Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken - Hanns Hatt - E-Book
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Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken E-Book

Hanns Hatt

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  • Herausgeber: Knaus
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Was jeder Genießer unbedingt über das Riechen wissen muss

Das Riechen bestimmt unser Leben weit mehr, als wir glauben. Unsere Nase entscheidet, was uns schmeckt, wen wir lieben oder wen wir einfach nicht riechen können. Wir lassen uns von Düften verführen, aber auch manipulieren. Sie schicken uns süße Träume oder können uns krank machen. Hanns Hatt, der "Riechexperte der Nation" (DasErste.de) und Regine Dee haben eine kleine Schule des Riechens und Schmeckens geschrieben. Ein Geschenk für alle Sinnesmenschen und Genießer.

Wie riecht die Heimat? Warum macht ein geschickt ausgewähltes Parfüm uns schlank und attraktiv? Und weshalb wird uns beim Schmecken heiß und kalt? Auf diese Fragen weiß "Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken" Antwort.

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Seitenzahl: 196

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Hanns Hatt · Regine Dee

Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken

Knaus

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Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe 2012 beim Albrecht Knaus Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Gesetzt aus der Adobe Caslon von Uhl + Massopust, Aalen

Covergestaltung: Favoritbuero

Coverillustration: © Beth D. Yeaw / Getty Images

Illustrationen: Carina Pfahlmann

ISBN 978-3-641-07354-1V003

www.knaus-verlag.de

Über das Buch

Wie gut riechen Sie? Sind Sie ein Feinschmecker? Oder hat Ihre Nase etwas Nachhilfe nötig? Düfte sind überall, wir entgehen ihnen nicht, selbst wenn wir meinen, nichts zu riechen. Sie verführen und manipulieren uns weit machtvoller, als wir denken. Unternehmen verleiten uns mit Gerüchen zum Kauf, Neuwagenduft verwandelt uns in vorsichtige und vorausschauende Autofahrer und ein geschickt ausgewähltes Parfum macht uns schlank und attraktiv.

Hanns Hatts und Regine Dees Buch über das Riechen und Schmecken ist eine faszinierende Reise auf den Spuren des guten Geschmacks.

Die Autoren

Hanns Hatt, geboren 1947 in Illertissen, promovierte in Zoologie, Humanphysiologie und Medizin und gehört als Professor für Zellbiologie an der Ruhr-Universität Bochum weltweit zu den renommiertesten Geruchsforschern.

Mehr unter: www.cphys.rub.de

Regine Dee ist Journalistin und lebt in Hamburg. Sie hat Anglistik und Soziologie studiert und schreibt für verschiedene Wissenschaftsmagazine.

Immer der Nase nach

Unsere Nase ist faszinierend, jeden Tag aufs Neue. Wenn wir auf einer Wolke Kaffeeduft aus dem Bett schweben, das Aroma frischer Erdbeeren genießen oder der vertraute Geruch unseres Partners für Herzklopfen sorgt. Unvermittelt entführt uns die Nase in die Vergangenheit und weckt vergessene Erinnerungen. Allein der Geruch von Apfelkuchen kann uns in sorglose Kindertage zurückversetzen. Die Nase lockt uns aus purer Neugier auf Abwege und hinein in zufällige Abenteuer, nur weil sie sich nicht aus fremder Leute Angelegenheiten heraushalten kann. Sie ist frech und unverschämt intim und manchmal verrät sie uns mehr über andere Menschen, als ihnen lieb ist.

»Den kann ich nicht riechen«, das merken wir schnell, nur erklären können wir es oft nicht. Beim Nächsten dagegen geraten wir ins Schwärmen: Umwerfend! Was für ein Duft! Von manchen Leuten haben wir »die Nase niemals voll«. Sie kennt unsere romantischen Liebesträume, und wenn wir ihr folgen, haben wir gute Chancen, den richtigen Partner fürs Leben zu finden. Was die Nase allerdings überhaupt nicht romantisch meint, sondern sehr praktisch. Denn sie hat allein den Fortbestand der Menschheit im Sinn. Außerdem kümmert sie sich um unser Wohlergehen. Rund um die Uhr, sogar wenn wir schlafen. Schließlich ist sie es, die uns täglich mit 20 000 Litern Atemluft versorgt, uns warnt, wenn ein Feuer ausbricht, wenn Gifte uns bedrohen oder Essen verdorben ist.

Lange war das Riechen von Wissenschaftlern und Philosophen als animalischer, triebhafter Sinn und als chemische Informationsquelle ohne Geist vernachlässigt worden. Ein vermeintlich niederer Sinn neben den »intelligenten Sinnen« Sehen und Hören. Heute hat man seine Bedeutung erkannt: Fast täglich erreichen uns Meldungen wie »Jasminduft hilft beim Einschlafen«, »Gute Düfte steigern die Tanzlaune« oder »Frauen trösten sich mit Männerduft«. Uns wird bewusst, wie sehr das Riechen unseren Alltag bestimmt. Und natürlich auch das Schmecken, das eigentlich »Riechen beim Essen« genannt werden müsste, weil die Aromen aller Speisen zuerst in der Nase wahrgenommen werden. Warum packt uns plötzlich so ein Heißhunger auf einen fetten Cheeseburger? Weshalb schmeckt der im Urlaub gekaufte Wein zu Hause ganz fad? Aber es geht um noch viel mehr: Wie kann ich meinen Geruchssinn schärfen, um diese rätselhafte, für Augen und Ohren verborgene Welt besser wahrzunehmen? Wie kann ich so zum Feinschmecker, zum Riechprofi werden? Mit der Nase sogar mein Gehirn trainieren?

All diesen Fragen sind wir in diesem Buch nachgegangen. Tatsächlich können Düfte uns stimulieren oder entspannen, erfrischen und freudig erregen oder auch manipulieren. Sie können uns sogar attraktiv und schlank erscheinen lassen oder als Anti-Aging-Programm wirken – die Tests und Übungen im Buch verraten, wie das geht.

Vor allem aber sind Düfte Glücksboten und überraschen uns jeden Tag wieder. Gehen auch Sie mit diesem kleinen Buch übers Riechen und Schmecken auf Ihre ganz persönliche Entdeckungsreise durch die Welt der Düfte. Wir wünschen Ihnen dabei viel Spaß!

Riechen und Schmecken – wie geht das eigentlich?

Das Duft-Alphabet hat dreihundertfünfzig Buchstaben

Können Menschen mit einer besonders langen oder besonders großen Nase besonders gut riechen? Nein. Wie gut man riechen kann, ist eine Frage des individuellen Empfindens, genauso wie beim Sehen und Hören. Mit einem wesentlichen Unterschied: Wir können die Augen schließen oder uns die Ohren zuhalten – aufhören zu atmen können wir nicht. Und mit jedem Atemzug nehmen wir Duftmoleküle auf. Vom ersten Schrei bis zum letzten Seufzer unseres Lebens riechen wir. Jeden Tag, jede Sekunde und sogar nachts. Allerdings wird aus der gesamten Atemluft nur eine kleine Probe entnommen und auf die Riechzellen geleitet, der weitaus größte Teil geht direkt in die Lunge. Außerdem riechen wir meistens nur mit einem Nasenloch, das andere macht währenddessen Pause und erholt sich. Und wie es Rechts- und Linkshänder gibt, findet man Rechts- und Linksnasen. Mit seiner Lieblingsseite riecht der Mensch etwa drei Viertel des Tages, schaltet aber ab und zu auch auf die andere Seite um. Noch nie gemerkt? Weil wir ganz automatisch atmen und unserer Atmung keine Aufmerksamkeit schenken. Einzig, wenn man einen Duft intensiver wahrnehmen möchte und bewusst schnüffelt, werden beide Nasenlöcher benutzt.

Doch wie funktioniert das Riechen eigentlich? Jeder duftende Gegenstand gibt winzigkleine Moleküle in die Luft ab, weiche Materialien mehr als harte und heiße mehr als kalte. Die Duftmoleküle schwirren wie Staubkörner in der Luft umher. Die menschliche Riechschleimhaut ist mit fünfzehn Millionen Riechzellen pro Nasenseite ausgestattet. Jede dieser Zellen besteht aus einem ovalen Zellkörper, aus dem nach oben eine feine, zentimeterlange Nervenfaser ragt – der Verbindungsdraht ins Riechhirn. Um den Zugang zum Gehirn zu ermöglichen, hat unser Schädel an dieser Stelle kleine Löcher wie ein Sieb. Nach unten wachsen aus einem kolbenförmigen Fortsatz der Riechzelle zwanzig bis dreißig kleine Fäden, die Zilien, hervor, die in den Nasenschleim hineinragen. In den Zilien sitzen die Duftsensoren, die sogenannten Riechrezeptoren, an die die Duftmoleküle andocken.

Die Natur hat jeden Menschen, egal ob Europäer, Asiat, Australier oder Afrikaner, mit dem gleichen Repertoire von dreihundertfünfzig verschiedenen Typen dieser Riechrezeptoren ausgestattet, jeder spezialisiert auf einen bestimmten Duft wie zum Beispiel Vanille oder Moschus. Jedoch besitzt jede unserer dreißig Millionen Riechsinneszellen in ihren Zilien immer nur eine Sorte von Rezeptoren, davon allerdings viele tausend. Wenn wir also an Vanillezucker riechen, müssen die Vanillinmoleküle die Riechzellen finden, die den entsprechenden Rezeptor für Vanillin tragen, um dort anzudocken. Bisher sind allerdings erst von etwa zwanzig Rezeptoren die passenden Düfte entschlüsselt, die meisten von unserem Labor an der Ruhr-Universität Bochum.

Das Duftmolekül passt zum Riechrezeptor wie ein Schlüssel zum Schloss. Der Rezeptor kann die chemische Botschaft nicht nur lesen, sondern auch vervielfältigen und veranlassen, dass massenhaft Botenstoffe in der Riechzelle entstehen und einen elektrischen Impuls erzeugen.

Dieser wird über die Nervenfasern blitzartig ins Gehirn geleitet und informiert es darüber, dass ein Hauch von Vanille in der Luft liegt. Die meisten Düfte, wie zum Beispiel Kaffee, setzen sich allerdings aus einer Mischung von vielen verschiedenen Duftmolekülen zusammen. Entsprechend werden viele unterschiedliche Riechzelltypen zur gleichen Zeit aktiviert und lassen im Gehirn das »Kaffee-Muster« entstehen. Genauso wie Buchstaben ein Wort bilden. Und wie ein Buchstabe in vielen Wörtern auftaucht, können auch einzelne Duftmoleküle in vielen Mischungen vorkommen. Unser Duft-Alphabet hat dreihundertfünfzig Buchstaben, Duftwörter können ganz kurz oder über hundert Buchstaben lang sein, während das längste im Duden verzeichnete Wort nur 67 Buchstaben hat (Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung). Jean-Baptiste Grenouille, das Duftgenie aus dem Buch Das Parfum konnte dank seiner Supernase sogar Ulmen- von Birnbaumholz unterscheiden. Er wusste nach dem Geschmack von Milch auch zu sagen, von welcher Kuh sie stammte und was diese vorher gefressen hatte. Geübte Weintester kommen dem schon sehr nahe, wenn sie zum Beispiel das genaue Anbaugebiet oder sogar den Jahrgang eines Weines erkennen können. Seien Sie nicht enttäuscht, wenn Ihnen das nicht gelingt! Denn das Gehirn muss all die komplexen Duftwörter abspeichern und lernen. Kein Wunder, dass man viel Training braucht, um Düfte zu unterscheiden. Und wie beim Klavierspielen oder im Sport gilt auch beim Riechen: Nicht jeder Mensch hat das Talent zum Superstar.

Die Welt der Anti-Düfte

Im Alltag ist es nicht immer von Vorteil, eine gute Nase zu haben. Oft bringen uns die Gerüche um uns herum zur Verzweiflung. Wenn wir unseren Trainingspartnern im Fitness-Studio allzu nahe kommen oder in einer voll besetzten U-Bahn dicht an den Nebenmann gedrückt ausharren müssen. Auch der allzu großzügige Gebrauch von Parfum – meist von der Dame, die im Theater direkt vor uns sitzt – kann nicht nur einem empfindlichen Menschen gründlich die Laune verderben.

Unsere Großmütter griffen in solchen Situationen zum Riechfläschchen, um die aufkommende Übelkeit zu bekämpfen und die unweigerlich folgende Ohnmacht zu verhindern. Und vielleicht greifen wir bald wieder zu ähnlichen Maßnahmen. In unserem Bochumer Labor haben wir entdeckt, wie wir unsere Nase für einzelne Düfte unempfindlich machen können. Dabei half uns, wie so oft in der Wissenschaft, der Zufall. Eine Maiglöckchen-Duftmischung, mit der wir experimentierten, roch plötzlich nicht mehr nach Maiglöckchen. Warum?, fragten wir uns. Verantwortlich dafür war eine ganz spezielle Substanz in der Mischung, nämlich Undecanal. Jedes Mal, wenn der Riechrezeptor für Maiglöckchenduft damit in Kontakt kam, konnte er keine Maiglöckchen mehr riechen. Alle anderen Rezeptoren, wie die für Rosen oder Veilchen, blieben unbehelligt. So entdeckten wir den ersten spezifischen Duftblocker. Auch für einige weitere Riechrezeptoren, beispielsweise für frische Meeresbrise und Veilchenduft, kennen wir inzwischen den Anti-Duft – fehlen noch die Blocker für alle anderen Rezeptoren in der menschlichen Nase.

Sie könnten die Helden des Alltags in der Welt von morgen werden. Für alle Würstchenverkäufer, die nach Feierabend den Pommesgeruch ablegen wollen. Für Hundebesitzer, die alles für ihre Lieblinge tun, sich aber vor Pansen ekeln oder den Geruch von nassem Fell verabscheuen. Und natürlich für Extremstinker, die seit Jahrzehnten erfolglos gegen den eigenen Körpergeruch ankämpfen. So ein Blocker gegen die übel riechenden Bestandteile in unserem Schweiß ist sicherlich der Traum eines jeden Deo-Designers und ein garantierter Verkaufserfolg. Dann dürfte jeder stinken, wie er will, niemand würde den Geruch mehr wahrnehmen können. Auch im Kampf gegen die Pfunde, die sich zu Weihnachten auf den Hüften sammeln, könnte ein Blocker, zum Beispiel gegen Marzipanduft, bereits im Vorfeld tolle Arbeit leisten, denn was nicht lecker riecht, das kann einen auch nicht zum Naschen verführen. Wie gut gelaunt ließe sich das neue Jahr ohne quälende Diätpläne begrüßen. Und den Korkgeschmack bei einem teuren Wein, der nicht gesundheitsschädlich, sondern einfach nur ärgerlich ist, könnte man ganz leicht ausblenden.

Doch leider hat das Ganze einige Nachteile, schließlich ist die Nase ebenso dazu da, uns vor üblen und gefährlichen Gerüchen zu warnen. Wenn jeder Fischverkäufer den Gestank seiner alten Fische einfach überduften könnte, wäre das nur für seinen Geldbeutel von Vorteil. Auch beim Fleisch, das heute ohnehin schon optisch »aufpoliert« wird, um Frische vorzutäuschen, wären die Verbraucher noch leichter hinters Licht zu führen, wenn Gammelfleisch nicht mehr an seinem ekligen Geruch erkannt werden kann. Verdorbenes Gemüse riecht faul, der Geruch der Wurst rät deutlich vom Verzehr ab, wenn wir vergessen haben, seit wann sie eigentlich im Kühlschrank liegt. Duftblocker könnten die Nase als Gefahrendetektor lahmlegen. Ihren Einsatz müsste man also genau abwägen – wenn man sie denn einmal alle gefunden hat.

Was hat die Nase mit dem Schmecken zu tun?

Halten Sie sich einmal die Nase zu und schließen Sie die Augen. Gelingt es Ihnen, eine rohe Kartoffelscheibe von einem Stück ungekochten Kohlrabi zu unterscheiden? Ein Stück Apfel von einem Stück Birne, wenn beide gleich hart sind? Wohl eher nicht. Man spürt die Konsistenz, nimmt einen süßlichen Geschmack wahr, kann ihn aber nicht bestimmen. Wer mit einem heftigen Schnupfen zu kämpfen hat, dem geht es genauso: Ohne Nase schmeckt alles gleich, nämlich fast nach nichts. Die Nase ist die Aromaspezialistin unseres Körpers. Wenn die Schleimhäute geschwollen sind und keine Duftstoffe mehr die Rezeptoren erreichen, ist das Geschmackserlebnis dahin. Wir können gerade mal sauer von süß und salzig unterscheiden, aber an den Feinheiten des Essens scheitern wir. Schade um den Kaviar, wenn wir nur noch das Salz schmecken.

Für diese Basisdaten des Geschmacks ist unsere Zunge zuständig. Dort sitzen die sogenannten Geschmacksknospen, ein Sinnessystem, das keinerlei kulinarische Finessen erspüren kann. Von »feinen Zungen« kann also keine Rede sein. Salzig, sauer, süß und bitter – das sind die vier Eckpfeiler, manche zählen noch umami hinzu, den herzhaften Suppenwürfelgeschmack, der sich weitgehend aus salzig und süß zusammensetzt. Für jede dieser fünf Geschmacksrichtungen sind Sinneszellen mit spezifischen Rezeptoren zuständig. Sie liegen in den Geschmacksknospen angeordnet wie die Blätter einer Blüte, daher der Name. Die ersten, nämlich die Süßrezeptoren, wurden Ende der neunziger Jahre von einem amerikanischen Biologen entschlüsselt. Er heißt ausgerechnet Charles Zuker und konnte Bau und Funktion von drei verschiedenen Süßrezeptoren erklären. Nur drei Sorten Rezeptoren für alle Süßigkeiten dieser Welt, dafür aber – wie sich später herausstellte – fünfundzwanzig unterschiedliche Bitterrezeptoren? Wahrscheinlich brauchten die Menschen in ihrer Entwicklungsgeschichte vielfältigen Schutz, um die bitteren Gifte verschiedenster Pflanzen zu meiden. Kalorienreicher Zucker war dagegen schon immer lebensnotwendig – egal, wie seine chemische Struktur aussah.

Wenn wir aber einen Koch loben und sagen »Das hat mir wunderbar geschmeckt!«, meinen wir eigentlich: Es hat gut gerochen. Wir wollen ihm schließlich nicht sagen, sein Salat sei bloß sauer oder die Suppe salzig gewesen, wir wollen die Sauce loben mit den vielen würzigen Kräutern oder sein Dessert mit den leckeren Schoko-Erdbeeren. Wenn wir davon einen Löffel in den Mund nehmen, nimmt die Zunge die Süße wahr, das Aroma der Erdbeeren aber wandert aus dem Mund durch eine Verbindungsröhre zu den Riechzellen in der Nase. Hintenherum sozusagen, weshalb der Vorgang »retronasales Riechen« heißt.

Zeitgleich mit der Geruchswahrnehmung kommen die Geschmackseindrücke von der Zunge im Gehirn an. Sie werden aber zuerst in die Gehirnabschnitte für Emotionen, für Schmerz oder für Mimik geleitet, weshalb man zum Beispiel beim Zitronelutschen unweigerlich das Gesicht verzieht. Erst in höheren Gehirnstrukturen treffen sie mit den Aromen aus der Nase zusammen, und es entsteht ein ganz besonderes, einzigartiges Dufterlebnis: der Geschmack.

Schmecken mit allen Sinnen

Soll ein Espresso gut riechen oder gut aussehen? Was für eine Frage: beides natürlich! Außerdem soll er sich durch eine wunderbare Crema gut anfühlen. Noch besser wäre, er würde sich gleichzeitig gut anhören, obwohl man das ja nicht unbedingt von ihm erwartet. Schließlich ist ein Espresso kein Kartoffelchip. Der muss nicht nur lecker riechen, attraktiv aussehen und super schmecken, sondern außerdem noch knusprig krachen, wenn man reinbeißt. Keine einfache Sache für einen Food-Designer, der bei der Kreation neuer Geschmackserlebnisse ein sehr geforderter Mann ist. Auch Schokolade wäre ohne ihn nicht dieselbe. Für sie reicht es nämlich nicht, verlockend auszusehen. Auch das Knacken beim Abbrechen einer einzelnen Schokorippe muss sich genau richtig anhören, damit dem Kunden das Wasser im Mund zusammenläuft. Augenweide und Ohrenschmaus zugleich! Und das ist noch längst nicht alles.

Ein Koch wird natürlich darauf achten, dass der Lachs nicht blass, sondern zartrosa aussieht und der Spinat kräftig grün. Die Geschmacksknospen der Zunge müssen mit einem ausgewogenen Verhältnis von Süße und Säure, Salzen und leichten Bitterstoffen bedient werden, die Nase erlebt die Aromen von Fisch, Spinat und Weinsauce im Zusammenklang, während der Mund sich über das bissfeste Gemüse und die samtige Sauce freut. Denn keinesfalls darf ein Gemüse zu weich oder eine Sauce klumpig sein. Optimal ist ein Geschmackserlebnis nur dann, wenn es sich auch gut anfühlt. Eine Cola muss prickeln, eine Wasabi-Creme schön scharf sein und die Mousse au Chocolat zum Nachtisch muss cremig auf der Zunge zergehen. Das sind Genüsse, die uns die Sensoren unseres Gesichtsnervs, des Nervus trigeminus, bescheren, sie alle gehören zum spektakulären Sinneserlebnis, das wir Geschmack nennen.

Das Schmecken ist also ein umfassendes Geschehen, das schon mit dem ersten Blick einsetzt und sich gleichzeitig im Mund, in der Nase und dann im Gehirn abspielt. Unser Gehirn führt all diese Sinnesreize zusammen und macht daraus ein Gesamtkunstwerk. Das lässt sich sogar im Kernspintomografen an den Aktivitätsmustern beobachten: Die verschiedenen sensorischen Kanäle von Auge, Ohr, Nase und Mund werden als gemeinsame Signale in höheren Gehirnregionen weiterverarbeitet.

In der Amygdala (Mandelkern), dem Zentrum für Gefühle, gibt es sogar einzelne Gehirnzellen, die mehrere Sinneseindrücke auf einmal wahrnehmen können: Geruch, Geschmack, Fettgehalt und Viskosität ebenso wie Temperatur, Farbe und Geräusche. Selbst der Schmerz wird hier registriert. Deshalb können schwarzer Pfeffer, Chili oder Ingwer die Aromen von Erdbeeren oder Schokolade verstärken. Und es ist keine Spinnerei, wenn ein Koch in eine Tomatensuppe eine Prise Zucker streut oder ein paar Tropfen Essig in die Soße gießt: Die Geschmacksstoffe intensivieren die Aromen, was auch dazu führt, dass wir schneller satt werden. Das haben amerikanische Wissenschaftler vor Kurzem entdeckt. Außerdem schmeckt die Tomatensuppe einfach tomatiger. Besser gesagt: Sie duftet tomatiger und schmeckt einfach köstlich.

Kein Wunder, dass alle Versuche scheiterten, der Menschheit eine Diät mit Essensdüften aus der Spraydose zu verschreiben. Kalorienfreie Sprays sollten satt machen, konnten aber in keiner Weise das Original ersetzen. Sie krachten nicht wie Kartoffelchips, zergingen nicht sahnig-cremig wie eine Praline auf der Zunge und wirkten nie so gemütlich wie Popcorn. Denn auch das registriert das Gehirn: die schöne Umgebung, die gute Stimmung und die nette Gesellschaft. Sie alle tragen zum vollendeten Genuss bei, den das Gehirn als eine gigantische Symphonie aus Emotionen und Sinneseindrücken komponiert.

Parfums und ihr Versprechen vom Glück

Wohlriechende Düfte verleihen dem Leben einen Hauch von flüchtigem Luxus. Sinnlich, verführerisch, extravagant. Das war schon in Ägypten und Arabien so, bei Christen und Moslems, für Caterina de’ Medici und Madame de Pompadour – wer es sich leisten konnte, sein Geld einfach so in der Luft zu versprühen, lebte offenbar sorgenfrei und war zweifellos glücklich.

Parfums sind teuer, auch heute noch. Und Zeitgeist und Mode haben ein Wörtchen mitzureden, wenn wir uns fragen: Welcher Duft unter all den Seifen, Shampoos, Cremes und Duftwassern ist der richtige, um mich glücklich zu machen?

Kleopatra hatte es da einfacher. Sie konnte sich ganz auf Rosen verlassen, als sie ihren Geliebten Marc Anton empfing. Ihr Schlafgemach soll für die erste Liebesnacht kniehoch mit duftenden Rosenblüten bedeckt gewesen sein. Der Mann war beeindruckt und verließ Haus, Hof und sogar Gattin aus lauter Leidenschaft für die extravagante, wohlriechende Herrscherin. Einen ähnlich überzeugenden Effekt versprach sich wohl Gunter Sachs, als er 1966 zur Verlobung mit Brigitte Bardot aus einem Helikopter rote Rosen auf ihr Haus in Saint Tropez herabregnen ließ: Sieh her, meine Liebe ist überwältigend.

Rosen sind Liebesboten, und Rosenöl gehört noch immer zu den wertvollsten Ingredienzien eines Parfums. Ein Liter kann leicht 10 000 Euro kosten. Schon früh kamen Jasmin und Veilchen, Flieder, Lavendel und Maiglöckchen dazu, außerdem Gewürzpflanzen wie Vanille, Nelke oder Zimt. Für die herben Noten verwendet man gern Hölzer, Harze und Tierdüfte. Ungefähr hundertfünfzig Düfte gab es vor hundert Jahren, heute ist die Zahl auf viertausend natürliche und synthetische Duftstoffe angewachsen. Der Zeitgeist bestimmt ihre Mischung. Während die sechziger Jahre nach Janis Joplin klangen und nach Patschuli rochen, ließen die Hippies in den Siebzigern wollüstige Moschusdüfte von San Francisco aus in die alte Welt hinüberwehen. Schwere Noten waren beliebt, außer bei der wachsamen US-Drogenbehörde. Als Yves Saint Laurent 1977 seinen Duft Opium auf den Markt brachte, eine orientalisch-würzige Mischung aus Piment, Orange und Moschus, durfte das Parfum zunächst in den USA nicht verkauft werden, weil die Fahnder gefährliche Bestandteile witterten.

Auch das 1978 von Karl Lagerfeld herausgebrachte Classic, eine »würzig warme Komposition mit einer Idee Tabak«, und Poison, ein »Parfum von unwiderstehlicher Verführung«, 1985 von Dior komponiert, waren schwere, sinnliche Duftnoten. Ihre Beliebtheit ließ deutlich nach, als eine veränderte, gesellschaftliche Situation neue Verhaltensregeln erforderte. Das AIDS-Virus bedrohte die Menschen, weshalb es angeraten schien, monogam zu leben oder sich zumindest so zu geben. Das Parfum sollte nur noch für den eigenen Partner da sein. Lifestyle-Parfums kamen leicht, prickelnd und dezent daher, wie Calvin Kleins ck one, »the fragrance for men and women«, – der Unisex-Duft, der zu einem der meistverkauften Parfums des ausgehenden 20. Jahrhunderts wurde. Langfristig konnte sich dieser Trend allerdings nicht durchsetzen, offenbar wollten sich Männer nicht mit süßen Blütendüften identifizieren und Frauen nicht mit herben Tabaknoten.

Mit viel Fachwissen, Sensibilität und Intuition entwickeln die Supernasen der Parfumhäuser immer wieder neue, überraschende Düfte. Die einzelnen Nuancen entfalten dabei ihre verführerische Wirkung zeitlich genau aufeinander abgestimmt. Die schnell flüchtige Kopfnote soll neugierig machen und wird heutzutage immer wichtiger, weil viele Kunden die Parfums kurz vor dem Abflug in Duty-free-Shops einkaufen und die anderen Nuancen gar nicht abwarten können. Die Herznote zum Beispiel, den charakteristischen Duft des Parfums, der sich meist aus Blütenaromen zusammensetzt. Und die Basisnote, das Fundament des Parfums, die am längsten haftet und oft aus holzigen und animalischen Düften besteht. Welche Komposition der Noten Sie auch wählen: Glücklich machen können sie alle.

Hauptsache, Vanille!

Alle Deutschen lieben Vanille. Egal, ob sie als Wunderbaum im Auto baumelt, als Shampoo die Haare oder als Waschpulver die T-Shirts beduftet. Sehr lecker ist Vanille als Eis. Mit heißen Himbeeren, Zuckerstreuseln oder Schokostückchen: Vanilleeis ist der unschlagbare Sommerhit. Denn was wir gern riechen, essen wir auch gern. Dass das Eis gar keine »echte« Vanille, sondern nur Vanillin enthält, stört dabei die Wenigsten. Der Duft der Vanilleschote setzt sich eigentlich aus über hundert verschiedenen Duftmolekülen zusammen, hauptsächlich natürlich Vanillin, während das industrielle Imitat sich ganz auf diese Substanz beschränkt. Aber wer weiß heute schon noch, wie das Original schmeckt? Gerade mal zehn Prozent aller Produkte auf dem Weltmarkt enthalten das natürliche Aroma. Es wird aus den Früchten einer Kletterorchidee gewonnen und ist sehr teuer. Nie würde es reichen für all die Soßen und Cremes, Puddings, Joghurts und Tees, die es bei uns zu kaufen gibt. Zumal Vanillegeschmack Bitteres maskieren und Schärfe reduzieren kann und deshalb auch in vielen anderen Lebensmitteln steckt, ohne dass wir es überhaupt bemerken. Die Hälfte der gesamten Vanilleproduktion der Welt landet übrigens in den USA. Amerikaner sind verrückt nach Marshmallows und Roibush-Tee – mit Vanillegeschmack.

Vanille begleitet uns seit Kindertagen, denn schon die Muttermilch duftet von Natur aus leicht nach Vanille. Babybrei wird damit verfeinert und die Babylotion duftet danach, weil alle Mütter den Duft so gern haben. Eine lebenslange Erinnerung an Geborgenheit und Glück wird einem da in die Wiege gelegt, die einen niemals verlässt. Mancher setzt ganz nebenbei womöglich auf die aphrodisierende Wirkung, die dem Stoff nachgesagt wird. »Männer lieben Vanille«, sagt Chandler Burr, einer der bekanntesten Parfumkritiker der Welt, »deshalb riechen alle Huren der Welt so.«

Die Ausnahme sind Männer, deren Großmutter Bäuerin oder deren Vater Fischhändler war, möchte man anfügen. Die ziehen nämlich den Geruch von Kuhstall und frischem Fisch vor, weil diese Düfte aus frühester Kindheit ihr Langzeitgedächtnis für immer geprägt haben. Vorausgesetzt, es handelte sich um eine gütige Großmutter und einen liebevollen Vater, anderenfalls resultieren die Erinnerungen in lebenslangen Duftaversionen. Während sich manche Geruchsvorlieben also ganz individuell prägen, sind andere bestimmt durch die Kultur des Heimatlandes. Japaner mögen süßliche Düfte und finden Fischgeruch gar nicht so übel. Amerikaner lieben Popcorn und Zimt, Fischgeruch empfinden sie eher als Gestank. Universell beliebt sind viele Naturdüfte, weil sie mit positiven Eindrücken verbunden werden. So zählt Orangenduft nach wissenschaftlichen Studien zu den weltweit beliebtesten Düften. Auch der Geruch des Waldes und eine frische Meeresbrise können viele Menschen begeistern. Als »Duft eines nordischen Morgens am See« pries Coco Chanel einst ihr Chanel No 5, und Aqua di Parma, ewige Kultmarke für Herren, setzt auf natürliche Zitrusaromen, angereichert mit zarten Blumendüften.