Das Internat im Düsterwald - Marco Schönbach - E-Book

Das Internat im Düsterwald E-Book

Marco Schönbach

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Beschreibung

Gier und Grausamkeit Die Oberkommissarin, Margo Bachus, fällt nach dem Verlust ihrer großen Liebe in eine Sinn- und Lebenskrise, die geprägt ist von Selbstzweifeln und großen Bedenken an ihren Fähigkeiten als Ermittlerin. Von ihrem Job nimmt sie sich eine Auszeit. Doch erst die Hilfe und ein Anstoß durch ihren Freund und Vorgesetzten, Franco, bringt sie dazu die Auszeit sinnvoll zu nutzen. Ihre Reise und die Begegnungen führen sie schließlich zum Internat im Düsterwald, wo ihr Spürsinn schnell anschlägt, denn an diesem Ort stimmt etwas ganz und gar nicht…

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Seitenzahl: 269

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Das Internat

im Düsterwald

Marco Schönbach

Erotikthriller

Impressum

Texte:

© Copyright by Marco Schönbach 2021

Titelbild:

© Copyright by Marco Schönbach 2021

Verlag:

Marco Schönbach

Geschwister-Scholl-Straße 10

37327 Leinefelde-Worbis

[email protected]

Druck:

epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Kapitel 1

Am Boden zerstört

Margo wälzt sich im Bett und träumt den gleichen Traum, den sie seit Jessica’s Tod jeden Tag durchlebt. Sie hatte darauf gesetzt, dass es nach Jessi’s Beerdigung vor gut zwei Wochen abklingen würde, tatsächlich hat es sich nochmals verstärkt.

Schreiend: „Tue es nicht!“, schießt ihr Oberkörper nach oben, die Augen weit aufgerissen, klatschnass durchgeschwitzt.

Das Bett unter ihr drehte sich, der Boden auf den sie schaut, fällt schräg ab. Ihr Blick wandert zum Nachtschränkchen. Mit zitternder Hand greift sie nach der Flasche Wodka, die darauf steht. Hält sie schwenkend gegen das Licht, welches aus dem Wohnzimmer durch die geöffnete Tür fällt.

Ihre vom Alkohol betäubten Hände und trüben Augen stellen fest, dass die Flasche noch nicht leer ist.

Ich habe das Licht wieder brennen lassen. Egal. Noch gut ein Viertel gefüllt.

Lächelnd entfernt sie den Deckel, der nur leicht aufgeschraubt war. Setzt die Flasche am Mund an und leert sie in einem Zug. Ihr Körper rebelliert dagegen. Übelkeit steigt in ihr auf, sie würgt. Doch Margo unterdrückt es.

Ihr Oberkörper plumpst nach hinten. Die leere Wodkaflasche lässt sie aus der Hand gleiten. In ihrem schwindligen Kopf vernimmt sie dumpf, wie die Flasche auf den Boden fällt und wegrollt. Sie schaut auf das Bild, welches Jessica einst malte und nach wie vor an der Wand neben dem Bett aufgehängt ist.

Ach Jessi, das waren glückliche Zeiten. Das war die schönste Zeit in meinem Leben. Wieso, hast du das getan? Warum hast du nicht auf meine Liebe zu dir vertraut? Wenn du jetzt auf mich herabschaust, schau mich an, ich bin verzweifelt, voller Schmerz…

Auf mich herunterschaust? Es gibt keinen Gott. Wenn doch, hasse ich ihn. Gott hörst du mich? Wenn es dich gibt, dann verfluche ich dich. Mögest du selbst in der Hölle schmoren…

Ist mir schlecht. Ich sollte aufhören zu saufen. Wenn ich weiter so mache, trinke ich mich zu Tode. Wobei, so schlimm wäre das doch gar nicht. Nichts mehr Spüren und Fühlen, vor allem nicht mehr diese Einsamkeit, diesen Schmerz. Tod… die Erlösung. So einfach kann es sein…

Im Tod vereint. Jessi, warte auf mich. Ich komme zu dir.

Margo quält sich hoch. Das Bett unter ihr scheint zu schaukeln, wie ein Kahn auf hoher See bei Sturm und hohem Wellengang.

Am Bett und Nachtschränkchen abgestützt, steigt sie aus dem Bett und richtet sich auf. Wieder unterdrückt sie das Rebellieren und Würgen ihres Körpers.

Der Boden unter ihr schwankte kräftig, als würde sie auf dem Rummel in einer Berg- und Talbahn sitzen. Doch bei den ersten drei Schritten blieb sie stark schwankend aufrecht. Beim Vierten verlor sie das Gleichgewicht, als sie auf die Wodkaflasche trat und stürzte gegen den Kleiderschrank, rutschte an ihm herunter.

Sie atmete tief durch und unterdrückte ein erneutes Würgen.

Jessi, kleinen Augenblick. Dauert etwas länger, bis ich bei dir bin, aber ich komme.

Boden kannst du mal aufhören dich zu drehen, sonst komme ich nicht hoch.

Okay, dann nicht, dann halt anders.

Auf allen Vieren kriecht sie auf den Flur, zur Kommode mit dem Safe obendrauf für ihre Dienstwaffe. An der Kommode zieht sie sich hoch, stützt und hält sich an ihr fest, während sie taumelnd den Code eintippt.

Warum gehst du nicht auf? Nochmal. Äh, bin ich bekloppt. Geh auf verdammt! Warte mal, denk nach. Ich habe doch den Code verändert. Der neue Code ist Jessica’s Geburtstag. Ach Jessi, war mir das peinlich, als du mir sagtest, ich habe ihn vergessen. Jetzt kann ich ihn im Schlaf. Gleich bin ich bei dir, mein Schatz.

Übers Tastenfeld gibt Margo nun den richtigen Code ein. Öffnet den Safe und greift hinein.

Äh??? Leer??? Das kann nicht sein.

Sie nimmt die Hand aus dem Safe, senkt den Kopf und schaut ungläubig hinein. Nochmal tastet sie mit der Hand den blanken Boden vom Safe ab.

Wo ist meine Waffe?

Enttäuscht und erschöpft setzt sie sich auf den Boden im Flur vor die Kommode, mit dem Rücken an die Wand gelehnt.

Jessi du wirst noch warten müssen, meine Waffe ist nicht da...

Langsam neigt sich ihr Oberkörper an der Wand entlang gleitend zur Seite. Margo zieht die Beine an ihren Bauch heran und schläft in Embryonalstellung ein.

Kapitel 2

Bittere Erkenntnis

Es ist Nachmittag als Margo mit einem tierischen Kater im Flur vor der Kommode mit dem Waffensafe erwacht.

Es dauert etwas, ehe die Kommissarin registriert, wo sie ist. Der Geruch von Erbrochenen steigt in ihre Nase. Mit einer Hand stützt sie sich auf dem Boden ab, um sich aufzusetzen und greift dabei in Glitschiges.

Bäh, was ist das denn?

Sie blickt sich um, schaut an sich herunter, fasst mit der sauberen Hand in ihr Haar und Gesicht.

Igitt. Ist das ekelhaft. Ich bin ekelhaft. So habe ich noch nie gesoffen, dass ich in meiner eigenen Kotze penne. Mein Kopf platzt gleich. Das war in den letzten Tagen definitiv zu viel. Viel zu viel. Ich muss aufhören damit, sonst saufe ich mich noch tot. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass ich mich übergeben habe. Nur gut, dass mich keiner so sieht. Franco, Jessi…

In der Sekunde als sie an Jessi denkt, schießen ihr die Tränen in die Augen, Wut steigt in ihr auf und unglaubliche, bedrückende Traurigkeit ergreift ihr Herz, wie jeden Tag seit dem Tod von Jessica. Das Atmen fällt ihr schwer. Es fühlt sich an, als stünde ein Panzer auf ihrem Brustkorb.

In den letzten Tagen griff sie in dieser Situation zur Flasche, um sich und ihre Gefühle zu betäuben. Doch diesmal nicht. Denn gerade rebelliert ihr Körper wieder gegen den exzessiven Alkoholkonsum in der letzten Zeit. Gerade noch rechtzeitig schafft sie es zur Toilette und erbricht bittere Galle.

Oh, man, ist mir übel. Das ist die Strafe fürs saufen. So kann ich nicht weitermachen.

Und noch einmal.

Es reicht, mein Magen schmerzt schon.

Über eine Stunde verbrachte sie vor der Toilette. Immer wieder wehrte sich der Körper gegen den Alkohol. Als sie sich fünfzehn Minuten am Stück nicht übergeben musste, traute sie sich weg von der weißen Porzellanschüssel.

Sie zog sich ihr altes Shirt aus, welches sie gestern angezogen hatte, wischte im Flur damit grob das Erbrochene auf und stopfte es in den Abfalleimer.

Auf den Weg zurück ins Bad, um zu duschen, fiel ihr auf, dass der Waffensafe geöffnet war. Dass sie ihn letzte Nacht geöffnet hatte, um sich mit der Dienstwaffe zu erschießen, kam ihr nicht in den Sinn.

Das Rätsel des geöffneten Safes nahm sie mit in die Dusche. Sie setzte sich ins Duschbecken und ließ das Wasser aus der Brause eine halbe Ewigkeit auf sich niederprasseln.

Das fühlt sich gut an. Warum ist der Safe offen? Ist mir übel, das reicht doch jetzt wirklich mal. Ich muss wirklich aufhören zu trinken. Ich habe nicht mal mitbekommen, wie ich in den Flur gekotzt habe. Wie viele Stunden werde ich wohl dort gelegen haben?

Wenn Franco mich so gefunden hätte, hätte er vielleicht gedacht, dass ich mich totgesoffen habe.

Tod??? Nein! Doch! Jetzt weiß ich es. Ich habe den Safe geöffnet, ich wollte mich…

Oh, wie bescheuert ist das denn!

Mit der flachen Hand schlug sie sich vor die Stirn. Die Erkenntnis darüber, was sie letzte Nacht tun wollte, erschütterte sie. Extreme Übelkeit verspürt sie. Doch diesmal war es nicht der Alkohol. Verursacht wurde ihr Unwohlsein durch die Erkenntnis, zu was sie in ihrer Verzweiflung bereit war.

Gleichzeitig war sie darüber erleichtert, dass die Waffe bei der KTU zur kriminaltechnischen Untersuchung ist.

Nach der ausgiebigen Dusche wischte sie den Boden im Flur. Als sie damit fertig war, wollte sie zunächst ihre Wohnung aufräumen. Doch im Stande dazu war sie nicht, zu lustlos, zu down.

Zum ersten Mal seit Tagen nahm sie die Unordnung in ihrer Wohnung war. Dutzende Wein-, Korn- und Wodkaflaschen standen oder lagen kreuz und quer auf dem Tisch, den Schränken und dem Fußboden.

Ihr wurde erstmals bewusst, wie viel sie seit dem erlittenen Verlust getrunken hatte und sich hat gehen lassen. Vor allem in den Tagen nach der Beerdigung.

Ich muss hier raus. Ich werde einfach heute ausgehen, vielleicht hilft das zur Ablenkung. Einfach frische Luft, einfach mal was anderes sehen. Alles stehen und liegen lassen, das läuft hier nicht weg…

Aus dem Kleiderschrank holte sie sich ein knielanges Sommerkleid und ein dünnes Jäckchen.

Doch bevor sie sich ankleidete, ging sie ins Bad um ihre Haare zu stylen. Vor allem um die Narbe zu bedecken, die sie vom Schlag mit der Vase davon getragen hatte.

Die Ärzte hatten sich große Mühe gegeben und die Platzwunde so fein vernäht, wie es ihnen möglich gewesen war, doch da sie erst wenige Wochen alt war, war sie noch deutlich zu erkennen. Laut den Ärzten würde es noch ein paar Wochen dauern, bis sie verblasst ist. Wie auffällig sie dann noch sein wird, konnten sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen.

Da hast du mir ein unschönes Andenken verpasst…

Margo schloss ihre Augen, in der sich wieder Feuchtigkeit sammelte, stützte sich mit den Armen am Waschbecken ab, senkte den Kopf, wippte nervös mit den Füßen auf der Stelle und atmete mehrmals tief durch.

Nicht daran denken. Konzentriere dich aufs Haarstyling. Tief ein- und ausatmen. Konzentriere dich auf die Haare, darauf, dass du ausgehen willst.

Als sie spürte, dass das nervöse Wippen der Füße nachließ, hob sie ihren Kopf, öffnete die Augen. Mit Bürste und Haarspray gelang es ihr die Haare so zu fixieren, dass sie die Narbe bedeckten.

Kapitel 3

Neustartversuch

Frisch gestylt, die Wohnung unordentlich hinterlassend wie sie war, ging Margo aus. Es war angenehm warm, so dass sie ihr dünnes Jäckchen auszog.

Zunächst schlenderte sie eine Stunde durch eine Parkanlage. Beobachtete die Enten und Schwäne auf dem Teich. Wieder dachte sie an Jessi, wie schön es wäre mit ihr hier spazieren zu gehen.

Diese Gedanken versuchte sie zu verdrängen, indem sie überlegte, wie und wo sie den Abend verbringt. Sie entschied sich für einen Kinobesuch…

Thriller und Krimi? Nee. Liebesdrama? Das hat mir grad noch gefehlt. Komödie? Zum Lachen ist mir zwar nicht zu mute, aber vielleicht nicht schlecht. Ich lache gern, wie sagt man so schön: ‚Lachen ist die beste Medizin.‘ Also Komödie!

Der Film lief inzwischen eine Stunde. Das Publikum lachte und kreischte, zum Teil waren die Pointen vor lauter Heiterkeit im Publikum nicht zu verstehen.

Nur Margo lachte nicht. Es schmerzte sie, die anderen so losgelöst zu sehen. Manche erweckten den Eindruck, sie würden sich gleich vor lauter Lachen bepissen.

Wie gern würde sie Bauchschmerzen vor lauter Lachen verspüren. Noch mehr Unbehagen bereitete der Anblick von fröhlichen, glücklich wirkenden Pärchen.

Nach einer Stunde hielt sie es nicht mehr aus. Sie verließ den Film vorzeitig.

Die Idee mit dem Kino war doch nicht die Beste. Was jetzt? Nach Hause? Nein. Ich will nicht zurück in diese beklemmende, erdrückende Bude. Ich will was erleben, Ablenkung. Wie wär’s mit tanzen? Tanzen ist eine gute Idee. Musik, körperliche Betätigung. Wohin? Beachclub! Da war ich schon lange nicht mehr…

In der Nähe vom Kino hielt gerade ein Taxi, aus dem ein Fahrgast ausstieg. Sie lief hin: „Guten Abend. Sind sie jetzt frei?“

Der Taxifahrer musterte sie von oben bis unten: „Ja, hübsche Lady. Steigen sie ein.“

Darüber, dass es mit dem Taxi klappte und über das Kompliment, war Margo derart erfreut, dass für eine kurze Zeit ein Lächeln im Gesicht aufblitzte.

Sie war kaum eingestiegen: „Wohin darf ich sie denn chauffieren?“

„Zum Beachclub, bitte.“

„Sehr gern. Soll ein toller Club sein. Ich fahre ständig Leute dort hin oder hole sie ab. Allerdings war ich selbst noch nie drin. Waren sie schon mal dort?“

Die ganze Fahrt über quatschte und fragte der Fahrer. Selbst über belanglose Sachen wie ihr Kleid, woher sie es hat oder das angenehme milde Wetter. Allerdings hatte die Schwafelei mit dem Taxifahrer auch einen Vorteil. Denn Margo hatte während der Fahrt keine Gelegenheit auch nur eine Sekunde lang trübsinnige Gedanken zu hegen.

Gut gelaunt verabschiedete sie sich vom Taxifahrer, bezahlte den Eintritt und betrat den Beachclub. Die Musik ging sofort ins Ohr. Mit leicht zur Musik schwingenden Kopf und Oberkörper steuerte sie die Bar an.

Ich glaube das war eine gute Idee…

An der Bar nahm sie auf einem Hocker Platz. Das Schwingen ihres Körpers zur Musik hat sich verstärkt. Das Personal an der Theke war gerade schwer beschäftigt. Es würde wohl einen Moment dauern, bis sie ihre Bestellung aufgeben kann.

Sie drehte sich um und inspizierte den Club, bis ihr Blick bei der Tanzfläche ankam. Sofort kamen Erinnerungen hoch, wie sie Jessi beim Tanzen beobachtet hatte, wie sich immer wieder ihre Blicke ineinander verfingen. Obwohl dies schöne Erinnerungen waren, schmerzten sie. Ihre gute Laune war dahin, sie schwang nicht mehr zur Musik.

Musik und Tanz, die Idee war gut. Leider habe ich mir die falsche Lokalität gesucht. Zu viele Erinnerungen. Jetzt brauche ich einen kräftigen Drink…

Margo drehte sich wieder zur Bar und widmete der Getränkekarte ihre Aufmerksamkeit.

Ich brauche jetzt etwas, was richtig knallt…

Ihre Augen wanderten auf der Karte von Getränk zu Getränk bis sie beim Caipirinha verharrten. Nochmals wurden die Erinnerungen an die Begegnung mit ihrer Liebsten hier aufgewühlt. Nein, hier wollte sie nicht einmal mehr einen Trinken.

Sie sprang vom Hocker und verließ fluchtartig den Club, am Eingang von der Einlasskontrolle beäugt, hatten sie ihr doch vor nicht einmal fünfzehn Minuten erst Einlass gewährt.

Die ersten hundert Meter rannte sie als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her, dann wechselte sie zu schnellem gehen, nach fünf Minuten ging sie gemütlich.

Kino war nichts. Beachclub auch nicht, aber nur wegen der Erinnerungen. Ich will nicht nach Hause gehen. Welche Möglichkeiten habe ich noch? Es sollte was mit Musik und Tanz sein, aber ein Ort wo ich nicht an Jessica erinnert werde. Also, welche Gelegenheiten habe ich noch? Klar, warum nicht der LGBT-Dance-Club? Wo ich hin und wieder früher meinen Spaß hatte. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?

Sie nahm ihr Smartphone aus der Handtasche, googelte den Weg. Eine Stunde zu Fuß. Sie überlegte kurz, sich ein Taxi zu rufen oder mit dem nächsten Bus zu fahren, entschied sich aber dann doch fürs zu Fuß gehen.

Der Abend war mild und die frische Luft, würde ihr nicht schaden.

Es war kurz vor Mitternacht als sie den Dance-Club für Lesben, Gays, Bisexuellen und Transgender erreichte. Zutritt war auch für Heteros erlaubt, aber nur wenn sie sich respektvoll verhielten. In der Regel wurde dieser Club aber von ihnen gemieden.

Auch hier ging die Musik sofort in Margo’s Ohr. An der Bar holte sie sich einen Jim-Beam-Cola-Mix, den sie aber nur zu zweidrittel leerte und dann an der Bar einfach abstellte.

Sie begab sich auf die Tanzfläche, schloss die Augen, ließ die Discomusik aus den Achtzigern auf sich wirken. Als ihre Bewegungen im Takt der Musik schwangen, öffnete sie die Augen und tanzte gemeinsam mit einer Gruppe verschiedener Menschen. Es fühlte sich gut an. Ihr Kopf gedankenleer. Es schien fast, als würde sie sich in Trance tanzen.

Fast eineinhalb Stunden tanzte sie ununterbrochen, als sie einen Ausfallschritt nach rechts machte und mit einer Frau zusammen stieß, mit der sie an diesem Abend, bereits ein paar Mal tanzend nahe gekommen ist, jedoch ohne sich zu berühren oder ein Wort gewechselt zu haben. Beide stellten das Tanzen ein und lächelten sich an.

Margo: „Entschuldige, den Rempler, ich hätte besser aufpassen müssen.“

Die brünette Frau, ähnlich alt wie Margo, etwas größer, schlank, nicht ganz so schlank wie die Oberkommissarin, aber sehr gepflegt und attraktiv, lächelt charmant: „Schon okay, ich habe eben auch nicht aufgepasst. Daher auch ein Sorry von mir.“, sie schwieg kurz, „Wobei so ein Rempler, ist auch eine Variante sich näher zu kommen.“

„Stimmt.“, entgegnete Margo freundlich, begann wieder zu tanzen, hob die Arme in die Luft und drehte sich von der Frau weg.

Sekunden später wurde sie von hinten umklammert. Fremde Hände streichelten über ihren Bauch.

Der angeschmiegte Körper hinter ihr, vollführte dieselben Bewegungen zur Musik wie sie.

Margo nahm ihre Arme herunter. Mit der linken Hand, ergriff sie die rechte Hand der fremden Frau und führte sie vom Bauch zu ihrer linken Brust. Den rechten Arm schlang Margo nach hinten, legte die Hand auf den Po der Unbekannten. Auf der linken Seite des Halses verspürte Margo Küsse.

So tanzten sie ein paar Minuten, bis sie ein Flüstern im Ohr vernahm: „Ich bin hier zu Besuch. Das Hotel, wo ich schlafe ist zirka zehn Minuten von hier. Ich möchte die restliche Nacht gern mit dir dort verbringen. Kommst du mit?“

Margo drehte ihren Kopf zur Seite, um zu antworten: „Lass uns gehen!“

Die zwei Frauen brachen umgehend auf, holten ihre Sachen von der Garderobe. Arm in Arm, aber zügigen Schrittes gingen sie zum Hotel.

Im achten Stock befand sich das Zimmer. Die Frauen nutzten den Aufzug. Schon hier begannen sie leidenschaftlich zu küssen. Die Fremde fasste Margo in den Schritt und rieb ihre Hand am Schamberg. Selbst auf dem Flur vom Aufzug zum Zimmer konnten sie nicht voneinander lassen. Sie begannen, die Reißverschlüsse ihrer Kleider zu öffnen, bevor sie ins Zimmer eintraten.

Die Tür war kaum geschlossen, ging ihre Bekleidung zu Boden. Augenblicklich lagen sie im Bett, verwöhnten sich bei neunundsechzig.

Leckten und fingerten gegenseitig ihre feuchten Vagina’s. Zogen die Finger aus der erregten Spalte, lutschten die feuchten Finger ab und versenkten sie wieder in der Scheide, bis sie sich eng aneinander gegenübersetzten und ihre erregten Pussy’s aneinander rieben und sich mit erregten Blicken anschmachteten.

Margo sah aber nicht die Fremde, sondern blickte plötzlich in Jessi’s Antlitz. Sie schloss die Augen, öffnete sie wieder, sie sah die Fremde, doch mit dem nächsten Wimpernschlag, erschien wieder Jessi.

Unvermittelt sprang Margo vom Bett, schnappte sich ihre Sachen: „Sorry, ich kann das nicht.“

Die Fremde war völlig konsterniert, damit hatte sie nicht gerechnet, zumal sich ein derartiges abruptes Ende zuvor in keinster Weise andeutete: „Hab ich was falsch gemacht?“

Margo war fast so schnell angezogen, wie sie zuvor ausgezogen war: „Nein. Es liegt nicht an Dir. Tut mir leid.“

Sie wendete sich ab und verließ eilig das Zimmer. Die fremde Frau hatte nicht mal mehr die Möglichkeit noch etwas zu sagen, nicht mal ein ‚Ciao‘ war möglich, da war die Zimmertür hinter Margo zu. Entgeistert blieb die Frau allein zurück und verstand die Welt nicht mehr.

Margo indes lief das Treppenhaus herunter, auf den Aufzug wollte sie nicht warten, nicht dass die Fremde ihr aus dem Zimmer folgt.

Sie rannte aus dem Hotel, ein paar Meter die Straße herunter, als sie unvermittelt mitten auf der Fahrbahn stehen blieb.

Voller Zorn feuerte sie ihre Schuhe, die sie noch in der Hand hielt die Straße hinunter.

Sie ballte ihre Fäuste, spannte die Arme an, beugte den Oberkörper leicht nach vorn und schrie einfach.

Ein paar Leute die noch unterwegs waren, glotzten neugierig, scherten sich aber nicht weiter.

Nur ein junges Paar näherte sich ihr vorsichtig an: „Alles in Ordnung, brauchen Sie Hilfe?“

Mit verheulten Augen und einem aufgesetztem Lächeln starrte Margo auf das Pärchen: „Alles gut.“, sie wirbelte herum: „Genießt Euer Glück solange es anhält.“, und ging mittig auf der Straße davon.

Nur gut für sie, dass um die Zeit nur wenige Autos unterwegs gewesen sind.

Die Autofahrer reagierten unterschiedlich. Manche drosselten die Geschwindigkeit und rollten vorsichtig an ihr vorbei. Andere fuhren mit unverminderter Geschwindigkeit, wild hupend an ihr vorüber, auf die sie mit ausgestrecktem Mittelfinger reagierte.

Die Straße verließ sie erst, als sie an einer Tankstelle vorbeikam…

Kapitel 4

Notwendige Hilfe

Gähnend schlägt die Oberkommissarin kurz die Augen auf, das Tageslicht blendete und schmerzte in den Augen. Sie schloss sie wieder.

Äh? Das Zimmer kenne ich doch. Wie komme ich hier her? Ist mir übel. An was kann ich mich erinnern? Ich war aus. Traf eine Frau, mit der ich im Bett war. Man ist mir übel. Wir haben uns vergnügt. Mittendrin bin ich einfach abgehauen. Das war nicht sehr nett von mir, sie einfach so zurück zu lassen. Dann habe ich mir an einer Tankstelle noch eine Flasche Nordhäuser Sauerkirschschnaps geholt. Dunkel, danach kann ich mich an nichts erinnern. Bin ich wirklich hier?

Margo blinzelte.

Ich bin bei Franco und Sarah zu Hause. Das ist eines der früheren Kinderzimmer, was jetzt als Gästezimmer dient. Ich habe keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin.

Mit schmalen Augen sah sie sich im Zimmer um. Gegenüber vom Bett saß Sarah auf einem Drehstuhl und las vertieft in einem Buch. Vor dem Bett stand ein Eimer und das war gut so. Denn der war grad dringend von Nöten, da Margo sich den Sauerkirschschnaps von letzter Nacht nochmal durch den Kopf gehen lassen musste. Während sie sich übergab, spürte sie plötzlich zwei Hände an ihrem Kopf, die ihre langen fuchsroten Haare hochhielten.

Margo legte sich wieder nieder, nach dem es vorbei war und blickte auf Sarah die nun auf dem Bettrand saß.

Im Gesicht der Oberkommissarin war deutlich zu erkennen, wie unangenehm ihr die Situation war.

Sarah sprach liebevoll, als würde sie mit ihrer eigenen Tochter reden: „Na wieder unter den Lebenden? Da hast du uns letzte Nacht ganz schön auf trapp gehalten.“

Margo wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Peinlich berührt blies sie die Wangen auf und ließ die Luft ganz langsam entweichen.

Sarah streichelte über ihre Wange: „Schon gut, wir sind für dich da.“, ihre Stimme wurde etwas strenger, „Steh auf, du musst etwas essen. Ich leere in der Zwischenzeit den Eimer.“

Sarah erhob sich, die Oberkommissarin schaute unter die Bettdecke. Es bestätigte sich, was sie fühlte. Sie war komplett nackt. Im Zimmer konnte sie auf die Schnelle ihre Sachen nicht erspähen.

Ihre Gastgeberin war fast raus aus dem Zimmer: „Sarah, wo sind meine Anziehsachen?“

„Dein Kleid und deine Jacke sind in der Waschmaschine. Mehr hast du nicht angehabt.“

Während Margo leicht rot im Gesicht anlief, ging Sarah, nachdem sie den Eimer abgestellt hatte, an den Kleiderschrank und holte den alten, rosafarbenen Bademantel mit den großen gelben Blumen bestickt heraus, den einst ihre Tochter trug: „Ich weiß, nicht unbedingt schön, aber er müsste dir passen.“

Sie legte ihn aufs Bett.

„Danke.“

„Schon in Ordnung. Steh auf!“

Sarah ergriff den Eimer und ging. Margo quälte sich aus dem Bett, ihr brummte der Schädel. Dazu die Übelkeit, die sie in den letzten Tagen schon so sehr bereute.

Sie streifte den Mantel über, schlich in die Küche, setzte sich an den Tisch. Kurz darauf kam Sarah dazu und servierte einen Teller mit Hühnersuppe und reichte dazu Brötchen: „Lass es dir schmecken.“

Die Oberkommissarin nahm widerwillig den Löffel, stocherte in der Suppe herum: „Danke. Ich habe aber gar keinen Appetit.“

„Weißt du was ich jetzt meinen Kindern sagen würde, man kann nicht nur saufen, sondern muss auch essen. Und da wir dich als Familienmitglied sehen, gilt die Regel auch für dich. Also hau rein, es wird dir gut tun.“

Margo gehorchte und begann langsam zu Löffeln: „Wo ist Franco?“

Kaum hatte sie die Frage gestellt, vernahmen die Zwei wie die Wohnungstür klapperte, Sekunden später stand Franco in der Küche: „Da ist ja jemand wach. Ich habe dir Unterwäsche besorgt, aus weißer Baumwolle. Sicher nichts, was du dir gekauft hättest, aber ich…“, Margo die wieder leicht errötete, fuhr ihm über den Mund: „Es ist in Ordnung, Hauptsache es passt.“

Franco blinzelte auf Sarah herab: „Wenn sie nicht passt, kann ich nichts dafür. Ich habe die Größe gekauft, die Sarah mir sagte.“, er nahm sich einen Teller Suppe und setzte sich an den Tisch.

„Sarah wird schon wissen, welche Größe ich brauche.“, die Stimme des Gastes klang erschöpft und kränklich.

Danach herrschte erstmal Ruhe beim Essen. Franco und Sarah hatten zwar Fragen, die ihnen auf der Seele brannten, aber sie wollten ihren Gast auch nicht überfordern.

Margo tat das Essen tatsächlich gut. Sie aß sehr langsam, aber mit jedem Löffel Suppe und Biss von der Semmel schien die Übelkeit weniger zu werden. Auch die Kopfschmerzen ließen nach.

„Auch wenn es mir peinlich ist zu fragen, aber wie bin ich hierhergekommen?“

„Mädchen, dass wundert uns gar nicht, dass du das nicht weißt…“, entgegnete Franco ruhig, doch merkte man auch, dass es mit jedem Wort etwas mehr in ihm brodelte, „…du warst hackendicht, konntest dich nicht selbst auf den Beinen halten. Selbst beim übergeben, mussten wir dich halten und stützen, damit du deinen Kopf nicht im Klobecken oder Eimer versenkst. Besser gesagt, Sarah hat sich gekümmert, denn ich hätte fast mitgekotzt. Ich kann das nicht sehen, hören oder gar riechen.“

Zutiefst beschämt senkte Margo ihr Haupt, seine Frau legte ihre Hand auf die seinige und flüsterte: „Bleib ruhig.“

„Ich bemühe mich.“, gab er leise von sich.

„Du hast mir noch nicht erklärt, wie ich hier bei euch gelandet bin.“

„Zwei unserer Kollegen haben dich im Park gegen drei Uhr aufgegabelt. Sie fuhren in der Gegend gerade Streife, als sie durch Passanten auf dich aufmerksam gemacht wurden. Du hast auf einer Parkbank gelegen, genauer gesagt, hast davor im Dreck geschlafen. Sie haben dich sofort erkannt und haben mich angerufen. Wir haben vereinbart, dass sie dich hierher bringen. Sie werden auch keinen Bericht darüber fertigen, beziehungsweise einen Fehleinsatz daraus machen. Weißt du, was das für eine Welle schlägt, wenn das bekannt würde, dass man dich so betrunken aufgefunden hat?“

„Es tut mir leid.“, die Oberkommissarin klang und wirkte geknickt.

„Es tut dir leid. Wenn du einen Fehler machst, sagst du immer, es tut dir leid…“, Franco hebt mahnend den Finger, er bemühte sich sehr, ruhig zu bleiben, „…Du weißt ganz genau, dass sich nachts in dem Park oft genug zwielichtige Gestalten herumtreiben. Stell dir vor, die hätten deine Situation ausgenutzt, dich vergewaltigt oder schlimmeres.“

Vergewaltigt? Wo ist mein Slip eigentlich abgeblieben? Ach ja, den habe ich im Hotelzimmer liegen lassen, als ich fluchtartig rausgerannt bin.

„Du brauchst nicht so erschrocken schauen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass dir derartiges zugestoßen ist. Es ging mir nur darum, wie leichtsinnig du gewesen bist.“

„Ich weiß. Ich habe in letzter Zeit vielleicht...“

„Du hast in letzter Zeit vielleicht???“, jetzt klang Franco energisch, seine Stimme weniger ruhig, „Du hast dich von allem und jedem abgeschottet, dich rar gemacht. Nach dem unsäglichen Ereignis hat man von dir nichts gehört und gesehen, bis auf deinen Anruf und die Fahrt zur Beerdigung. Nach der Beerdigung war es wieder genauso. Weißt du wie oft ich vor deiner Tür stand, dich angerufen habe? Doch du hast nicht reagiert. Nichts. Dass die Zeit für dich nicht einfach ist und du enorm leiden musst, dass können Sarah und ich uns denken. Nur du musst da auch nicht alleine durch. Deine Eltern, ebenso wir, würden dir helfen, für dich da sein, wenn du es zulassen würdest. Aber du vergräbst dich und besäufst dich bis zur Besinnungslosigkeit.“

„Ich…, ich…“, die Stimme ihres Gastes zitterte, ihre Augen wurden feucht.

Sarah ging dazwischen: „Franco, es reicht. Genug Leviten gelesen. Margo du bleibst die nächsten Tage hier.“, die Oberkommissarin schaute aus als wollte sie widersprechen, „Keine Widerreden, du bleibst. Es tut dir glaube ganz gut, wenn du jetzt erst einmal nicht allein bist. Was hältst du davon, wenn du ins Bad gehst, dich frisch machst?“

„Ich habe aber keine Klamotten hier.“

„Unterwäsche hast du! Und Kleidung nimmst du aus dem Kleiderschrank. Vielleicht nicht dein Stil, aber für hier zu Hause ist es ausreichend.“

Margo sah ein, dass sie keine Chance gegen die Zwei hatte und gab nach. Irgendwie war sie aber auch froh, nicht allein zu sein. Zu Hause würde sie sich wahrscheinlich wieder betrinken. Allerdings zog sie sich, nachdem sie im Bad war, zunächst ins Gästezimmer zurück und las in den Büchern die dort noch umher standen, die sie zu jener Zeit den Kindern von Sarah und Franco vorlas, wenn sie sie hütete.

Zum Abendbrot saßen sie wieder zusammen.

„Franco, weißt du eigentlich wie weit die KTU mit der Untersuchung meiner Dienstwaffe und des Elektroschockers ist? Wann bekomme ich sie zurück?“

„Die Untersuchungen sind abgeschlossen. An der Dienstwaffe haben sie nur Spuren von dir gefunden. Aber an den Polen des Elektroschockers, haben sie DNA vom Sasslitz gefunden, ansonsten war er blitzblank abgewischt. Deine Dienstwaffe und der Schocker sind in meinem Büro. Ich habe gedacht, da sind sie gut aufgehoben. Auch weil ich…“, Franco‘s Gesicht zeigte eine Mischung aus Sorge und Bedauern, „…befürchtet habe, du könntest dir vielleicht damit etwas antun.“

Sofort dachte die Oberkommissarin an den geöffneten Waffensafe zu Hause und erinnerte sich, was sie vorhatte. Auch wenn sie es nicht aussprach, ihr Gesicht sprach Bände. Ihre Gastgeber konnten es in dem Augenblick erkennen, es war als würden sie in einem offenen Buch lesen.

Sarah glitt vor Schreck das Glas Wasser, welches sie gerade zum Mund führte, aus der Hand. Franco legte die Scheibe Brot ab, sein Appetit war schlagartig verschwunden.

Alle Drei schauten sich erstarrt an. Es herrschte eine bedrückende Stille.

In Gedanken sah sich Franco, wie er seine Freundin an den Oberarmen festhält, sie kräftig schüttelt und anschreit: „Sag, dass du das nicht wirklich wolltest! Sag, dass du das nicht vorhattest…“

Sarah war zu keinem klaren Gedanken fähig. Sie war so schockiert, als habe sie gerade erfahren, eines ihrer eigenen Kinder hätte so etwas vorgehabt.

Margo sprang auf und wollte wegrennen, noch bevor sie die Küchentür erreichte vernahm sie von Franco: „Du bleibst hier!“

Dabei klang seine Stimme erstaunlich sanft und gedämpft, was Margo verwunderte, denn wenn Franco emotional wurde, wurde er in der Vergangenheit auch schnell mal sehr laut. Doch war seine Aufforderung, auch wenn sie noch so ruhig ausgesprochen war, so eindringlich, dass sie schlagartig wie angewurzelt stehenblieb.

„Setz dich wieder hin, bitte.“, wieder klang Franco’s Stimme extrem ruhig. Margo stand immer noch am Ausgang der Küche, hinaus auf den angrenzenden Flur blickend.

Soll ich abhauen oder umkehren?

Da schabte ein Stuhl hinter ihr über den Boden. Kurz darauf spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Es war Sarah: „Komm setz dich wieder an den Tisch. Wenn du wirklich weglaufen wolltest, würdest du nicht so lange zögern.“

Margo ergriff die Küchenrolle die auf dem Küchenschrank neben ihr stand: „Ich wollte gar nicht weglaufen. Ich wollte nur die Küchenrolle holen, um den Tisch zu trocknen.“

Die Gastgeber ließen ihr diese Rechtfertigung, um an den Tisch zurückzukehren, durchgehen.

Die zwei Frauen wischten das Wasser auf, entsorgten die nassen Papiertücher und setzten sich wieder an den Tisch.

Kaum saßen sie, sprach Franco seine Freundin an, er wollte auch vermeiden, dass sich erst wieder bedrückendes Schweigen breit macht: „Du hast Sarah und mich gerade tief geschockt und entsetzt.“

„Ich war selbst von mir erschrocken, als mir bewusst wurde, was ich in der einen Nacht tun wollte.“

„Nur gut, dass ich dir die Waffe noch nicht zurückgegeben habe.“

Margo schwieg, nickte nur zustimmend.

„Willst du deinem Herzen nicht mal ordentlich Luft machen? Erzähle uns, wie du dich fühlst. Was du die letzten Wochen getan hast. Warst du mal aus?“

Margo schnaufte tief: „Meinem Herzen Luft machen? Du meinst meinem gebrochenen Herzen.“

Sie zögerte eine Sekunde. Es viel ihr sichtlich schwer, sich zu öffnen, doch mit jedem Satz schüttete sie dann doch ihr Herz aus.

Sarah und Franco waren geduldige Zuhörer. Margo selbst verspürte eine Art Erleichterung, ihre Trauer und den Kummer mit jemanden teilen zu können, auch wenn es für sie nach wie vor auch Unbehagen bereitet sich derart zu öffnen.

„Danke fürs Zuhören. Das hätte ich vielleicht schon mal eher machen sollen.“

„Schon wieder dieses vielleicht.“, Franco‘s Stimme klang leicht sarkastisch, „Nicht vielleicht, sondern du hättest es machen sollen. Dann wäre es vielleicht gestern Abend nicht dazu gekommen, dass du von Kollegen im Park aufgelesen wirst.“

„Du hast ja Recht. Zufrieden?“, Margo lächelte leicht.

„He. Was war das denn? Ist meine Freundin tatsächlich noch fähig zum Lächeln.“, Franco schielte zu Sarah: „Hast du es gesehen?“, er stutzte, „Was schaust du so ernst?“

Sarah blickte weiter starr in Margo’s Gesicht: „Ich habe es gesehen. Aber ich sehe in ihren Augen auch noch etwas anderes. Sie hat nicht alles erzählt.“

„Da ist nichts weiter! Ich habe euch mein Herz ausgeschüttet.“

„Du lügst.“, in Sarah’s Stimme lag Strenge.

Franco wendete sich wieder dem Gast zu: „Hat Sarah recht? Ist da noch mehr?“

„Nein, da ist nichts weiter.“

„Du lügst schon wieder.“

„Sarah, ich lüge nicht.“

„Lügen ist vielleicht das falsche Wort. Aber du versuchst etwas zu verbergen, zu verheimlichen.“

„Tue ich nicht. Was soll’s denn sein?“