Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Grausames Spiel Kaum hat die Oberkommissarin Margo Bachus nach Aufhebung der Suspendierung ihre Tätigkeit wieder aufgenommen, wird sie mit neuen Morden an einem altvertrauten Tatort konfrontiert, wo einst ihre große Liebe Jessica alias Lolita zuschlug. Schnell wird klar, die Verbrecher haben es auf sie persönlich abgesehen. Kann sie ihrem Schicksal entkommen...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2022
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Rückkehr
zum Internat
im Düsterwald
Marco Schönbach
Erotikthriller
Impressum
Texte:
© Copyright by Marco Schönbach 2021
Titelbild:
© Copyright by Marco Schönbach 2021
Verlag:
Marco Schönbach
Geschwister-Scholl-Straße 10
37327 Leinefelde-Worbis
Druck:
epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Kapitel 1
Jedem Ende wohnt
ein Anfang inne
Eine Gruppe von Trauernden lauschte in sich gekehrt und still dem gefühlvoll vorgetragenen Lied. Manchen liefen schmerzerfüllte Tränen über die Wangen, so wie es an diesem tristen Dezembertag vier Tage vor Weihnachten vom Himmel regnete.
„Mögen Engel dich begleiten, auf dem Weg der vor dir liegt,mögen Sie die Türe öffnen, die in Gottes Zukunft führt.Mögen Engel dich begleiten, auf dem Weg der vor dir liegt,mögen Sie dir nunmehr zeigen, dass dir Gott neues Leben gibt.
Unser Leben ist viel leerer, seit du nicht mehr bei uns bist,doch wir werden nicht verzagen, sind die Tage nun auch trist.
Mögen Engel dich begleiten, auf dem Weg der vor dir liegt,mögen Sie dir nunmehr zeigen, dass dir Gott neues Leben gibt.
Doch wir müssen Abschied nehmen, fällt es uns auch noch so schwerWerden immer an dich denken, vermissen werden wir dich sehr.Deine Liebe, deine Hoffnung, deine starke Zuversicht,wollen wir in uns bewahren als ein helles Lebenslicht.
Mögen Engel uns begleiten, auf dem Weg der vor uns liegt,mögen sie uns immer zeigen, dass uns Gott neues Leben gibt.
In dem Dunkeln unserer Trauer, sind wir keinen Tag alleinDenn Gott steht an unsrer Seite, will Lebensheilung seinDarum lasst uns nun vertrauen, auf die Zukunft die Gott schenkt,wollen immer auf den bauen, der den Lauf des Lebens lenkt.
Mögen Engel uns begleiten, auf dem Weg der vor uns liegt,mögen sie uns immer zeigen, dass uns Gott neues Leben gibt.“
Das Lied verstummte. Der Redner bedankte sich bei der Sängerin und wandte sich den Trauernden zu…
Kapitel 2
Es war gerechtfertig
...viele Monate zuvor.
„Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil. Die Angeklagte, Frau Margo Bachus, wird freigesprochen. Bitte nehmen sie Platz. Kommen wir zu den Gründen. Die Staatsanwaltschaft hält ihnen vor, dass sie allein zum Hafen gefahren sind, um sich dem Getöteten zu stellen und ihre Pflegetochter Melanie aus seinen Fängen zu befreien, ohne entsprechende polizeiliche Spezialkräfte zu informieren. Dies sieht dieses Gericht genauso kritisch, wie die Staatsanwaltschaft. Allerdings ist jenes Vorgehen für das Gericht zunächst einmal nicht strafbar. Es zeugt lediglich davon, dass sie emotional zu dicht dran gewesen sind und dadurch die gebotene Professionalität haben vermissen lassen.
Ebenfalls sieht es das Gericht kritisch, dass Sie niemanden von den erhaltenen Drohbriefen in Kenntnis gesetzt haben. Aus Sicht des Gerichtes ist dies aber etwas, was sie mit ihren Kollegen und ihrem Dienstherrn auszumachen haben, der dies gegebenenfalls auch sanktionieren wird.
Auf Grund ihres Vorgehens schlussfolgerte die Staatsanwaltschaft, dass hier eine geplante Totschlagshandlung vorlag. Sie seien zum Hafen gefahren mit dem Ziel, den Getöteten gezielt auszuschalten.
Diesen Annahmen der Staatsanwaltschaft kann dieses Gericht nach der Hauptverhandlung nicht folgen.
Die Angeklagte hat ihre Dienstwaffe ins Hafenbecken geworfen, um die Situation zu deeskalieren. Wenn sie vorgehabt hat den Getöteten umzubringen, warum hat sie das Werkzeug dazu nicht behalten? Warum nahm sie keine zweite Waffe mit zum Hafen? Der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die Angeklagte kannte das Gelände und wusste, dass sie dort Eisenstangen für ihre Tat vorfindet, kann das Gericht ebenfalls nicht folgen. Korrekt ist, dass die Angeklagte die Hafenanlage kennt. Aber sie ist jahrelang nicht mehr dort gewesen, konnte also gar nicht wissen, was ihr vor Ort zur Verfügung stehen würde.
Vielmehr ist es so, dass der Getötete sich als hochgefährlich erwies. Er schoss mehrfach in Richtung der Oberkommissarin. Er schoss sie mit absoluter Tötungsabsicht nieder. Frau Bachus überlebte dies nur dank der Schutzweste unter ihrer Kleidung.
Ausgehend davon, dass er sein Hauptziel erreicht hatte, machte er sich daran, die Geisel und Zeugin Melanie zu töten. Zunächst versuchte er sie zu erwürgen. Als dieses nicht gelang, beabsichtigte er mittels eines Steines, sein Opfer zu erschlagen. Bevor er den Stein fassen konnte, schlug ihm die Angeklagte, gehandicapt durch die Schüsse auf sich, mit einer Eisenstange gegen den Kopf.
Zur Überzeugung dieses Gerichtes handelt es sich hierbei um eine strafbefreiende Notwehrhandlung. Die Wahl des Gegenstandes, hier die Eisenstange, und der Schlag gegen den Kopf waren die geeigneten Mittel um die Gefahrensituation zu beenden.
Hierzu führte die Oberkommissarin aus, dass es nicht ihre Intention gewesen sei, ihn zu töten, sondern es ihr hauptsächlich darum ging ihn auszuknocken, damit er keine Gefahr mehr darstellte. Sie räumte ein, dass ihr bewusst ist, dass ein solcher Schlag gegen den Kopf tödlich enden kann, für sie aber in diesem Augenblick keine andere Option zur Verfügung stand.
Dem folgt das Gericht. Ein anderer Versuch, zum Beispiel mit einem Schlag auf den Körper, hätte dazu führen können, dass die erhoffte Wirkung ihn kampfunfähig zu machen nicht eintritt, es in der Folge zu einem Kampf kommt, den die Oberkommissarin wohl nicht überlebt hätte. Sie war dem Getöteten körperlich unterlegen, zudem durch die Schüsse auf sich geschwächt. Somit war die gewählte Option die geeignetste, um Melanie zu retten und sich selbst zu schützen.
Damit ist die Angeklagte freizusprechen. Es ergeht noch folgender Beschluss, die Kosten des Verfahrens sowie die Auslagen der Angeklagten trägt die Staatskasse.
An dieser Stelle noch ein paar Worte an die Staatsanwaltschaft. Warum hier Anklage erhoben wurde, obwohl hier eine offensichtliche Notwehrsituation gegeben schien, erschließt sich dem Gericht nicht. Sie hatten im Laufe des Verfahrens erklärt, man habe dieses Gerichtsverfahren auch angestrebt, um sich nicht dem Vorwurf der Vertuschung auszusetzen. Dies ist einerseits nachvollziehbar und ehrenwert. Aber absolut nicht nachvollziehbar ist, dass die Staatsanwaltschaft selbst im Schlussantrag nicht von ihrer Klage abgewichen ist.
Gibt die Staatsanwaltschaft eine Erklärung ab?“
„Ja, euer Ehren. Wir erklären Rechtsmittelverzicht.“
„Damit ist das Urteil rechtskräftig.“, der Richter pustete tief durch, sein Gesicht wirkte sorgenvoll, „Frau Bachus, im Namen des Gerichtes möchte ich mein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass dieses Verfahren öffentlich geführt wurde. Aber auch das Gericht wollte nicht den Eindruck erwecken, dass hier in einem nichtöffentlichen Verfahren etwas gemauschelt oder vertuscht wird. Dass dieses Verfahren ein derart mediales, landesweites Interesse auslöst, war vor und zu Beginn des Prozesses nicht abzusehen. Es tut mir leid, dass ihr beruflicher Werdegang und ihr persönliches Leben bis ins kleinste Detail, vor allem durch die Boulevard- und Regenbogenpresse, teils mit unsachlichen oder falschen Darstellungen, wie ihre Beziehung im Fall Lolita, der Öffentlichkeit dargeboten wurde.
Vor dem Saal auf dem Flur steht eine große Meute von Pressevertretern. Die Sprecherin des Gerichtes verkündet der Presse gerade das Urteil. Ich biete Ihnen an, über mein Richterzimmer das Gericht durch den Hinterausgang zu verlassen.“
Margo runzelte leicht die Stirn, dachte an die Schlagzeilen über sich.
Unsachliche oder falsche Darstellungen? Was wurde da alles geschrieben?
‚Teuflischer Racheengel mit Dienstwaffe‘
‚Kriminaloberkommissarin begehrt Frauen! – Scheut sexuellen Kontakt zur Mörderin nicht‘
‚Sie vergötterte Lolita! Verschleierte Sie die Fahndung?‘
‚Ist Sie ein Adrenalinjunkie? – Sie macht nicht mal vor wildem und verletztem Wolf halt.‘
‚Würden Sie ihr ein Kind anvertrauen?‘
‚Wie Sie zur männerverachtenden Lesbe wurde!‘
Ich wünschte auch, dass mein Fall nicht solch ein Interesse ausgelöst hätte. Ich wollte nie diese Aufmerksamkeit. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie nervenaufreibend dies für meine Familie und Freunde ist.
Ich hätte damals bei der Pressekonferenz im Lolitafall die beiden Möchtegernreporter nicht bloßstellen sollen. Die Rache habe ich jetzt gewaltig zurückbekommen. Jessi hat es damals gefallen, sie meinte sie hatten es verdient. Recht hattest du mein Darling.
Innerlich lächelte Margo.
„Frau Bachus?“, der Richter holte die Kommissarin aus ihren Gedanken.
„Ich werde durch den Haupteingang gehen. Bei dem was über mich alles berichtet wurde, sollen sie sehen, wie ich den Gerichtssaal freigesprochen verlasse.“
„In Ordnung. Ihnen alles Gute. Die Sitzung ist geschlossen.“
Auf dem Stuhl drehte sich Margo um neunzig Grad nach links und blickte auf ihren Rechtsanwalt.
Männerverachtende Lesbe. Soso. Daher habe ich auch einen Verteidiger arrangiert und mein bester Freund ist Franco. Verstehe mich mit meinem Vater, René, Heiko, Doc…
„Frau Bachus, es ist das erste Mal, dass ich Sie seit dem Prozess lächeln sehe.“, sagte der Verteidiger in ihre Richtung.
„Ist das so?“, das Lächeln in Margo’s Gesicht wurde etwas breiter, „Naja, soviel Freude hatte ich nicht in den letzten Monaten.“
Außer die gemeinsame Zeit mit Melanie. Ich wünschte sie wäre heute hier gewesen. Aber bei dem Menschenandrang hier im Saal und der Presse, ist es besser, dass sie zu Hause geblieben ist…
„Frau Bachus?“…, „Frau Bachus?“, sprach der Anwalt mehrfach.
„Ja?“
„Sie sind heute ein wenig abwesend.“
„Entschuldigung.“
„Ich gratuliere ihnen zum Freispruch. Was ich allerdings nicht anders erwartet habe.“
„Ich bedanke mich für die Verteidigung. Ich bin nicht ganz so zuversichtlich gewesen. Ich hoffe nur, dass sich das Ganze jetzt auch mit der Adoption von Melanie schnellstens klärt und meine Suspendierung bald aufgehoben wird.“
Die Oberkommissarin zuckte zusammen, als Franco, der vom Zuschauerbereich unbemerkt zu ihnen kam, die Hände auf ihre Schultern legte: „Oha, so schreckhaft heute? Ich gratuliere dir Freundin.“
Margo ergriff die Hand ihres Freundes auf der rechten Schulter, legte den Kopf in den Nacken: „Danke.“
Ihr Freund beugte sich zu ihr vor und küsste ihre Stirn und flüsterte: „Mir ist gerade aufgefallen, dass du Mel vor deinem Job erwähnt hast.“
Mit einem sanften Schmunzeln entgegnete Margo: „So hab ich das? Vielleicht haben sich meine Prioritäten etwas verschoben.“
Franco richtete sich auf und sprach mit normaler Lautstärke: „Wollen wir?“
„Gleich.“, die Oberkommissarin wandte sich ihrem Anwalt zu und streckte ihm die Hand entgegen, welche er ergriff, „Wir sehen uns.“
„Keine Sorge Frau Bachus. Wie abgesprochen, werden wir umgehend die Wiederaufnahme des Adoptionsverfahrens beantragen und natürlich auch die Aufhebung ihrer Suspendierung.“
Arm in Arm schritten Franco und seine Freundin Richtung Ausgang. Der Besucherbereich, indem auch viele Pressevertreter zuvor saßen, hatte sich geleert. Der Pressemeute war das Fotografieren und Befragen im Gerichtssaal untersagt worden, nachdem es zu Beginn des Prozesses überhandnahm und der Richter es als störend empfand.
An der Tür stoppte Margo stehen. Franco ebenfalls: „Nervös?“
Margo atmete tief ein, langsam aus: „Etwas.“
Sie öffneten die Tür und traten hinaus. Kaum hinausgetreten ging ein Blitzlichtgewitter auf sie nieder. Fragen prasselten auf sie ein, diese bei dem Durcheinander an Stimmengewirr kaum zu verstehen.
Die Zwei drängten sich durch die Masse, Franco erwiderte ständig: „Kein Kommentar. Kein Kommentar.“, als Margo vor einer jungen Journalistin stehen blieb, die links und rechts von den zwei von Rachegelüsten getriebenen Reportern derart bedrängt wurde, dass die Brille, welche sie trug zu Boden fiel.
„Würden sie sich bitte wie zivilisierte Menschen benehmen.“, hallte es über den Flur. Schlagartig stoppte die drängelnde Masse, die sich in den Sekunden darauf beruhigte, jeder dem anderem etwas Luft gönnte, wenn auch nicht viel, aber es war nicht mehr so bedrückend.
Margo kniete sich nieder, hob die Brille auf, entfernte den Schmutz, bog den sichtbar krummen Nasensteg zurück und überreichte sie der Trägerin, die sich schüchtern bedankte, was Margo zu einem leichten Grinsen verleitete.
Wenn du hier bestehen willst, musst du energischer auftreten, sonst hast du gegen die anderen Journalisten keine Chance. Wobei werde nicht so, wie die beiden Typen da neben dir.
„Haben Sie eine Frage an mich?“
Die Journalistin schon über die Geste mit der Brille erstaunt, zeigte sich nun erschrocken. Dass die Oberkommissarin sie direkt ansprach, damit hatte sie nicht im Geringsten gerechnet: „Ja. Nein. Ja, doch sicher.“
„Ganz ruhig. Sie machen diesen Job noch nicht lange?“
„Nein. Ehrlich gesagt ist es heute erst mein zweiter Arbeitstag. Ich wurde von der Regio-Zeitung hierher beordert, weil der Kollege der eigentlich heute hier sein sollte, über Nacht krank wurde.“
„Man hat sie praktisch ins kalte Wasser geworfen. Dann fangen sie mal an zu schwimmen.“
Der kleine Plausch, vor allem aber das freundliche und doch auch zugleich selbstbewusste Auftreten der Kommissarin, gaben der jungen Frau Selbstsicherheit, dennoch sprach sie leise: „Wie geht es ihnen nach dem Urteil?“
„Sie müssen etwas lauter reden, damit die Kollegen es verstehen und ich nicht nochmal dieselben Fragen gestellt bekomme.“, zwinkerte Margo ihr zu.
Mit nun selbstbewusster Stimme, wiederholte die Reporterin von der Regionalzeitung die Frage.
„Ich bin erleichtert.“
Kaum hatte Margo diese Worte ausgesprochen, herrschte wieder ein Stimmenwirrwarr, welches jedoch schnell verstummte, weil ersichtlich wurde, dass die Kommissarin nicht auf dieses Durcheinander reagierte, ihr Blick blieb starr auf die junge Frau gerichtet, die verstand, dass sie weiter die Fragen stellen sollte, dabei griff sie auf Äußerungen aus dem Wirrwarr zurück: „Sie sagten eben, sie sind erleichtert. Wie ist dies zu verstehen?“
„Erleichtert, dass das Gericht mich freigesprochen hat.“
Zwischen den Zweien entwickelte sich nun ein Antwort-und-Frage-Spiel.
„Hatten Sie Zweifel?“
„Mein Verteidiger und ich waren davon überzeugt, dass ich nichts Verkehrtes gemacht habe. Es vom Gericht bestätigt zu bekommen, tut gut.“
„Wie gehen sie jetzt in ihre Zukunft?“
„Hoffnungsvoll!“
„Hoffnungsvoll? Können sie das erläutern?“
„Ich habe die Hoffnung, dass sich mit dem Prozessende auch der ganze Medienhype um meine Person legt. Denn wenn ich ehrlich bin, war dies sehr nervenaufreibend und belastend.“
„Inwiefern war dies eine Belastung?“
„Ich meinte damit die unsachlichen Artikel und Berichte über mich in der Boulevard- und Regenbogenpresse…“, Margo beäugte die zwei Reporter, die die junge Journalistin immer noch einrahmten, „…in denen Unwahrheiten oder private Dinge über mich verbreitet wurden, die nichts mit dem Prozess zu tun hatten, sondern nur mit dem Ziel veröffentlicht wurden mich zu diskreditieren und vermutlich um gute Auflage zu machen.“
„Wollen sie darauf näher eingehen?“
„Nein. Ich möchte nichts wieder aufkochen. Ich will nur wieder meine Ruhe.“
„Werden sie ihren Dienst bei der Kripo wiederaufnehmen?“
„Auf jeden Fall, sobald die Suspendierung aufgehoben ist. Ich beantworte jetzt noch eine Frage. Danach möchte ich unbehelligt nach Hause zu meiner Familie. Ich bitte um Verständnis.“
„Haben Sie jetzt einen besonderen Wunsch?“
„Ja. Aber das ist Privat.“
„Ich danke ihnen für das Interview.“
„Auf Wiedersehen.“
Unerwartet traten die Reporter zur Seite und öffneten den Weg. Franco und seine Kollegin konnten unbehelligt das Gebäude verlassen und zum Auto gelangen. Wo er, wie ein Kavalier alter Schule, ihr die Beifahrertür öffnete und Margo nach Hause chauffierte …
Kapitel 3
Glücklich
„Ist alles in Ordnung?“
„Wieso fragst du?“
„Du hast noch keinen Ton gesagt, seitdem wir aus dem Gericht raus sind.“, Franco der sich auf den Verkehr konzentrierte, runzelte die Stirn: „Du schweigst schon wieder.“
„Mmh.“
„Wow. Du wirst ja immer gesprächiger, pass nur auf, dass du vor lauter Redeschwall nicht vergisst zu atmen.“
Jetzt musste seine Freundin lachen: „Spinner.“
„Ja, aber im positiven Sinn. So gefällst du mir schon besser. Wo warst du eben mit deinen Gedanken?“
„Ach vergiss es. Ich will dich nicht langweilen.“
„Ich möchte aber, dass du mich langweilst. Also schieß los.“
„Ich habe eben nur über die letzten Monate nachgedacht. Die Suspendierung. Melanie, dass die Adoption auf Eis liegt. Man mir zunächst sogar die Pflegschaft entziehen wollte, wegen der Geschichte am alten Hafen.“
„Das habt ihr ja beide zusammen verhindert, weil ihr beide für einander gekämpft habt. Und das mit der Adoption sollte sich auch klären. Und wenn nicht…“
„Wenn nicht?“, Margo’s Stimme klang leicht aggressiv, „Das ist das wichtigste überhaupt für mich. Weißt du, wie schön es sich jeden Tag anfühlt, wenn sie Mama zu mir sagt oder gegenüber ihren Freunden von mir als Mama spricht. Ich will es auch auf dem Papier sein. Ohne die Adoption habe ich Angst, dass sie mir jederzeit wieder weggenommen werden kann.“
„Ich verstehe dich und dennoch misst du dem Stück Papier zu viel Bedeutung bei. Wichtig ist, was ihr im Herzen fühlt. Das kann euch niemand nehmen. Ganz ehrlich…“, Franco verstummte, weil er sich auf das Durchfahren der Baustelle konzentrierte.
Franco wirst du alt? Das nächste Mal sitze ich wieder am Steuer, dann sind wir flotter unterwegs.
Margo beäugte ihren Freund, der anscheinend vergessen hatte, das Gespräch wieder aufzunehmen, obwohl die Baustelle hinter ihnen lag: „Du warst bei, ‚ ganz ehrlich‘, stehengeblieben.“
„Entschuldige.“
„Es ist dir verziehen. Erfahre ich noch, was du sagen wolltest? Bevor du ganz vergesslich wirst.“
„Ach, werden wir jetzt frech?“
„Ich bin nur neugierig was du noch zu sagen hast.“
„Nicht viel. Ich wollte nur sagen, dass man für Mel keine bessere Mutter finden wird. Du gibst ihr Liebe, Geborgenheit und hast deine Suspendierung eindrucksvoll genutzt. Dank deiner Unterstützung hat sie sich von einer schlechten Durchschnittsschülerin zu einer guten gemausert. Wer das nicht erkennt, dem ist nicht zu helfen.“
Breit lächelnd sah Margo auf Franco, der es zur Kenntnis nahm, als er ihren Blick kurz erwiderte.
„Das ging gerade runter wie Öl.“
„Das sollte es auch.“, frohlockte Franco, „Und es ist ehrlich gemeint.“
„Danke. So schlecht war die Suspendierung gar nicht. Mir war nur nicht bewusst, dass wir sie so gut genutzt haben. Dennoch bin ich froh, wenn sie endlich vorbei ist.“
„Ich auch. Dich und deine Fähigkeiten habe ich im Dienst sehr vermisst. Ich werde jetzt Druck machen, dass sie schnellstens aufgehoben wird. Da sind wir.“
„Danke, dass du im Gericht warst.“
„Wozu sind Freunde da? Bestell Mel einen schönen Gruß.“
„Mach ich. Wir sehen uns.“
Auf dem Weg zur Wohnung wird Margo von Nachbarn im Treppenhaus abgefangen: „Hören sie, das geht so nicht. Es ist jetzt das vierte Mal innerhalb einer Woche, dass die Musik derart laut aus ihrer Wohnung dringt, dass es in unseren Wohnungen dröhnt. Wir haben bei ihnen geklingelt und geklopft, aber niemand hört.“
„Ich entschuldige mich. Ich werde mit meiner Tochter reden. Es wird bestimmt nicht wieder vorkommen.“
„Das hoffen wir, ansonsten werden wir uns beim Vermieter beschweren. Auf Wiedersehen.“
„Wiedersehen.“
Margo setzte ihren Weg fort. Sie nahm das Getuschel hinter ihrem Rücken war: „Naja, wenn das stimmt, was in der Presse so über sie geschrieben wird, dann kann das Mädchen nur verdorben sein.“
Kurz stoppte die Oberkommissarin.
Wenn du wenigstens die richtige Presse lesen würdest und nicht diese verlogenen Klatsch- und Tratschblätter. Ignorieren. Einfach weitergehen.
Okay, die Beschwerden sind gerechtfertigt, ich habe noch eine Treppe vor mir und ich höre die Musik hier.
In der Wohnung schallte es nur so vor lauter Gedröhne. Die Ohren von Margo schmerzten. Noch bevor sie die Jacke ablegte, ging sie direkt ins Wohnzimmer, wo der Krach herkam und zog den Stecker der Anlage aus der Streckdose.
Melanie die wieder einmal mit dem Handy ein Video von sich machte, wie sie zur lauten Musik tanzt fuhr herum und motzte: „Fuuuck…“, als sie das strenge Gesicht ihrer Mutter sah, schluckte sie den Rest herunter und wurde kleinlaut: „…zu laut?“ Dabei setzte Mel ihre Unschuldsmiene auf.
Sich auf die Zunge beißend, ließ Margo den Blick durchs Zimmer schweifen, als würde sie prüfen, welche Unordnung ihre Ziehtochter angestellt hat.
Jedes Mal dasselbe. Irgendwann beiße ich mir die Zunge ab, nur damit ich ernst bleibe und nicht loslache, wenn du so guckst mit deinen aufgerissenen Unschuldsaugen. Ich glaube jetzt geht’s.
„In der Tat war es zu laut Fräulein Tochter. Ich habe die Musik im Treppenhaus gehört. Die Nachbarn haben sich beschwert. Wenn du nicht willst, dass wir hier aus dieser schönen Wohnung rausfliegen…“, Margo setzte die Anlage wieder unter Spannung, „…ich bin auch mal jung gewesen und habe laute Musik geliebt, höre ich auch heute noch gern, wenn es passt. Diese Lautstärke ist laut genug und die Nachbarn werden nicht gestört. Merk dir die Einstellung.“
Mel schaut aufs Display der Anlage.
„Deal?“
„Ja geht klar. Deal.“
Frech grinsend beäugte Margo ihre Tochter: „Sie sitzt den ganzen Tag auf ihrer Fensterbank. Lässt ihre Beine baumeln zur Musik….“
„Nee jetzt.“
„Der Lärm aus ihrem Zimmer macht alle Nachbarn krank. Sie ist beseelt, lächelt vergnügt.“
„Hör auf, du kannst nicht singen.“
„Sie weiß nicht, dass der Schnee lautlos auf die Erde fällt.“
„Ich bin taub!“
„Merkt nichts vom Klopfen an der Wand.“
Mel umklammerte ihre Mutter, stieg in den Refrain ein. Sie tanzten durchs Zimmer und gaben das Lied zum Besten.
Sie sanken feixend zu Boden, lagen Kopf an Kopf. Bei allem Ernst, das ein Mutter-Tochter-Verhältnis mit sich bringt, hatten sie nie den Spaß aus den Augen verloren. Melanie gab aus Dankbarkeit alles, um es Margo auch so leicht wie erdenklich zu machen.
„Wie war’s beim Gericht?“
„Du siehst ich bin hier. Freispruch.“
Melanie legte den Kopf auf den Bauch von Margo, die wiederum den Schopf ihrer Tochter streichelte.
„Ich bin froh. Das heißt, du gehst jetzt wieder arbeiten?“
„Noch nicht. Ich bin freigesprochen. Die Suspendierung ist noch nicht aufgehoben. Das wird noch ein paar Tage dauern. Aber wenn es soweit ist, wird das nach dieser langen Zeit eine Umstellung für uns.“
„Wieso Umstellung? Ich bin froh, wenn du wieder arbeitest.“, kicherte Mel, „Dich ständig um mich zu haben, ist anstrengend.“
Du kleiner Frechdachs. Wobei so ganz stimmt es nicht, so ein kleines Bedauern habe ich deiner Stimme entnommen.
„Mama?“
Wie ich das mag, wenn du das sagst.
„Ja, Tochter.“
„Ich hab dich lieb.“
Du verstehst es echt mein Herz mit Freude zu erfüllen.
„Ich dich auch. Was hältst du davon, wenn wir heute Abend essen gehen und ins Kino?“
„Und was ist mit der Schule morgen?“
Wow. Habe ich dich jetzt zum Streber geformt?
„Wenn du heute ausnahmsweise mal später ins Bett kommst, denke ich, das wird schon gehen.“
„Da gibt es grad einen Film…“
„Pssst. Nichts verraten. Lass ihn uns einfach anschauen.“…
Kapitel 4
Alles beim Alten
und auch nicht