Dorian Hunter 156 - Logan Dee - E-Book

Dorian Hunter 156 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

»Matthias, Matthias! Hilf mir ...!«
Wieder und wieder hörte er ihre Stimme. Er watete durch vollkommene Dunkelheit. Die Stimme - Libussas Stimme - schien aus allen Richtungen zugleich zu kommen.
»Wo bist du, Libussa? Wie kann ich dich finden?«
Er spürte, wie etwas näher rückte. Der Boden erzitterte unter der Ankunft einer riesigen, bösartigen Wesenheit. Die Finsternis legte sich wie vergifteter Rauch auf seine Lungen.
Er vernahm ein Lachen. Ein höhnisches, siegessicheres Lachen.
Da wusste Dorian Hunter, dass er verloren hatte ...

Matthias Troger und Libussa erreichen den Mummelsee - die verlorene Heimat des jungen Adligen. Dort begegnen sie dem unheimlichen Isidor Santana - dem Hexenjäger der Gräfin Hildegard von Mummelsee!

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

IN DER FOLTERKAMMER DES HEXENJÄGERS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin hat Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort versteckt, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Auf der Suche nach dem Erbe des Hermes Trismegistos findet Dorian den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon gedient hat und sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Die Invasion der Janusköpfe von der Parallelwelt Malkuth wird mit Dorians Hilfe abgewehrt. Hermes Trismegistos wird klar, dass er für das Entstehen der Psychos auf Malkuth verantwortlich ist. Um zu büßen, geht er durch eins der letzten Tore nach Malkuth.

Olivaro, das frühere Oberhaupt der Schwarzen Familie und selbst ein Januskopf, beschließt, seine auf der Erde gestrandeten Artgenossen zu jagen. Ein Diener des Januskopfes Pyko hext Dorian eine magische Pest an. Der Dämonenkiller droht bei lebendigem Leib zu verfaulen. Olivaro opfert sein zweites Gesicht und befreit Dorian von der magischen Pest. In die Erleichterung mischt sich Trauer: Der Tod des Trigemus weist darauf hin, dass Hermes Trismegistos auf Malkuth gestorben ist.

Kurz darauf erinnert sich Dorian an sein sechstes Leben. Im Dreißigjährigen Krieg kann er als Junge Gabor zusammen mit der jungen Hexe Libussa Dokumente über seine Herkunft bergen: Er ist Matthias Troger von Mummelsee. In Würzburg bewahrt Gabor Libussa vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen. Der Hausgeist Zicci, den Libussa um Hilfe ausgeschickt hat, landet indes unerwartet in unserer Zeit. In einer alten Burg erwacht der Gevatter Tod zu neuem Leben. Diesen hofft der Dunkle Archivar Zakum als Verbündeten für Luguri zu gewinnen.

IN DER FOLTERKAMMERDES HEXENJÄGERS

von Logan Dee

»Matthias, Matthias! Hilf mir ...!«

Wieder und wieder hörte er ihre Stimme. Er watete durch vollkommene Dunkelheit. Die Stimme – Libussas Stimme – schien aus allen Richtungen zugleich zu kommen.

»Matthias! Rette mich, bitte ...!«

Sie musste sich in großer Gefahr befinden. Sie hatte Angst. Fürchterliche Angst.

Dabei konnte er nicht sagen, ob sie nicht vielleicht auch Schmerzen hatte. Er ballte die Fäuste ob seiner Machtlosigkeit.

»Wo bist du, Libussa? Wie kann ich dich finden?«

Finden, finden, finden ...

Er hörte seine eigenen Worte, die ihn wie ein Echo zu verhöhnen schienen, und tastete sich unentschlossen weiter durch die Dunkelheit voran.

»Ich bin hier! Hier!«

1. Kapitel

Hier, hier, hier, schrien die Wände.

»Libussa!«, rief er verzweifelt.

Plötzlich spürte er, wie etwas näher rückte. Wie die Dunkelheit sich mehr und mehr zusammenballte. Der Boden erzitterte unter der Ankunft einer riesigen, bösartigen Wesenheit. Die Finsternis legte sich wie vergifteter Rauch auf seine Lungen.

Er vernahm ein Lachen. Ein höhnisches, siegessicheres Lachen. Da wusste Dorian, dass er verloren hatte. Er kam zu spät. Er konnte Libussa nicht mehr retten. Ein letztes Mal rief er verzweifelt ihren Namen.

»Libussa!«

Libussa, Libussa, Libussa.

Sie antwortete nicht mehr.

»Dorian!«

Er schrak auf, saß kerzengerade im Bett. Im ersten Moment glaubte er sich noch immer von Dunkelheit umgeben. Dann erblickte er Coco. Die Hexe saß neben ihm im Bett, hielt beruhigend seine Schulter umfasst. In ihrem durchsichtigen Nachthemd, unter dem sich die großen Brüste abzeichneten, sah sie verführerischer denn je aus, aber dafür hatte Dorian im Moment keinen Sinn.

»Du hast wieder geträumt«, stellte Coco fest. »Du hast im Schlaf ihren Namen gerufen. Libussas Namen!«

Nur allmählich gelangte Dorian wieder in die Realität zurück. »Es war anders als die ersten Träume«, sagte er schließlich. »Ich konnte nichts sehen. Ich tappte in vollkommener Dunkelheit umher und hörte Libussa um Hilfe rufen. Sie rief immer wieder nach Matthias. Und dann ...« Er kam ins Stocken.

»Und dann? Was passierte dann?«, bohrte Coco nach.

»Jemand – oder etwas –näherte sich. Ich spürte plötzlich eine abgrundtief teuflische Präsenz. Sie nahm mir buchstäblich den Atem.«

»Luguri?«, forschte Coco, aber Dorian schüttelte den Kopf.

»Das glaube ich nicht. Ich glaube einfach nicht, dass er es schafft, in meine Träume einzudringen.« Er griff zu einer Players, zündete sie an und inhalierte tief.

»Was war es denn nun?«, hakte Coco nach. »Ein Traum? Kein Traum?«

»Zumindest kein gewöhnlicher Traum«, antwortete Dorian nachdenklich. »Ich hatte das Gefühl, dass Libussa nach mir ruft – und zwar aus der Vergangenheit.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Coco entschieden. »Du sagst selbst, dass sie nicht deinen jetzigen, sondern deinen vergangenen Namen gerufen hat.«

»Ja, das finde ich ja auch merkwürdig. Die einzige Erklärung wäre die, dass sie damals nicht wusste, wie ich dreieinhalb Jahrhunderte später heißen würde. Jedenfalls war es keiner jener Träume, die ich schon einmal hatte. Bisher hat Olivaro sein Wort gehalten, und ich bin von ihnen verschont geblieben. Nein, es scheint mir ein echter Hilferuf aus der Vergangenheit zu sein.«

»Und was willst du jetzt tun? In die Vergangenheit reisen? Die Zeitmaschine ist leider noch nicht erfunden worden.« Coco stockte, schien plötzlich eine andere Idee zu haben. »Und was ist, wenn Zicci dahintersteckt?«

Dorian schüttelte den Kopf. »Seine Scherze sind manchmal ganz schön derb, aber so weit würde er nicht gehen. Allerdings könnte sein Erscheinen auch damit zusammenhängen, dass Libussa damals wirklich in die Zukunft schauen konnte. Und dass sie in einer bedrohlichen Situation steckte, aus der nur ich sie dreieinhalb Jahrhunderte später befreien kann.«

»Das ist doch blanke Theorie. Warum fragst du nicht Zicci?«, schlug Coco vor.

»Zicci? Gut, wenn du meinst.«

Kaum hatte Dorian den Namen ausgesprochen, stand der Hausgeist im Schlafzimmer. Beziehungsweise schwebte er etwa dreißig Zentimeter unter der Zimmerdecke. Er schaute ziemlich missmutig drein. »Ich hoffe, du hast einen triftigen Grund, mich mitten in der Nacht herbeizurufen. Zamira und ich waren gerade dabei ...«

»Bitte keine Details!«, unterbrach ihn Dorian.

Zicci war, dem Anlass entsprechend, aus dem Dorian ihn herausgerissen hatte, mal wieder splitterfasernackt. Sein Glied war himmelwärts nach oben gestreckt und berührte die Decke.

»Wir wollen wissen, ob Dorian dir den Albtraum verdankt, aus dem er soeben erwacht ist«, sagte Coco.

Der Hausgeist setzte eine empörte Miene auf. »Was denkt ihr von mir? Niemals, ich betone: niemals würde ich meinem Herrn Schaden zufügen.«

»Zumindest nicht bewusst, das stimmt!«, knurrte Dorian.

»Vielleicht ja nicht mit Absicht«, lenkte Coco ein. »Hast du vielleicht an Libussa gedacht?«

Immerhin war Libussa Ziccis ehemalige Herrin gewesen. In der Vergangenheit hatte sie ihn ausgeschickt, um Matthias – Dorian in seinem sechsten Leben – zu Hilfe zu holen. Dabei hatte sich Zicci um dreieinhalb Jahrhunderte in der Zeit vertan. Konnte ja mal passieren, wenn man als Dämon gerade ein bisschen unkonzentriert war.

»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Zicci. »Zumal ich soeben mit Zamira zum zwölften Mal in dieser Nacht ...«

»Ich sagte doch: Keine Details!«, unterbrach ihn Dorian abermals. »Wenn du möchtest, kannst du jetzt wieder verschwinden.« Er stand auf und goss sich einen Bourbon ein. Nachdem er ihn heruntergekippt hatte, schwebte Zicci noch immer unter der Decke.

»Beschreib mir deinen Traum«, verlangte er.

Dorian seufzte, aber er tat dem Hausgeist den Gefallen.

Dessen Miene wurde immer besorgter. »Das kann nur bedeuten, dass du in großer Gefahr bist«, sagte Zicci schließlich. »Ein Dämon, ein mächtiger Dämon nähert sich dir.« Er vollführte eine entsprechend dramatische Geste.

»Danke«, sagte Dorian düster. »Das sind genau die aufmunternden Worte, die ich mir von meinem Diener versprochen habe.«

Beleidigt löste sich Zicci in Luft auf.

»Ich kann mich nur dunkel erinnern«, sagte Dorian schließlich zu Coco. »Es sind nur Fetzen, die ich sehe, keine zusammenhängenden Bilder. Es fühlt sich an, als würde etwas die Erinnerung blockieren. Ich glaube jedoch, dass Libussa und ich damals im Gebiet der Hornisgrinde abermals in Bedrängnis geraten sind ...«

»Hornisgrinde? Davon habe ich noch nie gehört«, gab Coco zu.

»Die Hornisgrinde ist der höchste Berg des Schwarzwalds«, dozierte Dorian. »Der Bergrücken erstreckt sich ziemlich lang über zwei Kilometer hinweg. Ganz in der Nähe liegt übrigens der Mummelsee. Hauptsächlich erinnere ich mich, dass es immerzu geregnet hat. Die ganze Zeit über tropfte es in unseren Zigeunerwagen herein. Nach einiger Zeit waren wir völlig durchnässt. Nichts wurde mehr richtig trocken. Wir froren und zitterten nächtelang ...«

»Oh, wie ich bisher so herausgehört habe, wird euch schon was eingefallen sein, um was gegen die Kälte zu unternehmen«, stichelte Coco gutmütig.

»Stimmt!«, grinste Dorian. »Libussa war eine begnadete Lehrmeisterin. Allerdings hat sie mir ihre Gunst nicht sehr oft geschenkt.«

»Das meiste davon scheinst du ohnehin vergessen zu haben. Jedenfalls habe ich nicht viel davon mitbekommen in letzter Zeit.« Sie lächelte und nestelte an Dorians Pyjamajacke herum.

»Ist ja auch schon ziemlich lange her«, gähnte der Dämonenkiller. »Etliche Jahrhunderte.«

»Wie wär's mit einer kleinen Auffrischung deines Gedächtnisses?«, schlug Coco vor. »Außerdem kommst du dann auf andere Gedanken.«

»Gönnst du mir etwa meine Erinnerung an Libussa nicht?«, erwiderte Dorian.

»Ich werde sie dir austreiben!«, drohte Coco. Und damit warf sie sich über ihn.

Zwischenspiel

Die Hand von Rosalind Guerrero fühlte sich trocken und kalt an, als ihr Sohn Josep darüberstrich. Ihr Brustkorb hob und senkte sich kaum noch, ihr Atem ging flach und röchelnd. Das faltige Gesicht mit den hohlen Wangen und den geschlossenen Augen wirkte verloren auf dem Kopfkissen.

»Es geht zu Ende.« Der Priester, der auf einem schlichten Holzstuhl auf der anderen Seite des Betts saß, bekreuzigte sich. »Bald hat sie es geschafft und Gott, der Herr, wird sie in seinem Reich aufnehmen.«

Josep nickte nur. Tränen schossen ihm in die Augen. Dass er selbst die siebzig fast erreicht und Rosalind die neunzig schon längst überschritten hatte, änderte nichts an der Leere, die er fühlte. An der Trauer.

»Wenn ein geliebter Mensch geht, spielt es keine Rolle, wie lange und erfüllt sein Leben war«, sagte Vater Rossend. »Du brauchst dich deiner Tränen nicht zu schämen. Sie sind nur ein Zeichen deiner Liebe.«

Josep Guerrero wischte sich über die Augen. »Es ist nur ... Sie ist alt, ja. Älter als es manch anderem zu werden vergönnt ist. Aber vor ein paar Wochen war sie noch rüstig, arbeitete jeden Tag in ihrem Gemüsegarten, interessierte sich für Politik und Literatur, hatte einen gesunden Appetit. Und jetzt das! Wie kann ein Mensch nur so schnell ... verfallen?«

»Die Wege des Herrn sind unergründlich.«

Guerrero winkte ab. »Komm mir nicht mit solchen Sprüchen. Der Herr hat damit gar nichts zu tun, und das weißt du genau.«

Vater Rossend nickte und sah betroffen zu Boden.

»Die Aufregung war einfach zu viel. Diese Hexe, die wir im Gemeindehaus gefangen hatten, dieser Kerl aus dem Castillo, der sintflutartige Regen, das dämonische Gesicht in den Wolken. Das hat sie aus der Bahn geworfen.«

»Kann sein«, erwiderte Vater Rossend. »Muss aber nicht.«

»Woran soll es denn sonst liegen?«

»Sie ist alt! Da geht es oft sehr schnell, dass ...«

»Unsinn. Ich sage dir, die Hexe hat sie umgebracht! Nur indirekt, aber trotzdem ist es ihre Schuld. Vater Arias ist auch dieser Meinung.«

Rossend verdrehte die Augen.

»Du hältst nicht viel von ihm«, stellte Josep fest.

»Ich will nicht schlecht über Gottes Geschöpfe reden. Aber du hast recht.«

»Warum? Er ist ein Bruder im Glauben.«

»Wieso trägt er dann keine Zeichen dieses Glaubens? Weshalb war er noch nie in der Kirche, sondern hat sich in der Scheune von Antonio Urales einquartiert?«

»Weil nicht er der Priester unserer Gemeinschaft ist, sondern du. Das hat er bereits erklärt! Und weil er nicht will, dass die Kräfte des Bösen, die er verfolgt, ihn sofort als Feind erkennen. Er will sie nicht provozieren, sondern lieber überraschend zuschlagen.«

Vater Rossend umklammerte das kleine Holzkreuz, das vor seiner Brust baumelte. »Wo ist es denn, dieses Böse, dem er angeblich auf der Spur ist? Dorian Hunter hatte die Hexe schon besiegt, bevor Arias kam. Und seitdem herrscht wieder Ruhe im Dorf. Was tut er also noch hier? Warum ist er nicht längst weitergewandert?«

»Ich weiß es nicht.«

Schweigen kehrte ein. Die Männer wichen den Blicken des jeweils anderen aus und sahen stattdessen Rosalind Guerrero an.

Als Mitternacht längst vorüber war, schaute Vater Rossend auf die Uhr. »Es wird Zeit für mich. Wenn sich ihr Zustand ändert, kannst du mich jederzeit anrufen.« Er sprach ein Gebet für die Sterbende, reichte Josep die Hand und verließ das Haus.

Auch Josep konnte vor Müdigkeit kaum noch die Augen offenhalten. Aber er wollte seiner Mutter in ihren letzten Stunden beistehen. Niemals könnte er es sich verzeihen, wenn sie starb, während er schlief.

Ein Heulen holte ihn aus den Gedanken, gefolgt von einem Entsetzensschrei.

Vater Rossend!

Josep Guerrero fuhr so hastig vom Stuhl hoch, dass dieser umkippte. Er eilte zur Haustür, riss sie Tür auf und lief ein paar Schritte hinaus. Bis an den Rand der kleinen Insel, die das Licht der Flurbeleuchtung schuf. Weiter wagte er sich nicht. Er kniff die Augen zusammen, um die Dunkelheit der Nacht mit seinen Blicken zu durchdringen, doch es gelang ihm nicht. Seit dem Regenguss, der die Hexe vertrieben hatte, hing der Himmel voll Wolken, die dem Licht des Monds und der Sterne kein Durchkommen erlaubten.

»Vater?«, rief Josep in die Finsternis. »Alles in Ordnung mit dir?«

Was für eine dumme Frage! Die Geräusche bewiesen, dass absolut nichts in Ordnung war. Das Jammern und Stöhnen, das Kiesknirschen, als ob sich ein Körper auf der Straße wälzte, das Fauchen. Und das Schmatzen eines fressenden Hundes.

»Hilf ... mir ... Jos...«, erklang das Ächzen von Vater Rossend, das in einen Schrei überging.

Die Außenbeleuchtung des Hauses! Vielleicht reichte sie aus. Wie dumm, nicht gleich daran gedacht zu haben.

Josep eilte zurück und drosch auf den Lichtschalter im Hausflur. In seiner Aufregung erwischte er den falschen. Der matte Schimmer im Flur erlosch. Die Lichtinsel vor der Tür versank in einem Meer aus Finsternis. Die grauenhaften Geräusche schienen mit einem Schlag viel näher zu kommen. Hastig schlug er noch einmal auf die Schalter. Erst ging die Beleuchtung im Flur wieder an, dann flammten draußen zwei Hauslaternen links und rechts der Eingangstür auf.

»O mein Gott!«, stieß er hervor.

Vater Rossend lag auf der Straße, nur wenige Meter von seinem Auto entfernt. Auf ihm kniete eine wolfsähnliche Gestalt. Ein zottiges Wesen mit schwarzem Fell, mörderischen Reißzähnen und vier Pranken. Und doch ähnelte es keinem Wolf, den Josep bisher gesehen hatte. Etwas stimmte mit dem Vieh nicht. Die Proportionen erinnerten eher an einen Menschen als an ein Raubtier. Doch dass es sich um eines handelte, stand außer Zweifel. Mit Entsetzen musste Josep feststellen, dass sein Vergleich mit dem fressenden Hund ins Schwarze getroffen hatte. Nur dass es eben kein Hund war, der den Priester zerfleischte.

Josep Guerrero übergab sich auf den Gehsteig.

Deshalb hat Vater Arias das Dorf nicht verlassen. Das Grauen ist noch nicht vorüber!

Von dem Würggeräusch bei der Mahlzeit gestört drehte der Wolf den Schädel zu Josep und stieß ein drohendes Knurren aus.

Eine Waffe! Ich brauche etwas, um mich zu verteidigen.

Vergiss es! Hau lieber ab!

Er wollte die Tür vor sich zuschlagen, das Wolfding aussperren, aber er war zu keiner Bewegung fähig.

Im Gegensatz zu Vater Rossend! Josep traute seinen Augen kaum, als er erkannte, dass der Priester noch lebte. Die blutverschmierte Hand des Geistlichen glitt zur Brust und fetzte das kleine Holzkreuz ab, das er an einer Kette trug. Die Wolfskreatur war so damit beschäftigt, Josep anzuknurren, dass sie nichts davon bemerkte. Das änderte sich erst, als Rossend der Bestie das Kreuz gegen die Schnauze drückte.

Ein lautes Zischen erklang, und eine Rauchwolke stieg vom Kopf des Wesens auf. Es kreischte auf, fauchte, warf die Schnauze herum. Mit dem Hieb einer Tatze schlug es dem Priester das Kreuz aus der Hand. Das Glaubenssymbol flog durch die Nacht und landete direkt vor Joseps Füßen.

Nun war die Bestie gereizt. Sie jaulte und heulte. Weil die Wunde schmerzte?

Sie ließ eine Pranke niedersausen und bereitete Vater Rossend ein Ende. Dann warf sie sich herum und jagte auf Josep zu.

Dieser bückte sich nach dem Kreuz ...

Was tust du denn? Schließ die Tür, du Idiot!

... und hob es auf.

Zu spät. Als er sich aufrichtete, flog die Bestie auf ihn zu und riss ihn von den Beinen. Josep versuchte, den Arm hochzubringen und der Kreatur das Kreuz ins Maul zu stopfen.

»Nein!«, brüllte da eine Stimme. »Werfen Sie es weg!«

Vater Arias!

Josep wusste nicht warum, aber er gehorchte. Mit einer Bewegung aus dem Handgelenk schleuderte er das Kreuz an dem Wolfding vorbei durch die Haustür und in die Nacht.

Die Bestie folgte dem geweihten Symbol mit dem Blick, drückte Josep aber weiterhin zu Boden. Als sie den Kopf wieder herumwarf und den Mann unter ihren Pfoten anfauchte, schlug diesem ein schrecklicher Gestank entgegen. Nach Blut, Verfall und Tod.

Ihm wurde bewusst, dass er gerade seine einzige Waffe aus der Hand gegeben hatte.

Das Vieh riss das Maul weit auf. Bereit, zuzubeißen. Schicksalsergeben schloss Josep die Augen und wartete auf den Schmerz.