Das Märchen von dem Baron von Hüpfenstich - Clemens Brentano - E-Book

Das Märchen von dem Baron von Hüpfenstich E-Book

Clemens Brentano

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Beschreibung

Ein schauriges und zugleich absurd-komisches Märchen von einem Floh, der als Baron Hüpfenstich Karriere bei Hofe macht: Ein Floh wächst bei der neugierigen Prinzessin Willwischen auf, doch als diese 16 Jahre alt wird, will er nicht mehr länger so sein Dasein fristen. Der König macht ihn zum Baron, doch lehnt er eine Heirat der beiden ab. Prinzessin Willwischen und der Baron von Hüpfenstich fliehen deshalb und geraten in viele Gefahren und brenzlige Situationen. Schaffen sie es, trotzdem zu heiraten? Clemens Brentano (1778-1842) war ein deutscher Schriftsteller, der neben Achim von Arnim als Repräsentant der Heidelberger Romantik gilt. Nach einem abgebrochenen Medizinstudium lernte er in Jena die Vertreter der Weimarer Klassik sowie der Frühromantik kennen und wurde von ihnen in seinen ersten Schriften inspiriert. Seine bekanntesten Werke sind "Des Knaben Wunderhorn", das er zusammen mit Achim von Arnim herausgab, und "Godwi".

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Seitenzahl: 40

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Clemens Brentano

Das Märchen von dem Baron von Hüpfenstich

 

Saga

Das Märchen von dem Baron von HüpfenstichCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1847, 2020 Clemens Brentano und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726762570

 

1. Ebook-Auflage, 2020

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

 

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Hüpfenstich

In dem ehrlichen Lande regierte der König Haltewort, ein sehr guter, aber noch viel strengerer Herr, dann und wann auch sehr grob. Er hatte sehr viel zu tun, denn er hielt Wort, und seine Vorfahren waren so vielversprechende Herrn gewesen, dass er alle Hände voll hatte, für sie Wort zu halten, besonders da einer manchmal das Gegenteil vom andern versprochen hatte. Aber das machte ihn nicht irr. Er hielt immer recht wacker zu Wort. Sonst kümmerte er sich um nichts und war gar nicht neugierig; denn er fürchtete immer, er möchte ein neues Versprechen erfahren, das er halten müsse, und das wäre ihm fatal gewesen. Er lebte sehr friedlich in seinem Lande und hatte mit allen Königen der Welt einen Frieden geschlossen, welcher in den Worten bestand: „Tue mir nichts, ich tue dir auch nichts.“

Dieser gute König hatte eine Tochter, die sehr neugierig war und überall mit ihrem Näschen vornedran sein musste. Sie war so neugierig gewesen, zu wissen, wie es auf der Welt aussähe, dass ihre Mutter ihr noch gar die Wiege nicht zurechtgemacht hatte, als das Kind schon vom Himmel herab der Frau Mutter entgegenhüpfte, worüber die gute Königin, die gern alles in der Ordnung hatte, vor Schrecken starb, indem sie ihr Töchterlein ans Herz drückte und sprach: „Mein Kind will wissen, wie es auf der Welt aussieht, drum muss ich sehen, wie es im Himmel aussieht. Möge die Woche, um die du mir zu früh gekommen bist, dir einstens treue Dienste leisten!“ Nach diesen Worten starb die Königin, und die umstehenden Frauen zeigten dem herbeigerufenen König Haltewort den Tod der Königin und die Geburt seiner Tochter an.

Der König fragte vor allem: „Wie lauteten die letzten Worte meiner Gemahlin, damit ich sie ihr halten kann, da sie selbst gestorben ist?“ Da sagte die älteste Hofdame: „Sie sprach: Mein Kind will wissen“ — „So soll die Prinzessin heissen,“ sagte der König; „sie soll Prinzess Willwischen heissen, weil die sterbende Mutter sie so angeredet.“ Nun liess er sich noch die übrigen Worte der Verstorbenen sagen, aber da war nichts bei zu halten; nur dass die Woche, um die sie zu frühe gekommen, ihr grosse Dienste leisten solle, das konnte er nicht recht begreifen und nahm sich vor, viel darüber nachdenken zu lassen. Nun liess er die gute Königin ins Grab und das Kind Willwischen in die Wiege legen.

Eine grosse Sorge hatte der gute König jetzt, die plagte ihn sehr: er hatte seiner Gemahlin versprochen, er wolle, wenn sie vor dem Kinde sterbe, Mutterstelle an ihm vertreten. Wie er das machen sollte, wenn er Wort halten sollte, wusste er nun gar nicht, er liess auch darüber stark nachdenken. Und sieh da, nach einer halben Stunde kam der Hofnachdenker herein und sprach: „Ihro Majestät, haben Sie etwas heraus?“ Der König sagte: „Haben Sie etwas?“ Der Nachdenker sagte: „Ihro Majestät, ich habe nichts heraus“, und der König sagte: „Ich habe auch nichts.“ Da sagte der Nachdenker: „Da haben wir also alle beide nichts heraus;“ und nun gingen sie wieder frisch ans Nachdenken. Nach einigen Stunden kamen sie ebenso zusammen und gingen ebenso auseinander.

Nun hätten die Hofdamen dem Kind Willwischen gern eine Amme gegeben, aber Haltewort gab es nicht zu und sagte, er wolle schon Wort halten und selbst Mutterstelle vertreten. Zur grössten Verwunderung schien das Kind Willwischen gar keine Nahrung zu bedürfen, es ward dick und gesund, und der König glaubte, dass es bloss von seinem Nachdenken lebe. Endlich fiel es ihm einmal in der Nacht ein, dass eine gute Mutter manchmal nachts nach dem Kinde sehen müsse. Das liess er sich nicht zweimal einfallen, sondern sprang gleich beim erstenmal mit gleichen Beinen aus dem Bett und ging in die Nebenstube, wo die Wiege stand.