Das Leuchten des Almfeuers - Conny Reinhard - E-Book

Das Leuchten des Almfeuers E-Book

Conny Reinhard

4,9

Beschreibung

Adlerzell, ein österreichisches Alpendorf, Anfang der 1960er Jahre. Die junge Sophie wird von ihren Eltern zur Heirat mit dem reichen, älteren Großbauern Ignatz gedrängt. Wärme und Zuneigung erfährt und empfindet sie jedoch in dieser Ehe nicht. Erst als die anmutige Tierärztin Louise in die Gegend zieht, findet Sophie bei ihr das wahre Liebesglück. Doch eines Tages kommt Ignatz hinter die Liaison. Er bestraft Sophie, und Louise verlässt Adlerzell. Nach einem Jahr kehrt die Tierärztin unerwartet zurück und im Dorf beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Lang gehütete Geheimnisse werden gelüftet und ein verbissener Kampf um Liebe und Gerechtigkeit beginnt. Wird es für Louise und Sophie dabei eine zweite Chance geben?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 428

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (16 Bewertungen)
15
1
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Reinhard

Über die Autorin

Conny Reinhard wurde 1975 in Weinheim an der Bergstraße geboren und wohnt inzwischen in Saarbrücken. Nach Ausbildung und Studium im ökonomischen Bereich begann sie ihre Werktätigkeit bei einem sozialen Träger. Darüber hinaus arbeitet und engagiert sie sich seit vielen Jahren u.a. in freiheitlichen und schwul-lesbischen Bezügen, für die sie auch redaktionell und gestalterisch tätig ist, Schwerpunkte hierbei sind Emanzipationspolitik und kommunale Kulturarbeit. Zu erwähnen ist dabei besonders ihre Mitarbeit bei den Cinédames, eine Saarbrücker Gruppe von Lesben, die sich mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, die Darstellung von Frauen, insbesondere von Lesben, im Medium Film unter die Lupe zu nehmen und damit beizutragen, Frauen/Lesben wieder verstärkt sichtbar zu machen.

Ihre offiziell veröffentlichten Texte erstreckten sich bislang im nicht-belletristischen Bereich. Auf literarischer Ebene schreibt sie jedoch bereits seit Anfang des Jahrtausends, wovon das meiste Stilübungen und ein paar Fanfiction-Stories waren.

„Das Leuchten des Almfeuers” ist ihr erster publizierter Roman, dem natürlich noch viele folgen sollen.

Wer mehr über die Autorin erfahren möchte, kann dies gerne auf der Verlagshomepage www.HOMOLittera.com oder unter

Conny Reinhard

Das Leuchten des Almfeuers

Inhaltsverzeichnis

Das Leuchten des Almfeuers

Über die Autorin

Impressum

Widmung

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Nachwort

Danksagung

Programm

Herbstsplitter

Lesbian Summer Dreams

Sommergayflüster

Sekundensache

Endstation Wirklichkeit

Sündhafte Begierde der Verdammnis I und II

People Always Leave

One-Night-Stand mit Liebesfolgen

© Conny Reinhard, Das Leuchten des Almfeuers

© HOMO Littera Romy Leyendecker e. U.,

Am Rinnergrund14, 8101 Gratkorn,

www.HOMOLittera.com

Email: [email protected]

Coverfoto:

Portrait of a pretty woman at sunset © AngiePhotos – istockphoto.com

Swirly vectors Design Elements © VectorShots.com – Fotolia.com

Vektor im E-Book:

Swirly vectors Design Elements © VectorShots.com – Fotolia.com

Das Model auf dem Coverfoto steht in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des E-Books. Der Inhalt des E-Books sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Models aus.

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet.

Handlung, Charaktere und Orte sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist rein zufällig.

Die geschilderten Handlungen dieses E-Books sind fiktiv! Im realen Leben gilt verantwortungsbewusster Umgang miteinander und Safer-Sex!

Originalausgabe: November 2013

ISBN PDF: 978-3-902885-34-0

ISBN ePub: 978-3-902885-35-7

ISBN PRC: 978-3-902885-36-4

Samstag, der 10. September 1960

Dieser Tag sollte für Sophie zu einem der bedeutsamsten in ihrem ganzen Leben werden. Doch bis in die Nachmittagsstunden hinein lag noch keinerlei Zauber des Besonderen über ihm. Wie immer war die junge Tochter der armen Bergbauern Margarethe und Rudolph Stöckl in aller Herrgottsfrüh aufgestanden, um ihr Tagwerk auf dem Hof zu verrichten. Und wie jeden Samstag hatten die Eltern ihr danach den Nachmittag freigegeben.

Es gab halt nicht mehr viel zu tun, bis die Kirchenglocken die Stöckls und die anderen Gläubigen des Bergdorfes Adlerzell zum Gottesdienst riefen. Die Geißen und Hühner waren alle versorgt und die Gemüsebeete in Reihe gebracht worden. So hatte Sophie nun genügend Gelegenheit, ihre Seele baumeln zu lassen und eine unbeschwerte Zeit auf der Alm zu verbringen.

Das hübsche Bauernmädel mit dem geflochtenen, honigblonden Haar erfreute sich an dem sonnigen Tag und an der wunderbaren Blumenpracht der würzig duftenden Bergwiese. Summend pflückte Sophie einen Strauß Alpenveilchen, während sie durch das hohe Gras schlenderte. Ganz frohgemut fühlte sie sich, und dieses beschwingte Gefühl wollte Sophie nachher mit ihrer Mutter teilen, indem sie ihr die Blumen mitbrachte.

Nach einer Weile hatte sie genügend Veilchen gesammelt. Sophie rupfte lange Grashalme von der Wiese ab und band sie um den Strauß. Anschließend nahm sie ein Tuch aus ihrer Schürze, tränkte es mit dem Wasser aus dem Brunnen, der inmitten der Wiese stand, und wickelte es um die Stängel.

Ja, das wird der Mama gefallen, dachte Sophie zufrieden. Sie ging zurück zum Feldweg und setzte sich auf eine alte, morsche Holzbank. Ihr Blick fiel auf die Gipfel der erhabenen Berge, die gut tausend Meter von ihr entfernt waren. Der leicht ansteigende Weideplatz, auf dem die meisten Adlerzeller Bauern ihr Vieh grasen ließen, lag am Fuße dieser hohen Felsen. Erst waren sie noch von Tannen, Büschen und Gras bedeckt, wurden jedoch dann kahler und schroffer, und zuletzt ragten sie als nackte Schneegipfel weit zum Himmel hoch – ein majestätischer Anblick. Er ergriff Sophie stets von Neuem, obwohl sie doch diese Berge seit ihrer Geburt kannte. Seit nunmehr zweiundzwanzig Jahren.

Sophie streifte sich ihren Lederrucksack vom Rücken und nahm Papierblock und Bleistift heraus. Jetzt war es Zeit, sich ihrer wahren Passion zu widmen. Neben dem Handarbeiten war es das Zeichnen und Malen. Die Leute meinten, sie wäre darin sehr talentiert. Sophie hatte sogar auf den Märkten schon einige von ihren Bildern, Decken und auch Kleidern verkaufen können.

Eine ebenso große Freude bereitete ihr die Arbeit als Näherin unten im Dorf. Wie froh war Sophie damals gewesen, als die Eltern ihr erlaubt hatten, nach der Schule dort ihre Lehre zu machen. Jetzt war sie Gesellin und arbeitete zumindest den halben Tag noch bei der alten Witwe Schmidthammer in deren Schneiderbetrieb.

Am liebsten hätte sie den ganzen Tag nichts anderes gemacht. Aber die Schneiderin konnte ihr nicht den Lohn für eine volle Stelle zahlen und die viele Arbeit auf dem Hof stand dem zusätzlich entgegen. Das sah Sophie natürlich ein. Und nun konnte sie ja trotzdem einer ihrer Leidenschaften frönen.

Konzentriert machte Sophie sich ans Werk. Sie wollte eine Skizze der Berge zeichnen, um davon später zu Hause ein Aquarellbild zu malen. Flink ließ sie den Stift über das Papier huschen. Sie merkte dabei nicht, wie die Zeit verrann.

Nein, es gab wirklich nichts, was Sophie verriet, dass dieser Tag für große Veränderungen in ihrem Leben stand. Dass er ein Vorbote für die bittersüßen Geschehnisse war, die das Ende ihrer behüteten Kindheit und Jugend bedeuten würden. Sophie sollte schon bald unbeschreibliches Glück, aber auch bittere Not und Verzweiflung erfahren.

Von all diesen Verwerfungen ahnte Sophie nichts. Wie auch? Wie jeden Samstagnachmittag verbrachte sie ihre Freizeit auf der Alm und fing die Schönheit der Berge mit Stift und Papier ein. Und es gab keine Anzeichen, dass das Leben außer Arbeit und den friedvollen Stunden hier oben noch mehr für sie bereithielt.

Sie war gerade mit dem Bild fertig geworden, als sie aus der Ferne die Kirchenglocken läuten hörte. Sophie schaute auf. Es war mittlerweile sechzehn Uhr. Nun sollte sie langsam den Weg nach Hause antreten. Sie wollte ja noch baden und sich nicht zu sehr abhetzen, wenn sie sich zur Heiligen Messe fertig machen musste.

Sophie warf einen letzten Blick auf das grandiose Alpenpanorama und verstaute ihre Zeichen-Utensilien zurück in ihren Rucksack. Wie gerne wäre sie hier noch länger sitzen geblieben. Doch Sophie war ein pflichtbewusstes Mädel.

Seufzend schulterte sie ihren Rucksack. Sie stützte ihre beiden Hände auf die Bank und drückte die Arme durch, um sich schwungvoll zu erheben. Doch beim Aufstehen durchfuhr sie ein heftiger Schmerz an der linken Hand, der sie flugs wieder zurückfallen ließ.

Erschrocken besah sich Sophie die Handinnenfläche. Durch die schnelle Bewegung des Aufstehens hatte sich ein langer Holzspan ins Fleisch getrieben. Es tat höllisch weh.

Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Die Wunde fing nach den Momenten des Schocks sogar an zu bluten.

Vorsichtig streifte Sophie sich wieder den Rucksack vom Rücken und öffnete ihn, um ein Taschentuch herauszuholen. Da hörte sie plötzlich das lockere Geklapper von Pferdehufen. Überrascht hob Sophie den Kopf in die Richtung, aus der sie das Geräusch vernahm. Sonst verirrten sich nur selten Reitausflügler hier herauf. Aus dem Wald bog einer von ihnen auch schon auf den Feldweg ab und trabte mit seinem Pferd zu ihr hin.

Sophie stockte der Atem. Der Reiter schien einem Märchen entsprungen. In einem schwarzen Anzug thronte er stolz auf dem Rücken des Pferdes. Er hatte einen eleganten Zylinder auf dem Kopf und glänzende Stiefel an den Füßen. Und auch der prachtvolle Schimmel strahlte eine Anmut aus, die Sophie noch nie an einem Wesen wahrgenommen hatte.

Ja, die beiden mussten tatsächlich einem Märchen entsprungen sein – der Prinz und sein Ross.

Sophie konnte den Blick nicht abwenden. Sie fühlte sich magisch zu den beiden hingezogen. Doch etwas irritierte sie an dem Fremden. Was war es nur?

Sie studierte sein Aussehen genauer. Er war näher an sie herangeritten, sodass Sophie seine feinen Gesichtszüge erblicken konnte. Bergseeblaue Augen, die in einem leuchtenden Kontrast zu den langen, dunklen Wimpern standen. Mehrere widerspenstige schwarze Locken lugten unter dem Zylinder hervor und umrahmten das Antlitz mit den vornehmen Wangenknochen und den weich geschwungenen, roten Lippen.

Sophie nahm jedes Detail deutlich wahr, denn so ein schönes Geschöpf hatte sie wahrhaftig noch niemals gesehen. Ihre Irritation wurde größer, genau wie das stärker werdende Klopfen ihres Herzens und das Pochen in ihrem Bauch. Sie schaute an dem Reiter hinunter und konnte nicht umhin, die schlanken Rundungen seines Körpers zu bewundern. Ihr Kopf war ganz damit beschäftigt, ihre prickelnde Aufregung und diese Erscheinung einzuordnen.

Derweil hob der Reiter die Hand zum Gruß. Nur wenige Meter war er von dem Bauernmädel entfernt. Er stutzte, als er Sophies Blickkontakt erwiderte und auf sie hinuntersah.

Sophie wurde heiß und kalt zugleich, denn er hielt das Pferd an und seine Augen verweilten weiter auf ihrer Gestalt.

„Sie bluten ja! Lassen Sie sich helfen!“, sprach er besorgt mit voller weiblicher Stimme, die so sanft und liebreizend war, wie Sophie sie noch niemals gehört hatte.

Das weiche Antlitz? Die Rundungen? Die weibliche Stimme? Jetzt fiel es Sophie wie Schuppen von den Augen.

Er war eine Frau! Dieses wunderschöne, elegante, prinzengleiche Wesen war tatsächlich eine Frau! Eine junge Frau, vielleicht in ihrem Alter, oder höchstens zwei oder drei Jahre älter als sie selbst. Das erste Mal überhaupt sah sie eine Frau in einem Reitanzug. In ihrem Erstaunen konnte Sophie nur wortlos nicken.

Die Fremde sprang von ihrem Pferd und holte ein kleines Etui aus der Satteltasche. Dann machte sie mehrere Schritte auf Sophie zu.

„Keine Angst, ich kenne mich damit aus. Zeigen Sie mir bitte Ihre Hand“, sprach sie voller Fürsorge. Aufmunternd lächelnd setzte die Reiterin sich neben das verstummte Bauernmädel.

Sophie sah zu, wie die Frau das Etui öffnete und das Verbandszeug zum Vorschein kam. Erleichtert lächelte sie daraufhin ebenfalls und hielt ihrer Retterin die verletzte Hand hin.

„Vielen Dank“, wisperte sie, noch immer von der Schönheit ihres Gegenübers gefangen.

„Es ist mir eine Ehre.“ Sie nickte ihr hoheitsvoll zu, dabei intensivierte sich ihr Schmunzeln noch mehr, und nahm Sophies Hand in die ihre.

Die Berührung verschlug Sophie den Atem. Der Schmerz war verschwunden, und die Haut prickelte wohlig. Scheu schlug sie ihre Lider nieder. Diese Frau konnte nur eine Prinzessin sein. Oder eine Grafentochter! Drüben in Erlenhausen lebte doch der alte Graf. Bestimmt war sie sein Kind.

Die Edle untersuchte kurz ihre Hand und meinte: „Sie haben sich einen Holzsplitter in den Daumenballen gerammt. Ich werde ihn herausziehen und danach einen Verband anlegen.“

Sie holte eine kleine braune Flasche hervor und tupfte ein paar Tropfen von dem Inhalt auf ein Baumwolltuch. „Doch zuerst muss ich ihre Wunde desinfizieren.“ Sie rieb damit zügig über die verletzte Stelle.

„Aua!“, fuhr Sophie auf. Die Flüssigkeit brannte fürchterlich.

„Der Schmerz ist im Nu wieder weg. Das ist hochprozentiger Alkohol“, klärte die Schöne sie auf. „Jetzt muss ich Ihnen aber noch mal wehtun.“ Sie nahm eine Pinzette aus dem Etui und setzte an. „Und zwar jetzt!“ Mit einem jähen Ruck riss sie den Span aus dem Fleisch.

„Autsch!“, zuckte Sophie, aber sie musste dabei grinsen.

„Hier haben wir den Übeltäter!“, rief die Helferin lachend und hob triumphierend die Pinzette in die Höhe.

Sophie stimmte in das Lachen ein, und ihr wurde dabei ganz warm ums Herz. Sie war vollkommen im Zauberbann dieser fremden Schönheit gefangen. So spürte sie auch den Schmerz nicht, als diese wieder mit einem neuen Tuch den Alkohol auf den Handballen rieb. Versonnen betrachtete Sophie sie, wie sie danach einen kleinen Verband um die Verletzung legte.

„So, das hätten wir. Schauen Sie sich die Wunde heute Abend wieder an, ob sich keine Entzündung gebildet hat. Ich habe sie zwar desinfiziert, aber es könnte trotzdem sein, dass Keime hineingeraten sind.“ Die Fremde ließ zu Sophies Bedauern ihre Hand wieder los und verstaute die Pinzette zurück an ihren Platz.

„Ja, das werde ich tun. Haben Sie nochmals vielen Dank!“, hauchte Sophie entrückt.

„Gern geschehen!“ Zur Antwort bekam sie ein strahlendes Lächeln. Und einen tiefen Blick aus den bergseeblauen Augen.

Jetzt würde ihre Retterin Sophie wohl wieder verlassen. Dabei wusste sie nicht mal ihren Namen und wer sie eigentlich war. Sophie fasste sich ein Herz und fragte: „Woher können Sie das? Ein Arzt hätte das nicht besser vermocht.“

„Das liegt daran, dass ich bald auch eine Ärztin bin. Zwar eigentlich eine für Tiere, aber bei den Zweibeinern kann ich solch kleinere Dinge auch verarzten.“

„Oh!“ Sophie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Diese unbekannte Frau steckte wahrlich voller Wunder. Sophie wünschte sich sehnlichst, sie allesamt zu erfahren. „Werden Sie dann bald im Dorf oder drüben in Erlenhausen Ihre Praxis haben?“

„Nein, so weit bin ich noch lange nicht. Zunächst ist die Promotion an der Reihe. Ich lebe außerdem in Wien und bin nur übers Wochenende in Adlerzell zu Besuch bei meinem künftigen Doktorvater. Den müssten Sie eigentlich kennen: Professor Doktor Alois Schönberger heißt er.“

Sophie nickte. Der Professor war hier in der Gegend ein bekannter Mann; er lehrte zwar in Wien, aber an den Wochenenden befand er sich stets in seinem Heimatdorf. Gleichzeitig spürte sie traurige Enttäuschung in sich, dass die Fremde doch nicht in der Gegend wohnte.

Die junge Tierärztin legte ihren Reitzylinder auf der Bank ab und schüttelte anmutig die schwarze Lockenpracht aus, die ihr weit über die Schultern ging.

„Ich bin übrigens die Louise Weidinger.“ Sie streckte Sophie die Hand hin.

Allzu gern ergriff die Bauerstochter sie und erwiderte mit klopfendem Herzen: „Und ich die Sophie Stöckl. Ich lebe mit meinen Eltern auf einem Almhof. Ganz in der Nähe bei der Quelle des Tuchener Baches.“

„Schön, ich weiß, wo der liegt, da bin ich vorhin entlanggeritten“, sagte Louise Weidinger verstehend. Sie entdeckte den Zeichenblock auf der Bank. Sophie hatte ihn dort hingelegt, als sie in ihrem Rucksack nach einem Taschentuch gesucht hatte. „Oh, Sie malen ja, Fräulein Stöckl! Darf ich mal sehen?“

Mit gemischten Gefühlen reichte Sophie ihr das Papier. Einerseits war sie stolz, dass sich die Tierärztin für sie interessierte, aber andererseits genierte sie sich, denn eine Großstädterin, wie diese eine war, würde sich über die Malereien eines Bauernmädels gewiss königlich amüsieren.

Doch das Gegenteil war der Fall. „Sie haben viel Talent! Das merkt man schon allein an den Skizzen. Verdienen Sie sich damit etwas hinzu?“, lobte die Tierärztin sie aufrichtig. Ihre Augen konnten sich kaum von den Bildern lösen.

Jetzt machte Sophies Herz einen freudigen Sprung. Dieses edle Geschöpf machte ihr Komplimente! Ihr, dem armen Bauernmädel! In keiner Weise machte sie sich über sie lustig oder sah abwertend auf sie hinab. Ihre Scheu verschwand augenblicklich. „Ja, ein wenig. Wenn ich könnte, würde ich das gern zu meinem Beruf machen.“

Die beiden jungen Frauen begannen miteinander heiter zu plaudern und erzählten sich von ihrem jeweils so unterschiedlichen Lebensalltag. Die Zeit verging wie im Fluge. Und immer wieder starrten sie sich tief in die Augen.

Die Kirchturmuhr läutete siebzehn Uhr. Mit traurigem Gesicht schaute Sophie hinunter ins Tal. Nun wurde es höchste Eisenbahn, sich voneinander zu trennen. Die Eltern würden sonst sehr mit ihr schimpfen, wenn sie wegen ihr zu spät zum Gottesdienst kämen.

Die Tierärztin bemerkte ihre Miene. Auch sie blickte ernst. „Ich glaube, jetzt müssen wir leider beide wieder zurück. Der Professor erwartet mich.“

Sie erhoben sich von der Bank. Sophie schulterte ihren Rucksack. Louise Weidinger rief ihr Pferd, das auf der Weide gegrast hatte. Folgsam trabte es zu ihr. Die zukünftige Doktorandin verstaute das Etui in der Satteltasche und setzte ihren Zylinder auf.

„Es hat mich sehr gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen“, sagte Sophie tapfer, die jetzt von einer Welle der Trostlosigkeit übermannt wurde.

„Mich auch. Und gell, Sie passen ja gut auf Ihre Hand auf!“ Sie zeigte abermals ihr unwiderstehliches Lächeln, und ihre Augen blitzten zauberhaft.

Als Louise Weidinger wieder auf ihren Schimmel steigen wollte, fiel Sophie etwas ein. Eigentlich wollte sie der Mutter eine Freude machen, aber die sah sie ja jeden Tag und hatte somit noch viele Gelegenheiten, dies zu tun. Sie hob ohne zu zögern den Veilchenstrauß auf, der fast vergessen auf der Bank gelegen hatte.

„Warten Sie, Fräulein Weidinger! Ich möchte Ihnen gerne für das Verarzten und den Plausch danken.“ Sophie reichte ihr die Blumen entgegen.

Die schöne Tierärztin ging wieder einen Schritt zu ihr hin und nahm den Veilchenstrauß in Empfang. „Das ist wirklich sehr lieb von Ihnen. Herzlichen Dank!“, strahlte sie voll freudiger Überraschung.

Und dann tat sie etwas, was beide niemals mehr in ihrem ganzen Leben vergessen sollten: Die hochgewachsene Frau beugte sich etwas zu der Bauerstochter hinunter und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Wange.

Sophie ging diese sachte Berührung der vollen, roten Lippen durch Mark und Bein. Jede Faser ihres Leibes brannte lichterloh. Und es war ihr, als würde sie schweben. Sie streichelte selbstvergessen die Stelle und beobachtete wie in Trance, wie sich Louise jetzt endgültig aufs Pferd schwang.

Wie sehr wünschte sich Sophie, dass diese sie mitnehmen würde.

Heiser rief sie: „Leben Sie wohl, Fräulein Weidinger!“

„Na ja, vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Servus, Fräulein Stöckl.“ Die Tierärztin zwinkerte ihr zu. Sie nahm mit der einen Hand die Zügel, in der anderen hielt sie den Veilchenstrauß. Dem Pferd schnalzte sie zu und ritt mit ihm zurück in den Wald.

Sophie schaute ihr nach, bis sie aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Erneut fühlte sie sich zerrissen: Sie war glücklich, dieser Frau begegnet zu sein, die eine solch ungeahnte Faszination auf sie ausübte, und traurig, dass diese sie allzu schnell wieder verlassen hatte. Sophie hätte sie gern zur vertrauten, besten Freundin gehabt. Sie war sich sicher, die Stunden der Einsamkeit, die sie manchmal befielen, wären dann für immer Vergangenheit gewesen.

Sophie seufzte laut auf. Nun wollte sie sich wirklich lieber auf den Weg machen. Die Eltern erwarteten sie bereits.

Sechs Wochen später

Sophie ging über den Adlerzeller Marktplatz zu der Stelle, wo der Vater sie abholen wollte. Beschwingt schwang sie die beiden Körbe bei jedem Schritt. Fast alle ihre Handarbeiten und sogar sämtliche Aquarelle hatte sie auf dem Wochenmarkt verkaufen können.

In der ganzen Gegend waren ihre Malereien und Handarbeiten geachtet. Sie brachten einen guten Erlös, denn Sophie war darin sehr geschickt, obwohl sie niemals eine Kunstgewerbeschule hatte besuchen können. Dafür hatte das Geld der Stöckls damals nach der Volksschule nicht gereicht. So war Sophies Kunsthandwerk auch ein wichtiger Nebenerwerb, denn der karge Bergbauernhof brachte nur das Notwendigste zum Leben ein.

Sophie war indes froh darüber, dass sie sich mit ihrer Arbeit als Schneiderin unten im Dorf und eben auf diese Weise nützlich machen konnte. Obendrein bereitete es ihr auch großes Vergnügen.

Am Parkplatz angekommen, hielt Sophie verdutzt inne, als sie statt dem erwarteten alten Traktor des Vaters das schwere Automobil des vermögenden Großbauern Ignatz Boxleitner neben den Lieferwägen der Markthändler entdeckte. Auch dieser Umstand verwunderte sie, denn sein Gut, der stattliche Lindenhof, befand sich inmitten des Ortskerns von Adlerzell und war somit nur rund zweihundert Meter vom Marktplatz entfernt.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!