Das Kommen des Herrn und die  Manifestation des Bösen - Roman Nies - E-Book

Das Kommen des Herrn und die Manifestation des Bösen E-Book

Roman Nies

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Beschreibung

Manche Kulturphilosophen und Historiker sehen in der Hinwendung zum Monotheismus die Geburtsstunde des geistigen Europas. Mittlerweile sehen sie die Rückkehr der alten Götter und für den Eingottglauben scheint die Grabesstunde Europas bereits angebrochen zu sein. Im 21. Jahrhundert breiten sich Aberglauben, Esoterik, Zauberei, Okkultismus und die Verkultung von Mensch und Natur aus und der Materialismus dient längst den meisten als Religionsersatz. Heutzutage ist es der Mensch der Massenmedien, der Kultstatus erreicht und in den Stand der Gottgleichheit versetzt wird. Dazu kommen Vereine, Clubs, Orden, Hobbies und Haustiere, die ausgleichen sollen, was Mitmenschen nicht erbringen können und was man den Kirchen nicht zutraut. Die Briefe des Paulus an die Thessalonicher sind hochaktuell, weil Paulus bereits damals die Zustände einer Gesellschaft angeprangert hat, der die heutige immer ähnlicher wird. Die Evangeliumsverkündigung von Paulus trat in einen Wettbewerb mit den herrschenden Meinungen und der religiösen wie politischen Korrektheit. Dieser Kommentar geht auf die heilsgeschichtlichen Dimensionen dieses Wettbewerbs ein, der sich nach Paulus bis zum heutigen Tag fortgesetzt hat. Parallel dazu lief eine Geschichte des Unheils, zu der vor allem die Kirchen wesentlich beitrugen. Das Wesen des Antichristentums wird offenbar.

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Roman Nies

Das Kommen des Herrn unddie Manifestation des Bösen

Die Thessalonicherbriefe

© 2019 Roman Nies

Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7482-5538-3

Hardcover:

978-3-7482-5539-0

e-Book:

978-3-7482-5540-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Das Kommen des Herrnund dieManifestation des Bösen

Die Thessalonicherbriefe

Eine heilsgeschichtliche Auslegung

vonRoman Nies

Inhalt

Einführung

1. Kap

Die Wirkungen des Vertrauens 1 Thes 1,3-5.8-9; 2,4-14

2. Kap

Antisemitismus - die uralte Form des Widergöttlichen 1 Thes 2,14-16

3. Kapitel

Christentum-Kirchenchristentum 1 Thes 3, 1-8.10.13

4. Kapitel

Evangelium und Anti-Evangelium 1 Thes 2,14-16, 2 Thes 2,2-3

5. Kapitel

Heiligung in der Ordnung 1 Thes 4,1-12

6. Kapitel

Entrückung und Kommen des Herrn 1 Thes 4,13-18; 5,1-11.23; 2 Thes 1,4-10

7. Kapitel

Abfall und Gesetzlosigkeit 2 Thes 2,1-11

8. Kapitel

Weltgeschichtliche Verirrungen 2 Thes 2,3-12

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Einführung

Manche Kulturphilosophen und Historiker sehen in der Hinwendung zum Monotheismus die Geburtsstunde des geistigen Europas. *1 Was bedeutet dann aber die Abwendung? Offenbar kehren ja die europäischen Völker wieder zu den alten Göttern zurück, den Nichtsen, die nicht verantwortlich dafür sein können, was unter ihrer Herrschaft geschieht, weil der Mensch seine Verantwortung nicht auf seine Gedankengebilde abwälzen kann. Ist mit der Abwendung vom Eingottglauben die Grabesstunde Europas angebrochen?

Im 21. Jahrhundert sieht man nun immer mehr, wie sich Aberglauben, Esoterik, Zauberei, Okkultismus und die Verkultung von Mensch und Tier und materiellen Dingen ausbreiten. *2 Zu den alten Göttern kommen ganz neue, die sich der Mensch ausgesucht hat, dazu.

Paulus hat auch in seinem Brief an die Thessalonicher die Götzendienerei der damaligen Gesellschaft angeprangert. Evangeliumsverkündigung bedeutete für ihn zuerst einmal, den Menschen deutlich zu machen, was für eine Alternative denn Jesus Christus zu diesen Götzen darstellte. Er trat dabei in einen Wettbewerb mit der herrschenden religiösen Meinung. Und oft genug wurde man auch handgreiflich aus den gleichen Gründen wie heute. Man hat keine Argumente mehr gegen die Wahrheit oder noch schlichter: man wünscht und will die Wahrheit nicht, ja, man hasst sie, weil man nicht etwas lieben kann, was gegen die eigene Lebenseinstellung steht und deshalb nur als Anklage verstanden werden kann, die man persönlich nehmen muss.

Die Motive des Volks der Finsternis, was die wahre Erkenntnis Gottes anbelangt, sind leicht zu finden. Wer den Götzen anhängt, die seinen Bedürfnissen und seiner Lebensweise entsprechen, kann nicht dem Gott folgen wollen, der diejenige Alternative zu den Götzen bietet, die sie überflüssig macht und damit auch die gesamte Lebensausrichtung in Frage stellt. Man verteidigt seine Götzen, weil man seine Bedürfnisbefriedigung in Gefahr sieht, oder, einfacher ausgedrückt, die personifizierte Finsternis fürchtet das personifizierte Licht. Beide zugleich können nicht in einer Person existieren. Wer sich der Finsternis hingibt, wird ihr auch anhangen. Wer sich zum Licht hingezogen fühlt, wird die Finsternis meiden. Die Finsternis bekämpft das Licht, weil es sonst weichen muss. Das Licht hingegen kämpft nicht, es breitet sich wachstumsmäßig aus. Früher wusste man, was man unter einem „rechten Menschen“ verstehen musste. Er hatte „Recht“ und lebte „recht“. Er war „recht“ und „gut“. Das Gutsein gehörte zum Rechtsein dazu. *3

Paulus brachte mit seinem Evangelium den Menschen eine Botschaft, die sie nicht willkommen hießen, sondern fürchten mussten. Das Evangelium besagt, dass Gott Mensch geworden ist und für alles Böse, das der Mensch darstellen kann, ein Sühneopfer abgeleistet hat. Die Rechtsfolge der Versöhnung mit Gott braucht also nur akzeptiert zu werden, was aber zur Folge hat, dass man nun nicht mehr den Götzen und den alten Gewohnheiten lebt, sondern ein neuer Mensch in Christus wird.

Einerseits ist es erstrebenswert, dabei ein guter Mensch zu werden. Jeder sollte also erlöst werden wollen. Aber jeder Mensch trifft bereits bei dem gedanklichen Prozess, über die Folgen der Hinwendung zu Christus nachzudenken, auf ein sonderbares Phänomen. Man will gar nicht zu sehr gut sein. Jeder Mensch gibt zu, dass es gut ist, „gut“ zu sein. Wenn man einen Inder fragt, warum er keinen einzigen „guten“ Gott hat und warum er ausgerechnet solche Götter zu seinen Lieblingsgott gewählt hat, die nicht gut, oder jedenfalls so gut sind, dass sie auch menschliche Schwächen haben, bekommt man vielleicht zur Antwort, dass es ja weniger um das Gutsein gehe bei der menschlichen Existenz, sondern um die Annahme bei Gott und gelegentliche Vorteilsnahme mit dem Endziel nach endlosen Wiedergeburten endlich mit Gott zusammenzugehen. Und wenn Gott eine ungute menschliche Eigenschaft hat, hat das den Vorteil, dass man, wenn man diese Eigenschaft selber hat, daran schon nichts ändern muss. Und Gott könne auch bei anderen Eigenschaften aufgrund seiner eigenen Unvollkommenheit ein Auge zudrücken.

Der Gott der Mohammedaner erhebt auch nicht den nachvollziehbaren Nachweis, dass er vollkommen sei. Er trägt Züge von Vergeltungslust, Härte, Grausamkeit, Gnadenlosigkeit. Mit diesen Methoden ließ sich auch ein großer Teil der Welt erobern, weshalb sich der Islam auch gerade so ausgebreitet hat. Die Nomaden der Wüste waren ebenso wie ihr Allah, vergeltungssüchtig, Blutrache übend, grausam und gnadenlos. Und, auch wenn es sogar mehr Fälle von Versöhnung und Gnädigkeit gegeben haben sollte, was man gerne den Mohammedanern zuschrieben möchte, so sind diese tadeligen Eigenschaften innerhalb des Islam durch die Jahrhunderte sehr lebendig und wirkmächtig gewesen! Allah war wie ein bestellter Gott, für den Mohammed das Inserat geschrieben hat. Man konnte ihn als Waffe benutzen und zugleich als Rechtfertigung für Gewalt, die Unterdrückung von Stammesfeinden und die Beherrschung der Frauen.

Ähnliches könnte man über den Gott der Katholiken oder Protestanten sagen. Er ist ein Gott, dessen Gnädigkeit und Barmherzigkeit zwar von den Kirchen immer wieder behauptet wird, aber angesichts zweier Umstände meist nicht immer überzeugend umgesetzt worden ist. Zum ersten haben sich die Kirchen und ihre zugehörigen Glaubensvölkern oft nicht durch Gnade und Barmherzigkeit hervorgetan. Sie haben die Völker der Dritten Welt und sich untereinander und gegenseitig mit Gewalt und Unterdrückung und Kriegen überzogen. Zum anderen lehren sie einen Gott, dessen Gnade und Barmherzigkeit nur den Gläubigen wirklich zu Gute kommt, während die Mehrheit der Menschen von diesem Gott für immer an einem finsteren Ort verbracht wird, wo es nicht sehr ruhig zugehen wird, weil dort alle vor Qualen schreien und schluchzen. So behaupten es jedenfalls die Kirchen und dementsprechend haben sie gehandelt. D.h. die Vorstellung, die sie über Gott haben, stimmt mit ihrem Handeln überein. Da ist viel Gutes, was getan und initiiert worden ist. Und vieles wurde auch zum Segen für die Menschheit. Aber dass es da noch mehr Schlechtes und Böses gab, darüber lassen sich viele Belege finden. Und vieles davon ist nicht zu entschuldigen. Zu beschönigen gibt es an der Geschichte der Christenheit nicht viel. Und man muss wissen, es handelt sich vorwiegend um die Geschichte der Kirchenchristenheit, also jener Christenheit, die aus einem zu Untaten verführten Volk und den zugehörigen geistlichen Verführern, den Religionsführern bestand und immer noch besteht.

Paulus hat nichts mit all diesen Kirchen und Glaubenssystemen zu tun. Er predigte ein anderes Evangelium. Er brachte eine Botschaft, die sämtliche Götzen und Ungötter degradierte zu bloßen Schattenbildern oder Finsternisgestalten, Gefangenenwärtern und Sklavenhaltern, Verbrecherbandenanführern und Gottesfeinden, Lügnern und Mördern. Paulus brachte ein Evangelium, das herausfordert, weil es makellos ist. Es stellt Gott als pures Licht der Erlösung dar und Jesus, den Heiland und Erlöser als vollkommenen Menschen und Gott. Die Gottmenschen der Griechen waren wie Menschen, nur mächtiger. Sie waren nicht vollkommen, sondern hatten die Schwächen ihrer Gott- und Menscheltern. Auf der Augenhöhe der Menschen der Antike waren ihre Götter. Manchmal waren sogar die Menschen tugendhafter und heldenhafter als die Götter. Schon die Juden waren wegen ihres Glaubens an einen vollkommenen, vor allem vollkommen guten Gottes, nicht sehr beliebt bei den Menschen. Wie konnte man jemals so einem Gott gefallen?

Bei nüchterner Betrachtung der Lage und der Berücksichtigung sämtlicher Fakten, war die Lücke einfach zu groß zwischen Mensch und Gott. Mit dieser Erkenntnis, die bei den meisten eher einer unguten Ahnung entsprach, waren die Nichtjuden, Römer und Hellenen vielleicht sogar ein Stück weiter als so manche Juden, die sich auf ihre gedachte Botmäßigkeit etwas einbildeten. Überraschenderweise haben diese Juden ihre Nachfahren in den Kirchenchristen. Denn auch denen ist meist nicht bewusst, wie groß und unüberbrückbar nach menschlichem Maß die Lücke zwischen Mensch und Gott ist. Sie ist exakt so groß, dass alles, was ein Mensch dazu tun kann, um die Lücke zu schließen, mathematisch über eine Null nicht hinauskommt.

Wenn also Paulus über die Götzenhaftigkeit seiner Zeitgenossen nachgedacht hat, kann es sein, dass ihm auch in die Gedanken gekommen ist, dass dieses Geschenk Gottes an die Menschen, diese Lücke zwischen Ihm und dem Menschen mit dem Kreuz von Golgatha zu schließen, zu viel verlangt vom Menschen. Der Mensch kann es nicht akzeptieren, dass Gott alles gemacht hat und er, der Mensch, nicht einmal einen Beitrag leisten kann. Und zwar kann er auch deshalb nichts dazu tun, weil er über das Stadium eines Stümpers niemals hinauskommt. Der Vergleich hinkt, denn selbst die Arbeit eines Stümpers kann zum Teil gebraucht werden.

Es gibt da also das Problem, wie nehme ich das Geschenk eines neuen und erfüllteren Lebens aus den Händen von jemand, der mir zugleich zeigt, dass ich es nicht verdient habe und niemals verdienen werde. Wenn ein König deine Hütte betritt, für die du dich in unzähligen Arbeitsstunden abgemüht hast, und dir sagt, dass du ab sofort im Königspalast wohnen kannst, dafür aber deine Kritik am König bleiben lassen sollst, wo sie nachweislich nicht berechtigt ist, wird das letzte Bedenken, das man gegen dieses Angebot hat, wohl dies sein, dass man sich fragt, „wo soll ich dann aber mit meinem Stolz hin?“ Er bestand ja darin, dass ich aufbegehrte und dass ich selber meine Hütte aufgebaut habe. Es könnte meine Weigerung aber noch eine andere Ursache haben. Es sind meine Gedanken, dass es im Palast des Königs immer feind und sauber zugeht und ich da gar nicht hinpasse mit meinen schlechten Manieren. Man braucht also etwas, was Paulus immer wieder einforderte und anmahnte: Vertrauen in den König! Wer sich auf den König von Zion einlässt, wird von Ihm auch passend gemacht, denn tatsächlich gibt es im Palast des himmlischen Königs nur Passende. Sie wurden passend gemacht. Ist es also doch die Angst vor dem Passendgemachtwerden, die das Evangelium in den Ohren so vieler für Misstöne sorgt?

Warum hat Gott überhaupt den Wirkraum des Palastes verlassen? Warum hat Er den Menschen in eine böse, gefallene Welt hineingestellt? Warum hat Er sie nicht gleich nach dem Sündenfall beseitigt, wo der Schaden noch gering und die Abräumkosten überschaubar gewesen wären? In jeder Stunde werden immer mehr Menschen auf diesem Planeten geboren. Und es wäre unverantwortlich von Gott, wenn Er zwar die Zahl der getauften Kirchenchristen immer weiter anwachsen ließe, aber zugleich die Zahl der Ungläubigen noch viel schneller anwachsen würde. Als Abraham hoffte, in Sodom wären zehn Gerechte, wurde er von Gott eines Besseren belehrt. Es gab keinen einzigen. Aber angenommen dies wäre das Verhältnis, ein Gerechter, neun Verlorene. Dann wären in der nächsten Generation bei gleichem Verhältnis zwischen Geretteten und Verlorenen zwei Gerechte und 18 Verlorene. Die Zahl der Verlorenen wäre also doppelt so groß wie vorher. Und im Jahr 2019 würde sich die Weltbevölkerung aller Menschen, die jemals gelebt haben auf etwa 100 Milliarden Menschen aufsummiert haben und 90 Milliarden davon, wären Verlorene. Warum also lässt Gott die Weltzeit weiter laufen, ohne einzugreifen und dem zunehmenden Unheil Einhalt zu gebieten? Paulus hatte die Antwort. Gott sucht das Verlorene so lange, bis Er es gefunden hat, vielmehr, bis sich das Verlorene gefunden findet. Dabei löst Er zugleich noch ganz andere Aufgaben, die der Mensch nicht sehen kann, solange es ihm nicht von Gott gegeben ist.

„Das Böse gibt Gott sogar Gelegenheit, Sich in einer Weise zu offenbaren, wie Er es sonst nicht vermocht hätte: als Rettergott, als Gott aller Gnade, als der Vergebende, den Sünder Liebende, als ein Gott, der mit unendlicher Liebe dem verlorenen nachgeht, bis Er es findet (Lk 15,4)“. *4

Der erste Brief an die Thessalonicher wird als ältester Brief von Paulus betrachtet. Empfänger seines Briefes ist eine von Paulus gegründete Gemeinde. Dabei handelt es sich nach Ap 17,4-5 hauptsächlich um „Griechen und nicht wenige der vornehmsten Frauen.“ Und Juden? Lukas hat über sie nur zu sagen, dass sie eifersüchtig geworden waren. Die Juden waren in der römisch-griechischen Gesellschaft nicht sonderlich beliebt und waren mit ihrer Sicht der Welt bei den „Bildungsbürgern“ meist abgelehnt worden, auch wenn es unter ihnen auch immer wieder Sympathisanten für das Judentum gab. Trotzdem war die Situation für Juden in der Diaspora immer eine angespannte. Und nun kam dieser Paulus daher, dieser Zeltmacher aus Kleinasien, und zog gottesfürchtige Nichtjuden, die vorher noch unschlüssig über ihre Haltung gegenüber dem Judentum gewesen waren und mit den Synagogen in Kontakt gestanden hatten, sektiererisch an sich. 1 Thes 1,9 und 2,14 bestätigen, was der Reisebegleiter von Paulus in der Apostelgeschichte berichtet hat. Die Gemeindemitglieder waren zumindest überwiegend Nichtjuden.

Paulus war zusammen mit Silas von Philippi her nach Thessalonich gekommen (Ap 16,40f.). In Philippi hatte Paulus zum ersten Mal europäischen Boden betreten. Dort hatte er eine kleine Gemeinde geründet, die wegen ihrer Mitglieder Verbindungen zur Synagoge hatte. *5 Er wurde aber von der einheimischen Bevölkerung abgelehnt. In Philippi, einer römischen Legionärsstadt, war die Mehrheit der Bevölkerung Römer, die ihre Stadt als Klein-Rom betrachteten. Paulus kam in Haft. Die Obrigkeit entließ ihn zwar wieder daraus, bat ihn aber die Stadt zu verlassen. Er zog weiter in die Provinzhauptstadt nach Thessalonich und predigte dort wiederum, nach seiner Gewohnheit, bei den Juden in der Synagoge (Ap 17,3). Und auch da sprachen einige der griechischen Proselyten auf seine Predigt an, sehr zum Missfallen der Juden. Die klagten ihn und alle anderen, die eine Verbindung zu Paulus hatten, an (Ap 17,6). Das erklärt, warum die Gemeinde schon von Anfang an unter Druck geriet. Gerade eben gläubig geworden und gleich darauf schon deshalb verflucht und verfolgt (1 Thess 3,4)!

Thessalonich war damals wie heute ein Zentrum Mazedoniens. Die Stadt war Hauptstadt der römischen Provinz Makedonien und damit auch Sitz des Prokonsuls. Sie hatte nicht nur eine große politische Bedeutung, sondern aufgrund ihrer Lage war sie auch für den Handel sehr wichtig. *6 Von den Götzen, die Paulus in 1 Thes 1 anspricht, gab es wie in allen Provinzhauptstädten des Römischen Reiches eine große Auswahl. Die römisch-griechischen Götter wurden überall verehrt. Die Archäologen haben Kultstätten von Dionysos, Isis und Serapis ausgegraben. Es gab auch eine jüdische Gemeinde mit mindestens einer Synagoge (Ap 17,1). Paulus hat auch diese Stadt unfreiwillig verlassen müssen. *7 Aus dem 1. Thessalonicherbrief ergibt sich, dass das Verhältnis der Gemeinde zu Paulus gut ist und Paulus lobt die Gemeinde auch. Anlass der Abfassung dürfte aber ein anderer gewesen sein. Auf die Gemeinde war anscheinend Druck von den Juden ausgeübt worden (1 Thes 2,14). Urheber waren die Paulusgegner, die ihn in Misskredit zu bringen versucht hatten. Und schließlich fragte sich bei all dem Druck jeder, wann denn endlich der Herr zurückkommen würde. Es waren nun schon so viele gestorben und Jesus war immer noch nicht gekommen. Oder hatten sie irgend etwas verpasst?

Nach Ap 18,5 traf Paulus in Korinth seine Mitarbeiter Silvanus und Timotheus. Am Anfang des Briefes erwähnt er sie als Mitgrüßende. Sie sind also bei ihm, was bedeuten kann, dass sich Paulus in Korinth befindet, wohin er von Athen aus weiter reiste. *8

Nach dem Tumult in Thessalonich zogen Paulus und Silas aber zunächst weiter nach Beröa (Ap 17,10). Später dann von Athen aus schickte Paulus Timotheus wieder nach Thessalonich (1 Thess 3,1f.5). Paulus hatte ja dort sein Werk nicht vollenden können. Anscheinend sollte Timotheus nun der kleinen, unter Druck stehenden Gemeinde, beistehen. Irgendwann, vermutlich Anfang der 50er Jahre, brach Paulus von Athen aus nach Korinth auf, *9 der damals größten Stadt Griechenlands. Da der Briefgruß nicht auf eine in Korinth existierende Gemeinde verweist, die sonst mitgegrüßt haben könnte, war Paulus wohl auch noch nicht lange in Korinth. Aber es würde noch lange werden, über ein Jahr lang. *10 Er plante aber wieder nach Thessalonich zurückzukehren, um das, was dort gesät worden war, weiter wachsen zu lassen und zu befestigen (1 Thess 3,10).

Neben der Danksagung an der Mitwirkung der Verbreitung des Evangeliums und der Zeugenschaft Jesu Christi, befasst sich ein Teil des Briefes, typisch für Paulus, auch mit der Heiligung. *11 Das Besondere stellen aber die Verweise auf die Parusie Jesu Christi dar. *12 Die Gemeinde zu Thessalonich hatte ein Bedürfnis der Erkenntnis, auf das Paulus versuchte einzugehen. Anfang der fünfziger Jahre rechnete man offensichtlich damit, dass Jesus, der ja gesagt hatte, dass Er Seine Rückkehr nicht verzögern würde, immer noch „bald“ Seine Voraussage wahr machen würde. Je länger es aber dauerte, desto weniger überzeugend wurde die Predigt vom nahen Kommen Christi. Und irgendwann wird der Verkünder auch seinen Zuhörern gesagt haben, für die meisten dauere das Warten auf den Herrn sowieso ihr ganzes Leben.

Und das währte auch damals gewiss nicht länger als einhundertzwanzig Jahre. Aber ob es zwanzig oder hundert Jahre sind, danach ist man bei Christus angekommen.

Paulus legte also, wie die anderen Apostel und Verkünder, den Schwerpunkt nicht auf das Wann der Rückkehr Jesu, sondern auf das „Dass“ der Vereinigung mit Ihm. Dass die Heimat eines Christusgläubigen nur Christus sein kann und es auch wird, ganz unabhängig davon, welches Leben man führen musste, als Sklave oder Freier, als Jude oder Hellene, das war klar und wahr. Das galt es zu verkündigen. Es gab ja schon immer bei den Gottesfürchtigen ein Verständnis für die heiligen Schriften Gottes. Aus ihnen lässt sich entnehmen, dass Gott ein Gott der Weltgeschichte ist, aber zugleich die Heimholung jedes einzelnen zu Sich betreibt. Das ist ein Prinzip, das man auch beim Studium der Geschichte Israels beachten muss. Wenn Gott sagt, dass Er ganz Israel zur Erlösung bringt, dann meint Er nicht allein ein wirkmächtiges Handeln am ganzen Volk, das Er in sein angestammtes Land zurückbringt, oder unter Seine unmittelbare Herrschaft und in die Gemeinschaft mit Ihm bringt. Er meint damit auch, dass Er sich um jede einzelne Seele kümmert und sie heil macht. Besonders deutlich wird das mit dem Kommen und Wirken Jesu. *13 Israel ist aber nur der Vorgänger aller Völker und aller Menschen.

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1. KapitelDie Wirkungen des Vertrauens1 Thes 1,3-5.8-9; 2,4-14

Paulus verdeutlicht schon bei seinem Grußwort an die Thessalonicher, was ihm wichtig ist. Es ist das, was er den Thessalonichern hier zugleich bescheinigt. Das Werk des Glaubens, die Bemühung der Liebe und das Ausharren in der Hoffnung auf Jesus Christus (1 Thes 1,3). Man hat das als Trias von Glauben, Liebe und Hoffnung bezeichnet. Man darf glauben, dass das die Eckpunkte und Grundwerte im Leben des Paulus sind. Mit dem Werk des Glaubens sind nicht spezielle Werke oder gar das Halten der Torah gemeint, sondern die Gesamtheit der Anforderungen, die sich mit dem rechten Glauben stellen. Der Glauben ist besser mit „Vertrauen“ zu übersetzen. *14 Bei Paulus geht es immer um das persönliche Vertrauens- und Treueverhältnis, welches ein Kind Gottes mit seinem Vater im Himmel haben kann. Es ist keine Frage, dass man bei Gott eine begründete Vertrauenswürdigkeit hat.

Der Mensch hat die Aufgabe,sich der Vertrauenswürdigkeit Gottes würdig zu erweisen.

Ohne dies ist keine tragfähige oder wirksame Beziehung zu Gott möglich. Der rechte Glaube ist der Anfang dieser Beziehung und die Treue unterhält sie und stärkt sie weiter. Ein Ende des Vertrauens kann es nicht geben, denn hier stimmt es wirklich, die Beziehung geht über den Tod hinaus, der Tod scheidet nicht Gott und Mensch. Und das Vertrauen an sich ist von der rechten, unvergänglichen Art.

Wenn man den richtigen „Glauben“ hat, kann man auch mit der „Bemühung der Liebe“ erfolgreich sein. Es ist ein „Bemühen“, weil der Wandel in der Liebe vieles abverlangt, auch wenn er vieles gewinnt. Liebe muss einem wie das Gottvertrauen gegeben sein. Dann wird sie sich immer zu einer Liebe Gottes entwickeln, wenn sie in der wachsenden Vertrauensbeziehung zu Gott gezeugt worden ist. Sie richtet sich aber auch auf die Mitmenschen, weil das der Liebe Gottes zu eigen ist. Die Erschaffung der Menschheit war ja nicht irgend ein spontaner Einfall Gottes aus einer ungefähren Willkür. Die Liebe Gottes war das Antriebsmoment für die Schöpfung und die Festsetzung des Schöpfungsziels, aber auch für die Methoden der Zielverwirklichung. Und daher bleibt sie auch immer eine Begleitende der Schöpfung.

Für die Thessalonicher und Paulus ist ein „Bemühen der Liebe“ auch ein Hinweis auf das Geschehenlassen dessen, was Gott tut, um unser Wesen zu verändern. Es wird von einem alten verhärmten Adamswesen zu einem neuen Menschen in Christus, der sich voll und ganz auf die Wesensmerkmale Gottes zubilden lässt. Und so fällt es dem Menschen oft schwer, das Gute und Schöne nicht nur wertzuschätzen, sondern auch die inneren Widerstände dagegen fahren zu lassen. Konkret dachte Paulus hier sicher an die Versuche der Thessalonicher füreinander da zu sein, Gastfreundschaft, Brüderlichkeit und Hilfsbereitschaft walten zu lassen, mithin das, was eine christliche Gemeinschaft am ehesten als des rechten Glaubens klassifiziert. Liebe zu den Menschen wird aber nur dann dauerhaft sein können, wenn sie auf einer festen Beziehung zu Gott gegründet ist. Je mehr das der Fall ist, desto mehr wird sie bedingungslos sein, desto weniger berechnend und kalkulierend.

Bei alledem, einem großen Maß an Vertrauen in Gott und Bereitschaft zum Liebesdienst am Nächsten, braucht es aber noch die Hoffnung auf Jesus Christus.

Was ist das für eine Hoffnung? Es sollte nicht allein die Hoffnung auf Erlösung sein, denn wer den Geist Christi hat, vertraut Ihm und allem, was er zugesagt hat, voll und ganz. Man „weiß“, dass man die Erlösung hat, denn Gott ist treu und zuverlässig. Was ist also noch zu hoffen? Dass Gott es so fügt, dass man sich bestens fügen lassen kann. Es sind die Umstände, die die Gläubigen immer wieder belasten und das Leben versauern lassen. Man setzt deshalb auch da sein tägliches Hoffen auf den Beistand Jesu Christi. Er ist das Alpha und das Omega, der Anfang und der Vollender der Schöpfung. Ihm liegt alles in den Händen und Er bestimmt das Geschick jedes Einzelnen, wie das, was unbedingt werden wird, sich in die Realität einbilden lässt. Der in Christus Vertrauende fragt sich weniger „ob“, er fragt sich mehr nach dem „wie“ und „wann“. Die Frage nach der Rückkehr Jesu Christi war gerade bei den Thessalonichern aktuell, wie der Brief zeigt. Das Ausharren in der Hoffnung auf das, was sie sich wünschten, war insbesondere, wenn die äußeren Umstände des Lebens schwierig geworden waren, anzustreben.

In Vers 4 bestätigt Paulus, dass die Thessalonicher auserwählt sind. Sie sind auserwählt, weil Gott Paulus mit seinem Evangelium zu ihnen geschickt hat und es dort in den Herzen der Thessalonicher Aufnahme gefunden hat (1 Thes 1,4). Dieses Evangelium und die Umstände der Verkündigung bezeichnet Paulus näher (1 Thes 1,5). Es ist ein Evangelium, welches nicht nur den Worten nach verkündigt worden ist, sondern die Worte bekamen ein besonderes Gewicht. Es war nämlich kraftvoll, geistvoll und erkenntnisvoll: „in Kraft und im heiligen Geist und in großer Gewissheit“.

Ob etwas „in Kraft“ geschieht, sieht man am besten an den Wirkungen. Paulus weiß, dass sein Evangelium in Kraft kam, weil er sah, dass es bei den Thessalonichern auf Aufnahme stieß. Diese Kraft kam vom Geist Gottes. Das ist der gleiche Geist, der auch beim Empfänger des Evangeliums Aufnahmebereitschaft erwecken muss, weil sonst die Sinne verschlossen bleiben. Es gibt kein kraftloses Evangelium, allenfalls ein falsches, das nur als Evangelium bezeichnet wird. Die Botschaft, die Paulus zu verkünden hatte, war eine Kraft an sich, weil die Wahrheit, die von Gott her kommt, immer stark ist. Sie muss aber immer auf Empfänger treffen, die sich durch diese Kraft bekräftigen lassen. Auch der Empfänger muss durch die Kraft von oben vorbereitet werden, damit er offene Ohren für die neue Botschaft und die kraftvolle Wahrheit bekommt.

Paulus weiß, dass seine Verkündigung dem Auftrag von Gott entspricht. Er hat darin „große Gewissheit“. Wer auf der Kanzel steht und seine Mutmaßungen und Einschätzungen wiedergibt, kann niemals solche Kraft entfalten, wie einer, der sich seiner Sache gewiss ist. Die Gewissheit von Paulus hatte ihren Ursprung mit dem Damaskuserlebnis, wo er dem auferstandenen Christus begegnet war, dann aber auch bei den weiteren Zusammenkünften mit Christus in der Wüste Arabiens. Ob man diese Zusammenkünfte als allein im Geiste geschehene versteht oder nicht, ist dabei ohne Belang, denn Paulus durfte sich seiner Sache sicher sein.

Mit der Kraft meint Paulus nicht so sehr die äußeren Wirkungen, als das, was sich im geistlichen Bereich abspult. Der Mensch ist in seinen Lebensäußerungen von der Kraft abhängig, die er aus dem Gegebenen her nimmt. Wer geistlich „kräftig“ sein will, braucht zu allererst einmal die Berührung Gottes, die ihm einen Auftrag und eine Aufgabe gibt. Er muss willig gemacht werden, nicht durch Zwang oder Unausweichlichkeit, sondern durch alles, was Gott in Seine Berührungen gesteckt hat. Wer davon überzeugt ist, dass der Mensch, der ihm gegenübersteht, freundlich ist, wird ihm eher vertrauen und dies zu seinem eigenen Wohlergehen eher nutzen können als wenn der Gegenüber einem Üblen verdächtigt werden müsste. So hängt das Ansehen Gottes beim Menschen auch davon ab, wie sich Gott dem Menschen offenbart. Wird Er als freundlich und gut wahrgenommen, beginnt man, Ihm zu vertrauen. Der Wille dazu entwächst also der Einsicht in die Vertrauenswürdigkeit.

An solchen Reifeprozessen ist immer der Geist Gottes beteiligt. Aus der Bibel wird klar, dass der Geist Gottes, sowohl dem Vater, als auch dem Sohn zugeschrieben wird. Das ergibt sich bereits aus Joh 4,24: „Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten.“ In Röm 8,9 wird außerdem klar, dass der Geist Christi mit dem Geist Gottes gleichgesetzt wird: „Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“

Weil Jesus auch über Geist verfügen kann, den er zuweist (Joh 20,22) und jedem Gläubigen gegeben ist (Röm 5,5), kann dieser Geist offenbar auch mit einer Kraft gleichgesetzt werden. Sie ist ebenso wie die Geistigkeit Gott innewohnend. Das Innewohnen des Christus im Gläubigen ist also ein Innewohnen des Geistes Christi, welcher Kraftwirkungen entfalten kann. *15

So wie in 1 Thes 1,5 Kraft, Geist und Gewissheit, die ihren Ursprung bei Gott haben, beim Verkündiger der Botschaft hervorgehoben werden, ist es in 1 Thes 1,6 der Empfänger, sofern dieser ein „Nachahmer“ geworden ist. Das Evangelium verlangt nämlich Nachahmung, Befolgung des Weges, den es vorgibt in Jesus Christus. Paulus definiert die Nachahmung: „indem ihr das Wort in viel Bedrängnis mit Freude des Heiligen Geistes aufgenommen habt.“ Bedrängnis und Freude sind Gegensätze. Solcherart Gegensätze vermag nur Gott aufzulösen und also ist sein Geist auch geeignet, Hoffnung und Gewissheit zu geben, dass die Auflösung in der Erlösung auch geschieht. Der Gläubige nimmt ja die Erlösung nicht als einmaliges Geschehen wahr, das er sich erhofft, sondern es ist ein fortschreitender geistiger Prozess, der mit der Umkehrbereitschaft anfängt und mit dem Wachstum in Gnade und Erkenntnis weitergeht. Ablösung von der alten, sündigen Welt und von der alten, sündigen Natur, Abschied von der Abgewandtheit gegenüber Gott und Hinwendung zur Zugewandtheit und zu nehmendem Vertrautwerden.

Darauf richtet man sich aus und wird darin auch immer kompromissloser. Wer gerettet ist von der Sündenmacht des Todes braucht ja zu seiner Erlösung nicht nur ewiges Leben, sondern Leben in Freude und Frieden. Dazu braucht es Wesensänderungen, denn wie soll man sich vollkommen freuen und befrieden, wenn man noch unfertig und roh ist. Man muss auch die göttlichen Eigenschaften erwerben, bevor man erben kann. Nur die göttliche Freude und der göttliche Frieden sind vollkommen.

Wenn die Thessalonicher das Wort Gottes über die Verkündigung von Paulus „in viel Bedrängnis mit Freude des Heiligen Geistes aufgenommen“ haben, bedeutet dies, dass der Geist Christi in ihnen bereits soweit gewirkt hat, dass sie trotz der Bedrängnis, die sie als Christen in der heidnischen Umgebung zu erdulden hatten, zur Freude über die Erlösung und das neue Leben im Geist Christi fähig waren. Das ist wiederum für Paulus Grund zur Freude, da er nun als Außenstehender und „Ziehvater“ der Thessalonicher erkennen kann, dass sein Dienst Früchte erbracht hat. Das ist für jeden Verkündiger und Evangelisten gut zu wissen und ermutigend. Es gibt allerdings eine besondere Form der Bedrängnis, die Paulus immer wieder verärgerte. Das waren die Versuche der Juden, insbesondere der messianischen Juden, die von Paulus behirteten christlichen Gemeinden vom Kurs abzubringen. Ihnen war Paulus mit seiner Verkündigung ein Dorn im Auge, da er doch weder die Beschneidung noch die Einhaltung der Torah forderte. Hätte er das nur den Heiden und Hellenen gegenüber getan, ihnen die Freiheit von der Torah beizubringen, wäre das schon schlimm genug gewesen. Aber Paulus predigte überall, wo er hinkam, zuerst in der Synagoge und alarmierte damit die jüdischen Glaubenswächter. Und dann waren die Gemeinden, die sich durch seine Missionsarbeit bildeten, meist gemischte Gemeinden. Es gab dort Juden und Nichtjuden. Nie hatte es ein Jude gewagt, einem anderen Juden gegenüber von der Hinfälligkeit der Torah zu reden und zu lehren. Paulus war der erste.

Ob die Juden Paulus überhaupt richtig verstanden ist noch einmal eine andere Sache. Paulus vertrat nämlich gar nicht die Auflösung der Torah. Er ließ die Ordnungen Israels mit Gott bestehen. Aber er wies der Torah den Platz zu, den sie hat, nämlich unter Gott und Jesus Christus, nicht daneben oder sogar darüber. In dem richtigen Satz „Sogar Jesus hielt sich an die Torah“ kann der Gedanke mitschwingen, dass Gott Seinem Gesetz gehorsam sein müsse, das ihn sonst verurteilen könnte. Aber streng genommen kann nur Gott jemand zu Recht verurteilen. Und Er ist selber nie verurteilbar, weil Er als vollkommenes Wesen immer Recht hat. Dass Jesus der Torah gehorsam war, hat ebenso einen heilsgeschichtlichen Grund wie die Forderung Gottes an Israel, dass das Volk Sein Gesetz und Seine Satzungen einhält.

Bedrängnis und Freude, das begegnet allen Jesusnachfolgern und Christusvertrauten. Die Bedrängnis geschieht oft wegen der Wahrheit, die man vertritt. Und die Freude wird aus den Erlebnissen des Vertrautwerdens mit Christus gespeist. Müsste man ganz ohne Ermutigung durch die führende Stimme Gottes hoffen, würde die Freude sehr schnell versiegen. Sie muss daher immer wieder vom Geist Christi befeuert werden.

Zum Erfahrungsschatz von Christen gehört dazu, dass ihnen gerade wegen ihres Gottvertrauens und des besonderen Vertrauensverhältnisses zu Gott immer wieder Hindernisse in den Weg gelegt werden und sie Nachteile und Verfolgung erleiden müssen. Es geht nun darum, dies als Beweis der Rechtmäßigkeit ihres Vertrauens zu erkennen und daraus noch mehr Freude zu generieren. Bedrängnisse sollen nicht befremden, sondern als Bestätigung genommen werden. Wer Recht hat, wird in einer Welt des Unrechts immer Ungerechtigkeit erfahren müssen. Der Kluge lässt aber nicht locker und verteidigt weiter das Recht, weil er so immer auf der Seite Gottes bleibt, ja, aber auch weil es keine Alternative gibt, wenn man seine Existenz mit dem, was recht und gut ist – und das ist wiederum in allererster Instanz Gott – eins werden lassen will.

1 Thes 1,8 zeigt, dass es sich beiden Thessalonichern, die Paulus anschreibt, allem Anschein nach zumindest mehrheitlich um Nichtjuden gehandelt hat, sonst hätten sie sich nicht „von den Götzen zu Gott bekehrt“. Im nachfolgenden Vers wird deutlich, dass auch diesen Nichtjuden in der Gemeinde Jesu zu Thessalonich die Kunde vom bald kommenden Messias gegeben worden war, denn es war bekannt, dass Jesus aus dem Himmel kommend zu erwarten war (1 Thes 1,9). Der Zusatz „der uns rettet von dem kommenden Zorn“ ist bedeutsam. Paulus hatte den Thessalonichern also beigebracht, dass sie zuerst bei Jesus wären und dass es dann für die Welt einen „kommenden Zorn“ geben würde, nicht aber für die Gläubigen. Das ist also die Reihenfolge. Zuerst kommt Jesus zu den Seinen. Er bringt sie in Sicherheit vor dem, was dann kommt, den Zorngerichten Gottes.

Mit diesem Zorn ist der Zorn Gottes, das Gericht, das über die Menschen der Welt kommen wird, gemeint. Andernorts wird er auch als „Tag des Herrn“ bezeichnet. Paulus sagt also, dass es für die Thessalonicher diesen Zorn nicht geben wird, denn sie haben sich ja Jesus Christus hingegeben und Seiner Gnade und Heilsmacht überlassen. Er ist nicht nur Heiland und Erlöser, sondern auch Bewahrer vor dem Zorn Gottes, den Er ja selber vollzieht. Dieses, „es ist schrecklich in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“ (Heb 10,31) bezieht sich auch gerade auf diesen Tag des Herrn. *16

Paulus lässt noch einmal Revue passieren, was ihm in Philippi geschehen war. Ähnlich unsanft hat man ihn in Thessalonich behandelt, aber das wissen die Thessalonicher aus eigener Erfahrung. Er berichtet davon, um seine Aussage über die Bedeutung der Verkündigung zu unterstreichen. Sie „wurden freimütig in unserem Gott, das Evangelium Gottes zu euch zu reden unter viel Kampf.“ „parrésiazomai“ bedeutet couragiert, furchtlos. *17 Und kann auch mit freimütig übersetzt werden. Luther übersetzt es mit „mutig“. Nach Schlachter ist auch eine Übersetzung mit „Freudigkeit“ möglich. Der Gedanke, dass sich bei Mut, der sich bewährt, Freudigkeit einstellt, ist naheliegend: „…gewannen wir dennoch Freudigkeit in unserem Gott“. Und umgekehrt ist man bei einer Freudigkeit, die von Gottes Geist gewirkt ist, keine Furcht vorhanden.

Trotz allem Kampf und „Würgen“, wich dem Apostel der Mut und die Freudigkeit nicht, auf diesem Weg der Verkündigung fortzufahren. Das kann ein Mensch nicht aus sich schöpfen. Es muss ihm gegeben sein. Viele können von ähnlichen Erfahrungen berichten. Es hat schon immer in der Geschichte Gottes mit denen, die Er zu einem besonderen Dienst berufen hat, eine gewisse Unerschrockenheit, gepaart mit Freudigkeit bei ihnen eingestellt, die sie über besondere Klippen hinweggehoben haben, die einen stolpern machen können. Eines der frühen Beispiele der Apostel ist dazu das Auftreten der Jünger Jesu nach dem Gewahrwerden der Auferstehung Jesu. Jesus hatte sich ihnen unmissverständlich mehrfach gezeigt (Ap 1,3). Und nun kam an Pfingsten der Geist Christi über sie und machte sie mutig und furchtlos (Ap 2,14). Und ihre Predigten strahlten eine Zuversicht und Freude zugleich aus. Für ihren Dienst und Auftrag waren die Worte, die ihnen gesagt wurde, als Jesus zum Himmel auffuhr von entscheidender Bedeutung: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird in derselben Weise wiederkommen, wie ihr ihn habt in den Himmel auffahren sehen!“ (Ap 1,11) Sie rechneten damit, dass es nicht mehr lange dauern konnte, ehe Jesus zurückkehrte. Und der Tod hatte seinen Schrecken weitgehend verloren, da er über Jesus keine Macht hatte. Jesus hatte Seinen Jüngern das ewige Leben zugesagt. Bis zur Wiederkehr stand jetzt nur eines auf dem Programm, und es war ein großartiger, zur Freude Anlass gebender Programmpunkt: „So soll nun das ganze Haus Israel mit Gewissheit erkennen, dass Gott Ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, eben diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt!“ (Ap 2,36).

Paulus zählt den Thessalonichern eine Negativliste auf. Er spricht sich frei von jeglichen Verdächtigungen, dass er unlautere Ansichten verfolgt habe. Das unterstellten ihm natürlich seine Gegner. „Denn unsere Ermahnung geschah nicht aus Irrtum, auch nicht aus Unlauterkeit, auch nicht mit List“ (2 Thes 2,3). Das ist auch heute noch so. Wer die Lehren Paulus verbreitet, bekommt keine so heftige Widerrede von Atheisten oder Buddhisten oder Agnostikern als von denen, die im Lager daneben zu Werke gehen. Man wird in kirchlichen Kreisen sehr schnell verteufelt oder als Irrlehrer bezeichnet. Und man befindet sich dabei mit Jesus und Paulus in guter Gesellschaft.

Nicht Paulus handelte im Irrtum, sondern die jüdischen Rabbis, als sie das Evangelium vom Messias Yeschua nicht annahmen. Paulus hatte gute Absichten, denn es war klar, er hatte die beste aller Botschaften und er hatte sie nicht nur für Juden, sondern für alle Menschen. Jesus hat alle erlöst! Lautete die Botschaft. Wer das glaubt, wird gerettet und kommt in die Gemeinschaft mit Gott, wer es nicht glaubt, kommt ins Gericht. Und auch da kommt niemand an Jesus vorbei, dem Richter der Völker aller Zeiten.

Irrtum, Unlauterkeit und List sind die Mittel der falschen Verkündiger, der Täuscher und Blender. Sie kennen die Wahrheit nicht, nur Teile davon. Auf dieser Grundlage können sie nur Irrtümer aufbauen, die sie brauchen, um ihre Bedeutung und Herrschaft zu sichern. Ein Beispiel dafür wäre, dass die Kirche Roms glaubt, sie sei die Nachfolgeorganisation der Gemeinde Christi. Als solche habe sie die Schlüssel Petri, mit dem man den Himmel auf und zuschließen kann. Somit hängt es allein von der Kirche ab, ob sie Menschen in den Himmel lässt oder nicht. Wenn man etwas glaubt, ohne zu wissen, dass es falsch ist, befindet man sich im Irrtum. Eine Steigerung zum bloß Menschlichen hin, ist, wenn man nicht nur die Wahrheit nicht kennt, sondern weiß, dass man die Wahrheit nicht hat und sie deshalb dennoch als Wahrheit verkaufen will. Das geschieht durch List und Tücke. Ein Beispiel dafür wäre die jesuitische List durch Lüge, andere zu etwas zu bringen, was sie durch die Wahrheit nicht erbracht hätten. Das haben nicht die Jesuiten erfunden, aber als rechtes, Gott wohlgefälliges Mittel, etwas Gutes zu erreichen, bezeichnet. Die gleichen Mittel werden im Islam sanktioniert. Dort heißt es auch, dass Allah der größte Täuscher sei. *18

Bei der Unlauterkeit werden beides miteinander verbunden Irrtum oder List mit tadeliger Zielsetzung. Es geht also nicht einmal noch darum, etwas Gutes zu bewirken, sondern man hat böse Ziele. Es wäre unlauter, würde man ein Kind täuschen, indem man ihm zusagt, dass seinem Vater nichts Böses geschieht, wenn es verrät, wo er sich aufhält und ihm dann doch etwas antut. Johan Hus wurde 1415 freies Geleit zugesprochen, als er nach Konstanz zum Konzil ging, um seine Lehren zu verteidigen. Man verschwieg ihm aber die wahren Absichten, die man hatte, und ermordete ihn, um das „Evangelium“ nach Rom zu verteidigen. Eine Wahrheit muss niemals durch das Böse verteidigt werden. Sie steht für sich und kann auch nie umgestoßen werden.

Die Botschaft von Paulus war wie sein Vortrag, irrtumsfrei und lauter. List hatte sie nicht nötig, Unlauterkeit war tabu. Das ist die Souveränität Gottes, die Er mit Seinem Geist auf Seine Verkünder überträgt. Während die Diener Satans immer zu List und unlauteren Mitteln greifen müssen, um die Unwahrheit und den Irrtum zu halten und zu verbreiten und eine Gewaltherrschaft zu errichten, bleiben die Vertreter der Wahrheit Gottes tadellos. Es ist ein Phänomen, das sich immer wieder in der Menschheitsgeschichte beobachten lässt. Wer in seiner Weltanschauung zu Abweichungen von Gottes Weg neigt, also den Irrtum pflegt, greift irgendwann zu List und Tücke, um seinen Stand zu verteidigen und endlich wird er gewalttätig. Das war beim Islam nicht anders wie bei der Kirche Roms. Der Mangel an Wahrheit ist eine Lücke, die durch Boshaftigkeit geschlossen wird. Jesus war gewaltfrei. Und seine Jünger waren es auch. Die Kirchen konnten nicht gewaltfrei bleiben, da sie nur abbilden was die Natur der Menschen ist.

Man kann sich nicht zu einem Auserwählten Gottes machen. Eine bloße Erklärung und Inthronisierung auf irgendwelche Posten reicht nicht aus, sondern man muss von Gott tauglich gemacht werden (1 Thes 2,4). Und erst dann wird man mit der Verkündigung Seines Evangeliums vertraut. Kirchen bilden ihre Aspiranten aus, impfen sie mit ihrer Denkweise und ihren Lehren und Hausordnungen. Sie können nur zwei Dinge nicht. Erstens können sie ihren Auszubildenden keinen heiligen Geist vermachen und zweitens können sie die Wahl Gottes für ein ganz bestimmtes Amt nicht vorwegnehmen.

Paulus gibt hier auch an, warum es Menschen gibt, die sich zwar Diener Gottes nennen lassen, aber weit davon entfernt sind, weil für sie wichtig geworden ist, „Menschen zu gefallen“. Man kann Gott nur mit einem lauteren Herzen dienen, denn Gott prüft die Herzen. Die Absicht, das Motiv, die man für seinen Dienst hat, müssen mit Gott im Reinen sein, sonst baut man vergeblich an seinem Dienst. Und dann ist es vielleicht ein Dienst für Menschen und für einen selber, aber nicht für Gott. Wer Gott wahrhaft dient, freut sich zwar, wenn er dabei Menschen gefällt. Aber das ist nicht sein Hauptziel. Tatsächlich ist das Evangelium nur für die etwas Erfreuliches, die bereit sind, umzukehren. Für alle anderen wird es erst dann zu etwas Erfreulichem, wenn sie sich ebenfalls bekehren zur Quelle aller Freude, dem Schöpfer von Himmel und Erde, dem Heiland und Erlöser.

Paulus erinnert die Thessalonicher daran, wie er mit Silas und Timotheus aufgetreten ist. Und stellt sie gleich darauf ein, was noch auf sie zukommen könnte. In Kleinasien sind die Gegner von Paulus ihm sogar teilweise nachgereist. Er charakterisiert seine anonymen Gegner so: sie treten „mit schmeichelnder Rede“ auf, mit einem Vorwand für Habsucht, suchen die Ehre bei den Menschen (1 Thes 2,5-6). Bei dem Vorwand, der die Habsucht verdecken soll, könnte man an die Reichtümer und Prachtbauten der Kirche Roms denken, die als Vorwand die Ehrung Gottes anführt, als ob die Kirche Gottes auf Erden durch Goldschmuck herausragen sollte und nicht durch geistliche Herrlichkeit. Mancher Bischof wird seine Residenz ausgebaut und es mit der Pflicht gerechtfertigt haben, die Kirche Gottes angemessen repräsentieren zu müssen. Außerdem, wozu sollte man Obdachlose versorgen, wenn sie nicht katholisch sind? Sie kommen ja sowieso in die Hölle, da muss man kein Geld verschwenden!

Es ist keine Frage, dass Menschen ganz natürlich dazu neigen, von den Menschen Ehrung entgegen zu nehmen und Beachtung zu finden. Man beherrscht schon als Kind die Schmeichelei, um jemand für sich zu gewinnen und weil man egoistisch ist, will man nicht selten auch das haben, was einem nicht zusteht. Aber bei jemand, der den Geist Christi in sich walten lässt, werden diese Naturheiten überlagert und ausgedünnt. Man ist als Mensch Gottes so sehr um die Ehrung Gottes bemüht, dass man seine eigene Ehrung nicht nur hinten anstellt, sondern vergisst. Sie findet nur nach statt, wenn es andere meinen, tun zu müssen. Selber hat man mit seiner Selbstehrung nichts mehr zu tun. Sie befremdet und bekommt ein schlechtes Ansehen. Es gibt Theologen, die sich auf ihren Doktortitel etwas einbilden. Andere kassieren dafür, wenn eine Arbeit, die sie abgeliefert haben, von einem anderen verwendet wird, obwohl die Arbeit nur von Gott kommen kann, wenn sie ein rechter Gottesdienst ist. *19 Wer Irrtümer verkauft und mit Unwahrheiten handelt hat ein viel größeres Problem, als nur das der Habsucht.

Paulus vergleicht sich lieber mit einer „stillenden Mutter“, die „ihre Kinder pflegt.“ (1 Thes 2,7) Er ist sogar „in Liebe zu euch hingezogen“ (1 Thes 2,8). Es gibt ja auch Mütter, die ihr Kind nicht sonderlich lieben und dennoch versorgen. Bei Paulus ist das nicht so, er hat die makedonischen Christen besonders ins Herz geschlossen. Mit ihnen hat er schon einiges durchgestanden und die Gemeinschaft ist dadurch noch enger zusammengewachsen.

Paulus macht alle nachfolgenden Kirchengenerationen darauf aufmerksam, dass man einen faulen Baum an seinen Früchten erkennen kann. Während er vor solchen geistlichen Kapazitäten warnt, die im Irrtum, in Unlauterkeit und List handeln (1 Thes 2,3), um Menschen zu gefallen (1 Thes 2,4), mit schmeichelnder Rede und getarnter Habsucht (1 Thes 2,5), die Ehre der Menschen suchend (1 Thes 2,6), stellt er kühn das Konzept des fruchtbringenden von Gott beauftragten Dieners vor. Das ist so wie er ist: „Nacht und Tag arbeitend, um niemand von euch beschwerlich zu fallen“ (1 Thes 2,9), was die weltliche Seite des Dienstes anbelangt und geistlicherseits: „heilig und gerecht und untadelig“ (1 Thes 2,10).

Welcher Verkünder kann so bemessen sein, dass er so etwas von sich sagt, ohne dass ihm Hochmut und Selbstüberschätzung nachgesagt wird? Man hat zur Kenntnis zu nehmen, dass jemand, der in der Lebens- und Bewusstseinsgemeinschaft mit Christus steht, sich seiner Sache sehr sicher sein kann. Das hilft anderen nicht, die eventuell auf die Dienste solcher „Überzeugungstäter", die keinen Zweifel zulassen, dass sie von Gott Beauftragte sind, treffen. Aber gerade deshalb muss man auf die Früchte schauen. Das heißt nicht, dass ein Mann Gottes immer hervorragende Früchte erbringt. Die Analogie zu anderen Glaubensgestalten der Bibel drängt sich auf. Ein David oder auch ein Abraham hatten ein großes Vertrauen in Gott, das ihre tiefe Verbundenheit mit Gott zeigt. Und doch hatten sie auch mitunter faule Früchte zu liefern. In diesem war ihnen nicht zu folgen.

Aber man kann nicht Menschen oder Organisationen folgen, die konstant den Weg des Bösen gehen. Zu deutlich wird hier, dass es nicht nur einzelne Früchte sind, die bei jedem Baum einmal aus der Reihe fallen können, sondern, dass der ganze Baum regelmäßig schlechte Früchte bringt, weil er von innen her fault, Stamm und Wurzeln sind befallen. Das ist der große Unterschied zu Menschen, mit einem Auftrag von Gott, die wie jeder andere Mensch mit seinem alten Adam zu kämpfen hat, und anderen Menschen, die vielleicht selber glauben, einen Auftrag von Gott bekommen zu haben, aber eben nicht mit ihrem alten Adam kämpfen, weil sie keinen neuen Adam haben, mit dem sie gegen den alten Adam alsbald zu kämpfen anfangen würden.

So gehört zum Lebensrepertoire des alten Adam, dass er sich leicht gegen alles, was von Gott gut geheißen wird, auflehnen kann und eine Gegenposition einnehmen lässt. Man nehme das Beispiel Israel. Der alte Adam lässt sich leicht zur Feindschaft gegen Gottes Volk anregen. Christus liebt Israel und hebt es hervor als Sein Volk, mit dem Er im messianischen Reich die Nationen beherrschen und ein Vorbild für die rechte Lebensweise in der Hingabe und im Vertrauen auf Gott geben wird. Es wird dann allerdings ein Israel sein, das nicht mehr verstockt und nicht mehr torahlastig sein wird.

„Heilig, gerecht und untadelig“ wird man nicht, indem man der Kirche gehorsam ist. Dafür bekommt man seinen Lohn von der Kirche. Es handelt sich um einen irdischen Lohn für irdische Ehrenämter und Leistungen. „Heilig, gerecht und untadelig“ wird man einzig und allein in Christus. Es gibt das nicht in menschengemachter Form. Was der Mensch als „heilig, gerecht und untadelig“ versteht, ist nur eine Kunstform, ein Schattenwerk, das nicht bleiben kann, ein Bühnenbild, das wieder abgebaut ist, wenn die Vorstellung beendet ist und das Bühnenlicht endgültig ausgegangen ist.

Der Berufungs- und Heiligungsprozess ist bei den Thessalonichern noch nicht ganz zu Ende gegangen. Die Thessalonicher sind mitten drin. Man ersieht das auch daran, dass Paulus zu ihnen sagt, dass er und sein Begleiter sie: „ermahnt und getröstet und beschworen haben, des Gottes würdig zu wandeln, der euch zu seinem Reich und seiner Herrlichkeit beruft.“ (1 Thes 2,12)

Auf die Berufung folgt ein würdiger Wandel. Was ist das? Ein Wandel entsprechend der Berufung. Berufen wird man zum Glied am Leibe Christi oder zum Bewohner des Reiches Gottes. Man kommt in beiden Fällen in eine Umgebung, wo der Adel einer lauteren, Gott ergebenden und Jesus Wesen widerstrahlenden Gesinnung vorherrscht, wo es keinen Zweifel mehr gibt, was überall in die Sinne springt, die Tugendhaftigkeit und Lauterkeit Jesu, das Gute und das Schöne in der höchstgradigsten Ausprägung. Christen, die nicht einfach nur Kirchenchristen sein wollen, sondern sich Jesus angleichen lassen wollen, lernen schnell, dass sie so nicht bleiben sollen, wie sie sind, denn sie sollen ja würdig sein und nicht eine Beschämung. Beschämt wird jeder Mensch, aber es liegt auch an ihm selbst, ob die Beschämung eine lang währende wird, oder nicht. Und daher sollen auch noch jene, von denen man weiß, dass sie Christus als ihren Herrn angenommen haben, weiter ermahnen und sogar „beschwören“.

Mit „beschwören“ ist nur mit Nachdruck verdeutlicht, dass man ganz gewiss auf einen engen Wandel mit Christus abzielen, ja drängen soll. Ein entschiedenes Bekenntnis zu Christus muss auch das entschiedene Begehen des Weges Christi nach sich ziehen, auch wenn dieser Weg ein Kreuzesweg ist. Das ist die Konsequenz der Lebensübergabe an Christus.

Paulus unterscheidet hier zwischen Gottes Reich und Seiner Herrlichkeit. Gottes Herrlichkeit ist nicht begrenzt auf das kommende oder schon da seiende Reich. Sein Reich ist nicht zu jeder historischen Stunde in einem gleichen Zustand. Es gibt ja immer noch das Unheile und Unheilige. Es ist aber verheißen, dass es ein Ende damit geben wird. Also kommt noch eine andere Heils- und Gnadenzeit, in der Gottes Herrlichkeit noch einmal anders erfahrbar sein wird. Das ist ja das Ziel der Schöpfung und der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen, dass Er sich und zugleich die Schöpfung verherrlicht. Bei der Schöpfung erreicht Er es dadurch, dass Er sie vollendet. Daraus bezieht Er Seine Freude und Verherrlichung, denn zur Schöpfung gehören die Menschen, die dann wie Kinder eines göttlichen Elternpaares sein werden, wenn man den Vater und Sohn so bezeichnen kann. Zu diesem vollendeten Gottesreich sind alle Menschen berufen und sie kommen nach und nach in den Tonbereich des Rufens Gottes. Paulus war einer der ersten dieser Rufer. Sein Rufen verbreitet das „Evangelium Gottes“. So nannte Paulus es (1 Thes 2,9).

Es beinhaltete jedenfalls auch die Bezeugung des würdigen Wandelns. Zu diesem würdigen Wandel gehört das Reden Gottes und gemäß dem Evangelium, nicht der Kirchen, sondern dem Evangelium Paulus gemäß, oder, wenn man ein Königreichgänger oder messianischer Jude ist, darf man reden wie es dem Evangelium der Beschneidung entspricht. Jeder, der sich Christus anvertraut, ob Jude oder Nichtjude, kommt selbstverständlich unter Seine Königsherrschaft und zwar auch schon, bevor das messianische Reich auf Erden angebrochen ist. Insofern ist es berechtigt diese Herrschaft „Königsherrschaft Gottes“ zu nennen.

Unwürdiges Reden entspricht anderen Botschaften, die ein anderes Evangelium betreffen. Unwürdiges Reden verfälscht Wahrheiten, verdreht Tatsachen. Unwürdiges Reden schmäht den Sohn Gottes und Israel. Daran kann man es erkennen. Unwürdiges Reden beleidigt Gott und stellt ihn unwürdig eines Gottes dar. Unwürdiges Reden verteidigt eine endlose Qualhölle und die Machtlosigkeit Gottes, und leugnet Seinen Vorsatz alles zu sich zu ziehen und in allem bis zur Vollendung zu Wirken. Unwürdiges Reden ist Finsternisreden, wo doch die Weisheit Gottes ausgestrahlt werden sollte. Unwürdiges Reden beschmutzt das Erbe, das den Menschen von Gott in Aussicht gestellt wird und ist letzten Endes unmenschlich und widergöttlich.

Dieses Evangelium, von dem Paulus spricht, bezeichnet er auch als „Wort Gottes“, das dem Menschenwort, etwa seiner Gegner, entgegenstand (1 Thes 2,13). Das tut es auch heute noch. Vor allem bei den Kirchen, die sich immer mehr auf ihre Tradition und neue Atemtechniken ihrer Seele berufen, wenn sie vom Reden Gottes sprechen. Das geschriebene Wort Gottes ist für sie oft überkommen, out of date. Heute sind andere Dinge „in“ und gesellschaftsfähig. Nur dieses Wort Gottes wirkt in den Glaubenden so, dass es das Vertrauen in Gott verstärkt! Gottes Wort wirkt nicht in den Gottlosen. Eigentlich müsste es richtiger so heißen: Die Gottlosen lassen es noch nicht gelten, selbst wenn es schon bei ihnen damit anfängt, eine Wirkung zu entfalten. Zunächst ist es vielleicht noch die Wirkung des Widerspruchs und der Ablehnung. Der Nichtberufene versteht es nur nicht.

Es wirkt anders in denen, die auserwählt sind als in denen, denen es noch nicht gegeben ist, es zu verstehen. Vor der weiteren Wirkung auf einer ganz anderen Ebene, steht natürlich das Verstehen. Wie soll man nach Gottes Absicht handeln, wenn man Ihn noch nicht einmal verstanden hat? Dieses große Unglück, dass man Gott nicht versteht, ist von den meisten, die behaupten, etwas über Gott zu wissen, noch gar nicht wahrgenommen worden. Dem Papsttum geht die Erkenntnis dem Anschein nach ganz ab. Es meint die Erkenntnishoheit zu haben, weil der Geist stets ex cathedra präsent ist. Und das stimmt auch. Es ist aber gewiss nicht der Geist Christi oder sonst ein heiliger Geist.

Paulus kommt auf das aktuelle oder zumindest drohende Problem der Thessalonicher zurück. Sie wurden Menschenworten ausgesetzt und unter Druck gesetzt, die Gemeinschaft der Ungläubigen doch nicht zu verlassen: „Denn, Brüder, ihr seid Nachahmer der Gemeinden Gottes geworden, die in Judäa sind in Christus Jesus, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt wie auch sie von den Juden.“ (1 Thes 2,14) *20