zufliegen. Ansatzlos, kaum wahrnehmbar.

Der dumpfe Schlag erschütterte ihn bis ins Mark. Sein Kopf flog in den Nacken, krachte gegen etwas Hartes. Der Landwirt versank in einem Meer aus Schmerzen, pulsierend und heiß wie glühende Lava.

Anna!

Der Gedanke an sein Weib war das Letzte, das Jeffim durch den Kopf schoss, bevor er das Bewusstsein verlor.

»Was ist da unten los, Olga?«

Die Stimme klang schwach, beinahe wie ein Hauch. Anna Wasiljewna zog sich das feuchte, inzwischen brühwarme Stück Stoff von der erhitzten Stirn und versuchte, sich aufzusetzen.

»Nicht bewegen, Herrin.« Die alte Frau erhob sich aus dem Stuhl, auf dem sie die letzten Stunden neben dem Bett der Hochschwangeren verbracht hatte, und drückte Anna wieder zurück in die Kissen. »Ich werde nachsehen. Bitte legt Euch wieder hin.«

»Aber ...«

Olga legte den Zeigefinger auf die geschürzten Lippen. Sie tauchte den Stoff in den Bottich zu ihren Füßen, in dem sich geschmolzenes Eis befand, wrang ihn aus und legte ihn auf die Stirn der Hausherrin.

Anna erschauerte. Ihre Zähne schlugen klappernd aufeinander. Rasch zog sie die Decke hoch. Über ihren Bauch, in dem neues Leben heranwuchs.

Die Dielen ächzten unter Olgas Gewicht, als die füllige Greisin auf Zehenspitzen durch das Schlafzimmer schlich. Der Stoff ihrer Schürze raschelte leise.

Immer wieder verschwamm ihre korpulente Gestalt vor Annas Augen, schwankte bedrohlich. Die schwangere Frau brauchte ein paar Atemzüge, ehe sie begriff, dass nicht Olga es war, die um ihr Gleichgewicht kämpfte, sondern sie, weil ihr ein Schwindelanfall zu schaffen machte.

»Kannst du – etwas erkennen?«

Auf der Kommode neben dem Bett brannte eine einsame Kerze, deren flackernder Schein kaum ausreichte, die Umgebung aus der Dunkelheit zu reißen. Draußen auf dem Flur verströmten Petroleumlampen anheimelndes Licht. Olga, die im Türrahmen stehen geblieben war, wirkte wie ein schwarzer Scherenschnitt.

Dröhnende Schritte ertönten auf der Treppe. Ein breiter Schatten fiel in das im Halbdunkel liegende Zimmer, füllte den gesamten Türstock aus.

Olga wankte schreiend einen Schritt zurück.

Anna Wasiljewna fuhr entsetzt hoch und verzog das Gesicht, als ein stechender Schmerz durch ihren Unterleib zuckte. Zwischen ihren Beinen breitete sich eine warme, klebrige Flüssigkeit aus. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die hünenhafte, schwarz gekleidete Gestalt, dann auf Olga, die wimmernd vor ihr zurückwich.

»Wer – wer seid Ihr?« Anna versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. Doch aus ihrer Kehle kam nur ein heiseres Krächzen. »Wo ist Jeffim?«

Die schwarze Gestalt drehte sich zu Olga um, die – beide Hände fest auf den wogenden Busen gepresst – an der Wand lehnte und wie Espenlaub zitterte. Ihre rosigen Pausbacken und das gewaltige Doppelkinn wabbelten wie Pudding.

»Verschwinde!« Die Stimme des Fremden duldete keinen Widerspruch.

Olga zog den Kopf zwischen die Schultern. Wie ein geprügelter Hund drückte sie sich an der Wand entlang und wischte aus dem Zimmer.

Der schwarz gekleidete Fremde richtete seinen Blick auf Anna. »Und jetzt zu dir – Süße.«

Mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers näherte er sich der Schwangeren. Der Fellmantel raschelte, als er mit dem Stoff der Beinkleider in Berührung kam. Unter den schweren Tritten knarrte das Holz.

Anna Wasiljewna wich zurück, strampelte sich die Decke von den Füßen, rutschte Zentimeter für Zentimeter nach hinten, bis sie mit dem Rücken gegen den Bettpfosten stieß.

Sie schrie erstickt auf, schlang die Arme um ihren zitternden Körper. Von dem Fremden ging eine Kälte aus, die nicht von dieser Welt war. Anna konnte sich nicht erinnern, wann sie jemals so gefroren hatte. Und doch vermochte sie nicht, den Blick von der Gestalt zu lösen. Starrte sie an. Starrte ihr ins Gesicht.

Welches Gesicht?

Eine Maske, schwärzer als die tiefste Dunkelheit, mehr war von der Physiognomie nicht zu erkennen. Einzig hinter den Sehschlitzen glomm es dunkelrot.

Anna schluckte. »Was – was wollt Ihr von mir?«

Ein raues Lachen bröckelte ihr entgegen. »Du besitzt etwas, das mir gehört.«

Die Schwangere senkte den Blick. Betrachtete ihren Bauch. Sah den Fremden wieder an. Verstand endlich und schüttelte den Kopf. »Nein! – Bitte ... nein ...«