Das Heilige Quadrat - Marion Küstenmacher - E-Book

Das Heilige Quadrat E-Book

Marion Küstenmacher

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Beschreibung

Wie finden wir unseren heiligen Ort, an dem wir innehalten und uns in die göttliche Gegenwart einstimmen können? Diese heiligen Orte müssen nicht fern oder unerreichbar sein. Die Theologin Marion Küstenmacher weiß: Sie können überall entstehen – im eigenen Zimmer, im Wald, auf der Straße. Vier einfache Bänder genügen, um überall und jederzeit ein Heiliges Quadrat als Bodenanker des Himmels auszulegen. Auf der Basis von Bibel und interreligiöser Mystik hat sie 40 kreative und alltagstaugliche Übungen entwickelt, die neue Formen der Gottessuche eröffnen. So wird es möglich, den eigenen heiligen Raum immer wieder neu zu entdecken – mobil, lebendig und voller Inspiration.

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Seitenzahl: 175

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Titelseite

 

Marion Küstenmacher

 

Das Heilige Quadrat

40 spirituelle Übungen für Körper, Geist und Seele

Impressum

Die Bibelverse folgen keiner einheitlichen Bibelübersetzung, sondern wurden überwiegend von der Autorin frei übersetzt.

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2025

Hermann-Herder-Str. 4, 79104 Freiburg

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

 

Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich an

[email protected]

 

Umschlaggestaltung: – geviert Augsburg, Michaela Kneißl

 

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster

 

ISBN Print 978-3-451-39781-3

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-84258-0

Inhalt

EINLEITUNG
Eine Insel des Sinnvollen betreten
Dein Weg mit dem Heiligen Quadrat
Wie du dieses Buch nutzen kannst
TEIL I. QUADRATE ÜBERALL
EINE URALTE VERBINDUNG VON HIMMEL UND ERDE
ZUR BEDEUTUNG UND SYMBOLIK DER ZAHL VIER
DAS QUADRAT DER PHILOSOPHEN
DAS QUADRAT DER PSYCHOLOGEN
TEIL II. DAS HEILIGE QUADRAT
DAS HEILIGE QUADRAT IM ALTEN UND NEUEN TESTAMENT
HA-MAKOM: DER ORT GOTTES, GOTT ALS ORT
DIE HIMMLISCHE MESSSCHNUR UND DIE VIER BÄNDER
ZU DEN ÜBUNGEN
TEIL III. ÜBUNGEN
SICH VERTRAUT MACHEN
1. Das Heilige Quadrat umschreiten
2. Das Heilige Quadrat als Bodenanker des Himmels
3. Das Heilige Quadrat der vier biblischen Bänder
4. Das Heilige Quadrat der vier Ecken
5. Das Heilige Quadrat der vier Elemente
6. Das Heilige Quadrat der einfachen Dinge
DEN TAG GESTALTEN
7. Das Heilige Quadrat der Schwelle
8. Das Heilige Quadrat der vier Himmelsrichtungen
9. Das Heilige Quadrat der Atempause
10. Das Heilige Quadrat der vier Erzengel. Ein Abendritual
11. Das Heilige Quadrat der vier Kerzen
12. Das Heilige Quadrat als Nachtlager Gottes
13. Das Heilige Quadrat der Dankbarkeit
IM FREIEN
14. Das Heilige Quadrat der blühenden Wiese
15. Das Heilige Quadrat der Zufallsfunde
16. Das Heilige Quadrat der Waldeslust
17. Das Heilige Quadrat im Zwiegespräch mit einem Baum
18. Das Heilige Quadrat in der Kathedrale des Waldes
19. Das Heilige Quadrat der Zettelchen
20. Das Heilige Quadrat im Sand
ICH UND DIE ANDEREN
21. Das Heilige Quadrat der Gemeinschaft
22. Das Heilige Quadrat der Freundschaftsbänder
23. Das Heilige Quadrat der Verneigungen
24. Das Heilige Quadrat des Mitgefühls
25. Das Heilige Quadrat des Quarrtsiluni
26. Das Heilige Quadrat der vier Göttinnen
27. Das Heilige Quadrat der Erinnerungen
LOSLASSEN
28. Das Heilige Quadrat der Umkehrungen
29. Das Heilige Quadrat der Gelassenheit
30. Das Heilige Quadrat leerfegen
31. Das Heilige Quadrat der leeren Fülle
32. Das Heilige Quadrat als innere Einsiedelei
33. Das Heilige Quadrat des Schweigens
WEIT ÜBER MICH HINAUS
34. Das Heilige Quadrat der Leichtigkeit
35. Das Heilige Wunschquadrat des Thomas von Aquin
36. Das Heilige Quadrat der vier biblischen Urmütter
37. Das Heilige Quadrat des Tetralemma
38. Das Heilige Quadrat Jesu Christi
39. Das Heilige Quadrat des ICH BIN
40. Das Heilige Quadrat als tragbares Paradies
Abbildungen
Bibelstellenverzeichnis
Personenregister
Über die Autorin
Über das Buch

Einleitung

Gott sprach: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.

3 Mose 19,2

Liebe Leserin, lieber Leser!

Für mich sind gute Freundschaften ähnlich wohlproportioniert wie ein klassisches Quadrat. Sie gleichen schönen quadratischen Plätzen oder Räumen, in denen man sich wohlfühlt und nach Herzenslust austauschen kann. In einem solchen Freundschaftsraum und dank dem kreativen Austausch mit Frank Puckelwald sind viele Ideen zu diesem Buch entstanden. Lieber Frank, du hast als Pastor und erfahrener Spiritual vom ersten Moment an an dieses Projekt geglaubt und es mit deiner freundlichen Herzensklugheit begleitet. Die Gespräche mit dir haben mich immer wieder das Heilige spüren lassen. Dafür möchte ich dir von ganzem Herzen danken.

Dieses Buch atmet hoffentlich etwas von diesem freundschaftlichen Geist, der mich beim Schreiben motiviert und inspiriert hat. Jetzt lädt es dich, liebe Leserin, lieber Leser, ein, nun auf deine Weise dem Heiligen einen Raum zu geben. Du kannst auf vielerlei Weise überall eine besondere ­spirituelle Sphäre erkunden, indem du mit ein paar Bändern ein ­Heiliges Quadrat auslegst. Das lateinische Wort für »heilig« lautet »sanc­tus«, es leitet sich ab von »sancire«, was umschließen oder begrenzen bedeutet. Das Heilige Quadrat ist also ein markierter spiritueller Raum, etwas, das man früher ein »Fanum« nannte. Alles andere um einen solchen Ort herum wurde als das »Pro-fane« angesehen.

Du wirst schnell merken: Dein Heiliges Quadrat ermöglicht die Transformation des Profanen, die Wiederherstellung seiner heiligen Tiefe. Es hebt sie wie einen verborgenen Schatz aus dem allgegenwärtig Profanen unserer heutigen Welt herauf. Indem es die profane Wirklichkeit auf sanft einladende, bestürzend schöne oder hinreißend bezwingende Weise wieder diaphan, also durchscheinend macht für Gott. Dann spürst du: Das Heilige ist der Grund der Welt, auf dem alles gründet. Es füllt deine innere Wirklichkeit aus, während es gleichzeitig die ganze Welt umarmt. Es kommt dir näher als nah, und ist doch immer größer als du, ursprünglicher und weitreichender als alles, was du erfassen und definieren kannst. Sobald du es entdeckst, erfährst du, dass genau hier, an diesem kleinen Ausschnitt der Welt, deine eigene Seele in Resonanz mit etwas Großem, Gutem oder Schönem gehen will. Das Heilige selbst zieht dich dann ganz nach innen zu dir selbst – und gleichzeitig hinein in ein unendlich großes Ganzes. Es stiftet eine unmittelbare Zugehörigkeit, einen innersten unauslöschlichen Zusammenhang, dessen Dimension überwältigend ist. Wenn du auch nur einmal so vom Heiligen berührt wirst, weißt du, was Ehrfurcht ist.

Eine Insel des Sinnvollen betreten

Die Übungen in diesem Buch sind Vorschläge, wie du dich selbst mit dem Heiligen Quadrat in diese Überall-Präsenz des Göttlichen einstimmen kannst. Der Platz für ein Heiliges Quadrat kann darum überall sein, denn das Heilige ist die Grundlage der Welt. Vielleicht kennst du aus deiner Kindheit noch das Hüpfspiel »Himmel und Hölle«. Mit Kreide werden zehn quadratische Felder aufgezeichnet. Alles außerhalb ist »Hölle«, in den »Himmel« kommt man, wenn man es hüpfend schafft, immer genau innerhalb jedes Quadrats zu landen. Quadrate sind aber nicht nur im Kinderspiel himmlische Landeplätze. Erstaunlicherweise existiert in jeder Seele ein uraltes interkulturelles Wissen, dass gerade quadratische Formen mit dem Heiligen verbunden sind.

Quadrate tauchen darum auch in Traumbildern und Imaginationen auf. Ich führe seit vielen Jahren ein spirituelles Tagebuch, in dem ich auch wichtige Träume notiere. Tatsächlich kamen darin immer wieder quadratische Plätze, Räume oder Gebäude vor, wenn es um etwas Großes, Ganzes, um etwas Heiliges oder zutiefst Bedeutsames für mich ging. So träumte ich zu Beginn meiner zweiten Schwangerschaft einmal von einem Turm mit quadratischem Grundriss. Oben betrat ich einen Raum mit quadratischen Fenstern in allen vier Himmelsrichtungen und sah auf einen schönen quadratischen Garten mit frühlingsfrischen hellgrünen Bäumen hinab, der den Turm umgab. Was ich im Traum sah, vermittelte mir ein wunderbares Gefühl von Geborgenheit für mich und das Ungeborene. Im quadratischen Turmzimmer spürte ich einen intensiven Zuwachs an seelischer Energie und Zuversicht.

Wo immer du für dich ein Heiliges Quadrat auslegst, betrittst du eine der heiligen »Inseln des Sinnvollen« (Václav Havel). Hier kannst du Einsicht gewinnen in den geheimnisvollen Grund des Lebens, der durch alles hindurchschimmert. Als hellste Gegenwart, als größte Offenheit, als Grundvertrauen ins Leben, als unfassbares Staunen und Einverstandensein mit dem, was ist. Von Leonhard Cohen stammt der Satz, dass Religion etwas ist, »mit dem man das Universum bewohnbar macht«. Alle Religionen haben darum Wohnungen für das Heilige gestaltet: Ritualplätze, Heilige Höhlen, Haine, Flüsse und Berge, Tempel, Kirchen, Moscheen, Kapellen, Gebetshallen, Pilgerpfade … Sie wecken Staunen und Ehrfurcht, sie sammeln den Geist, stiften unvergessliche Gemeinschaftserfahrungen. Sie erzählen wie Salomos prächtiger Tempel davon, dass Gott »wirklich auf Erden wohnt«, auch wenn »der Himmel und aller Himmel Himmel ihn nicht fassen können« (1 Kö 8,27). Später verlegte Paulus in einer kühnen Erkenntnis die Wohnung Gottes ganz ins Innere des Menschen: »Wisst ihr nicht, dass ihr selbst der Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt?« (1 Kor 43,18). Damit war Gott – wie früher schon bei den alten Nomadenstämmen Israels – nicht mehr an ein territoriales Heiligtum gebunden. Das Heilige wurde wieder mobil, wanderte mit, zeigte sich migrationsstark und konnte wieder an überraschend vielen Orten und von vielen Menschen neu erfahren werden. Wie Meister Eckhart sagte: »Gott ist in allen Dingen und an allen Orten gleich und ist bereit, soweit es an ihm ist, sich überall in gleicher Weise zu geben, und der erkennt Gott richtig, der ihn überall in gleicher Weise erkennt.«

Dein Weg mit dem Heiligen Quadrat

Genau dazu ist auch das Heilige Quadrat da. Symbolisch könnte man es einen kleinen, aber sehr hilfreichen »Vorhof unseres eigenen Tempel-Seins« nennen. Es definiert einen stark reduzierten Bereich für einen heiligen Platz: einen Quadratmeter, der mit nichts als vier Bändern oder Strichen markiert wird. Du bist damit nicht an einen Ort gebunden, kannst es überall und jederzeit auslegen, aufkleben oder aufmalen. Das passt zu unserem heutigen mobilen Lebensstil. Es passt auch zu unserem Bedürfnis nach selbstbestimmter Suche und eigenen spirituellen Erfahrungen. Ich bin in über dreißig Jahren bei meinen Vorträgen und Seminaren so vielen wunderbaren Gottessucher:innen begegnet, dass ich zutiefst von der priesterlichen Kraft der Seele überzeugt bin. Du kannst darauf vertrauen: Sobald sich deine Seele im Heiligen Quadrat orientieren kann, beginnt sie damit, ihre Pforten zu öffnen und einen eigenen heiligen Prozess in Gang zu setzen. Deine Seele setzt vor, im und mit dem Quadrat Materielles und Geistiges zusammen. Sie verbindet so das Sichtbare mit dem Unsichtbaren. Sie holt sich Symbole dazu und verknüpft sie mit dem unendlichen Geheimnis in dir und um dich herum.

Wenn du dein Heiliges Quadrat umkreist, dich hineinstellst oder -setzt, wirst du spüren, dass es dich darin unterstützt, dich mit dem jeweiligen Ort zu verbinden und genau hier das Heilige buchstäblich zu verkörpern. Gerade die ersten der vierzig Übungen in diesem Buch laden dich ein, zu Beginn dein Heiliges Quadrat als Bodenanker des Himmels zu erkunden. Die Übungen folgen einer lockeren Ordnung und werden im Lauf des Buches komplexer. Sie begleiten dich auch immer mehr nach innen. Aber natürlich kannst du experimentieren und sie in beliebiger Reihenfolge ausprobieren. Es lohnt sich auch, die eine oder andere öfter zu wiederholen, so dass du von Mal zu Mal weitere Tiefenschichten entdecken kannst. Vielleicht findest du so eine Lieblingsübung, die dir dauerhaft ans Herz wächst. Viele Übungen haben eine innere »Liturgie«, die dir helfen möchte, zugleich behutsam mit dir selbst zu sein und dich in Ehrfurcht dem Heiligen, Göttlichen, Allumfassenden zuzuwenden.

Dein heiliges Experiment mit dem Quadrat wird zutiefst persönlich sein und dabei trotzdem weit über dein eigenes Ich hinausweisen. Alle Übungen in diesem Buch speisen sich aus dem Erfahrungsschatz der unterschiedlichsten spirituellen Traditionen. Du wirst mit ihnen interreligiös und durch viele Jahrhunderte unterwegs sein, so dass du dich über viele Generationen hinweg eingebunden fühlen kannst in die Familie unzähliger Sucherinnen, Gottesfreunde und Mystikerinnen. Ich habe viele ihrer großartigen Texte aufgenommen. Ihre Weisheit will dich darin unterstützen, dass du in Einklang kommst mit der universalen Wirklichkeit Gottes, die ständig neu im Werden ist. Die ein heiliger Prozess ist, der sich immerzu in dir und um dich herum vollzieht.

Bitte fühle dich dabei immer frei, deinen inneren Impulsen zu folgen. Nicht jede Übung muss zu dir passen oder dich inspirieren. Entscheidend bleibt immer, was sich dir jetzt, in diesem einzigartigen Moment, an diesem einzigartigen Ort offenbart. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen: Der Raum im Heiligen Quadrat verdichtet sich von Mal zu Mal, er wird schwergewichtiger, substanzieller, er zieht dich in deine innere, lichtvolle Tiefe. Wenn du so mit deinem eigenen Herzenslicht das Heilige Quadrat ausleuchtest, heilst du mit dieser Heiligsprechung eines einzigen Quadratmeters ein Stück reale Welt. Es wird danach nicht mehr dasselbe sein, weil mit dir und durch dich genau hier etwas vom Licht des absoluten Geistes aufleuchtete. Ein kleiner und doch intensiv religiöser Akt, mit dem du hilfst, das Universum bewohnbarer zu machen.

Noch mehr wird sich zeigen können, nachdem du dein Heiliges Quadrat wieder verlassen hast. Du hast im Heiligen Quadrat Einsichten gewonnen – bist du nun bereit, diesen Wachstumsimpulsen im Alltag zu folgen? Wie helfen sie dir, dich und dein Handeln in der Welt neu auszurichten? Achte darauf, welche Gelegenheiten sich in den Tagen danach auftun, in denen du das Heilige verkörpern und widerspiegeln kannst. Du wirst es vielleicht daran merken, dass du ruhiger und gelassener wirst. Dass dich mehr Freude und Dankbarkeit erfüllt. Oder dass du jedes Mal ein bisschen freundlicher, wahrhaftiger, friedfertiger denken und handeln kannst als zuvor.

Wie du dieses Buch nutzen kannst

Noch ein Wort zur Struktur dieses Buches: In Teil I geht es um die vielfältigen Bezüge des Quadrats zu Mathematik, Architektur, Philosophie, Religion, Alchemie, Psychologie, Musik und Symbolik. Dieses Hintergrundwissen kannst du auch überspringen, um es je nach Interesse später zu vertiefen oder um daraus auch eigene Übungen mit dem Heiligen Quadrat zu entwickeln. Wenn du magst, kannst du auch gleich mit Teil II beginnen und dann zu den Übungen in Teil III gehen. Kurze Informationen zu allen im Buch erwähnten Personen findest du hinten im Personenregister. Ebenso gibt es ein Verzeichnis mit den Bibelstellen, die ich zitiert habe.

Nun wünsche ich dir, dass dich dieses Buch inspiriert und motiviert, mit deinem eigenen Heiligen Quadrat nach Gott und dem Heiligen zu suchen. Dein tiefstes Wesen kennt den Weg dorthin. Und wenn du gefunden hast, wirst du wissen: das Heilige und das Profane, die »beiden Welten«, sind eins.

Herzlichst,deine Marion Küstenmacher

TEIL I Quadrate überall

Lesen möchte ich in mir und außerhalb von mir jene Schriftzeichen und Symbole einer göttlichen Sprache.

Carlo Carretto

Ein Quadrat ist ein regelmäßiges Viereck mit exakt gleich langen Seiten und gleichen Innenwinkeln. Es hat vier Symmetrieachsen: senkrecht, waagrecht und zweimal diagonal. Der Schnittpunkt der Diagonalen ist der Mittelpunkt für einen inneren Kreis, der das Quadrat maximal ausfüllt, ebenso wie für einen Außenkreis, der alle vier Eckpunkte berührt. Wie der Kreis ist es eine vollkommene geometrische Form auf einer Ebene.

Das Quadrat, geometrisch betrachtet

Es gibt aber fast keine Quadrate in der Natur, Ausnahmen finden sich bei Kristallen. Quadrate sind vor allem eine Entdeckung des menschlichen Geistes, der Logik und Mathematik. Für die Pythagoräer stand die Vier als erste Quadratzahl für objektive Ordnung und galt als ideale Zahl. Sie verehrten sie als Tetraktys, heilige Vierfaltigkeit. Ihre Schönheit und Harmonie zeigt sich gesteigert im Quadrat. Aristoteles verband mit dessen ausgewogenen Proportionen ausgleichende Gerechtigkeit. Ein Quadrat strahlt Ruhe und Stabilität aus. Es zentriert, verspricht festen Grund und Dauerhaftigkeit. Seine vier Kanten umgrenzen einen Lebensbereich und gewähren stabile, gesicherte Verhältnisse. Alles innerhalb seiner Grenzen ist geschützt und lädt ein, sich darin niederzulassen. Die regelmäßige Einfriedung bannt die Angst vor dem Chaos, dient der Orientierung und strukturiert nach außen wie nach innen. Telefonzellen hatten früher quadratische Grundrisse, der Boxring ist ein Quadrat. Die klaren gleichlangen Kanten machen das Quadrat zu einem konkreten, festen Ort auf Erden. Positiv findet sich das Quadrat als geschützte Umfriedung, umhegter Garten: es bedeutet Inbesitznahme, Niederlassung, bietet ein vertrautes Zuhause oder zeigt sich als repräsentativ gepflasterter, öffentlicher Platz. Ein hoch ummauertes Quadrat wird zur Festung, wie der annähernd quadratische White Tower in London. Es kann im negativen Sinn Ausweglosigkeit bedeuten und zur Gefängniszelle werden. Die Folter des Vierteilens ist ein Gewaltakt und zerstört die Einheit des Lebendigen.

Generell eignen sich Quadrate sehr gut zur Vervielfältigung und sorgen im Verbund für harmonische Flächenein­teilungen. Sie sind »quadratisch, praktisch, gut«, wie es in der Werbung heißt, und finden sich überall: als Schokolade oder Toastbrot, Zuckerwürfel, Karo- und Millimeterpapier, Fliesen, Mosaiken, Pflastersteine, Raster und Planquadrate in Bauplänen. Mohenjo Daro war eine antike Stadt mit quadratischem Grundriss im Indus-Tal, angelegt wurde sie im 3. Jahrtausend vor Christus. Viele hinduistische und buddhistische Mandalas sind einer quadratischen Stadt mit vier Toren nachempfunden. Vom antiken Roma quadrata, dem quadratischen Stadtkern des alten Roms, haben wir die Einteilung in Stadtviertel übernommen und sprechen beim Einzug von Einquartieren. Arabische Häuser waren traditionell quadratisch und umschlossen einen begrünten Innenhof, der an den Paradiesgarten erinnerte.

Es geht aber auch kleiner: In Japan bestehen die ­Tatamis (Strohmatten für den Boden) aus zwei zusammengefügten Quadraten, so wie bei uns ein Standardbett die Fläche von zwei Quadratmetern hat. Quilts werden traditionell von Hand aus quadratischen Stoffstücken zusammengenäht. Kopfkissen und Servietten haben eine quadratische Form, karierte Tartanmuster symbolisieren die Zugehörigkeit zu schottischen Clans. Memorykarten sind quadratisch. Sehr oft auch die Bretter von Gesellschaftsspielen, die bei Schach, Dame, Sudoku und Go selbst aus Quadraten bestehen. Ein Würfel hat quadratische Grundflächen und legt den nächsten Spielzug fest: Die Entscheidung ist gefallen. Viele Computerspiele wie Sim City, Starcraft oder Civilization I bis IV bauen sich auf einer periodischen Parkettierung aus quadratischen Kacheln auf. Eines der berühmtesten Gemälde der Moderne ist das Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch aus dem Jahr 1915. Im Englischen nennt man eine ehrliche, offene Haltung fair and square und ein für alle gerechtes Ergebnis einen square deal. So gelobten die Pfadfinder früher to be square. Der Quarterback ist der zentrale Offensivspieler beim American Football. Eine Vierergruppe ist ein Quartett, ob als Kartenspiel, als die beiden ersten Strophen im Sonett, ein Musikstück oder als Gruppe von vier Musizierenden. Es gibt Viertelnoten (engl. quarter note) und die Quarte, ein Intervall auf der Tonleiter, das vier Tonstufen umspannt. Nicht zuletzt entwickelten sich Tänze wie die Quadrille oder der Square Dance, der in einer Gruppe von vier Paaren auf vier Seiten eines Quadrats getanzt wird.

Eine uralte Verbindung von Himmel und Erde

Jeder Ort ist heiliger Boden, denn jeder Ort kann Stätte der Begegnung werden, Begegnung mit göttlicher Gegenwart.

David Steindl-Rast

Das Quadrat hat eine Jahrtausende alte Beziehung zum Heiligen und den Schwellenerfahrungen von Geburt und Tod: So dient der quadratische Grundriss der Pyramiden als heilige Basis für den Transfer des verstorbenen Pharaos ins Jenseits. In der Kosmologie des spätbabylonischen Mesopotamiens teilte man die ganze Erdscheibe in vier Quadranten ein, die für vier Winde und die vier Himmelsrichtungen stehen.

Im alten China stellte man sich ausgehend von den vier Himmelsrichtungen die Erde als flaches Viereck vor und legte Häuser, Dörfer und Felder in Quadratform an. Ein quadratischer Raum steht in der chinesischen Symbolik für die Erde und ist weiblich. Zugleich gab es die Vorstellung eines mythischen Himmelreichs, das ebenfalls Quadratform hatte. Der Begriff 方 fāng für »Quadrat« bzw. »quadratisch« konnte deshalb auch »überall« bedeuten. Das Quadrat steht also für die enge Verbundenheit von Himmel und Erde.

Seit der Romanik und Gotik entstanden im christlichen Abendland Kirchenbauten mit einer zentralen Vierung: in diesem Quadrat treffen Längsschiff und Querschiff aufeinander und ergeben zusammen eine Kreuzform. Die Vierung bildete das Grundmodul und setzte sich Quadrat für Quadrat in den Proportionen des gesamten Kirchenbaus fort. Kreuzgänge in Klöstern wurden quadratisch angelegt und dienten als Wandelgang zur Sammlung und Meditation. Schon seit der Antike gibt es das panis quadratus, ein Brot mit einer Kreuzkerbe in der Mitte. Die frühen Christen verwendeten dieses Alltagsbrot bei ihren Abendmahlsfeiern.

Alle Symbole partizipieren an dem, worauf sie hinweisen. Auch Formen wie das Quadrat sind, aus der Sicht des Kirchenvaters Augustinus, Ausdruck für die »in der Welt selbst präsente Form der Weisheit Gottes, die vom menschlichen Geist erkannt werden kann.« Die Vorstellung einer mathematisch geordneten göttlichen Weltharmonie reicht im Westen über die jüdische Kabbala, die christliche Zahlenmystik im Mittelalter und die Sphärenharmonie der Musik bis hin zum Astronomen Johannes Kepler: »Das Zählen, eine Tätigkeit des Verstandes, macht sich an alles, an Göttliches und Menschliches … Die geometrischen Figuren aber sind Vernunftdinge. Die Vernunft ist ewig. Also sind die geometrischen Figuren ewig. So ist es z. B. seit Ewigkeit im Geiste Gottes wahr, dass im regelmäßigen Viereck das Quadrat über der Seite halb so groß ist wie das Quadrat über der Diagonale.«

Von einem magischen Quadrat erzählt der Daoismus. Hier wird als wichtigster Gott der legendäre chinesische Jadekaiser Yu Di wegen seiner Wohltaten verehrt. Als er am Gelben Fluss Dämme gegen drohende Überschwemmungen bauen ließ, tauchte daraus die göttliche Schildkröte Hi mit einem magischen Zahlenquadrat auf dem Panzer auf. Dieses Lo Shu hatte neun Felder, in denen Punkte (für Zahlenwerte) von eins bis Neun so verteilt waren, dass sie in jeder Reihe und Richtung gelesen die Summe fünfzehn ergaben.

Lo Shu, das älteste magische Quadrat

Auch im Islam gab es schon sehr früh den Brauch, magische Zahlenquadrate zu verwenden. Da alle Buchstaben im Arabischen wie schon im Hebräischen einen Zahlenwert haben, glaubte man, dass dieses Quadrat die ersten neun heiligen Buchstaben enthält, die Adam offenbart wurden. Solche Quadrate stellen eine Art Abwehrzauber dar, der einen »Safespace« erzeugt und Chaos bannt, wenn es gefährlich wird. So gab es den Brauch, einer Gebärenden ein magisches Quadrat auf den Bauch zu legen, um ihr die Wehen und dem Kind den Eintritt in diese Welt zu erleichtern. Glaubenskämpfer trugen Schutzhemden, auf die man Zahlenquadrate aufgestickt hatte. Islamische Gottesnamen wie matin (»der Feste«) wurden in Quadratform gestaltet und sollten, als Amulett getragen, die schwachen Beine von Kindern kräftigen.

Wie im Islam ordnete man auch im christlichen Mittelalter solche Zahlenquadrate den Planeten und Elementen zu und betonte damit die Verbindung zwischen Mensch und Kosmos. Die Mitte der kosmischen Vierheit ist die unsichtbare quinta essentia, die Einheit stiftende anima mundi, die Weltseele. Mittelalterliche Alchemisten sahen im homo quadratus die Vereinigung äußerster Gegensätze wie Mann-Frau, Licht-Dunkelheit, Himmel-Erde.

Im Quadrat werden die Gegensätze von den Gegensätzen »mit ewigen Banden zusammengebunden« und wechselseitig gehalten. So wird das Chaos beruhigt und durch Ordnung gebannt. Die stabile Quadratform dient der Sammlung des Bewusstseins und öffnet es für die subtileren Schichten der Wirklichkeit bis hin zum Absoluten.

Zur Bedeutung und Symbolik der Zahl Vier

Vier Elemente, innig gesellt, bilden das Leben, bauen die Welt.

Friedrich Schiller