Das Haus Zamis 65 - Guardian - Logan Dee - E-Book

Das Haus Zamis 65 - Guardian E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Coco Zamis hat die bisherigen Prüfungen, die ihr das Hohe Gremium gestellt hat, nicht bestanden und dafür dreimal mit dem Leben bezahlt. Nun hofft sie, eine weitere Chance zu erhalten. Doch auf dem Dämonenfriedhof, auf dem sie sich wiederfindet, gelten eigene Regeln …

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Guardian

 

 

Band 65

 

Guardian

 

von Logan Dee und Michael Marcus Thurner

nach einem Exposé von Uwe Voehl

 

 

 

© Zaubermond Verlag 2022

© »Das Haus Zamis – Dämonenkiller«

by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Titelbild: Mark Freier

 

www.Zaubermond.de

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis
Guardian
Was bisher geschah
Erstes Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Zweites Buch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Anhang
Vorschau
Fußnoten

 

Was bisher geschah

 

Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.

Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Unter der Oberfläche gehen die intriganten Spiele, auch innerhalb der Zamis-Sippe, jedoch unvermindert weiter. Wobei Coco zumindest in ihrer Halbschwester Juna eine Gleichgesinnte findet, denn auch Juna stößt das Treiben der Dämonen eher ab.

Unterdessen schart ein mächtiger Dämon weltweit Jünger um sich: Abraxas. Niemand weiß, was genau er bezweckt, doch selbst Asmodi, der amtierende Fürst der Finsternis, sieht in ihn einen gefährlichen Gegenspieler. Abraxas bedient sich in Wien eines treuen Vasallen: Monsignore Tatkammer.

In Hamburg lernt Coco Merle kennen, die sich ebenfalls als eine Halbschwester entpuppt. Da erreicht Coco der Todesimpuls ihrer Geschwister – Adalmar und auch Lydia werden Opfer von Tatkammers Intrigen.

Nun ist Coco gefragt, ihren Eltern beizustehen und den Tod der Geschwister zu rächen. Sie tötet Monsignore Tatkammer, doch Abraxas erweckt ihn wieder zum Leben – wovon die Zamis aber zunächst nichts ahnen …

In Wien kommt es zum Showdown. Mit Abraxas‘ Macht im Rücken gelingt es Tatkammer, Coco wie eine Marionette zu benutzen. Tatkammer zwingt sie, ihr Elternhaus, die Villa Zamis, in Brand zu setzen. Cocos Eltern Thekla und Michael Zamis kommen in den magischen Flammen um. Auch ihr Bruder Georg und Juna befinden sich zu dem Zeitpunkt in der Villa. Ob sich die beiden haben retten können, ist nicht bekannt, jedenfalls sind sie spurlos verschwunden. Genauso wie Dorian Hunter, der Dämonenkiller und Cocos ehemaliger Liebhaber, der sich ebenfalls in dem Haus aufgehalten hat.

Schwer verletzt erwacht Coco im Krankenhaus. Sie wird von dämonischen Schwestern und Ärzten gesund gepflegt und wohnt schließlich der Beerdigung ihrer Eltern bei. Ihre Seelen werden in einem Scheingrab auf einem Friedhof beigesetzt, der sich in einer anderen Dimension befindet.

Wien ist nun, so hört man, in Abraxas’ Hand. Genauso wie überall immer mehr Mitglieder der Schwarzen Familie zu Abraxas überlaufen.

Coco versucht erneut, dem heraufziehenden Aufruhr auszuweichen. Sie setzt sich einfach in einen Zug und fährt einem unbekannten Ziel entgegen … Als der Zug jedoch auf offener Strecke hält und Coco verwirrt aussteigt, trifft sie auf sechs weitere Reisende, die fortan ihr Schicksal bestimmen. Denn niemand ist der, der er zu sein vorgibt.

Bei dem folgenden tödlichen Kampf verliert Coco das Leben – und erwacht kurz darauf in Gegenwart eines geheimnisvollen Fremden, der sich Guardian nennt und der ihr erklärt, dass es sich um eine Prüfung gehandelt habe. Da sie sie nicht bestanden habe, müsse sie weitere Prüfungen zu meistern versuchen. Dahinter steckt das geheimnisvolle Hohe Gremium, das nach eigenen Angaben weder zum Guten noch zum Bösen neigt, sondern das allein dafür sorgt, dass das Gleichgewicht gewahrt bleibt.

Coco besteht auch die nachfolgenden Prüfungen nicht. Sie wird auf den Dämonenfriedhof verbannt, auf dem das Scheingrab ihrer Eltern liegt. Dort, so teilt ihr Guardian mit, wird sie so lange bleiben müssen, bis das Hohe Gremium endgültig über ihr Schicksal entschieden hat …

 

 

Erstes Buch

 

Lebendig begraben

 

von Logan Dee

nach einem Exposé von Uwe Voehl

 

 

Kapitel 1

 

»Na, hör schon auf zu schmollen und komm ins Bett!«

Marc sah seiner Freundin bewundernd zu, wie sie sich vor dem großen Spiegel das gestreifte Pyjamaoberteil zuknöpfte. Es war gerade so kurz, dass der weiße Slip darunter hervorblitzte.

Er war absolut hingerissen von Annika. Ihre Figur war vielleicht etwas zu üppig, aber für seinen Geschmack genau richtig. Er stand auf Frauen mit großem Busen und ausladenden Hüften.

Außerdem war sie bildhübsch. Das blonde, halblange Haar betonte die Apartheit ihrer Züge. Bis auf die kleine Stupsnase war es im Grunde perfekt. Aber auch die mochte er. Genau wie die Sommersprossen drum herum …

Sie reagierte nicht auf seinen Wunsch. Der im Grunde auch eher ein Angebot zur Versöhnung war. Noch nicht einmal einer Antwort würdigte sie ihn.

Marc seufzte, während sie sich nun umwandte, ohne ihn anzusehen, und sich neben ihn ins Bett legte. Auf ihre Seite – und zwar mit ausreichend Abstand zwischen ihnen beiden. Dann löschte sie ihre Nachttischlampe, und allein das Mondlicht erhellte das Zimmer ein wenig.

Verdammt, er hatte keine Lust, in dieser Missstimmung einzuschlafen. Zumal er sich viel mehr von der Tour versprochen hatte. Annika und er waren jetzt seit einem halben Jahr ein Paar – und hatten nicht einmal miteinander geschlafen. In der Hinsicht war sie ziemlich altmodisch, leider. Sie hatten nicht darüber gesprochen, aber er war überzeugt gewesen, dass auch sie es auf diesem Ausflug endlich wollte.

Von nebenan war das Quietschen der Bettfedern zu hören. Die Wände waren so dünn, dass er sogar Alexandras Stöhnen vernahm. Na herrlich! Die beiden nebenan hatten keine Probleme und fackelten nicht lange. Manchmal beneidete er seinen Freund Murat, obwohl der mit seinen ein Meter siebzig und der Wampe nicht gerade ein männliches Ideal darstellte. Aber er hatte Witz und war schlagfertig. Die Frauen mochten ihn und seinen Humor. Einer von Murats typischen Sprüchen war, wenn er nach seinem Namen gefragt wurde: »Weißt du, was Murat bedeutet? Der Wunsch oder der Erwünschte. Was glaubst du, was mein Wunsch ist?«

Ein blöder Anmacherspruch, fand Marc, aber meistens zeigte er Wirkung. Und wenn nicht, versuchte Murat sein Glück bei der nächsten Frau. In der Hinsicht war er nicht anspruchsvoll. Obwohl er diesmal mit dieser Alexandra einen echten Treffer gelandet hatte. Sie sah mit ihrem gebräunten Teint top aus, war immer gut drauf und im Gegensatz zu Annika absolut kein Kind von Traurigkeit.

Das Stöhnen nebenan wurde immer lauter. Jetzt war auch Murats Keuchen zu hören.

»Kannst du das nicht mal abstellen?«, beschwerte sich Annika.

Ah, sie konnte also doch wieder sprechen.

»Warum sollte ich? Die beiden haben halt ihren Spaß. Im Gegensatz zu uns.«

»Widerlich«, hörte er Annika im Halbdunkel sagen. »Die beiden kennen sich doch kaum eine Woche!«

Es sind ja nicht alle so verklemmt wie du, dachte er, hütete sich aber, es auszusprechen. Also schwieg er lieber.

Der Abend war schwül. Ein Gewitter hatte sich angekündigt. Nun kam das Grollen näher. Er überlegte, ob er das Fenster lieber schließen sollte, bevor die ersten Regentropfen hereinprasselten. Aber er wollte keine Nebenschauplatz-Diskussion eröffnen. Annika bestand darauf, bei offenem Fenster zu schlafen. Sie behauptete, sonst ersticken zu müssen.

Das Treiben im Nebenzimmer ging unvermindert weiter.

»Ich halte das nicht aus!«, sagte Annika und hatte sich im Bett aufgesetzt. »Entweder du gehst jetzt rüber und sagst den beiden Bescheid, oder ich mache es!«

»Das können wir nicht bringen!«

»Ah, wahrscheinlich geilt dich das noch auf, was? Dein Freund Murat ist sowieso nur auf das eine aus. Hast du nicht mitgekriegt, wie er mich die ganze Zeit angeglotzt hat?«

»Murat glotzt jede Frau an. Außerdem gucke ich dich auch gern an. Und ich bin nicht der Einzige …«

»Chauvi!« Sie hatte die Bettdecke beiseitegeschoben und die Knie angezogen. »Außerdem hast du dich wie ein solcher benommen, das ist dir doch klar, oder?«

»Ich bereue!«, schwor Marc und meinte es ehrlich, obwohl … Wenn er an die Wirtin dieser Herberge dachte, kamen ihm schon wieder heiße Gedanken. Die Frau hatte ihn regelrecht verhext. Dabei war sie hässlich wie die Nacht, bestimmt dreimal so alt wie er, und das Geiergesicht war runzelig wie eine alte Kartoffel. Er verstand das selbst nicht, warum sie ihn derart anzog. Aber auch Murat war ihrem Bann erlegen gewesen. Und natürlich hatte er seinen Spruch mit dem Erwünschten losgelassen. Beide hatten sie mit der Alten um die Wette geflirtet. Doch im Gegensatz zu Annika, die stinksauer war, hatte, so wie es sich anhörte, Alexandra ihrem Galan längst verziehen.

Von nebenan erscholl ein wahres Stakkato an Lustschreien. Außerdem glaubte Marc die Stimme seines Freundes zu hören, der so etwas wie »Bitte nicht!«, stöhnte.

Mein Gott, diese Alexandra musste eine regelrechte Furie im Bett sein!

»Also, wenn du dich nicht traust, ich …« Annika stoppte mitten im Satz. Von der Tür her war ein leises Klopfen zu hören gewesen.

Da Annika zögerte, stand Marc auf. Erneut klopfte es. Trotz des Donnergrollens war es nun deutlich zu hören.

Auf nackten Sohlen ging Marc zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloss herum. Er öffnete die Tür und vergaß vor Überraschung, den Mund wieder zu schließen.

»Alexandra, du …?«

»Darf ich zu euch reinkommen?«

»Ja, klar …wir sind zwar schon im Bett, aber …«

Sie huschte an ihm vorbei. Marc schloss verwirrt die Tür hinter ihr und knipste das Deckenlicht an. Der trübe Schein erhellte das Zimmer kaum.

Als er sich umwandte, erkannte er, dass Alexandra völlig verheult war. Und sie trug Jeans und eine Regenjacke, so als sei sie von draußen gekommen.

»Setz dich doch«, sagte Marc und wies auf den einzigen Stuhl.

»Ist irgendwas passiert?«, fragte Annika, die mit weiblicher Intuition sofort spürte, dass mit Alexandra etwas nicht stimmte.

Nebenan waren die Geräusche verstummt. Und dennoch begriff Marc, dass es nicht Alexandra war, mit der Murat ins Bett gestiegen war …

Alexandra schniefte. »Ich war sauer auf Murat, weil der nur von dieser Hexe sprach. Er schlug ganz im Ernst sogar vor, wir sollten es zu dritt machen. Da bin ich raus, habe noch einen Spaziergang gemacht. Als ich vorhin wiederkam und das Zimmer betrat, mit wem, glaubt ihr, war Murat da in vollem Gange?«

»Nicht wirklich mit der Hexe, oder?«, fragte Annika ungläubig.

»Und ob! Mit der Alten! Und sie ritt auf ihm, als wäre er ihr Gaul! Die Alte hat feixend zu mir rübergeguckt, ohne sich weiter darum zu kümmern, dass ich sie in flagranti erwischt hab.«

»Und Murat?«, fragte Marc gespannt. Er konnte es sich selbst nicht erklären, aber er spürte Eifersucht in sich aufkeimen.

»Murat hat mich angeglotzt, als wäre er auf einem Trip. Mit völlig stierem Blick.«

»Ich hab mir gleich gedacht, dass der Typ nicht ganz dicht ist«, pflichtete ihr Annika bei. Sie fühlte sich in ihrer Abneigung bestätigt.

Alexandra warf ihr einen dankbaren Blick zu. Wieder schniefte sie. Dann schaute sie zu Marc: »Hatte Murat schon immer so einen Fetisch?«

»Wie meinst du das?«

»Na, dass er auf uralte Weiber steht.«

Marc fühlte sich durchschaut. Schließlich war auch er auf ihm unerklärliche Weise den Reizen der Wirtin erlegen gewesen.

Welchen Reizen überhaupt?, fragte er sich. Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, eigentlich sind wir nur Kollegen …«

»Bisher habt ihr immer auf dicke Freunde gemacht!«, erinnerte ihn Annika.

»Na ja, wir sind in der gleichen Firma …« Das klang lahm, er wusste es selbst. Und es genügte auch nicht, um Annika zu beruhigen. Nun war sie es, die das Zepter in die Hand nahm: »Jedenfalls bleibt Alexandra diese Nacht hier. Natürlich nur, wenn du willst, Alexandra.«

Alexandra nickte.

»Und ich? Wo soll ich schlafen?«, beschwerte sich Marc.

»Geh doch zu deinem Freund rüber. Augenscheinlich ist sein Schäferstündchen beendet.«

Zu hören war von nebenan nach wie vor nichts mehr. Dafür war das Gewitter nun noch näher herangekommen. Blitze zuckten draußen vor dem Fenster auf und zerrissen den nachtschwarzen Himmel.

Marc sah ein, dass mit Annika heute nicht mehr zu spaßen war. Und allmählich war er es leid, sich mit ihr weiter auseinanderzusetzen.

Wortlos ging er zur Tür und verließ das Zimmer.

 

Erst als er die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, wurde ihm klar, wie dämlich er sich verhielt. Er hatte nur seinen Schlafanzug an und hatte sich noch nicht mal Schuhe angezogen. Kalt war es nicht, aber auch nicht unbedingt gemütlich hier draußen auf dem Korridor. Es war stockdunkel. Nur unter der Türritze zu Annikas und seinem Zimmer drang etwas Lichtschein hindurch, sodass er sich wenigstens etwas orientieren konnte.

Zudem war es bis auf die beiden Stimmen der jungen Frauen totenstill. Selbst das Gewitter war hier draußen im Korridor nicht mehr zu hören. Das war seltsam.

Überhaupt … Jetzt im Nachhinein kam es ihm merkwürdig vor, dass sie in dieser Herberge, die sich »Gasthaus zur Hölle« nannte, die einzigen Gäste waren. Dabei stand das alte Gebäude an einem Kreuzweg, einem beliebten Wanderweg, der in der einen Richtung sogar zum Brocken führte. Über den Namen »zur Hölle« hatten Murat, er und sogar Alexandra geflachst. Alexandra hatte vermutet, dass man die Herberge nur der Touristen wegen so genannt hatte. Schließlich besuchten nicht wenige den Harz aufgrund der schaurig-schönen Landschaft und der vielfältigen Mythen, die dort im Umlauf waren.

Sie selbst hatten auf ihrer Wanderung Duderstadt mit seinen vielen schmucken Fachwerkhäusern besucht. Ganz besonders aber zog die merkwürdige Dachform des dortigen Westerturmes viele Touristen an. Es gab mehrere Sagen zu dessen eigentümlich verdrehtem Dach. Alle hatten sie mit dem Teufel zu tun. Im Reiseführer hatte Marc gelesen, dass der Teufel die Männer in Duderstadt einst zum Trinken verführte. Die Frauen suchten den Schuldigen und machten schließlich den Teufel dafür verantwortlich. Sie erkannten ihn am Pferdefuß. Als die zornigen Weiber ihn verfolgten, erhob er sich in die Luft und sprang von der Spitze des Kirchturmes über die Spiegelbrücke zum Westerturm. Er hielt sich an der obersten Spitze fest, aber durch die Wucht seines Sprunges verdrehte er das ganze Dach. Von dort aus verschwand er auf Nimmerwiedersehen.

Seltsam, aber jetzt, wo er allein in dem dunklen Korridor stand und ihm bewusst wurde, dass sie die einzigen Gäste waren, bescherte Marc der Gedanke an den Teufel eine Gänsehaut.

Dabei hatte er ganz andere Sorgen. Trotz der Schwüle, die im Zimmer geherrscht hatte, war ihm plötzlich kalt.

Er überschlug kurz seine Optionen. Er konnte reumütig wieder zu Annika und Alexandra zurückkehren. Oder eines der nicht belegten Zimmer in Anspruch nehmen – sofern die nicht abgeschlossen waren.

Die Neugier trieb ihn schließlich zu Murats Zimmertür. Dahinter war nach wie vor kein Laut zu hören. Waren die beiden so schnell eingeschlafen? Oder hatte die Alte längst das Zimmer wieder verlassen? Wenn, dann war das ein ziemlich kurzer One-Night-Stand gewesen, das auf alle Fälle.

Er presste das Ohr gegen das Holz der Tür. Aber auch jetzt vernahm er keinen Ton.

Entschlossen klopfte er an. Selbst wenn er auf eine peinliche Szene stoßen würde, war ihm das nun egal. Die Kälte kroch von seinen nackten Füßen aufwärts. Wie in einer Eiskammer kam es ihm vor. Er musste dringend ins Warme. Er wusste, dass Murat unterwegs eine Flasche hochprozentigen Harzer Schnaps gekauft hatte. Der würde jetzt guttun …

Als sich nach wie vor nichts tat, drückte er die Klinke runter und schob die Tür nach innen auf. Er sah hinein in das Zimmer. Viel erkennen konnte er nicht. Es war nicht viel heller als in dem Korridor. Aber auch hier schlug ihm eine unnatürliche Kälte entgegen. Draußen tobte nun das Gewitter, das trotz des geschlossenen Fensters deutlich zu hören war.

»Murat? Murat, bist du hier drin?«

Niemand antwortete ihm. Vielleicht war Murat ja auch mit der Wirtin in deren Schlafzimmer verschwunden. Wieder machte sich Eifersucht in Marc breit. Er tastete nach einem Lichtschalter und fand ihn. Es war wie in seinem eigenen Zimmer ein altertümlicher Drehschalter aus Bakelit.

Das Licht sprang an –

Und was es enthüllte, ließ Marc augenblicklich in Schockstarre verharren!

 

Murat begriff selbst nicht, was mit ihm los war. Die Wirtin hatte ihm den Kopf verdreht! Sie hatte sich ihnen als Gunde Gießwein vorgestellt, aber darauf bestanden, dass sie alle sie nur Gundi nennen sollten. Obwohl sie uralt und alles andere als eine Schönheit war, war Murat hin und weg, sobald er ihr in die Augen geschaut hatte. Oh ja, diese wunderbaren grünen Augen waren himmlisch … Er versank regelrecht darin.

Eigentlich hatten sie weiterwandern wollen, aber dann hatte die Wetter-App vor dem heranziehenden Gewitter gewarnt. Da war ihnen das Gasthaus gerade recht gewesen. Sie waren die einzigen Gäste in der Stube, und Frau Gießwein – Gundi – hatte sie so freudig willkommen geheißen, als wären sie die Heiligen Drei Könige. Das Essen, das sie ihnen aufgetischt hatte, war üppig und köstlich gewesen, aber dennoch hatte Murat kaum einen Bissen runterbekommen – die ganze Zeit hatte er nur darüber nachdenken müssen, wie er Alexandra loswurde und Gundi in sein Bett bekam.

Die Wirtin schien seine Gedanken zu lesen, denn sie flirtete die ganze Zeit über. Leider nicht nur mit ihm, sondern auch mit Marc. Am liebsten hätte Murat ihm den Hals umgedreht. Oder ihn von irgendeinem Felsen gestürzt. Sollte ja vorkommen, dass jemand stolperte und in die Tiefe fiel. Er spürte Eifersucht und Hass auf den Konkurrenten in sich aufsteigen.

Alexandra nahm seine Flirterei erst lächelnd hin, dann wurde sie immer ärgerlicher. Vor allem als er seinen Teller nahm und murmelte: »Ich muss mal mit der Wirtin ein ernstes Wort sprechen.« Dann verschwand er in der Küche.

Gundi lächelte ihn an, als habe sie ihn erwartet.

Ohne Vorrede fiel er über sie her. Der Teller mit dem kaum angerührten Essen fiel klirrend zu Boden. Sie kicherte lüstern, als er ihr unter das Kleid fasste. Aber zu seiner Enttäuschung schob sie ihn zurück.

»Später«, sagte sie. Ihre Stimme klang kalt und befehlend. »Sieh zu, dass du deine Flamme loswirst. Ich komme zu dir aufs Zimmer. Glaub mir, die Nacht wirst du nicht vergessen!«

Murat konnte nur nicken. Schwer atmend und noch immer völlig berauscht von seiner Lust kehrte er zu den anderen zurück.

Später konnte er es kaum erwarten, bis er Alexandra endlich so weit gebracht hatte, dass sie wutentbrannt aus dem Zimmer lief.

Dann musste er warten. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Erst als das Gewittergrollen schon ganz nah war, öffnete sich die Zimmertür. Seine Befürchtung, Alexandra könne wieder zurückgekommen sein, bewahrheitete sich zum Glück nicht.

Es war Gunde. Sie trug einen schwarzen wallenden Kaftan mit schillernden Sigillen. Sie schienen zu leuchten und ständig die Form zu wechseln, aber das schrieb Murat seiner Einbildung zu. Ebenso, dass sich die Tür hinter ihr wie von Geisterhand zu schließen schien.

Sie schwebte heran – ja, sie schwebte. Einige Zentimeter über dem Boden. Murat konnte nicht erkennen, dass sich ihre Füße bewegten. Aber auch das war ihm egal. Verlangend streckte er die Arme nach ihr aus.

Sie sprach kein Wort und lächelte nicht. Er wusste, was sie wollte. Schließlich war sie deshalb hier.

Hastig riss er sich den Schlafanzug vom Leib. Sie stieg auf ihn, ohne ihren Kaftan abzulegen. Darunter trug sie nichts.

Als er in sie eindrang, kreischte sie vor Lust auf.

Und auch Murat stöhnte. Es war ihm egal, dass sie im Nachbarzimmer alle mithörten.

Gunde bestimmte das Tempo und ritt ihn wie einen Hengst, den man zähmen musste. Sie versetzte Murat in einen Taumel der Lust, der ihn alles vergessen ließ.

Die Sigillen tanzten vor seinen Augen, verdrehten und wanden sich und glühten in feurigen Orange- und Rottönen auf.

Das musste der Rausch sein! Es war der Fick seines Lebens! Und er bewirkte, dass er sogar Halluzinationen hatte.

Nur allmählich begriff er, dass es keine Halluzinationen waren.

Die Sigillen entwickelten ein immer stärkeres Eigenleben. Sie glitten von dem Kaftan herunter auf seine nackte Brust. Von dort schlängelten sie sich weiter, auf seinen Hals zu …

»Hey, was …?« Er wollte das Sextreiben beenden, aber Gunde entwickelte ungeheure Kräfte. Sie hielt seinen Schwanz in ihrem Schoß fest umfangen, während sie ihn weiterritt und dabei laut juchzte.

»Aufhö…« Eines der leuchtenden Schlangenwesen glitt in seinen geöffneten Mund und ließ ihn verzweifelt nach Luft schnappen. Ein anderes schlängelte sich um seinen Hals und schloss sich immer fester um seine Kehle.

Das Martyrium dauerte nicht länger als eine Minute.

Dann gab Murat kein Lebenszeichen mehr von sich.

Das Gewürm kroch wieder zu seiner Herrin zurück und vereinigte sich mit dem Kaftan, den sie noch immer trug.

Gunde löste sich von dem Körper unter ihr.

»Fein gemacht, meine Lieblinge. Und jetzt warten wir auf den nächsten dieser Dummköpfe …«

 

Marc starrte auf den reglosen Murat, dessen nackter Körper wie der eines Toten auf dem Bett lag. Murats Augen blickten weit aufgerissen ins Leere. Auf seinem Gesicht stand der Schrecken geschrieben, den er angesichts des offensichtlichen Todes empfunden haben musste.

»Mur… Murat?« Obwohl Marc ahnte, dass sein Freund nicht mehr lebte, konnte er es dennoch nicht fassen.

Sein erster Impuls war, sich umzudrehen und Hilfe zu holen. Polizei, Krankenwagen (Unsinn, was sollen die noch machen!). Doch dann entschied er sich anders.Das Grauen hielt ihn noch immer umfangen, und dennoch … Es war, als ob eine Stimme in seinem Kopf ihm befahl, näher zu treten.

Als er vor dem Bett seines Freundes stand und auf ihn hinabblickte, begann sich dessen Körper zu verändern. Als ob die Haut plötzlich durchsichtig wurde, erkannte Marc darunter leuchtende wurmartige Gebilde. Es waren Dutzende, die sich in Murats Innerem befanden.

Noch während Marc darauf starrte, begannen sie sich zusammenzuballen.

Im nächsten Moment durchstießen sie die Haut und …

Ein Kichern ließ Marc herumfahren.

»Frau … Gießwein!«, stotterte er überrascht. »Was …?«

»Du sollst mich doch Gundi nennen«, tadelte sie ihn lächelnd. »Du ungehorsamer Junge!«

Ihr Blick bannte ihn regelrecht. Mit einem Mal konnte er sich nicht mehr bewegen. Selbst seine Lippen waren wie versiegelt.

Er konnte noch nicht einmal schreien, als er spürte, dass etwas sich von hinten um seine Beine schlängelte und langsam an ihm hochkroch …

 

Annika konnte einfach nicht einschlafen. Alexandra, die neben ihr im Bett lag, schlief dagegen tief und fest. Wie eine Tote. Sie hatten noch lange miteinander gesprochen, und Annika fand die andere junge Frau jetzt richtig nett. Alexandra war keineswegs so ein leichtes Mädchen, wie sie angenommen hatte. Sie hatte ihr erzählt, dass Murat der erste Mann war, mit dem sie schon so schnell intim geworden war. Aber gleich morgen früh würde sie ihm zu verstehen geben, dass es aus war zwischen ihnen. Annika konnte sie nur darin bestätigen.

»Das ist das Vernünftigste, was du machen kannst. Dein Murat ist ein typischer Frauenheld, der jeder nachsteigt, die nicht schnell genug wegläuft.«

Alexandra nickte. »Ich weiß. Wie er diese Gießwein angehimmelt hat – ekelig! Allerdings hat sich dein Marc auch nicht viel besser im Zaum gehabt. Wenn ich nicht wüsste, dass es so etwas nicht gibt, würde ich darauf tippen, dass die Alte die beiden verhext hat.«

Daran musste Annika jetzt wieder denken, während draußen das Gewitter tobte und grelle Blitze niedergingen. Schon seit Stunden ging das so. Sie wunderte sich, dass Alexandra dabei überhaupt schlafen konnte. Allerdings waren sie den ganzen Tag über weit gewandert. Normalerweise wären auch ihr längst die Augen zugefallen.

Normalerweise …

Aber die Gedanken gingen ihr nicht aus dem Sinn. Marc war jetzt schon seit Stunden fort. Bestimmt schlief er nebenan bei Murat. Eigentlich hatte sie gehofft, er würde reumütig noch einmal anklopfen. Vielleicht war sie auch zu hart ihm gegenüber gewesen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen.

Außerdem, das wurde ihr jetzt immer bewusster, während sie über ihre Beziehung grübelte, liebte sie ihn wirklich. Sie wünschte, er würde jetzt neben ihr liegen und sie könnte sich an ihn rankuscheln.

Wenn sie ehrlich war, so machte ihr das Gewitter Angst. Es lag eine Urgewalt darin, die jeden einfach erschüttern musste. Bis auf Alexandra …

Das Fenster hatte sie inzwischen geschlossen. Schwere Regentropfen prasselten unaufhörlich dagegen wie Hunderte kleiner Krallen … Ein merkwürdiges Bild, aber dennoch spukte es ihr plötzlich im Kopf herum. Sie schauderte.

Ihr kam ein Gedanke. Ob Marc wirklich schlief? Oder grübelte er genau wie sie über ihre Beziehung nach? Sollte sie es über sich bringen, aufzustehen und nebenan anzuklopfen? Aber was, wenn nur Murat dort schliefe und Marc ganz woanders wäre?

In den Armen der alten Gießwein zum Beispiel. Sie mochte es sich einfach nicht vorstellen, und dennoch gelang es ihr nicht, die damit verbundenen Bilder zu verscheuchen.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und stand auf. Die fortwährenden Blitze erhellten das Zimmer genug, sodass sie in ihre Pantoffeln schlüpfte und Richtung Tür ging.

Sie war noch einen Meter davon entfernt, als sich die Tür öffnete und eine Gestalt auf der Schwelle stand.

»M… Marc?«

Ja, er war es eindeutig. Aber warum stand er so starr da? Es war irgendwie unheimlich. Er sagte kein Wort, sondern streckte schweigend die Arme nach ihr aus. Doch es lag kein Verlangen in dieser Geste. Eher hatte Annika das Gefühl, dass er sie – ergreifen wollte. Außerdem schlug ihr eine unnatürliche Kälte entgegen. Wie aus einer Eiskammer. Ging die Kälte von ihm aus? Unwillkürlich wich Annika einen Schritt zurück.

»Marc, jetzt sag doch etwas …«

Er blieb immer noch stumm. Dafür betrat er nun das Zimmer. Seine Bewegungen wirkten steif und ungelenk.

Wie bei einem Roboter, dachte Annika. Oder einem Zombie …

Sie ging noch weiter zurück.

Erst jetzt bemerkte sie, dass er die Augen zu hatte. Als er die Lider nach oben klappte, schrie sie auf.

Sie glühten. Wie kleine Flämmchen tanzten Funken darin, die in allen Rot- und Orangetönen leuchteten.

Entsetzt presste sie sich die Faust gegen den Mund. Sie träumte! Das musste ein entsetzlicher Albtraum sein! Anders war das alles nicht zu erklären.

Noch während sie in seine entsetzlichen Augen starrte, spürte sie eine Berührung an ihren Füßen. Ein längliches glimmendes Etwas umschlängelte ihren Knöchel und schob sich langsam höher und höher …

Annika war wie paralysiert. Sie konnte nicht einen Finger mehr bewegen.

Alexandra! Warum half sie ihr nicht? Und Marc …!

Marc stakste heran, bis er direkt vor ihr stand. Wehrlos empfing sie seine Umarmung. Die eisige Kälte schien sie zusätzlich zu lähmen.

Dann küsste er sie. Seine Lippen pressten sich wie zwei Eiswürfel auf die ihren.

Aber es war nicht seine Zunge, die sich den Weg in ihren Mund bahnte.

Sondern eine glühende, aus Magie geborene blindschleichengroße Schlange, die jeden weiteren Gedanken in ihr erstickte.

Hätte sie sich umdrehen können, so hätte sie gewusst, warum Alexandra ihr nicht hatte zu Hilfe eilen können.

Von Alexandra selbst war kaum noch etwas zu erkennen. Sie war über und über von sich windendem, glühendem Gewürm bedeckt, das sie wie ein Kokon aus glimmenden Flammen einhüllte.

 

»Du hast sie fast getötet!«, sagte der kahlköpfige Mann in dem weißen Anzug. Sein bleiches Gesicht blieb dabei ausdruckslos, genau wie seine Stimme, doch Gunde wusste, dass sie sich seinen Zorn zugezogen hatte. Sie musste sehen, dass sie ihn wieder besänftigte, sonst war es schnell vorbei mit ihrem einträglichen Handel.

»Das scheint nur so«, verteidigte sie sich. »Sobald meine Lieblinge sich ein wenig gelabt haben und wieder aus ihnen herausgekrochen sind, sind die vier putzmunter. Nun ja, zumindest fast … Jedenfalls stehen sie bereit für den Empfang …«

Die Hexe hatte den Bestatter, der sich Carl Jenseit nannte, in ihren Salon gebeten. Sie selbst hatte auf einer Chaiselongue Platz genommen und die langen, nun wieder makellosen nackten Beine ausgestreckt. Denn natürlich hatte auch sie von der Lebenskraft der vier Dummköpfe, die ihr in die Falle gegangen waren, genascht. Sie wirkte nun rund vierzig Jahre jünger.

Wenngleich der Mann, der vor ihr aufragte, für ihre Reize nicht empfänglich war. Manchmal fragte sie sich, ob er überhaupt so etwas wie Gefühle oder Leidenschaften besaß. Jedenfalls ließ er sich nie in die Karten schauen. Sie wusste noch nicht mal, ob es Augen waren, die sich hinter seinen schwarz getönten runden Brillengläsern verbargen. Oder etwas anderes, völlig Fremdes …

»Es hat diesmal sehr lange gedauert, bis du die Opfer beisammen hattest«, fuhr Jenseit fort. »Vielleicht sollte ich demnächst einen anderen Ort für das Hohe Gremium auswählen …«

Diesmal ließ sich Gunde nicht ins Bockshorn jagen. Sie wusste, dass es diesen anderen Ort nicht gab. Zumindest keinen solch noblen, der zudem den Vorteil hatte, in beiden Dimensionen zugleich zu sein.

Sie sog genüsslich an der langen, aus einem Kinderknochen geschnitzten Zigarettenspitze, an deren Ende in Menschenhaut gewickeltes schwarzes Bilsenkraut und weitere Hexenkräuter glommen.

»Wie ich schon betonte«, sagte sie und stieß dabei den Rauch in Form vieler kleiner Fledermäuse, die sich zur Decke erhoben, aus, »ist alles vorbereitet. Diese vier waren die letzten. Und glaub, mir, es wird immer schwieriger, Touristen anzulocken. Dieser Kreuzweg ist verrufen. Schon zu viele Touristen habe ich hier spurlos verschwinden lassen. Es bedarf schon meiner besonderen Einfühlungsgabe und Überredungskunst, um …«

Carl Jenseit brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ein Gewitter zu erzeugen, damit sie hier einkehren und bleiben, ist nun wirklich kein besonderes Kunststück. Führe mich zu den Opfern. Ich will mir selbst ein Bild von ihrem Zustand machen …«

Gunde lächelte. »Du traust mir nicht, dass ich sie nicht angerührt habe? Aber gut, ich zeige sie dir, mein Bester.«

 

 

Kapitel 2

 

Und wieder fand ich mich auf dem dämonischen Friedhof wieder. Die schwarzen Seelen von Dämonen fristeten hier ihr Dasein. Auch die meiner Eltern. Sie wandelten als ruhelose Geister umher.

Es hatte mich erneut vor das Kenotaph verschlagen. Das Scheingrab ragte in den nachtschwarzen Himmel. Der vielleicht gar kein Himmel war, sondern nur undurchdringliche Schwärze.

Die geisterhaften Gestalten meiner Eltern lösten sich aus dem Kenotaph, als hätten sie mich erwartet, und schwebten auf mich zu. Ihr Gesicht war vor Zorn und Hass auf mich schrecklich verzerrt, sodass beide kaum noch ein menschenähnliches Antlitz hatten.

Bevor sie mir wieder vorwerfen konnten, dass ich für ihren Tod verantwortlich sei, ging ich in die Offensive: »Lasst mich verdammt noch mal in Ruhe!«

»Das hättest du wohl gern, Tochter!«, stieß mein Vater hervor. Seine Geistergestalt zitterte vor Erregung. »Du bist nicht umsonst wieder hier! Begreifst du nicht, dass du uns nicht entkommen kannst?«

»Du bist jetzt eine von uns, Coco!«, stieß meine Mutter hervor. »Auch das scheint dir nicht bewusst zu sein!«

Sie stimmten ein höhnisches Lachen an. Als meine Eltern noch lebten, hatte ich sie nie so erlebt. Ihre wandelnden Geister schienen auf verzerrte Art noch diabolischer zu sein, als sie zu Lebzeiten waren.

Sie standen nun direkt vor mir. Ihre Hände waren wie Klauen ausgestreckt. Sie griffen nach mir, konnten mir jedoch nichts anhaben. Als stünde eine unsichtbare Barriere zwischen uns. Die beiden fauchten vor Enttäuschung. Aber sie gaben nicht auf, mich verunsichern zu wollen. Mich mit ihrem Hass und Hohn zu überschütten.

»Ihr könnt mich mal!«, sagte ich und wollte mich abwenden.

»Halt, Tochter!« Der scharfe Ruf meines Vaters hielt mich zurück. »Wir sind gekommen, um dich zu warnen!«

»Und um dir beizustehen!«, ergänzte meine Mutter.

»Den Eindruck habe ich nicht!«, entgegnete ich. Was sollte die plötzliche Kehrtwende?