Das kleine Buch der Tugenden - Anselm Grün - E-Book

Das kleine Buch der Tugenden E-Book

Anselm Grün

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Beschreibung

Glaube, Liebe, Hoffnung - die christlichen Grundtugenden - sind für Anselm Grün der Schlüssel zum Glück. Denn wer Glauben sucht, lernt zu vertrauen und wird stark gegen Misstrauen und Angst. Wer Hoffnung findet, schenkt sich und anderen eine Zukunft. Und Liebe überwindet sogar Hass und Tod. Ein kleines Buch über große Werte, die helfen, wirklich und erfüllt zu leben.

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Seitenzahl: 120

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Printausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2019

ISBN 978-3-7365-9008-3

Neuausgabe des 2007 im Verlag Pattloch erschienenen Titels.

E-Book-Ausgabe

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024

ISBN 978-3-7365-0597-1

Alle Rechte vorbehalten

E-Book-Erstellung: Sarah Östreicher

Covergestaltung: wunderlichundweigand

Portraitfoto Pater Anselm Grün: © Hsin-Ju Wu

www.vier-tuerme-verlag.de

Anselm Grün

Das kleine Buch der Tugenden

Glaube, Hoffnung, Liebe

Vier-Türme-Verlag

Inhalt
Vorwort
Glaube
Sich in der Welt zu Hause fühlen
Glaube als Vertrauen
Glauben – Das Gute sehen
Glauben als Umdeuten
Glauben als fest stehen
Neue Lebensqualität im Glauben – Der Evangelist Johannes
Glaube, der heilt
Glaube, der Berge versetzt
Der Glaube Abrahams
Der Glaube Jesu
Der Glaube Marias
Hoffnung
Aus der Hoffnung leben
Hoffnung als Tugend
Philosophie der Hoffnung bei Gabriel Marcel
Der Hymnus auf die Hoffnung von Charles Péguy
Rechenschaft ablegen über die Hoffnung, die uns erfüllt (1 Petrus 3,15)
Der Anker der Hoffnung (Hebräerbrief)
Hoffnung bewirkt Geduld
Der Grund unserer Hoffnung: die Auferstehung Jesu
Der Gott der Hoffnung
Die »selige Erfüllung unserer Hoffnung« (Titus 2,13)
»Erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.« (Lukas 21,28)
Liebe
Die höchste Tugend
Sehnsucht nach Liebe
Eros, Philia und Agape
Lieben heißt »gut umgehen«
Liebe deinen Nächsten
Sich selbst lieben
Gott lieben
Gottes Liebe zu uns
Liebe sein
Liebe, die heilt
Die Liebe glaubt alles und hofft alles
Literatur

Vorwort

Die Sehnsucht nach Glück bewegt heute viele Menschen. Sie sehnen sich danach, dass ihr Leben gelingt. Zahlreiche Bücher behandeln die besten Wege zum Glück. Dabei wird Glück oft sehr oberflächlich verstanden als etwas, was man machen oder kaufen kann. Glück meint jedoch etwas anderes: dass man im Einklang mit sich selbst ist, dass das Leben gelingt, dass man ganz der wird, der man vom Wesen her ist, in Übereinstimmung mit dem innersten Wesen.

Die klassischen Wege zum Glück sind die Tugenden. Wenn ich über Glaube, Hoffnung und Liebe schreibe, dann geht es auch hier um den Weg zum wahren Menschsein. Daher möchte ich weniger inhaltlich und rein theologisch über den Glauben sprechen und über das, was ich glauben soll, oder über die Hoffnung und das, worauf ich hoffe, und auch nicht so sehr über das Gebot Jesu, dass wir lieben sollen.

Ich möchte vielmehr diese drei Haltungen als Weg zum gelingenden Leben beschreiben. Dabei greife ich natürlich auf die biblischen Bilder für diese drei Haltungen zurück. Aber ich versuche, sie immer so in das Leben hinein zu übersetzen, dass sie uns helfen, wirklich und erfüllt zu leben.

Die Trias »Glaube, Hoffnung und Liebe« geht auf die berühmte Stelle im Hohen Lied der Liebe zurück, das uns Paulus im Ersten Korintherbrief besingt. Er schließt seinen Lobgesang der Liebe mit den Worten:

Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.

1 Korinther 13,13

Paulus hat die Verbindung dieser drei Haltungen nicht erfunden. Vermutlich fand er sie in der hellenistischen Gemeinde vor. Schon in seinem ersten Brief hat er diese Tugenden miteinander verbunden und gebraucht sie seither in vielen Formulierungen. So schreibt er:

Unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung.

1 Thessalonicher 1,3

Offensichtlich kann Paulus die Haltung des Christen am besten durch diese drei Tugenden beschreiben.

Die frühe Kirche hat diese drei Tugenden übernommen und sie mit den vier Kardinaltugenden verglichen, die die griechische Philosophie seit Platon verkündet hat: »Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß und Klugheit«. Die mittelalterliche Theologie nennt die drei Tugenden dann göttliche Tugenden, um zu bekennen, dass sie nicht allein dem menschlichen Willen, sondern der Gnade Gottes entspringen. Schon der Begriff ist eigenartig: »göttliche Tugend«. Er verbindet eine menschliche Haltung mit einer göttlichen Gabe. In dem Begriff ist schon ein Miteinander von Gott und Mensch enthalten. Das deutsche Wort »Tugend« kommt von taugen. Die Tugend ist die Bedingung, dass das Leben gelingt. Die Griechen sprechen von »arete« und meinen damit eine Fertigkeit und Kraft. Die Lateiner übersetzen es mit »virtus«. Darin steckt einmal die Kraft, zum anderen der Mann. Es ist eine männliche oder mannhafte Kraft. Griechen und Römer denken daher in erster Linie an den Sportler und Soldaten. Von ihm her übernehmen sie diese Haltungen auch für den Philosophen. Der Philosoph übt sich in der Tugend, damit sein Leben gelingt, damit es seinem wahren Wesen entspricht.

Josef Pieper, der katholische Philosoph, der die Philosophie des heiligen Thomas von Aquin in unsere Zeit übersetzt hat, stellt die Tugendlehre der Gebotelehre oder Pflichtenlehre gegenüber. Bei den Geboten geht es um von außen gegebene Forderungen Gottes an den Menschen. Wenn wir von Pflichten sprechen, dann geht es um das, was wir eigentlich tun sollten. Es ist eine Sollenslehre. Bei den Tugenden geht es aber darum, das Sein des Menschen zu beschreiben. Denn die Tugenden sind Haltungen, die dem Menschen innewohnen. Er soll sie pflegen und entfalten. Aber sie sind in ihm angelegt. Pieper definiert die Tugend als »die Haltung, kraft deren der Mensch geneigt ist, das Gute zu tun«. Die Tugend – so sagt Thomas von Aquin – ist ein »habitus«. Gemeint ist damit eine besondere Weise des »Sich-selbst-Habens«. Der Mensch besitzt die Tugend. Sie ist in ihm. Sie zeigt ihm, wer er eigentlich ist und was in ihm für Möglichkeiten stecken. Für Thomas von Aquin ist die Tugend die Kraft im Menschen, die ihn dazu antreibt, seinem Wesen gemäß zu leben und das zu verwirklichen, was in ihm angelegt ist.

Wenn Thomas nun bei der paulinischen Trias von Glaube, Hoffnung und Liebe von göttlichen Tugenden spricht, dann meint er, dass diese Tugenden im Menschen angelegt sind. Sie sind ihm in der Schöpfung schon mitgegeben, damit er durch sie das verwirklicht, was Gott ihm zugedacht hat. Aber zugleich werden diese Tugenden dem Menschen, der sich auf Gott hin ausrichtet, von Gott her aus Gnade geschenkt. Sie sind göttliche Tugenden, weil in ihnen der Heilige Geist im Menschen wirkt. In den Tugenden erfährt der Mensch also auf der einen Seite das, was in ihm ist, auf der anderen Seite das, was ihm immer wieder neu von Gott geschenkt wird, auf das er angewiesen ist, dass Gott es ihm schenkt und dass Gott darin in ihm wirkt. Glaube, Hoffnung und Liebe sind also im Menschen angelegt von seiner Natur her. Aber zugleich wirkt in diesen drei Haltungen Gott an und im Menschen. Gott zeigt in diesen drei Tugenden den Menschen sein Wohlwollen, seine Liebe. Er sorgt aus Gnade für die Menschen, damit ihr Leben gelingt. Im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe fließt das göttliche Leben in den Menschen ein, da wird der Mensch ganz und gar von Jesus Christus erfasst, durchdrungen und verwandelt. Diese drei Tugenden beziehen sich nicht nur auf das reine Menschsein, sondern auch auf unsere Beziehung zu Gott. Wir werden erst ganz Mensch, ganz zu dem Bild, das Gott uns zugedacht hat, wenn wir das göttliche Leben und die göttliche Liebe in uns einlassen, wenn wir – um mit den griechischen Kirchenvätern zu sprechen – vergöttlicht werden.

In diesem Spannungsbogen müssen wir die drei göttlichen Tugenden sehen. Der Glaube zeigt eine Grundbefindlichkeit des Menschen. Jeder Mensch glaubt etwas. Er glaubt anderen, die ihm etwas erzählen. Und er glaubt in dem Sinn, dass er sich getragen weiß von einer größeren Wirklichkeit. Und doch ist der Glaube an Gott als den eigentlichen Grund unseres Lebens ein Geschenk Gottes. Wenn wir mitten im Dunkel dieser Welt an Gottes Liebe glauben, dann ist das nicht selbstverständlich. Dann erfahren wir das als Gnade. Und trotzdem dürfen wir die Gnade nicht so verstehen, wie manche, die sagen: »Nun, wenn Glaube Gnade ist, dann habe ich die Gnade eben nicht. Da kann man halt nichts machen.« Wir können den Glauben nicht machen. Aber wir können uns trotzdem nach ihm ausstrecken. Und wir können in Berührung kommen mit den Bedingungen des Glaubens, die in unserer menschlichen Seele verankert sind. Wir können es einfach probieren, auf Gott zu setzen, ihm zu vertrauen. Wir können gleichsam mit dem Glauben ein Experiment machen. Wir leben einfach einmal so, als ob die Worte der Bibel stimmten. Glaube ist dann einfach eine Offenheit für etwas, was wir nicht mit unseren Händen fassen und besitzen können. In dieser Offenheit kann der Glaube wachsen. Und wir können Gott bitten, dass er unseren Glauben stärke.

Der Glaube bezieht sich jedoch nie nur auf Gott, sondern auch auf den Menschen. Es geht darum, Gott zu trauen und auf ihn unser Leben zu setzen. Aber es geht auch darum, an den Menschen zu glauben. Indem wir an den Menschen glauben, wecken wir das Gute, das Gott in ihn hineingelegt hat, zum Leben. Unser Glaube an den anderen ermöglicht es ihm, an sich selbst zu glauben, anstatt sich aufzugeben. So ist der Glaube der Grund, auf dem unser Leben beruht und auf dem ein gutes Miteinander mit den Menschen erst möglich wird.

Hoffnung ist auch beides: eine menschliche Haltung und ein Geschenk Gottes. Und Hoffen bezieht sich auf den Menschen und auf Gott. Wenn ich Hoffnung in mir habe, gebe ich mich selbst nicht auf. Ich hoffe, dass ich mich entwickeln und entfalten kann, dass ich immer mehr in die Gestalt hineinwachse, die Gott mir mitgegeben hat. Und ich hoffe für andere Menschen. Ich gebe den anderen nicht auf, wenn es ihm gerade nicht gut geht, wenn er durchhängt. Ich bleibe bei ihm. Ich hoffe, dass er wieder mit seiner Kraft in Berührung kommt und die Krise überwindet. Und ich hoffe auf Gott und auf all das, was er mir verheißen hat, auf die wunderbaren Verheißungen, die mir in der Bibel verkündet werden. Es gibt Menschen, bei denen die Hoffnung von ihrer psychischen Struktur her und von ihrer Erziehung her stärker ausgeprägt ist. Und es gibt Menschen, die sich schwer tun mit der Hoffnung. Da ist es wichtig, um die Hoffnung auch zu beten, sie als Geschenk von Gott her anzunehmen. Sie ist aber nicht ein Geschenk, das einem gegeben wird, der noch gar keine Hoffnung hat. Vielmehr stärkt die Gnade Gottes die Hoffnung, die in meiner Seele angelegt ist.

Die gleiche Spannung nehmen wir bei der Liebe wahr. Jeder Mensch hat Liebe erfahren. Auch wenn die Liebe, die die Eltern ihm geben konnten, nicht genug war für ihn, ohne jede Liebe ist niemand in die Welt gekommen und aufgewachsen. Und selbst wenn er in seinem Umfeld wenig Liebe spüren konnte, so spürt er sie doch in seinem Herzen. Er weiß im Tiefsten, was Liebe ist. In jedem Menschen ist zumindest die Sehnsucht nach Liebe. Und zugleich erfahren wir unsere Liebe als begrenzt. Die Liebe ist die Tugend, die uns mit unserem Menschsein gegeben ist. Aber zugleich ist sie ein Gnadengeschenk Gottes. Paulus beschreibt sie als eine Gabe, die Gott uns Menschen gibt und die unser Leben verwandelt. Wer diese Liebe in sich hat, die von Gott stammt und daher unbegrenzt und unerschöpflich ist, dessen Leben bekommt einen neuen Geschmack, den Geschmack der Liebe.

Der Hebräerbrief verbindet in seiner Definition des Glaubens die beiden Haltungen von Glaube und Hoffnung:

Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.

Hebräer 11,1

Das ist eine interessante Verbindung von Glaube und Hoffnung. Der Glaube hat mit Stehen zu tun. Aber wir stehen nicht auf dem Boden der Wirklichkeit. Wir stehen fest in dem, was wir erhoffen, also in einem Zukünftigen, das aber jetzt schon unter uns ist und uns auf dieser Erde einen anderen, einen göttlichen Stand verleiht. Das Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht, meint letztlich die Liebe. Die Liebe spüren wir. Aber wir können sie nicht sehen. Wir können zwar die Liebe eines Menschen in seinen Augen sehen. Aber es ist nur der Widerschein der Liebe in den Augen. Die Liebe selbst bleibt unsichtbar. So ist der Glaube letztlich ein Überzeugtsein von der Liebe Gottes, die wir nicht direkt sehen können, die uns aber in Jesus Christus sichtbar geworden ist und die uns auch sichtbar begegnet im liebenden Blick eines Menschen oder auch in der Schöpfung, die voll ist von Gottes Liebe.

Wenn ich über Glaube, Hoffnung und Liebe schreibe, dann nicht in dem Sinn: »Du sollst glauben, du sollst hoffen, du sollst lieben.« Das wäre die typische Pflichtenlehre. Tugendlehre meint etwas anderes: Der Glaube ist schon in dir als eine Möglichkeit, die mit deinem Menschsein gegeben ist. Die Hoffnung ist in dir angelegt. Sie zeigt dir, wozu du fähig bist. Und die Liebe ist deine innerste Wirklichkeit. Es tut dir gut, mit der Liebe, die schon in dir ist, in Berührung zu kommen, damit sie dich noch mehr prägt. Die Gedanken über die drei Tugenden wollen uns mit dem in Kontakt bringen, was schon in uns ist. Die Quelle des Lebens ist schon in uns. Aber manchmal brauchen wir einen Anstoß von außen, damit die Quelle wieder lebendiger in uns strömt und alle Bereiche unseres Leibes und unserer Seele durchfließt.

Die Kirchenväter haben diese Spannung zwischen Sein und Entfalten des inneren Potentials in dem Wort aus dem Schöpfungsbericht der Bibel herausgelesen:

Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.

Genesis 1,27

Die griechischen Kirchenväter übersetzen die beiden hebräischen Worte »selemund« und »demut«, die die Einheitsübersetzung gleicherweise mit »Abbild« wiedergibt, mit »kat’ eikona« (nach seinem Bild) und »kat’ homoiosin« (zu seinem Gleichnis, nach seiner Ähnlichkeit